Kleinbahn Kiel Segeberg 1911-1961 (eBook)
132 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7568-7328-9 (ISBN)
Volker Griese, Dipl.-Ing. und Privatgelehrter, ist seit 1986 literaturwissenschaftlich tätig. Neben regionalgeschichtlichen Essays verfasste er u.a. Biografien über die holsteinischen Autoren Iven Kruse und Dietrich Theden, novellenartig zugespitzte Darstellungen entscheidender Momente der Schleswig-Holsteinischen Landes- und Kriminalgeschichte, Schriftstellerchroniken zu Detlev von Liliencron und Erich Mühsam, eine Ortschronik sowie ein annotiertes Personenregister zum Werk Walter Kempowskis. Auch erfolgte u.a. die Herausgabe eines Auswahlbandes mit Briefen/Karten Karl Mays darüberhinaus die Übersetzung und Kommentierung dreier lebensnaher Erfahrungsberichte von amerikanischen Trappern aus dem 19. Jh.
Der Bau
Nach Jahren des Redens, Abwägens und Planens konnten die Arbeiten endlich beginnen. Die Streckenführung erfolgte dabei zwischen Bornhöved u. Stolpe nahezu auf der Anfang der 1840er Jahre geplanten Alternativtrasse der Altona-Kieler-Eisenbahn. Und während die Behörden noch mit den Genehmigungsverfahren und Einsprüchen vor Ort beschäftigt waren, schuf die Berliner Eisenbahnbau- und Betriebsgesellschaft ›Lenz & Co.‹ entlang der Trasse Tatsachen. Die Bauern Duggen und Riecken, auf deren Feldern die Gleise und der Wankendorfer Bahnhof geplant waren, erhielten die Aufforderung, sofort ihr Getreide abzumähen. Gleichzeitig wurden 100 Arbeiter angekündigt, die von Wankendorf aus in umliegende Ortschaften verteilt werden sollten.
Zum Bahnbau Kiel-Segeberg. Für den Bahnbau Kiel-Bornhöved-Segeberg treffen hier tagtäglich große Mengen Baumaterials und sonstige Gerätschaften aus Hamburg ein. Ein Teil dieser Sendungen ist an verschiedenen Stellen der Stadt niedergelegt worden, so auf der Ziegelei und auf dem Schinderkamp, das übrige ist mittels Rollfuhrwerks nach Blunk weiterbefördert worden. Die Nivelierungsarbeiten für den Bahnbau haben bereits begonnen. Die Erdarbeiten nehmen am 5. August ihren Anfang und zwar in Wellsee, Warnau, Stolpe-Wankendorf, Tensfeld-Blunck und Niendorf-Segeberg; am 10. August beginnen an diesen Orten die Baggerarbeiten.
In Wankendorf wird auf der Nordseite des Ortes, auf Hufner Duggens Koppel, der Anfang gemacht. Sonntag sollen dort 100 Bauarbeiter eintreffen, die vorläufig bei Gastwirt Gust. Schlüter einquartiert werden. Der Bahnhof kommt an der Südseite des Dorfes, auf Wilh. Rieckens Koppel zu liegen, welcher Hufner das stehende Getreide zu dem Zwecke bereits abmähen läßt.
Die Vorarbeiten zur Errichtung des Segeberger Personen-Bahnhofs, der bekanntlich auf dem Gebiet des Seminargartens zu stehen kommt, sind neuen Dispositionen zufolge etwas hinausgeschoben worden; Gärtner Ramm wird dort also vorläufig noch wohnen bleiben und seinen Gärtnereibetrieb aufrechterhalten.
Aus Bornhöved wird mitgeteilt, daß der Vorsitzende des dortigen Bahnkomitees, Gastwirt Rauert, demnächst in Bornhöved einen Vortrag halten wird, in dem er Aufklärung über die Gründung der Kleinbahn-Aktiengesellschaft sowie über die Wahlen des Vorstandes und Aufsichtsrats derselben geben werde, da diese Gründung und die Wahl des Vorstandes von mancher Seite ganz falsch aufgefaßt würden. In derselben Versammlung wird Herr Rauert dann auch um Entlastung von dem Amte als Vorsitzenden des Bahnkomitees bitten, wozu ihn die Gemeinde Bornhöved vor circa 7 Jahren wählte. Es ist bekannt, daß sich der Genannte um das Zustandekommen der Bahn eifrigst bemüht hat, und wenn der langersehnte Wunsch Bornhöveds, eine Bahnverbindung zu bekommen, endlich verwirklicht werden konnte, so hat Herr Rauert, der mit zäher Ausdauer und ungeachtet aller Verdrießlichkeiten und pekuniärer Opfer auf sein Ziel losmarschiert ist, hieran ein großer Verdienst. Das weiß die Einwohnerschaft Bornhöveds wohl zu würdigen. (›Segeberger Kreis- und Tageblatt. Segeberger Zeitung‹, 2.8.1910)
Inzwischen war im Juli eine erste Ladung von Schienen aus Stettin im Kieler Hafen gelöscht worden. Als offizieller Baubeginn der Normalspurbahn (1435 mm) gilt dabei der 28. Juli 1910, doch die ersten vorbereitenden Arbeiten an den Gleisanlagen, den Bahnhöfen, den Gebäude für die Frachtaufbewahrung nebst Warteraum und Toiletten, sowie die Rampen und Brücken über die Staatsbahngleise, Wege und Flüsse begannen erst am 5. August, und zwar zeitgleich von Wellsee, Warnau, Stolpe, Wankendorf, Tensfeld, Blunck sowie Klein Niendorf und Segeberg.
Schon wenige Tage später hieß es: »In Wankendorf sind ca. 50 Arbeiter beim Bahnbau Kiel-Segeberg beschäftigt, die sich dort teils in den Gastwirtschaften einlogierten und teils Privatwohnungen gemietet haben. Von Wankendorf bis nahe nach Stolpe sind die Schienen für die Lowrys [Loren] gelegt, zwei große Lokomotiven für den Transport der Erdmassen sind dort bereits eingetroffen. In der Nähe von Kielerkamp wird eine Kantine erbaut.« Tage später erfolgte die Anlieferung eines Greifbaggers am Wankendorfer Staatsbahnhof, der dann nach Kielerkamp bei Stolpe verbracht wurde. »Mit welch freudigen Gefühlen die Einwohnerschaft Bornhöveds den Bau der Bahn Kiel-Segeberg begrüßt, das lehrte der feierliche Empfang des ersten Baumaterials, das hier dieser Tage anlangte. Die Rollwagen wurden festlich geschmückt, und unter Voranschritt der Musikkapelle gings zum Marktplatz, wo sich der Zug nach den Klängen des Chorals ›Nun danket alle Gott‹ auflöste.«
In Segeberg waren inzwischen zwei »Feldbahn-Lokomotiven« eingetroffen.31 Die eigentlichen Arbeiten begannen dort am 13. August mit zunächst 40 Personen, darunter auch »mehrere weibliche Erdarbeiterinnen«. Mit Hilfe einer 60-cm-spurigen Feldbahnlokomotive führten sie die umfangreichen Erdarbeiten, so lange es hell war, von morgens früh bis abends spät durch. Als dann auch noch aufgrund des lehmhaltigen Untergrundes die Leistungsfähigkeit der Arbeiterinnen und Arbeiter an ihre Grenzen geriet, legte eine ganze 27-köpfige polnische Kolonne am 21. September ihre Arbeit nieder. Der Kolonnenführer berichtete der Zeitung, dass man sich nach Kiel zum Kanalbau begeben werde, da wäre die Arbeit leichter.32 Inzwischen war auch mit den vorbereitenden Arbeiten zum Bau des Kleinbahnhofs in Gaarden begonnen worden. Mehrere Häuser mussten dafür abgerissen werden. Den Einwohnern war zum 1. August gekündigt worden.
»Segeberg, 28. August. Die Erdbewegungen für den Bahnbau Kiel-Bornhöved-Segeberg sind bei Blunk und Tensfeld ziemlich erheblich. Im Moor bei Blunk ist man jetzt mit der Aufschüttung des Bahndammes beschäftigt. Mittels eines Arbeitszuges werden die Kiesmassen nach dem Moor befördert. Bei Stolpe tritt der Bagger in Tätigkeit. Anfang September beginnt in Bornhöved der Brückenbau und man hofft, dass wenn diese Arbeit beendet ist, was in 8 Wochen geschehen soll, die richtigen Bahnarbeiten dort ihren Anfang nehmen werden. Der amtliche Plan für den Bahnhof Bornhöved liegt bis zum 9. September d. Js. zu Jedermanns Einsicht beim dortigen Gemeindevorsteher Hauschildt aus.« (›Segeberger Kreis- und Tageblatt. Segeberger Zeitung‹, 30.8.1910)
Noch peilte man als Eröffnung der Strecke den 1. September 1911 an. Und entsprechend der kostengünstigen Planung kamen die Bauarbeiten meistens auch schnell voran. Wo immer möglich verzichtete man auf die Errichtung eines großen Bahndammes. Die Schwellen wurden nur mit geringem Schotter verlegt und selbst bei Querungen in den Dörfern keine Schrankenanlagen installiert. Doch es gab auch immer wieder Verzögerungen, wie am 26. September 1910 am Ihlsee bei Segeberg. Hier hatte man einen Damm aufgeschüttet, aber der moorige Untergrund hielt dem Druck nicht Stand und wich zur Seite: »Auf den Fortgang der Bahnarbeiten hat diese Schwierigkeit natürlich keinerlei Einfluß, höchstens wird die Fertigstellung der Arbeiten dadurch etwas verzögert; die Moorflächen werden eben solange mit Erdmassen bedeckt, bis die Senkungen des Bahndammes aufhören.«33
Mehrmals wöchtentlich berichteten die Zeitungen von den Baustellen, vom Baufortschritt, von Problemen aber auch von Unglücken. Wie am Sonntag den 9. Oktober, als mehrere Kinder die unbeaufsichtigte Baustelle bei Stolpe zum Spielplatz erkoren und eine Lohre anschoben, um damit zu fahren. Dabei geriet ein vierjähriges Kind unter die Räder: Beide Beine wurden abgetrennt. Es wurde sofort nach Kiel in die damaligen Akademischen Heilanstalten, heute Universitätsklinik, gebracht. Es wurde reagiert, und ab sofort hob man leere Lohren nach Arbeitsschluss aus den Schienen. Das hielt aber die größeren Kinder nicht davon ab, sie wieder auf die Schienen zu setzen. So kam es am 12. März 1911 wieder zu einem Unglücksfall, als mehrere Kinder auf einem abschüssigen Abschnitt bei Bornhöved gegen eine mit Schienen beladene stehende Lohre stießen. Ein Junge brach sich das Bein und wurde besinnungslos.34
Doch auch Arbeiter verletzen sich immer wieder. Wie im November, als bei Tensfeld der Bahndamm plötzlich unter einer Moorlinse nachgab, eine Lohre zu Seite kippte und einen danebenstehenden Arbeiter schwer verletzte. Auch bei Groß Rönnau kamen während der Arbeiten an Brückenbauwerk und Bahndamm zwei Arbeiter zu Schaden, ein anderer erlitt andernorts einen Schädelbruch, überlebte aber.
Der hohe Damm und das 14 m lange Brückenbauwerk über die Trave bei Groß Rönnau (Aufnahme Detlev Luckmann, 2.12.1961).
Im November waren in Segeberg dann auch schon die Rampe und die Brückenpfeiler über die Hamburger Straße fertiggestellt, so dass die damit beauftragte Altonaer Firma Seidler & Spielberg mit dem Bau der Eisenbrücke beginnen konnte. Wegen des schlechten Wetters wurden die Arbeiten an der gesamten Baustelle am 17. Dezember eingestellt und erst nach Neujahr wieder...
| Erscheint lt. Verlag | 15.9.2023 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Technik |
| ISBN-10 | 3-7568-7328-5 / 3756873285 |
| ISBN-13 | 978-3-7568-7328-9 / 9783756873289 |
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