Zum Hauptinhalt springen
Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de
Klimageschichte der Südharzer Klosterlandschaft -  Hans-J. Dammschneider

Klimageschichte der Südharzer Klosterlandschaft (eBook)

Kloster Walkenried
eBook Download: EPUB
2025 | 3. Auflage
116 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7693-7338-7 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
5,49 inkl. MwSt
(CHF 5,35)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Aufstieg und ´Fall´ des Klosters Walkenried erfolgten zwischen 1130 und 1430ad, also in einem Zeitraum von rd. 300 Jahren. In dieser Phase der Geschichte stieg nicht nur das Kloster wahrnehmbar auf, sondern auch die mittleren Temperaturen kletterten markant nach oben: Zwischen 1130 und 1230 um rd. +0,3 0C/100 Jahre. In den nächsten 150 Jahren jedoch fielen diese angenehmen Lufttemperaturen wieder um 0,6 Grad C ab (-0,4 0C/100 Jahre). Für die Lebensbedingungen waren natürlich nicht nur diese Temperaturen wichtig, sondern (vor allem für das Pflanzenwachstum und somit die Ernten) auch die Sonnenscheindauer. Wie die bis ins Jahr 900ad rückverfolgbaren sogenannten AMO-Indexwerte zeigen, haben die mit der Westwinddrift aus dem Raum des Atlantiks zyklisch bis Europa eindringenden latenten SST-Energiemengen einen signifikanten Einfluss auf die Wolkenbedeckung, somit auf die Sonnenscheindauer und entsprechend auf die Lufttemperaturen, nicht nur in Deutschland insgesamt, sondern natürlich auch in der Südharzer Klosterlandschaft und Walkenried selbst. Das klösterliche Wirtschaftsleben ab 1200 mag vom Bergbau geprägt gewesen sein, die Grundlagen des ´Über´-Lebens liefert das Nahrungsangebot. Es musste nicht nur kontinuierlich, sondern vor allem auch quantitativ ausreichen, um eine zu dieser Zeit stark anwachsende Bevölkerung zu ernähren. Negative klimatische Veränderungen, wie sie offenbar ab 1300 einsetzten, hatten hier erhebliche Folgen. Auch für das Kloster Walkenried. Der sogenannte ´Grosse Hunger´ zwischen 1315 und 1322, wie vor allem auch die Magdalenenflut im Jahr 1342, rissen im wahrsten Sinne des Wortes die Ernährungsgrundlagen in Deutschland in erheblichem Umfang weg. Dieser sicherlich als Schock´ wahrgenommene Einschnitt ist jedoch für das Kloster Walkenried nicht dokumentiert. Warum? Weil dies Walkenried gar nicht betraf? Das ist eher unwahrscheinlich. Dass das Kloster Walkenried im Verlauf des 14. Jahrhunderts einen markanten Abstieg nahm und ab 1500ad sogar zunehmend marginalisiert wurde, kann aber unter Beachtung der allgemeinen klimatischen Randbedingungen (und dem damals den Naturgewalten eher machtlos ausgelieferten Agrar- und Wirtschafts-system) dann doch nicht überraschen. Die Kriege, die nachfolgend im 15. Jahrhundert auch Walkenried tangierten, trafen in jedem Fall auf eine tendenziell geschwächte Bevölkerung bzw. ein insgesamt vermutlich angeschlagenes Kloster.

Klimawandel


Die Zeit von 850/900 bis 1300/1400 n. Chr. (siehe Abb. 14) zeichnete sich durch vergleichsweise überdurchschnittlich hohe Temperaturen in der Nordhemisphäre aus, insbesondere im Vergleich zur anschließenden „Kleinen Eiszeit“. Klimainformationen aus dieser Warmzeit (und der anschließenden relativen Kaltzeit) stammen hauptsächlich aus Rekonstruktionen, die anhand von Proxydaten versuchen, die damaligen Witterungsverhältnisse zu beleuchten (GLASER 2001).

Dieses mittelalterliche Klimaoptimum war gekennzeichnet durch besonders hohe durchschnittliche Temperaturen im Vergleich zu den vorhergehenden und nachfolgenden Jahrhunderten. Gemäss der von LÜNING seit 2016 umfassend zusammengetragenen Sammlung und Auswertung von weltweit durchgeführten Untersuchungen zur MWP gilt dies nahezu global (siehe online-Kartierung/ http://t1p.de/mwp) mit Stand Oktober 2022).

Die erste im IPCC assessment report von 1990 veröffentlichte Darstellung der Temperaturen des Mittelalters zeigen (allerdings nur unter Angabe der relativen Verhältnisse in Grad C, siehe SMERDON & POLLACK 2016), dass es während der Startphases des Klosters Walkenried um rd. 1,3 Grad wärmer gewesen wäre als in der nachfolgenden „Kleine Eiszeit“ im 16./17.Jahrhundert. Spätestens mit LJUNGQUIST (2010) verringert sich dieser ´Absturz´ aber auf nur noch rd. 0,9 Grad C (siehe Abb. 6).

Abb. 2: Temperaturveränderungen zwischen 900 und 1900 A.D. (IPCC 1st assessement report 1990, Abbildung aus SMERDON & POLLACK 2016)

Nach dem späteren Bericht des IPCC in 2007 (Climate Change AR4, Abb. 3) zeigt sich, dass die durchschnittliche Temperatur auf der Nordhemisphäre ab dem Jahr 800 kontinuierlich anstieg und etwa zwischen 1150 und 1300 ein Maximum erreichte. Laut diesen Rekonstruktionen wäre es während der MWP im Vergleich zur heutigen mittleren Temperatur um geringe 0,1-0,2 Grad Celsius kühler gewesen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die mittlere Temperatur zwar allgemeine Trends aufzeigt, aber die ungleichmäßige räumliche Verteilung der Temperaturanomalien zu erheblichen regionalen Unterschieden führt. Leider haben numerische Modelle immer noch Schwierigkeiten, diese Verläufe zu simulieren, besonders wenn eine höhere räumliche Auflösung erforderlich wäre.

Der Klimawandel während der mittelalterlichen Warmzeit (MWP) hin zu höheren Temperaturen wird nach aktuellem Wissensstand unter anderem darauf zurückgeführt, dass die solare Einstrahlung zwischen 900-1000 und 1050-1200 besonders hoch war. Insbesondere während der zweiten Periode lag sie etwa um +0,5 W/m2über dem Durchschnitt der Jahre 1000 bis 2020 (siehe Abb. 3).

Der IPCC gibt für den Zeitraum 2011-2020 einen globalen (!) Durchschnittswert von +0,27 Watt/m2an, der allein durch Treibhausgase verursacht wurde. Im Jahr 2020 beträgt die durchschnittliche Abweichung der solaren Einstrahlung vom langfristigen Mittelwert etwa +0,6 Watt/m2. Gleichzeitig wird für Deutschland ein solarer Strahlungswert von durchschnittlich 110-140 Watt/m2pro Jahr oder 0,3-0,4 Watt/m2pro Tag angegeben, in anderen Quellen liegt dieser Wert bei etwa 0,6 Watt/ m2. Diese Zahl schließt eigentlich den Anteil von CO2 bereits ein. Wichtig ist hier zu betonen, dass die 0,3-0,4 Watt/m2nicht als Abweichung vom Durchschnitt, sondern als absoluter Wert der Solarstrahlung verstanden werden sollten. Die tatsächliche Abweichung liegt bei etwa 0,6 Watt/m2.

Die o.g. 0,27 Watt/m2pro Tag durch CO2 (und andere anthropogene Gase) haben laut IPCC zu einer aktuellen globalen Temperaturerhöhung von etwa 1,1 Grad Celsius geführt. War die solare Einstrahlung während der MWP auf einem ähnlichen Niveau wie heute (damals +0,5 Watt/m2über dem Durchschnitt, heute +0,6 Watt/ m2über dem Durchschnitt), erklärt dies in der Tat die damalige Warmzeit, selbst ohne einen Anstieg des CO2-Niveaus (siehe aber auch CO2-Anstieg durch Abholzung).

Fazit: Während heute (im Jahr 2020) eine Abweichung von +0,6 Watt/m2pro Tag (einschließlich eines CO2-bedingten „Aufschlags“ von 0,27 Watt/m2) zu höheren durchschnittlichen Temperaturen führt, war dies während der MWP bei nahezu gleichen oder geringfügig niedrigeren solaren Strahlungswerten (Abweichung +0,5 Watt/m2) ebenfalls der Fall – und das möglicherweise ohne einen CO2-Anstieg. Die Temperaturen während der MWP lagen etwa 0,8 Grad Celsius über dem langfristigen Mittel (1000-2020), während sie in den letzten Jahren unserer Zeit etwa +0,9 Grad Celsius über diesem Mittel lagen.

Die erhöhte solare Einstrahlung allein erklärt jedoch nicht die räumlichen Unterschiede in der Erwärmung auf der Nordhemisphäre. Ein weiterer wichtiger Faktor, besonders für den Nordatlantikraum, könnte die positive Phase der Nordatlantischen Oszillation (NAO, siehe Abb. 15) sein. Als ein möglicher Auslöser dieser positiven Phase wäre eine Kopplung an die Verhältnisse im Pazifik denkbar. Nach einer erhöhten solaren Einstrahlung entwickelte sich dort über Jahrzehnte hinweg ein meridionaler Gradient der Wasseroberflächentemperatur, ähnlich einer negativen Phase der El-Niño-Southern-Oscillation (ENSO), was die Innertropische Konvergenzzone nach Norden verschob. Diese Störung wurde dann vermutlich durch atmosphärische Wellen (Telekonnektion, siehe Anhang 1) Richtung Atlantik transportiert, was eine positive NAO-Phase auslöste. Diese Phase führte zur Bildung eines starken Tiefdruckgebiets über Island und eines starken Hochdruckgebiets über den Azoren, was wiederum stärkere Westwinde verursachte und mildere, niederschlagsreichere Winter in Europa begünstigte. Diese „Logik“ erklärt die besonders starke Erwärmung in Europa im Vergleich zur restlichen nördlichen Hemisphäre.

Zusätzlich zu den genannten Hauptfaktoren ist auch das Fehlen großer Vulkanausbrüche zu erwähnen (siehe Abb. 3), die andernfalls zu einer Abkühlung hätten führen können. Auch die veränderte Landnutzung spielte eine Rolle: Die grossflächigen Rodungen in Europa führten einerseits zu einer Abkühlung durch eine höhere Albedo. Denn die zuvor dunklen Wälder, die weniger Sonnenstrahlen reflektierten, wurden durch hellere Felder und Wiesen ersetzt, die mehr Strahlung zurückwarfen. Andererseits könnte die Verbrennung des Holzes zu einer Erhöhung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre beigetragen haben. Darüber hinaus hatten die neuen Nutzflächen, wie Wiesen und Getreidefelder, eine geringere Evapotranspiration als die zuvor dominierenden Wälder, was tendenziell zu einer Erwärmung führen konnte.

Dennoch besteht eine Wissenslücke, wenn es darum geht, wie konkret und wie stark der Klimawandel nach dem sogenannten Optimum der Mittelalterlichen Warmzeit (MWP) tatsächlich war, insbesondere auf lokaler Ebene. Anders gesagt: Gibt es Hinweise darauf, dass klimabedingte Veränderungen die Lebensbedingungen beeinflussten? Wie intensiv waren die lokalen Veränderungen der Feuchteund Temperaturbedingungen, beispielsweise im Südharz und damit in der Klosterlandschaft von Walkenried, und lassen sich diese vielleicht sogar qualitativ (Pollenzusammensetzung) oder quantitativ, etwa durch Ernteerträge, messen?

Hier besteht definitiv weiterer Forschungsbedarf. Klimawandel ist ein zentrales Thema unserer Zeit, und es ist entscheidend, ihn zu verstehen und realistisch einzuschätzen. Ein umfassendes Verständnis des Klimawandels erfordert jedoch auch Kenntnis seiner Vorgeschichte und der Abfolgen von Veränderungen in der Vergangenheit.

Die Abläufe in der Atmosphäre, die wir als „Wetter“ bezeichnen und die in der Meteorologie erforscht werden, sind niemals rein zufällig. Die sichtbaren und messbaren Wetterphänomene, die wir langfristig und statistisch als „Klima“ zusammenfassen, resultieren aus Prozessen, die sich in komplexen Abhängigkeiten entwickeln. Großräumige Zusammenhänge spielen dabei eine entscheidende Rolle, wie zum Beispiel die Auswirkungen der atlantischen Zyklen auf das europäische Wetter und Klima (siehe z.B. LÜDECKE et al. 2020). Auch die Mittelalterliche Warmzeit war stark von den Bedingungen im Atlantik geprägt, wo damals höhere Wassertemperaturen herrschten. Die Tatsache, dass die Wikinger zu dieser Zeit Grönland besiedelten, ist ein deutlicher Hinweis darauf. Zudem gab es eine intensivere Sonneneinstrahlung, was durch Proxydaten belegt ist (siehe oben).

Abb. 3: Nach Darstellungen/Daten in IPCC 2007, Climate Change AR4 , Fig. 6.10-6.13, verändert nach https://bildungsserver.hamburg.de/themenschwerpunkte/klimawandel-und-klimafolgen/klimawandel/mittelalterliche-warmzeit-746922Anmerkung: Der Kurvenverlauf nach 1850 wird hier bewusst ausgeklammert, da es sich dann nicht mehr um Proxydaten handelt, sondern um direkt instrumentell gemessene Werte … was methodisch nicht zu Proxys vergleichbar ist und daher offenbar auch zur sogenannten und stark umstrittenen Darstellung einer ´Hockey-Stick´ artigen Temperaturkurve führte, die hier ausgespart wird.

Die Abbildung 3-5 illustrieren...

Erscheint lt. Verlag 5.2.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Technik
ISBN-10 3-7693-7338-3 / 3769373383
ISBN-13 978-3-7693-7338-7 / 9783769373387
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 5,5 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Multifunktionsgurt für die Feuerwehr

von Ivo Ernst

eBook Download (2025)
Kohlhammer Verlag
CHF 10,70