Organisch (eBook)
352 Seiten
Ullstein eBooks (Verlag)
978-3-8437-3639-8 (ISBN)
Tief in unserem Inneren wirken Kräfte, die uns Tag für Tag schützen, heilen und am Leben halten - meist, ohne dass wir es bemerken. Giulia Enders nimmt uns mit auf eine faszinierende Reise zu den unsichtbaren Helden unseres Körpers. Sie zeigt, wie unser Innerstes mit erstaunlicher Intelligenz auf Herausforderungen reagiert und uns immer wieder neue Wege aufzeigt. Mit anschaulichen Geschichten und neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen öffnet dieses Buch nicht nur die Augen für die Wunder in uns, sondern inspiriert dazu, dem eigenen Körper mit mehr Achtsamkeit und Vertrauen zu begegnen. Organisch ist ein leidenschaftliches Plädoyer dafür, das Leben von innen heraus zu verstehen - und zu lieben. Mit wissenschaftlicher Präzision und erzählerischem Charme öffnet dieses Buch Türen zu einer Welt, die uns täglich begleitet - und doch voller Geheimnisse steckt.
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Dr. Giulia Enders ist Ärztin und Autorin. 2014 veröffentlichte sie den Bestseller Darm mit Charme. Sie forschte in der Mikrobiologie, arbeitete als Ärztin und engagiert sich für die verständliche Vermittlung wissenschaftlicher Themen. Giulia Enders arbeitet als Ärztin für Gastroenterologie. Sie forschte für ihre Doktorarbeit am Institut für Mikrobiologie in Frankfurt am Main und wurde 2012 durch ihren Science-Slam-Vortrag Darm mit Charme bekannt, der zum YouTube-Hit und als Buch zum weltweiten Bestseller wurde.
Jill Enders ist diplomierte Kommunikationsdesignerin mit dem Schwerpunkt Wissenschaftsvermittlung. Sie arbeitete in Philadelphia, Berlin, Köln und Frankfurt. Für ihre Arbeit erhielt sie 2013 das Stipendium der Heinrich-Hertz-Gesellschaft. Sie hat ein Grafikbüro in Karlsruhe, wo sie unter anderem an der Hochschule für Gestaltung lehrte.
2
Sicherheit
Das Immunsystem
Bills Haus
In meiner Kindheit fuhren wir am Wochenende oft zu Bill.
Bill war der beste Freund meiner Oma Hedi, er war Pianist und kam aus Amerika. Beim Musikstudium in Heidelberg traf er auf die Liebe seines Lebens, blieb in Deutschland und kaufte ein Haus im Odenwald. Das Grundstück war komplett von einer dichten Hecke umgeben. Um in die Einfahrt zu kommen, musste meine Mutter aussteigen und ein Tor öffnen. Wenn wir hineinfuhren, sprangen die Kieselsteine unter den Autoreifen weg und machten dabei Klinkerklonker-Geräusche. Stand das Auto still, riss ich die Tür auf, hüpfte hinaus und atmete tief ein. Es roch nach Gras, Kühen, Heu und Wald. Die Haustür war immer offen, und meist saß Bill in seinem Sessel am Kamin.
Sobald meine Oma Bill sah, leuchtete ihr Gesicht auf. Meine Mutter wurde ganz weich. Meine Schwester, die sich vor Fremden oft die Hände vor die Augen hielt, war hier mutig und frei. Bill hatte diese Wirkung: Jeder Mensch – egal ob klein, groß, schief oder krumm – war für ihn genau richtig, so wie er war. Und irgendwie wurde dadurch jeder ein Stückchen besser, als er es noch außerhalb der Hecke von sich gedacht hätte.
Bill und meine Oma lernten sich in einer der schwersten Zeiten ihres Lebens kennen. Meine Oma war gerade von ihrem Mann verlassen worden – etwas, das in den Fünfzigerjahren noch zum Ausschluss aus der Kirche führte und dazu, dass die Nachbarskinder nicht mehr mit ihren Kindern spielen durften. So saß sie damals fest, in einer Vorstadt, mit grauen Röcken, engen Regeln, ondulierten Haaren, und weinte fast jeden Tag. Als sie Bill das erste Mal sah, spielte er bei einer Geburtstagsfeier auf dem Klavier ein trauriges Lied. Seine große Liebe war wenige Wochen zuvor bei einem Unfall umgekommen.
Die beiden wurden beste Freunde und blieben es ein Leben lang. Unter der Woche telefonierten sie jeden Tag. An den Wochenenden brachte meine Oma ihre Kinder mit. Sie kochten, schauten Filme, musizierten und redeten bis spät in die Nacht. Als meine Mutter und ihr Bruder erwachsen wurden, brachten sie ihre Freunde mit in den Odenwald, später erste Schwärme und Liebeleien und schließlich uns Kinder.
Über die Jahrzehnte sammelte sich eine bunte Gemeinschaft zusammen. Bei großen Abendessen erzählte Bill mit trockenem Humor von seinen vielen Reisen, und der ganze Tisch krümmte sich vor Lachen. Meine Oma stellte die ungewöhnlichsten Fragen, und so wurde es nie langweilig. Wer einmal zu Besuch war, kam wieder. In einem Sommer hoben zwanzig Freunde ein Loch im Garten aus und bauten einen Pool. Als hätte er von der Aktion nichts mitbekommen, machte Bill sich einen Witz daraus, voll bekleidet in das Wasser zu plumpsen. Ein andermal backte ein Freund einen Käsekuchen, der so köstlich war, dass meine Oma ein Stück davon konservieren ließ und in einer Glasvitrine im Wohnzimmer ausstellte (es hielt sich über zwanzig Jahre).
An Geburtstagen kamen hundert oder zweihundert Gäste, die Bill und meine Oma tatsächlich alle gut kannten. Für viele waren sie wie zweite Eltern. Nicht wenige hatten in schweren Zeiten bei ihnen Unterschlupf gefunden, waren von den sanften Fragen und der großen Akzeptanz geflickt und wieder aufgebaut worden und kehrten gestärkt aus Bills Haus in ihr Leben zurück. Sogar der anfangs skeptische Bauer um die Ecke mochte Bill und nickte respektvoll beim Vorübergehen. Hinter der Hecke hatte Bill einen Ort geschaffen, an dem sich Menschen sicher fühlten. Und zwar auf eine Art, die für die meisten neu war. Nicht die dichte Hecke oder das hohe Tor machten die Sicherheit aus, sondern das Gefühl, wirklich verstanden und mit allen Eigenarten und Schwächen gemocht zu werden. Dieses Gefühl erleichtert es, mit Schwierigkeiten umzugehen und Stärke aus Schönem zu ziehen.
Selbst wenn es vorkam, dass Bills Vertrauen von jemandem ausgenutzt wurde (dann fehlte eine teure Lampe oder Geld aus der Schublade im Gang), machte er sich einen Spaß daraus und versteckte sein altes Gebiss in der Anrichte oder bastelte die Lampe aus Nudeln nach. Auf diesem Weg lebte er besser, als er es in einer abgeschirmten Villa je getan hätte.
Bill und meine Oma begriffen etwas, das sie allen mitgaben, ohne es auszusprechen: Der sicherste Ort ist kein Ort ohne Risiko. Der sicherste Ort ist ein Ort der Lösungen. Es ist ein Ort, an dem mit Unerwartetem, Fremdem und Schädlichem umgegangen werden kann – ebenso wie mit Vertrautem und Hilfreichem.
Das System der Sicherheit
Immer diese Kampf- und Kriegsmetaphern, wenn es ums Immunsystem geht: Bakterien werden zerlöchert, Viren abgewehrt, Haut und Schleimhäute fungieren wie Schutzwälle. Komplett falsch sind diese Beschreibungen nicht – doch was machen die Immunzellen eigentlich in der restlichen Zeit? Also gerade jetzt, jetzt … und jetzt? Basiert unsere Sicherheit wirklich ausschließlich darauf, alles irgendwie Suspekte oder Schädliche anzugreifen?
Zwar fokussierte sich die Forschung lange auf solche Angriffsthemen – schließlich wollten wir begreifen, was bei Krankheit passiert –, doch inzwischen wissen wir: Unser Immunsystem ist mitnichten darauf aus, andauernd Kämpfe zu führen. Es hat primär ein anderes Ziel: Es möchte uns möglichst gut kennenlernen. Dafür stellt es täglich hundert Milliarden neugieriger Zellen her.
Immunzellen werden im Inneren des Knochenmarks gebildet (vor allem in Becken und Brustbein). Von dort rauschen sie über Gefäße zum Herz und lassen sich von ihm durch die Adern pumpen. So gelangen sie überallhin, wo Blut fließt – von der Kopfhaut über die Darmzotten bis zu den Zehen. Einige von ihnen wandern aus den Gefäßen in das umliegende Gewebe und sehen sich an, was dort vor sich geht.
Einen besonders intensiven Austausch pflegen die sogenannten Killerzellen (ihren Namen konnten sie sich nicht selbst aussuchen). Schwirren sie durch den Körper, tasten sie unsere Zellen ab. Der Handschlag – oder nüchterner: Kontaktpunkt – wird von Zellrezeptoren vermittelt, an denen die Killerzellen andocken. Bei jedem Kontakt geht es um die Frage: Was hast du heute so gemacht?
Unsere Körperzellen sind auf diese Treffen vorbereitet. Von den Proteinen, die sie tagsüber herstellen, heben sie extra ein Stückchen auf und präsentieren es den Killerzellen exklusiv an ihrer Oberfläche. Bei den allermeisten Treffen sagen diese dann aha oder gut, gut und schwimmen einfach weiter. Nur ab und zu – und das ist wirklich die Ausnahme – kommt stattdessen ein Oh.
Für ein »Oh« gibt es in der Regel zwei Gründe. Einmal kann es sein, dass eine Zelle zur Krebszelle mutiert ist. Außerdem ist möglich, dass die Zelle von einem Virus infiziert wurde. In beiden Fällen stolpern die Killerzellen über suspekte Proteine und geben der Zelle ein Alarmsignal. Spricht nichts dagegen, baut sich die Zelle ab. Killerzellen helfen bei diesem Abbau, sodass er möglichst vorsichtig und gefahrlos gelingt. Jede Woche entgehen wir dank ihrer Arbeit Krebserkrankungen oder Virusinfektionen, ohne etwas davon mitzubekommen. Dass es dennoch zu Krebserkrankungen kommt, liegt meist daran, dass Tumorzellen lernen, sich zu verstecken (zum Beispiel, indem sie Kontaktpunkte abbauen).
Andere Abgesandte, sogenannte Fresszellen, haben eine pragmatischere Herangehensweise als die Killerzellen. Sie legen wenig Wert auf Details. Für ihre Arbeit reicht es aus, grob zu wissen, ob es uns einigermaßen gut geht oder überhaupt nicht. Statt sich nach einzelnen Proteinen zu erkundigen, verlassen sie sich auf typische Muster: Finden sie im Gewebe ein ungefährliches Bakterium vor und allen Zellen drum herum geht es gut, machen sie kein großes Ding draus. Merken sie allerdings, dass in diesem Gebiet Körperzellen leiden oder sogar beschädigt wurden, schalten sie um, nehmen fremde Bakterien in sich auf, holen andere Fresszellen hinzu und stimmen miteinander ab, ob sie den restlichen Immunzellen auch noch Bescheid geben.
Neben den Fress- und Killerzellen gibt es eine Reihe weiterer: Granulozyten, dendritische Zellen, verschiedene Vorläufervarianten … und weil fast jede Zellart uns auf eine andere Weise erkundet, macht es Sinn, dass sie sich untereinander austauschen. Immunzellen, die eine Vermittlerfunktion haben, können den Ton dieser Debatten anheizen oder besänftigen. Absolute Vorreiter auf diesem Gebiet sind die T-Helferzellen. Sie beruhigen Killerzellen oder stacheln sie auf – je nachdem, was ihrer Meinung nach gerade richtig ist. Das ist das Vier-Augen-Prinzip des Immunsystems (nur ohne Augen).
Ginge es Immunzellen ausschließlich darum, »Böses« zu suchen und es zu bekämpfen, könnten sie sich das ganze Kennenlernen sparen – es würde reichen, einfach zu studieren, was »schlecht« ist. Doch für das Immunsystem ist Selbstkenntnis wichtiger. Setzte es all seine Kapazitäten dafür ein, »Suspektes« zu erkennen, stieße es spätestens im Darm an seine Grenzen. Für eine Immunzelle ist er der krasseste Ort, an den sie reisen kann. Andauernd werden hier völlig fremde Stoffe angeliefert, reiben an den Darmwänden und gelangen sogar ins Blut. Die Welt ist groß – täglich könnten wir etwas in den Mund nehmen, das unseren...
| Erscheint lt. Verlag | 28.8.2025 |
|---|---|
| Illustrationen | Jill Enders |
| Verlagsort | Berlin |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik ► Naturwissenschaft |
| Technik | |
| Schlagworte | Achtsamkeit • Bestseller • Darm mit Charme • Depression • Ernährung • Fitness • Gehirn • Geist • Geschenk • Gesundheit • Haut • Immunsystem • Körper • Lernen • Lunge • Muskeln • Organe • Organische Chemie • Ratgeber • Sachbuch Bestseller • seelisches wohlbefinden • Stress • Wahrnehmung • wohlfühlen |
| ISBN-10 | 3-8437-3639-1 / 3843736391 |
| ISBN-13 | 978-3-8437-3639-8 / 9783843736398 |
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