Lehrbuch Biblische Seelsorge (eBook)
330 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-347-40160-0 (ISBN)
Roland Antholzer ist Diplompsychologe und verheiratet. Nach langjähriger Tätigkeit mit verhaltensgestörten Kindern/Jugendlichen und in einer Fachklinik für Suchtkranke widmete er sich seit 1985 nebenberuflich und seit 1993 vollzeitlich der Gemeindeaufbauarbeit sowie der Schulungs- und Vortragstätigkeit im Bereich Seelsorge. Er ist Studienleiter der GIBB e.V. und Autor mehrerer Bücher.
Roland Antholzer ist Diplompsychologe und verheiratet. Nach langjähriger Tätigkeit mit verhaltensgestörten Kindern/Jugendlichen und in einer Fachklinik für Suchtkranke widmete er sich seit 1985 nebenberuflich und seit 1993 vollzeitlich der Gemeindeaufbauarbeit sowie der Schulungs- und Vortragstätigkeit im Bereich Seelsorge. Er ist Studienleiter der GIBB e.V. und Autor mehrerer Bücher.
Lektion 2:
DIE PSYCHISCHEN GRUNDFUNKTIONEN /2
1. Die Funktion des Willens
Obwohl dem Willen eine hohe Bedeutung zukommt, wird er in der modernen Psychologie überhaupt nicht thematisiert. Zwar hat einer der Begründer der erfahrungswissenschaftlich orientierten Psychologie, Wilhelm Wundt, Untersuchungen zum Willen des Menschen gemacht, doch in der heutigen Psychologie spielt der Wille keine Rolle mehr. Es gibt viel Forschung zum Denken, Fühlen und Verhalten des Menschen, aber keine über den Willen, jedenfalls nicht als eine dem Denken und Fühlen ebenbürtige Funktion der Psyche. Der Wille kommt nur indirekt in dem Begriff „Verhalten“ vor. Das Wort Gottes zeigt uns aber, dass der Wille die eigentliche bewegende Kraft des Herzens ist.
1.1 Der Wille – die bewegende Kraft des Herzens
Der Wille ist die oberste Funktion des Menschseins überhaupt. Durch die enge Verbindung zwischen Geist und Wille wird die Beziehung des menschlichen Willens zum göttlichen oder auch dämonischen „ruwach“ angedeutet (Ri 9,23: „da sandte Gott einen bösen Willen“ [oder Geist]). Der Wille ist das Zentrum, der Sitz der beeinflussbaren Regungen des Menschen, die Seelenfunktion, durch die der Mensch befähigt ist, sich zu entscheiden, z.B. zwischen Gott und Satan, zwischen dem Guten und dem Bösen.
Begriffe:
| Hebräisch: | „nephesh“ | = | Seele, Selbst, Geschöpf, Wunsch, Gemüt |
|
| „ruach“ | = | Geist, Wind, Atem |
| Griechisch: | „thelêma“ | = | Wille Gottes und Wille des Menschen |
Fast alles Verhalten ist willkürlich, also vom Willen bestimmt. Ausgenommen sind lediglich die Reflexe. Sie stellen aber nur einen winzigen Ausschnitt aus dem Gesamtverhalten des Menschen dar. Sie werden nicht vom Gehirn gesteuert, sondern vom Rückenmark, weshalb sie auch sehr rasch funktionieren. Verhalten ohne Beteiligung des Willens sind also nur die Reflexe, alles andere Verhalten ist Handlung. Jede Handlung, sei sie auch noch so unbedeutend, ist willentlich (auch wenn ich mich nur am Kopf kratze). Die Beteiligung des Willens an den verschiedenen Handlungen ist aber sehr unterschiedlich. Um z.B. ein Brot zum Mund zu führen bedarf es keiner starken Willensbeteiligung. Weit mehr ist schon gefordert, um einen Vortrag vorzubereiten, noch mehr, wenn es darum geht, ein Haus zu bauen! Jede Handlung ist zielgerichtet, auch wenn uns das nicht immer bewusst ist! Es können uns in unserem Handeln Ziele bestimmen, die tief in unserem Herzen verborgen sind und über die wir uns keine Rechenschaft geben.
Da geht ein Student abends vor einer Prüfung noch mit Freunden aus und betrinkt sich, kommt sehr spät nach Hause, hat wenig Schlaf und geht so in die Prüfung. Man fragt sich: Warum macht der so etwas? Er selbst würde diese Frage vermutlich nicht recht beantworten können. Und dennoch steht dahinter ein Ziel, möglicherweise das Ziel, sich schon vor der Prüfung eine mögliche Rechtfertigung für den Fall des Versagens zu schaffen: „Ich habe die Prüfung nicht bestanden, weil ich einfach schlecht drauf war. Nach so einer Nacht ist das ja auch kein Wunder!“ Aber Vorsicht: Solche Deutungen sind nicht immer unproblematisch, weil man sich da auch leicht täuschen kann.
1.2 Bewusstheit und Nähe des Wollens
Wieder können wir, wie beim Denken nach dem Grad der Bewusstheit und der Nähe unterscheiden (siehe Abb. 1-1, Seite 1).
1.2.1 Bewusste, aber periphere Willensäußerungen
Es handelt sich hier um Willensäußerungen, die nicht unserem Persönlichkeitskern zugehören. Eine Frau sagt zu ihrem Mann: „Ich geh‘ eben mal einkaufen.“ Das ist eine Willensäußerung, die aber normalerweise keine besondere Bedeutung hat. Solche Willensimpulse haben wir ständig und sie sind enorm wichtig, weil sonst nichts funktionieren würde.
1.2.2 Bewusste Willensäußerungen, die dem Herzen zugehören
Wenn wir zu einem Bruder oder einer Schwester sagen, dass wir für ihn oder sie beten wollen, dann handelt es sich (hoffentlich) um eine dem Herzen zugehörige Willensäußerung. Paulus gibt im 1. Korintherbrief ein Beispiel: „Wer aber im Herzen feststeht und keine Not, sondern Macht hat über seinen eigenen Willen und dies in seinem Herzen beschlossen hat, seine Jungfrau zu bewahren, der handelt gut.“ (1Kor 7,37) Wenn es darum geht, die eigene Tochter zu verheiraten, dann ist das sicher eine Sache, die dem Herzen nähersteht, als ein Einkauf im Supermarkt. Unser Gottesdienst sollte diesem Bereich des Herzens zugehören. In Matthäus 15,8 zitiert Jesus ein Wort aus dem Buch Jesaja, wo Gott sich wegen seines Volkes beklagt: „Dieses Volk naht sich zu mir mit seinem Mund und ehrt mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist fern von mir.“ Es wäre schlimm, wenn unsere Gottesbeziehung nur in der Peripherie unserer Persönlichkeit angesiedelt wäre.
1.2.3 Unbewusste Willensäußerungen
Es gibt Entscheidungen, die in unserem Herzen getroffen wurden und über die wir uns selbst keine Rechenschaft geben. Wir machen uns selbst und anderen vor, das Richtige zu wollen, doch im Herzen haben wir uns für das Falsche entschieden. So sagt es auch Salomo in Sprüche 21,2: „Jeder Weg eines Menschen ist recht in seinen Augen, aber der HERR prüft die Herzen.“ Das heißt doch, dass der HERR zu einer ganz anderen Einschätzung kommen kann, als wir sie selbst haben. Und das wiederum schließt ein, dass wir uns u.U. selbst belügen. Für diese Tatsache gibt es übrigens in der psychologischen Forschung eine ganze Menge Belege. Es kann uns also jemand sehr glaubhaft versichern, dass seine Motive rein und lauter waren, weil er selbst daran glaubt. Wir müssen das in der Seelsorge als eine Möglichkeit im Blick haben. Aber: Lasst uns dabei immer bedenken, dass nur der HERR die wahren Motive und Entschlüsse des Herzens sieht. Wir sollten also immer vorsichtig und zurückhaltend sein, wenn es darum geht, hier in Bezug auf andere ein Urteil zu fällen. Ansonsten werden wir leicht zum Richter des anderen. Lasst uns lieber ehrlich uns selbst gegenüber werden. Kenner der Herzen ist der Herr! Keiner sonst kann ins Herz des anderen sehen.
Doch nun zu der Frage: Wie ist ein funktionsfähiger Wille beschaffen? Es lassen sich beim Willen vier verschiedene Dimensionen unterscheiden, die alle vier mehr oder weniger beeinträchtigt sein können: Die Bewusstheit der Ziele und Notwendigkeiten, Entschlossenheit, Selbstbeherrschung sowie Energie und Beharrlichkeit.
1.3 Die Dimensionen des Willens
1.3.1 Die Bewusstheit der Ziele und Notwendigkeiten
Man trifft bestimmte Entscheidungen, weil man von der Richtigkeit und Wichtigkeit der Ziele, die man sich gesteckt hat, überzeugt ist. Wenn die Ziele nicht klar sind, kann man sich auch schlecht entscheiden. Denn woran soll ich denn erkennen, welche Alternative die Bessere ist, außer an dem Ziel, das ich verfolge. Hier liegt auch die Gefahr der Beeinflussbarkeit bzw. Suggestibilität. Wenn die Ziele nicht klar sind, lassen wir uns leicht von anderen beeinflussen.
Nicht wenige Ehemänner werden von einer dunklen Ahnung erfüllt, wenn ihre Frauen davon reden, dass sie „shoppen“ gehen wollen. Das kommt vermutlich daher, dass sie es schon einige Male erlebt haben, dass solche Exkursionen damit enden, dass der Kleiderschrank noch voller wird von Kleidung, die ihre Frauen vermutlich nie tragen werden. Der Grund dafür lässt sich erklären. Beim Shoppen gehen Frauen ohne konkrete Kaufabsicht durch Bekleidungsgeschäfte, etwa nach dem Motto: Mal sehen, was es dort so gibt. Damit aber wird sie zu einem willfährigen Opfer eines Verkäufers. Sie kann seinen Argumenten nichts entgegensetzen, und lässt sich trotz Zweifel zum Kauf eines Kleidungsstücks überreden. Hätte sie schon vorher eine klare Vorstellung davon gehabt, was sie kaufen will, wäre ihr bei Zweifeln ein klares Nein viel leichter gefallen. Die Suggestibilität (Beeinflussbarkeit) wächst in dem Maße, wie die Zielsetzung unklar ist.
Gefährlich wird es, wenn Beeinflussungsversuche in die gleiche Richtung gehen, wie unser tiefster Herzenswunsch. Wenn die Frau zum Mann sagt: „Bleib’ doch heut mal von der Bibelstunde weg. Du bist so müde und abgespannt. Du solltest einfach mal einen ruhigen Abend haben.“ Wenn der Mann sowieso schon den leisen Gedanken hatte, dass es schön wäre, es sich zuhause gemütlich zu machen, wird er sich an der Stelle wahrscheinlich beeinflussen lassen.
Allerdings: Gegenüber einem guten...
| Erscheint lt. Verlag | 1.6.2022 |
|---|---|
| Reihe/Serie | 001 | 001 |
| Mitarbeit |
Cover Design: Nadine Huber |
| Verlagsort | Ahrensburg |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Schulbuch / Wörterbuch ► Lexikon / Chroniken |
| Technik | |
| Schlagworte | Angst • Antwort • Augen • Eltern • Familie • Frau • Freude • Gedanken • Gefühle • Geist • Geld • Glaube • Gott • Herr • Herz • Kinder • Liebe • Mann • Mensch • Menschen • oft • Problem • Sagen • stark • Verhalten • Weitere • Welt • Wissen • Zeit • Zukunft |
| ISBN-10 | 3-347-40160-3 / 3347401603 |
| ISBN-13 | 978-3-347-40160-0 / 9783347401600 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich