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Das Geheimnis der Zeit -  Hubertus von Puttkamer

Das Geheimnis der Zeit (eBook)

Warum Zeit nicht immer gleich Zeit ist
eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
392 Seiten
Books on Demand (Verlag)
9783769372625 (ISBN)
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Wie lange dauert eine Sekunde? Warum scheint die Zeit im Alter oft zu rasen? Wie ist das Verhältnis der Künste zum Phänomen der Zeit? Was messen wir eigentlich, wenn wir die Zeit messen? Der Autor dieses Buches analysiert in einem umfassenden Essay und 66 sich anschließenden Fragen und deren Antworten "Das Geheimnis der Zeit". Sein Interesse gilt den Naturwissenschaften, sowie den kulturellen und gesellschaftlichen Hintergründen eines Phänomens, das bis heute als terra incognita gilt. Ein zusätzliches Angebot von ausgesuchten Internet-Links bietet dem Leser die Möglichkeit einer weiterführenden Auseinandersetzung in eigener Regie und ergänzt diese interessante Einführung zum Thema Zeit.

2. Der duale Weg der Zeitkultur

Alles in der Welt – vom Größten zum Kleinsten, vom Universum bis zum Atom – befindet sich in steter Veränderung. Im Erleben dieses permanenten Wandels erfährt der Mensch die Zeit.

„Panta rhei – Alles fließt."

2.1 Mensch und Zeit: eine komplexe Verbindung

Die Zeit begegnet uns in allem, was wir tun, denken und fühlen. Ihr unaufhörliches Voranschreiten erleben wir als fließende Gegenwart. Sie ist allgegenwärtig, die Vorstellung einer Welt ohne die Zeit ist undenkbar. Im Alltag erscheint sie uns vertraut und selbstverständlich wie das Wetter.2 Unbeeinflussbar und fast immer unbemerkt begleitet die Zeit unser Dasein – „unattentional blindness" nennen die Engländer diese Unentdecktheit. Durch die Zeit wird unser Leben in einem episodischen Nacheinander strukturiert – in jedem Augenblick, zu jeder Minute, an jedem Tag, von der Stunde der Geburt bis zum Augenblick des Todes. In unseren individuellen Vorstellungen von der Zeit liegt aber auch die Antwort auf die Frage, warum wir so leben, wie wir leben. Für die Menschen – die einzigen zeitbewussten Wesen der Erde – ist die Zeit deshalb von fundamentaler Bedeutung.

Zeit bildet die Grundlage unseres naturwissenschaftlich geprägten Weltbildes. Sie strukturiert den Alltag und prägt damit die von uns wahrgenommene Wirklichkeit, wobei diese jedoch nur ein – durch die Beschränktheit unserer Sinne – reduziertes Modell der wahren Weltrealität darstellt.

Den meisten Menschen begegnet die Zeit das ganze Leben lang einzig und allein in Gestalt einer linear ablaufenden Uhrzeit. Für sie reduziert sich die Beschäftigung mit

der Zeit auf eine organisatorische Herausforderung im täglichen Zeitmanagement. Mithilfe von Uhr und Kalender, den beiden „Werkzeugen für die Zeit", gelingt es dem Menschen, sich erfolgreich in den drei Grund modi der Zeit zu orientieren: die Vergangenheit, die es einzuordnen und zu verarbeiten gilt, die Gegenwart, die zu leben und zu gestalten ist, und die Zukunft, die vorausgeahnt und geplant werden will.

Doch so gut sich das Zeitphänomen auch hinter den temporalen Anforderungen des Lebensalltags verbirgt, gibt es dennoch Momente im Leben eines jeden Menschen, in denen er sich schlagartig der umfassenden Bedeutung der Zeit bewusst wird: Der Tod eines nahestehenden Menschen macht ihn betroffen und lehrt, die Begrenztheit allen Lebens zu begreifen – in solchen Augenblicken erkennt er besonders die Kostbarkeit seiner eigenen Lebenszeit.

Zeit – welch weites Feld! Eine ernsthafte Beschäftigung mit der Zeit führt erstaunlich schnell zu der Erkenntnis, dass dieses Phänomen weit komplexer und tiefgründiger ist, als es auf den ersten Blick erscheint. Erste Versuche eines intuitiven oder intellektuellen Verstehens enden häufig in widersprüchlichen Scheinerkenntnissen. Ein gedankliches Nachvollziehen von Reflexionen anderer über die Zeit zwingt den philosophischen Laien oft auf dornige und unübersichtliche Wege, auf denen er unterschiedlichen, ja sogar widersprüchlichen Zeitkonzepten und Vorstellungen begegnet. So bleiben die Versuche, sich die Zeit verständlich zu machen, in der Regel im Dickicht komplizierter und sich manchmal sogar ausschließender Auffassungen und Definitionen stecken.

Im vorliegenden Buch wird ein anderer Zugang versucht. Für eine erfolgreiche erste Annäherung an das Zeitphänomen erscheint es vielversprechender, sich dem Thema nicht gleich als Ganzes zu nähern, sondern es in einer bescheideneren Weise mittels spezifischer Fragen zu erforschen, die jeweils immer nur einen Teilaspekt der Zeit beleuchten.

Der deutsche Kinderbuchautor MICHAEL ENDE hat den mysteriösen Doppelcharakter der Zeit in seinem preisgekrönten Märchenroman „Momo" (1973) wunderbar poetisch beschrieben:

Es gibt ein großes und doch ganz alltägliches Geheimnis. Alle Menschen haben daran teil, jeder kennt es, aber die wenigsten denken je darüber nach. Die meisten Leute nehmen es einfach so hin und wundern sich kein bisschen darüber. Dieses Geheimnis ist die Zeit. Es gibt Kalender und Uhren, um sie zu messen, aber das will wenig besagen, denn jeder weiß, dass einem eine einzige Stunde wie eine Ewigkeit vorkommen kann, mitunter kann sie aber auch wie ein Augenblick vergehen – je nachdem, was man in dieser Stunde erlebt. Denn Zeit ist Leben.

Aufgrund der vielschichtigen Struktur der Zeit und ihrer damit allgegenwärtigen Präsenz bleibt ihre elementare Bedeutung, sowohl für das Individuum als auch insbesondere für die Gesellschaft als Ganzes, unbestritten. Eine Bestätigung finden wir bei dem US-amerikanischen Ökonomen und Publizisten Jeremy Rifkin. Er eröffnet (!) sein vieldiskutiertes Buch „Uhrwerk Universum" (1988) mit folgender Erklärung:

Zeit ist etwas Grundlegendes. Sie ist das Prinzip, das unserem physisch-biologischen System zugrunde liegt. Zeit ist zugleich auch die Sprache des Geistes, die unser Verhalten formt und unsere Persönlichkeit definiert. Zeit ist das Instrument, welches Gruppenaktion und damit die kulturelle Evolution ermöglicht (...). Die Zeit ist unser Fenster zur Welt. Mit der Zeit schaffen wir Ordnung und gestalten die Welt, in der wir leben.

„Zahl oder Adler!", hieß es bei uns früher immer, wenn wir in unseren Kinderspielen die Münzen für eine Entscheidung warfen. Genauso wie ein Geldstück zwei unterschiedliche Seiten hat, lässt sich auch die Zeit auf zwei unterschiedliche Arten betrachten. Sie gehören zwar unzertrennlich zusammen, sind jedoch grundverschieden.

Abbildung 1: Quantitative und qualitative Zeit

Abbildung 2: Rückblick auf die Entwicklung der Zeitkultur, log, Maßstab

Abbildung 3: Der duale Weg der Zeitkultur; maßstabsfreie Gegenüberstellung der geistigtheoretischen Entfaltung und der praktischsozialen Zeitaspekte

Um das Phänomen Zeit in seiner Vielfältigkeit kennenzulernen, bietet es sich an, einen Blick auf die wechselhafte Entwicklungsgeschichte unserer Zeitkultur zu werfen. Dabei soll es aber nur um die allerwichtigsten Entwicklungsstufen und Brüche gehen; auf dem Weg von der Entdeckung des Feuers bis zu unserem heutigen Zeitverständnis. Dabei lässt sich feststellen, dass sich die Bedeutung der Zeit enorm verändert hat – besonders drastisch in den letzten zweihundert Jahren.

Charakteristisch für den gesamten Entwicklungsweg des Verhältnisses von Mensch und Zeit ist die seit der Neuzeit nicht gleichförmig lineare, sondern stufenweise bzw. sprunghafte Entwicklung der Zeitkultur mit teilweise großen Zwischenräumen (siehe Abbildung 2). In Jahrmillionen evolutionär entwickelte und in unsere Gene eingeschriebene Rhythmen der Natur-Zeit werden zunehmend verdrängt durch die Taktung einer künstlichen Zeitwelt der Uhren.

Die Entwicklung unserer Aneignung der Zeit entfaltet sich dual auf zwei Pfaden (siehe Abbildung 3) und ist durch große Zeitsprünge gekennzeichnet:

Zeit – der praktisch-materielle Pfad, der die quantitative Zeit abbildet (rechte Seite) – spiegelt den nie ruhenden, experimentierenden Forschergeist des homo faber wider, der versucht, den steten Strom der Zeit mithilfe ständig weiterentwickelter Instrumente immer besser und präziser aufzuteilen, zu messen und zu ordnen, um endlich vollends Herr der Zeit werden zu können. Letztendlich wird ihm dieses Unterfangen aber nicht so ganz gelingen, denn die ursprünglich angestrebte Rollenverteilung von Herr und Knecht scheint sich in der Moderne geradezu ins Gegenteil verkehrt zu haben. Davon wird später noch ausführlich die Rede sein. Der rechte Pfad verkörpert den Siegeszug der Uhr. Produktion und Qualität der Zeitmessgeräte gelingen immer perfekter. Gegenwärtig hat die Zeitmessung dank der Atomuhren in puncto Genauigkeit und Zuverlässigkeit ein Maß an Präzision erreicht, das kaum noch zu steigern ist.

ZEIT – der theoretisch-virtuelle Pfad, der die qualitative Zeit abbildet (linke Seite) – veranschaulicht die kulturgeschichtliche Entwicklung anhand der großen Denker und Wissenschaftler, die maßgebliche Beiträge zum Verständnis des Zeitphänomens geleistet haben. Auf dem Schema in Abbildung 3 (und etwas ausführlicher in Abbildung 8) sind nur die allerwichtigsten Persönlichkeiten erwähnt. Dabei zeigt sich, dass in der historischen Abfolge nacheinander zuerst die Philosophie (Altertum), dann die Religion (Mittelalter) und in der Moderne schließlich die Naturwissenschaft (Physik) die jeweilige Deutungshoheit über die Zeit besitzen.

Erst gegen Ende des Mittelalters – initiiert von der epochalen Erfindung der mechanischen Räderuhr – beginnt ein wahrer Siegeszug der Zeit, der in der Moderne beängstigend schnell in jenem „rasenden Stillstand"3 mündete, der kennzeichnend für unsere heutige Gesellschaft ist.

Abbildung 4: Klassische Sanduhr, ca. 1680

Abbildung 5: Faksimile des "Nürnberger Ei", sog. Bisamapfeluhr

2 Interessanterweise wird für die beiden im Deutschen so unterschiedlichen Begriffe Zeit und Wetter...

Erscheint lt. Verlag 13.1.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Technik
ISBN-13 9783769372625 / 9783769372625
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