Tanger Transit (eBook)
460 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-347-98176-8 (ISBN)
Claus G. H. Mayer ist Theaterregisseur, Werbe- und Versicherungsfachmann. Über mehr als 20 Jahre hat er viele Reisen nach SW-Europa und NW-Afrika unternommen. Mit Geländewagen, Wohnwagen und Motorrad unterwegs, hat er Land und Leute hautnah kennen und schätzen gelernt. Bis der Wunsch in ihm entstand, mit diesem Buch auf die wahre Natur des 'afrikanischen Problems' hinzuweisen und zu dessen besserem Verständnis beizutragen.
Claus G. H. Mayer ist Theaterregisseur, Werbe- und Versicherungsfachmann. Über mehr als 20 Jahre hat er viele Reisen nach SW-Europa und NW-Afrika unternommen. Mit Geländewagen, Wohnwagen und Motorrad unterwegs, hat er Land und Leute hautnah kennen und schätzen gelernt. Bis der Wunsch in ihm entstand, mit diesem Buch auf die wahre Natur des "afrikanischen Problems" hinzuweisen und zu dessen besserem Verständnis beizutragen.
01. Der Sturm …
… hatte nicht nachgelassen.
Durch das Rauschen des Windes in den Bäumen und das leise Schaukeln des Autos wurde Cotter sanft geweckt. Ihm war kalt.
Fröstelnd verkroch er sich tief in seinen Schlafsack und zog sich die Kapuze weit über die Augen. Das Tageslicht war noch recht schwach, von der wärmenden Sonne war nichts zu sehen.
Doch irgendwann schälte sich Cotter seiner Blase zuliebe doch aus dem Schlafsack und pinkelte an den Hinterreifen seines Toyota. Der Weg zur Toilette war ihm zu weit.
Anschließend kroch er zitternd wieder in seine Höhle, nur um genau zu dem Zeitpunkt festzustellen, dass er nicht weiter würde schlafen können, als er endlich den Reißverschluss seines Schlafsacks zugefummelt hatte.
So kroch er abermals aus seinem Auto, um sich dem kalten Levante entgegenzustemmen. Im März war der Wind wirklich ungemütlich. Von der Wärme, die die Andalusier ihm zuschrieben - er blies aus Süden, aus Afrika, war nichts zu spüren, es war einfach nur saukalt.
Cotter suchte einen einigermaßen windgeschützten Platz für den Einflammenkocher auf der blauen, fünf Kilo schweren Gasflasche. Gas brauchte er eine Menge, auch wenn er sich nur morgens einen Kaffee zubereitete. Der Wind zerfetzte die Hitze unter dem Topf, sodass es sehr lange dauerte, bis das Wasser heiß genug wurde für einen Pulverkaffee mit Süßstoff und Milchpulver. Alles, was Cotter bei sich hatte, war auf das Notwendigste reduziert - und Süßstoff nahm weniger Platz ein als Zucker und Milchpulver weniger als Milch.
Wegen des Windes musste Cotter mindestens einen Liter Wasser in den Topf geben, sonst würde er dem Wasser nachrennen müssen, also konnte sich auf eine lange Wartezeit für das Kaffeewasser einstellen und diese rauchend überbrücken.
Nachdem Cotter das Wasser aufgesetzt hatte, holte er sich eine wärmende Jacke und seinen Hut aus dem Auto, um seine langen Haare zu bändigen, die in die Glut der Zigarette geweht wurden. Rauchend setzte er sich in einen feuchten Stuhl.
Zum Schlafen trug Cotter immer eine sandfarbene „Freizeithose“ mit Balkentaschen an den Oberschenkeln sowie ein T-Shirt. Und nun saß er also müde, fröstelnd und rauchend in Freizeithose, Hut, Winterjacke und marokkanischen Riemensandalen vor seinem Auto an einem leeren Klapptisch im stürmischen Wind, starrte über die Straße von Gibraltar nach Afrika, wartete auf sein Kaffeewasser und fühlte sich rundum zufrieden.
Cotter liebte Camping.
Der Campingplatz schmiegte sich in wunderschön angelegten Terrassen an den Berg am Meer, mit allem bewachsen, was in diesem Klima gedieh und schön war. Von den meisten Terrassen hatte man einen atemberaubenden Blick über die Meerenge von Gibraltar auf das Rif-Gebirge, Tanger und das westlich von Tanger gelegene Kap, den westlichsten Teil Afrikas, einen gewaltigen Felsen, der Land und Wasser zu begrenzen scheint. Wohl deshalb wurde dieser Punkt zusammen mit dem gegenüberliegenden Felsen von Gibraltar in der Antike auch für das westliche Ende der mediterranen Welt gehalten.
Cotter war immer bestrebt, sich eine Terrasse auszusuchen, die ihm diesen Blick bot, allein der war schon eine Reise wert, sowie genügend Abgeschiedenheit gegenüber dem Rest des Campingplatzes ermöglichte. Mit den Bade- und Wohnmobiltouristen wollte er privat so wenig wie möglich zu tun haben. Und wenn er sie weder sah noch hörte, konnten sie ihn auch kaum stören.
Eine so abgeschiedene Terrasse zu finden, war außerhalb der Sommersaison in der Regel kein Problem.
Die jungen Camper mit ihren kleinen Iglu-Zelten besuchten diese Küste hauptsächlich zum Windsurfen. Schließlich war hier an einen Badeurlaub mit tagelangem Liegen am Strand wegen des starken Windes nicht zu denken. Und egal, wie eng es auch war: Zum Aufschlagen ihrer Zelte bevorzugten die Surfer oft das Gelände unmittelbar am Wasser. Jeder Meter, der sie von der Brandung trennte, schien ihnen ein Meter zu viel zu sein. Deshalb tummelten sie sich gern direkt am Strand, der wunderschöne Berg Gibraltars war den meisten von ihnen vermutlich nur von Weitem bekannt.
Cotter selbst reagierte stets mit Befremden auf die Enge, die an der Wasserkante herrschte. Ein Zelt stand neben dem anderen, während der etwas weiter vom Wasser entfernt liegende Teil des Campingplatzes doch Ausbreitungsmöglichkeiten in Hülle und Fülle bot.
Und die älteren Touristen, meist im Rentenalter und mit Wohnwagen und Wohnmobilen unterwegs, wurden einfach durch die Topografie des Platzes ferngehalten. Denn für die großen Wohnmobile und Gespanne war der Anstieg auf den Berg meist zu steil und zu eng.
Oft hatte Cotter schon schmunzelnd wahre Dramen beobachten können. Waren die Kurven an der steilen Straße zu eng, stellten die „Kampfrentner“, wie er sie bei sich nannte, die unbedingt einen ganz bestimmten Platz erreichen wollten, dies oft erst fest, nachdem sich das Gespann oder der Wohnlaster hoffnungslos zwischen Mauern, Bäumen und dem Abhang verkeilt hatte. Dann waren lang anhaltendes Geschrei, aufheulende Motoren, kratzendes Metall und brechender Kunststoff die Folge. Besonders amüsant konnte der Vorgang werden, wenn das Fahrzeug drohte, sich selbständig zu machen, und, sobald der Gang herausgenommen wurde, langsam rückwärts rollte, was manche der autobahnverwöhnten Naturfreunde weit über ihre fahrerischen Kapazitäten hinaus forderte. Manchmal konnte ein solches Schauspiel auch stundenlange Unterhaltung bieten - also ein idealer Platz für Cotter.
Ein Schwindelgefühl riss Cotter aus seinen Gedanken. Wahrscheinlich rührte es von den Zigaretten auf nüchternem Magen und der frühen Morgenstunde her, die keineswegs Gold im Munde hatte, sondern den Geschmack nach Fischfett und Knoblauch trug, den Resten des gestrigen Abendessens.
Er sprang auf und ging zum Kocher, nur um sofort wieder umzudrehen. Er hatte seine Tasse vergessen, auch war diese noch gar nicht vorbereitet. Vier Löffel Instantkaffee, sechs Löffel Milchpulver und acht Tabletten Süßstoff - Cotter hatte einen Sinn für Ordnung und eine gewisse Symmetrie. Das Gebräu, das sich aus dieser Mischung durch Hinzufügen von mehr oder weniger warmem Wasser herstellen ließ, würde schon dafür sorgen, dass er seinen Kreislauf wieder in Schwung brachte.
Die Gedanken an die Wohnmobilspezialisten erinnerten ihn an den Grund, warum er hier war.
Cotter akquirierte auf den Campingplätzen an der Costa de la Luz Teilnehmer für seine geführten Touren durch Nordafrika, vor allem durch Marokko. Das Angebot richtete sich stets an Selbstfahrer, das konnten Wohnmobile, Wohnwagengespanne oder auch Gruppen von Geländewagenfahrern sein. Zusätzlich hatte Cotter noch eine Homepage erstellt, die er weltweit aus jedem Internetcafé abrufen konnte oder aber auch mit seinem eigenen kleinen Computer, sofern er ein Funknetz hatte und Strom. Da Cotter diese Reisen unternahm, um Geld zu verdienen, war er stets bemüht, kleine Gruppen zusammenzustellen, da sich ansonsten die Reiseorganisation nicht lohnte.
Dieser Verdienst und noch einige Mieteinnahmen seines vermieteten Hauses ermöglichten Cotter ein recht sorgenfreies Leben - zwar am unteren Ende der Konsumskala, aber Cotters Lebensgefühl entsprach dieses Leben total.
Cotter kleidete sich an. Der Kaffee hatte ihn doch zu nervös gemacht, als dass er sich wieder in sein Auto hätte legen können. Ein Spaziergang wäre bei diesem Wind sicher nicht schlecht, dachte er, während er sich seine engen Jeans zuknöpfte. Als er seine Füße in die von der Nacht noch klammen Stiefel quälte, beschloss er, sich heute vom Levante an den bei diesem Wetter und zu dieser Jahreszeit einsamen Stränden ordentlich durchblasen zu lassen. Cotter schien, dass der Wind mit aufsteigender Sonne zugenommen hatte.
An solchen Tagen konnte man mit etwas Glück sogar Kif, das marokkanische Haschisch, am Strand finden, sofern man morgens früh genug unterwegs war.
Stürmische Nächte waren das bevorzugte Wetter für Zigaretten- und Drogenschmuggler, Schleuser und Menschenhändler. Falls die in irgendwelche Schwierigkeiten gerieten, sei es ein technischer Defekt oder Seenot oder dass ihnen die spanische Küstenwache oder der Zoll zu nahe kamen, warf man die belastende illegale Fracht einfach über Bord. Bei Levante wurden sie dann an die Strände nordwestlich von Tarifa getrieben. Deshalb wurden die Strände jeden Morgen von der Guardia Civil abgefahren, um sie am späteren Vormittag makellos den Touristen überlassen zu können. Aber als Fußgänger konnte man an Stellen, die nicht mit den serienmäßigen Geländefahrzeugen der Guardia zu erreichen und auch nicht von den Patrouillenbooten einzusehen waren, schon so einiges finden.
Nicht dass Cotter selbst das Zeug rauchen würde, die Zeiten waren längst vorbei, aber es gab immer jemanden, dem man mit einem kleinen Fund ein nettes Geschenk machen konnte. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.
Die nahe Strandkneipe war noch...
| Erscheint lt. Verlag | 5.7.2023 |
|---|---|
| Mitarbeit |
Sonstige Mitarbeit: Heike Thormann Cover Design: Heike Thormann |
| Verlagsort | Ahrensburg |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
| Literatur ► Krimi / Thriller / Horror | |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Geisteswissenschaften ► Philosophie ► Ethik | |
| Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
| Technik | |
| Schlagworte | Abschiebung • abschiebung asylbewerber • Abschiebungen • abschiebungen flüchtlinge • abschiebung flüchtling • abschiebung flüchtlinge • Afrika • afrikaflüchtling • afrikaflüchtlinge • Algerien • Amnesty International • Andalusien • Asyl • Asylant • Asylanten • Asylbewerber • asylbewerberinnen • Asylsuchende • Asylsuchender • Asylverfahren • Auswanderung • Berber • Binnenvertreibung • Binnenvertriebene • binnenvertriebener • Boat people • bootsmigranten • bootstragödie • bootstragödie mittelmeer • bootstragödien • bootstragödien mittelmeer • Bootsunglück • bootsunglücke • bootsunglück marokko • bootsunglück tunesien • Bürgerrechtsbewegung • Bürgerrechtsorganisation • Ceuta • Einwanderer • Einwanderung • Emigrant • Emigranten • Emigrantinnen • Entwicklungshilfe • Entwicklungspolitik • entwicklungspolitiker • ernste literatur • Essaouira • EU • Europa • Europäische Union • FES • Flucht • Flucht Afrika • Fluchtbewegung • Fluchtbewegungen • Fluchthilfe • Flüchtling • flüchtling afrika • flüchtling aus afrika • Flüchtlinge • flüchtlinge afrika • flüchtlinge aus afrika • Flüchtlingsboot • Flüchtlingsboote • Flüchtlingshilfe • flüchtlingshilfe afrika • Flüchtlingshilfswerk • Flüchtlingskrise • Flüchtlingspolitik • Flüchtlingsproblem • Flüchtlingsstrom • flüchtlingsstrom afrika • flüchtlingszahlen • flüchtlingszahlen afrika • flüchtlingszug • flüchtlingszug afrika • Flüchtlingszustrom • flüchtlingszustrom afrika • flüchtlingszuzug • flüchtlingszuzug afrika • Fluchtroute • Fluchtrouten • Fluchtursachen • Fluchtweg • Fluchtwege • Gegenwartsliteratur • Hilfsorganisation • Hilfsorganisationen • Illegal • Illegale • illegale aus afrika • Illegale Einwanderer • Illegale Einwanderung • illegale Migranten • Illegale Migration • illegaler • illegaler aus afrika • illegale tour • Immigrant • Immigranten • Immigrantinnen • Marokkaner • Marokkanerin • marokkanerinnen • marokkanische menschenschmuggler • Marokko • marokkoreise • marokkourlaub • Melilla • Menschenhandel • Menschenrechtsbewegung • Menschenrechtsorganisation • Menschenschmuggel • Menschenschmuggler • Migrant • Migranten • Migrantin • Migrantinnen • Migration • migration afrika • Migrationsdruck • Migrationsströme • migrationszug • migrationszuzug • Mittelmeer • Mittelmeerroute • moro • Moros • NGO • NGOs • Nichtregierungsorganisation • Nichtregierungsorganisationen • Nordafrika • Polisario • Politisches Asyl • PRO ASYL • Reise Marokko • Sahara • Schiffsunglück • Schiffsunglücke • schiffsunglücke flüchtlinge • schiffsunglück flüchtlinge • Schlauchboot • schlauchboote • Schlepper • Schleuser • Spanien • Tanger • Tarifa • tragödie mittelmeer • tragödien mittelmeer • Transfer • Transit • Tunesien • Urlaub Marokko • Westsahara • Wüste • Zuwanderung • zuwanderung afrika • zuwanderung nordafrika • Zuwanderungspolitik |
| ISBN-10 | 3-347-98176-6 / 3347981766 |
| ISBN-13 | 978-3-347-98176-8 / 9783347981768 |
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