Mein Blockhaus am Fluss (eBook)
224 Seiten
FinanzBuch Verlag
978-3-98609-102-6 (ISBN)
Karsten Nitsch, Jg. 1962, verbrachte seine Kindheit in einem sorbischen Dorf und ist bis heute fest in der Lausitz verwurzelt. Er arbeitete als Binnenfischer, Waldarbeiter und in der Umweltbildung, bevor er sich entschied, Naturführer zu werden. Im Jahr 2006 errichtete er an der Spree ein Blockhaus, in der er noch heute mit seiner Familie lebt. In den folgenden Jahren veranstaltete er Blockhausbaukurse, die von Teilnehmern aus Deutschland und anderen europäischen Ländern besucht wurden. So entstand mit der Zeit das Spreecamp, ein Ort, in dem naturbegeisterte Besucher regelmäßig zu Gast sind. Er ist zudem Naturfotograf und regelmäßiger Gast in TV und Medien wie Walden, GEO, ARTE, MDR Riverboat, rbb zibb und wurde für Zeit online und taz porträtiert.
Karsten Nitsch, Jg. 1962, verbrachte seine Kindheit in einem sorbischen Dorf und ist bis heute fest in der Lausitz verwurzelt. Er arbeitete als Binnenfischer, Waldarbeiter und in der Umweltbildung, bevor er sich entschied, Naturführer zu werden. Im Jahr 2006 errichtete er an der Spree ein Blockhaus, in der er noch heute mit seiner Familie lebt. In den folgenden Jahren veranstaltete er Blockhausbaukurse, die von Teilnehmern aus Deutschland und anderen europäischen Ländern besucht wurden. So entstand mit der Zeit das Spreecamp, ein Ort, in dem naturbegeisterte Besucher regelmäßig zu Gast sind. Er ist zudem Naturfotograf und regelmäßiger Gast in TV und Medien wie Walden, GEO, ARTE, MDR Riverboat, rbb zibb und wurde für Zeit online und taz porträtiert.
Gimme Shelter
Es ist kühler geworden, und während ich die Bäume, die den Fluss säumen, betrachte, erscheinen sie mir mehr und mehr wie Gestalten, die klagend ihre Gliedmaßen in den Himmel recken. Nebel hat sich wie ein Schleier über die Aue gelegt, der Herbstgesang des Rotkehlchens klingt gedämpft, als befinde sich seine Naturbühne hinter einem herabgelassenen Vorhang. Jetzt im Oktober bereiten sich alle Lebewesen langsam auf den Winter vor, täglich kann ich beobachten wie Eichhörnchen, Igel oder Eichelhäher ihre Vorbereitungen treffen, und auch ich fülle meinen Holzvorrat auf. Was für ein wunderbarer Ort, ein Privileg, hier leben zu dürfen. Aber die Vollkommenheit eines Wohnortes kann erst durch eine angemessene Behausung entstehen. »Gimme Shelter …«, sangen schon die Rolling Stones und ich hatte dabei immer eine Hütte vor Augen. Das mag kurios erscheinen, dennoch ist dieses Bild nicht völlig abwegig, denn diese Sehnsucht nach einer Zuflucht, die Geborgenheit vermittelt, ist ein Grundbedürfnis, für das es keine Standards gibt.
Wo Eichhörnchen sich geschützt fühlen
In diesem Buch soll es natürlich um eine Zuflucht gehen, die baulich errichtet werden muss, eine Behausung, die uns als Unterkunft dient. Dabei sind wir Menschen bekanntlich nicht die einzigen Lebewesen, die solche Bauten errichten, im Tierreich finden wir zahlreiche Beispiele dafür. Die meisten Tiere errichten sie, um ihre Nachkommen aufzuziehen, wobei Nester und angelegte Höhlen zu den bekanntesten Bauwerken gehören. Die meisten Nester aber werden nach der Brut und Aufzucht der Jungen verlassen, eine weitere Nutzung findet nicht statt. Sogar für eine unmittelbar danach einsetzende Zweitbrut wird ein neues Nest errichtet. Das mag in unseren Augen verschwenderisch erscheinen, dient aber zum einen der Hygiene und hat außerdem mit dem Sicherheitsbedürfnis zu tun, denn ständiges Ab- und Anfliegen bei der Fütterung der Jungtiere kann schon verräterisch sein. In einer der Erlen am Fluss hat ein Eichhörnchen hoch oben einen Kobel, also sein Nest, angelegt. Dieser dient dem possierlichen Säugetier in der kalten Jahreszeit vor allem als Schlafnest, Winterschlaf aber wird von den Hörnchen nicht gehalten. Hier verbringt es seine Ruhephasen, und die schützende Behausung verlässt es an stürmischen, nasskalten Tagen meist nicht. An sich besteht das kleine Bauwerk aus Zweigen, die in einer Astgabel dicht am Stamm zu einer Kugel mit zwei Ausgängen geformt werden, die etwa einen Durchmesser von 30 bis 40 Zentimetern aufweist und deren Inneres mit Moos, Blättern oder Bast ausgepolstert ist.
Die Art der Nutzung einer Behausung spielt für uns Menschen ebenso eine entscheidende Rolle, wie die zeitliche Nutzung von wesentlicher Bedeutung ist. Solang es sich um eine überschaubare Zeit handelt, sind die meisten Menschen gern bereit, sogar drastische Einschnitte in ihre Lebensqualität hinzunehmen. Vor allem, wenn wir nicht zwanghaft in eine solche Wohnsituation geraten sind, empfinden wir es sogar als »cool«, vorausgesetzt der Platz befindet sich an einer interessanten Location. Wie sonst lassen sich überfüllte Campingplätze erklären, die in den Sommermonaten von der Stadtbevölkerung überflutet werden. Auch auf Festivals kann man in großer Zahl die flüchtigen bunten Bauten aus den Sonderangeboten der Discounter vorfinden. Diese werden dann nicht selten von ihren Bewohner nach dem Event achtlos zurückgelassen, ähnlich wie es die Amsel nach der erfolgten Nutzung des Nestes tut. Einzig die Materialbeschaffenheit macht einen deutlichen Unterschied: Während das alte Amselnest schnell in den Kreislauf der Natur zurückgeführt wird, bereitet uns der bunte Plastikmüll noch längere Zeit Bauchschmerzen.
Die meisten von uns werden, wenn sie an ihre Kindheit zurückdenken, ebenfalls auf eine bauliche Erfahrung verweisen können. Selbst wenn sie nicht physisch in Gestalt eines Zeltes aus Decken in einer Zimmerecke oder im Freien mit Brettern, Ästen und sonstigen Materialien zu einer wackeligen Bude aufgestellt wurde, dann zumindest in der kindlichen Fantasie. Meine eigenen Erfahrungen umfassten alle der genannten Möglichkeiten und das kreative Errichten einer Hütte hat mich schon immer fasziniert. Ebenso faszinierte mich von jeher eine andere Lebensweise, eine, die nicht den üblichen, in unserer Zeit geltenden Gesetzmäßigkeiten entspricht. Ich rede nicht vom völligen Verzicht auf alle Annehmlichkeiten der Zivilisation, aber ich wollte schon selbst herausfinden, was für mich essenziell ist.
Leben im Hamsterrad
Vorerst aber war auch ich gefangen im Hamsterrad und führte ein normales Leben, das mich zunehmend unzufrieden machte. Damals arbeitete ich als Forstarbeiter die meiste Zeit im Holzeinschlag. Diese Tätigkeit war zum einen körperlich sehr anstrengend, zum anderen aber für mich auch nicht befriedigend, da der Arbeitsablauf sich tagtäglich wiederholte und kaum Abwechslung bot. Dazu kam noch, dass meine Arbeit im Wald den Lebensraum anderer Bewohner zerstörte, denn Bäume wurden ohne Rücksicht das ganze Jahr über gefällt. Die Abhängigkeit von einer Arbeit, die mir nicht die Möglichkeit bot, Prozesse zu verändern, machte mich unglücklich und das wiederum hatte auch Auswirkungen auf mein privates Leben. Es mag sein, dass für viele Menschen ein festes Arbeitsverhältnis eine Sicherheit bietet, die sie benötigen, um ein unbeschwertes Leben zu führen; bei mir war das Gegenteil der Fall. Das Leben ging an mir vorbei, ich hatte keinen Plan und flüchtete mich vor den Fernseher oder sogar in die Dorfkneipe.
Das alles belastete natürlich auch mein familiäres Leben, und selbst nach meiner Kündigung, die durch die Wende und den Zusammenschluss von Ost- und Westdeutschland bedingt war, änderte sich nichts daran. Im Gegenteil, das Geld wurde knapp und wieder begab ich mich auf der Suche nach Sicherheit in neue Arbeitsverhältnisse und somit in erneute Abhängigkeit. Anfang der neunziger Jahre, in der Zeit des Umbruchs, änderte sich auch für mich vieles, Vertrautes verschwand, aber es ergaben sich plötzlich auch neue Möglichkeiten, vor allem für junge Menschen. Für die einen brach sicherlich eine Welt zusammen, anderen wurde endlich die Möglichkeit geboten, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Damals hatte ich noch keine große Lebenserfahrung und war dadurch anfangs sehr verunsichert, aber das änderte sich mit der Zeit. Meine Arbeitswelt verschob sich nun mehr und mehr in Richtung meiner persönlichen Interessen, auch wenn ich vorerst noch an einen Arbeitgeber gebunden war. Hinzu kam mit der Reisefreiheit eine weitere Möglichkeit, meine persönliche Entwicklung voranzutreiben. Natürlich erfolgte nicht alles in einem Zug, sondern es brauchte mehrere Erlebnisse oder Begegnungen mit anderen Menschen, die sehr inspirierend auf mich einwirkten.
All das bewog mich, meine damalige Lebensweise infrage zu stellen, und ich begann nach und nach meine kindlichen Fantasien real werden zu lassen. Mit der Trennung von meiner Frau erfolgte schließlich ein weiterer rigoroser Schritt in meinem Leben. Ich hatte erkannt, dass ich dieses Leben nicht mehr wollte, und für einen völligen Neuanfang war dieser Entschluss aus meiner Sicht alternativlos. Ich war zu jenem Zeitpunkt 31 Jahre alt und hatte endlich erkannt, welche Möglichkeiten einer kreativen Entfaltung mir das Leben nun bot.
Hier am Ufer der Spree sollte das »Spreecamp« entstehen.
Eine erste große Reise führte mich nach Italien an die Straße von Messina zu einem internationalen Vogelschutzcamp und mein berufliches Leben wurde von nun an bestimmt durch eine Tätigkeit, die mir Freude bereitete und mit meiner Leidenschaft, der Natur, eng verbunden war. Ich war inzwischen im Bereich Umweltbildung tätig und mein Schwerpunkt lag in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Ich leitete Freizeitgruppen, gestaltete Programme für den Schulunterricht und richtete Ferienfreizeiten mit naturnahen Themen aus. Im Sommer war das eine intensive Zeit, die eine längere Abwesenheit von meinem Dorf zur Folge hatte, denn die Feriencamps fanden aus logistischen Gründen in Orten statt, die geeignete Voraussetzungen für ein Zeltcamp boten. Zwar waren es ebenfalls malerische Orte, die auch in der Lausitz lagen, aber ich vermisste die Spree sehr und mein Dorf, in dem ich seit einiger Zeit schon ein geeignetes Grundstück ins Auge gefasst hatte. Meine Begeisterung kannte keine Grenzen, als es mir endlich gelang, das unmittelbar angrenzende Grundstück von meinen Nachbarn zu erwerben. Hier am Ufer der Spree sollte das »Spreecamp« entstehen, der Ort an dem ich, ohne verreisen zu müssen, meine Ferienveranstaltungen durchführen konnte. Noch konnte ich nicht ahnen, wie das mein Leben verändern sollte.
Der einzige Luxus dieses Domizils bestand aus einem alten Kofferradio und einem Laptop.
Die Idee war zunächst, das Camp vor allem in den Sommermonaten zu nutzen. Dann konnten Zelte aufgestellt werden, auch eine Badestelle an der Spree war schnell eingerichtet. Bald aber...
| Erscheint lt. Verlag | 14.8.2022 |
|---|---|
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik ► Natur / Ökologie |
| Technik | |
| Schlagworte | Anleitung • Bach • Einklang • Flucht • Freiheit • Hausbau • Hippie • Kosten • Lebensführung • Nachhaltigkeit • Naturverbundheit • Neuanfang • Sparen • Unabhängigkeit • Vergangenheit • Wald • Wasser • Wiederverwendbarkeit • Zuhause • Zukunft |
| ISBN-10 | 3-98609-102-5 / 3986091025 |
| ISBN-13 | 978-3-98609-102-6 / 9783986091026 |
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