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Bis Du tot bist - oder bis ich tot bin (eBook)

Wegbegleitung für Kinder und Jugendliche

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
264 Seiten
tredition (Verlag)
9783347417670 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Bis Du tot bist - oder bis ich tot bin -  Julius Daven
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Dieses Buch informiert umfassend über den Auftrag von ehrenamtlichen Wegbegleiter:innen, die sich für junge Menschen einsetzen, die in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe groß werden und von einer Wegbegleitung profitieren. Die Geschichten aus 24 Interviews, die Julius Daven mit Betroffenen, Fürsorgeverantwortlichen und Wegbegleiter:innen geführt hat, sollen dabei helfen, die heutigen Herausforderungen von Kindern in stationären Einrichtungen oder Pflegefamilien sowie von Careleaver:innen (= Schutzverlasser:innen) besser zu verstehen und dafür zu sensibilisieren. Das Buch zeigt, dass es viele ehemalige Kinder und Jugendliche aus Einrichtungen der Jugendhilfe mit beeindruckendem Mut und großer Stärke geschafft haben, trotz teils schlimmster belastender und/oder traumatischer Erfahrungen in ihrer Kindheit, ihr (Berufs-)Leben proaktiv und positiv zu gestalten. Die Kinder, die Wegbegleiter:innen hatten, kamen besser klar, also entwickelten sich resilienzstärker als Kinder, die sich ohne Wegbegleitung durchs Leben kämpfen mussten. Julius Daven möchte mit seinen Darstellungen aufzeigen, welche besondere Bedeutung eine Wegbegleitung für die Sozialisation von jungen Menschen in stationären Einrichtungen hat. Außerdem möchte er den Leser:innen Mut machen, sich vielleicht künftig für die Übernahme einer Wegbegleitung zu entscheiden. Mit diesem Buch möchte Julius Daven - auch unabhängig von einer Wegbegleitung - insgesamt zu mehr Verständnis und Mitgefühl für benachteiligte Kinder und Jugendliche in stationären Einrichtungen oder Pflegefamilien und für Careleaver:innen anregen.

Julius Daven, geb. 1971, kommt aus der Finanzbranche, lebt in Köln und engagiert sich heute als qualifizierter, ehrenamtlicher Wegbegleiter. Er fördert und unterstützt dabei auch Careleaver:innen (= Schutzverlasser:innen). Julius hat sich intensiv mit der Situation von Kindern und Jugendlichen beschäftigt, die in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe groß geworden sind. Sein Herz schlägt besonders für benachteiligte junge Menschen aus kritischen Umfeldern. So hat er sich bereits als junger Mann ehrenamtlich für Jugendliche eingesetzt. Er übernahm im Rahmen eines familienentlastenden Dienstes der Caritas über viele Jahre die Betreuung von körperlich und geistig behinderten jungen Menschen und teils auch deren Pflege. Auch hat er jahrelange Erfahrung als ehrenamtlicher Telefonberater für Menschen in bestimmten Krisensituationen. Neben der Wegbegleitung ist Julius Daven als ausgebildeter, ehrenamtlicher gesetzlicher Vormund für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aktiv. Seit kurzem macht Julius erste Erfahrungen als freier Autor mit dem Schwerpunkt auf gesellschafts- und sozialkritische Themen. Den Erlös dieses Buches spendet Julius Daven den Careleaver:innen. Kontakt über: julius.daven@gmx.de

Julius Daven, geb. 1971, kommt aus der Finanzbranche, lebt in Köln und engagiert sich heute als qualifizierter, ehrenamtlicher Wegbegleiter. Er fördert und unterstützt dabei auch Careleaver:innen (= Schutzverlasser:innen). Julius hat sich intensiv mit der Situation von Kindern und Jugendlichen beschäftigt, die in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe groß geworden sind. Sein Herz schlägt besonders für benachteiligte junge Menschen aus kritischen Umfeldern. So hat er sich bereits als junger Mann ehrenamtlich für Jugendliche eingesetzt. Er übernahm im Rahmen eines familienentlastenden Dienstes der Caritas über viele Jahre die Betreuung von körperlich und geistig behinderten jungen Menschen und teils auch deren Pflege. Auch hat er jahrelange Erfahrung als ehrenamtlicher Telefonberater für Menschen in bestimmten Krisensituationen. Neben der Wegbegleitung ist Julius Daven als ausgebildeter, ehrenamtlicher gesetzlicher Vormund für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aktiv. Seit kurzem macht Julius erste Erfahrungen als freier Autor mit dem Schwerpunkt auf gesellschafts- und sozialkritische Themen. Den Erlös dieses Buches spendet Julius Daven den Careleaver:innen. Kontakt über: julius.daven@gmx.de

4. BIS DU TOT BIST - ODER BIS ICH TOT BIN

Nach einigen Treffen sagte ich zu Elias, dass ich jetzt immer für ihn da bin. „Bis Du tot bist?“, fragte Elias. „Ja, bis ich tot bin“, antwortete ich. „Oder bis ich tot bin“, entgegnete Elias. Mit diesen ganz einfachen Worten haben ein kleiner Junge und ein großer Erwachsener eine einzigartige Freundschaft besiegelt, die sich durch Vertrauen und Verlässlichkeit - idealerweise ein Leben lang – auszeichnen soll.

In Deutschland leben aktuell fast 150.000 Kinder und Jugendliche in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe mit steigender Tendenz (vgl. eLibrary, 2020). Diese Kinder können vorübergehend oder auf Dauer aus vielfältigen Gründen nicht bei ihren Eltern beziehungsweise ihrer Herkunftsfamilie leben. 80% dieser Kinder müssen traumatische Erfahrungen bewältigen. Dies können Vernachlässigung, Misshandlung oder sogar Missbrauch sein. Folgen können auffälliges Bindungs-, Sozial- und Leistungsverhalten sein. 20% der Kinder kommen aus anderen Gründen in stationäre Einrichtungen, also wenn zum Beispiel die Eltern plötzlich versterben und es keine Verwandten mehr gibt, sie also nicht an anderer Stelle gesichert untergebracht werden können. Manchmal fühlen sich diese Kinder in den Einrichtungen so wohl, dass sie lieber dort als zuhause bei den Eltern weiter aufwachsen möchten. In vielen Fällen ist es aber trotz schlimmster (hoch)belastender und/oder traumatischer Erfahrungen paradoxerweise genau umgekehrt. Die Kinder möchten unbedingt wieder zurück zu ihren Eltern. Die Gründe hierfür und warum dies manchmal nicht sinnvoll ist, sind im weiteren Verlauf dieses Buches im Rahmen von Interview-Ergebnissen oder persönlichen Erläuterungen zu erfahren.

Bei den Systemsprenger: innen geht man aktuell von ca. 8.000 bis 13.000 Personen (Expertenschätzung) aus. Das sind Kinder- und Jugendliche, die wegen ihrer besonderen Verhaltensauffälligkeiten (z.B. schwere Bindungsstörung mit Enthemmung, gekennzeichnet durch mangelnde Impulskontrolle, hochgradige Aggressivität) über das normale Maß hinaus die Einrichtungen häufig wechseln müssen.

Noch ein grober Deep Dive in statistische Kennzahlen: 2019 wurden 55.500 Kindeswohlgefährdungen in Deutschland erfasst, und es gab 49.500 Inobhutnahmen. Das waren über 10% und konkret 5.100 mehr Fälle als im Jahr 2018.

Die Arten der Kindeswohlgefährdungen teilen sich auf

  • in 45% Vernachlässigung,

  • in 16% psychische Misshandlung,

  • in 15% körperliche Misshandlung,

  • in 4% sexualisierte Gewalt und

  • in 20% mehrerer Gefährdungsarten gleichzeitig

(vgl. Statistisches Bundesamt, 2021 – Werte 2019).

Auch die polizeiliche Kriminalstatistik 2020 weist einen besorgniserregenden Ausblick auf Gewalttaten gegen Kinder und Jugendliche aus: „Laut PKS sind im Jahr 2020

  • 152 Kinder gewaltsam zu Tode gekommen,

  • 115 von ihnen waren zum Zeitpunkt des Todes jünger als sechs Jahre,

  • in 134 Fällen erfolgte ein Tötungsversuch.

Mit 4.918 Fällen von Misshandlungen Schutzbefohlener wurde eine Zunahme um 10 % im Vergleich zum Vorjahr registriert. Kindesmissbrauch ist um 6,8 % auf über 14.500 Fälle gestiegen“ (PKS, 2020). Im Bericht wird auch von einem hohen Dunkelfeld von Straftaten gesprochen, die nicht polizeilich erfasst wurden. Bedrohlich wirkt auf mich eine Schätzung, dass ein bis zwei Schüler: innen pro Schulklasse von sexualisierter Gewalt im familiären Umfeld betroffen sein sollen (Vgl. Zahlen & Fakten zu sexueller Gewalt, 2021). Mit Blick auf die Statistik ist es wahrlich erschreckend, dass die Kindeswohlgefährdungen in Deutschland voraussichtlich weiterhin zunehmen werden.

Ich weiß nicht genau, welche gravierenden traumatischen Erlebnisse Elias in seinem kurzen Leben schon ertragen musste, aber ich kann es mittlerweile erahnen. Ich erlebe Elias als ein sehr ängstliches und misstrauisches Kind. Elias hat große Schwierigkeiten, sich auf Erwachsene einzulassen. Er ist schon so oft in seinem Leben enttäuscht worden. Im Alter von 3 Jahren, in dem andere Kleinkinder behütet und voll elterlicher Fürsorge aufwachsen, musste Elias bereits von seiner Herkunftsfamilie (= biologischer Ursprung, das heißt Mutter und/oder Vater) getrennt werden. Nach einigen Rückführungsversuchen zu seinen Eltern wohnt Elias mittlerweile seit 2 Jahren in seiner vierten stationären Einrichtung. Er wird hier voraussichtlich bleiben müssen, bis er erwachsen geworden ist. Elias ist vor kurzem 10 Jahre alt geworden.

Der Begriff „Rückführung“ ist sicherlich ein fürchterlicher Begriff, aber er beschreibt die Möglichkeit der Rückkehr eines Kindes zu seiner Herkunftsfamilie, sofern das Kindeswohl nicht oder nicht mehr gefährdet ist.

Ich frage mich, wie man aus Sicht eines (kleinen) Kindes zu erwachsenen Menschen, also zum Beispiel zu Bezugspersonen, Vertrauen aufbauen soll, wenn diese sich ohnehin nach kurzer Zeit wieder von den Kindern verabschieden. Mit den wechselnden Unterbringungen in den stationären Einrichtungen sind noch zusätzlich meist auch Orts- und Schulwechsel verbunden. Dann wechseln auch noch relativ häufig die Erzieher: innen in den Einrichtungen. Das ergibt eine Vielzahl an Wechseln und Veränderungen, mit denen Kinder klarkommen müssen. Kinder aber brauchen Stabilität, um sich fernab von den Eltern wohlfühlen zu können und die Welt in einem sicheren Hafen zu erkunden. Voraussetzung hierfür ist die Möglichkeit eines nachhaltigen Vertrauensaufbaus, der Zeit und Geduld, gerade bei belasteten und traumatisierten Kindern bedingt. Manchmal dauert es bei (kleinen) Kindern bis zu sechs Monaten, bis eine sichere Bindung – wie Psycholog: innen es nennen – zu einer neuen erwachsenen Person überhaupt entstehen kann (vgl. Zimmermann, 2021). Die Kinder brauchen Beziehungsstabilität. Und diese entsteht nicht von heute auf morgen. Sie muss behutsam aufgebaut werden.

„Wenn andere am Wochenende abgeholt oder besucht werden, bleiben manche im Kinderheim zurück. Einige haben nie in ihrem Leben erfahren, was verlässliche Zuwendung bedeutet“, heißt es auf der Web-Plattform des Kölner Kreidekreises e.V. (vgl. Kein Kind allein, 2020). Elias ist eines dieser Kinder mit wenig sozialen Kontakten außerhalb des Heims. Der Kölner Kreidekreis sucht und qualifiziert für diese jungen Menschen Wegbegleiter: innen, die sie dann auf ihrem Lebensweg freiwillig und ehrenamtlich begleiten. Die einfach für sie da sind, sie fördern und sie nicht in Frage stellen. „Den Kindern tut es gut, dass sie so angenommen werden, wie sie sind“, heißt es weiterhin auf der Web-Plattform.

Ich habe mich also vom Kölner Kreidekreis e.V. zum Wegbegleiter ausbilden lassen und Elias kennengelernt. Ich erhielt vom Verein einen Anruf, dass es da einen 8-jährigen Jungen gibt, der mich gern kennenlernen möchte. Dann bekam ich per Post den Fragebogen des Jungen zugeschickt. Elias hatte bei seinem Lieblingstier geschrieben: „Ich mag Löwen, weil sie mutig und stark sind und weil ihnen niemand etwas antun kann.“ Dieser Satz hat mich sehr bewegt, weil er so viel aussagt, was in dem kleinen Mann so vorgeht. Möchte auch er mutig und stark sein und in seinem Leben keine Verletzungen mehr erleiden?

Das erste Treffen war ein unglaublich aufregender Moment, wie bei einem Vorstellungsgespräch und zugleich sehr emotional. Elias traute sich nicht aus seinem Zimmer. Die Erzieher: innen mussten ihm zunächst gut zureden, so dass wir uns dann langsam, als er herauskam, beschnuppern konnten.

Mittlerweile besuche ich Elias nun alle zwei Wochen und unternehme mit ihm coole Dinge. Irgendwann wird er auch einmal bei uns zuhause das Wochenende verbringen, wenn er dazu Lust hat. Unsere Beziehung wächst und gedeiht. Er freut sich genauso wie ich auf jedes Treffen und wartet meist schon an seinem Zimmerfenster zur verabredeten Zeit. Manchmal springt er mir zur Begrüßung voller Freude in die Arme. Manchmal ist er aber nicht so gut drauf, weil er sich zum Beispiel kurz vorher mit eine/m Erzieher: in oder anderen Kindern gestritten hat. An besonderen Tagen, wie zum Beispiel an seinem Geburtstag, geht es ihm nicht so gut. Sein Vater hat sich mal wieder nicht gemeldet. Darunter leidet er sehr. Und gerade dann braucht er etwas Zeit, sich auf mich einzustellen. Aber das gelingt von Mal zu Mal besser.

Als Wegbegleiter muss ich viel Geduld mitbringen und die Stärke haben, auch mal schwierige Situationen auszuhalten. Gerade hochbelastete und traumatisierte Kinder können urplötzlich ohne Vorwarnung ihre Nerven verlieren. Nichts wäre schlimmer, als wenn man dann sagt: „Das ist mir jetzt zu kompliziert. Ich lass das doch lieber.“

Über die Qualifizierungs-Seminare vom Kölner Kreidekreis bin ich zwar auf meine Aufgabe als Wegbegleiter und die unterschiedlichsten Verhaltensmuster von belasteten, traumatisierten und bindungsgestörten Kindern in der Theorie vorbereitet worden, in der...

Erscheint lt. Verlag 18.10.2021
Verlagsort Ahrensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Careleaver • Ehrenamt • Jugendhilfe • Kinderheim • Pflegefamilie • Systemsprenger • Wegbegleiter • Wegbegleitung • Wohngruppe
ISBN-13 9783347417670 / 9783347417670
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