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Bestimmung der Messunsicherheit nach GUM -  Bernd Pesch

Bestimmung der Messunsicherheit nach GUM (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
544 Seiten
Books on Demand (Verlag)
9783753492926 (ISBN)
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"Man misst eigentlich immer falsch. Man muss nur wissen wieviel." Dieses Buch beschäftigt sich mit dem "wieviel" in obiger Aussage vom Messtechnik-Pionier Dave Packard. Es schildert die Grundlagen, welche seit dem Wechsel der Paradigmen in die Metrologie Einzug gehalten haben. Das Buch zeigt anhand vieler Beispiele die Anwendung der Verfahren. Ein ausführliches Glossar rundet das Buch ab. Zweite, vollständig neu erstellte Ausgabe Aus dem Inhalt: Bedeutung, Einflüsse, Messunsicherheitsanalyse, Prozessgleichung, Modellgleichung, Verteilungen, Gewichtungsfaktoren, Faltungen, Empfindlichkeitskoeffizienten, Korrelation, Kovarianz, Freiheitsgrad, Bilanzen (Budgets), Segmente, Ergebnisse dokumentieren, Kalibrierscheine, Überdeckung, Spezifikationen, Optimierungen, Ergebnisanalyse, Konformitätsaussagen, Bereichskalibrierungen, Beispiele, Normalized Error Ratio, Evaluierung, Transfers, Definitionen, Glossar

Bernd Pesch, geboren 1963, studierte Physik und Elektrotechnik. Anschließend begann er seine Tätigkeit in einem großen deutschen Kalibrierlabor. Im Rahmen seines Aufgabenspektrums arbeitete er primär auf den Feldern der Niederdruckmesstechnik und später der Hochfrequenznormale. Unter anderem war er mit theoretischen Grundlagen der Messtechnik und der die Bestimmung von Messunsicherheiten betraut. Nach dem Aufbau eines Kalibrierlabors in New Mexico, USA, in den Jahren 1996 bis -99 entwickelte er - wieder zurück in Deutschland - Messverfahren im Bereich der Streuparameter- und Rauschleistungsmesstechnik. Er ermittelte und bearbeitete im Rahmen von DKD-Akkreditierungen diverse Messunsicherheitsbilanzen. Seit 2017 ist Bernd Pesch als freiberuflicher Berater und Dozent im Bereich der Messtechnik tätig. Er begleitete viele Firmen erfolgreich auf dem Weg zu Akkreditierungen als Kalibrier- oder Prüflabor.

2 DIE IDEALE MESSUNG


»Achtung! Jetzt gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder es funktioniert, oder es funktioniert nicht.«11

Lukas in „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer“

2.1 Ideale Einflussgrößen


Es gibt vier Klassen von Größenwerten, die ohne (Mess-)unsicherheit verwendet werden:

  • Mathematische Konstanten

Beispielsweise ist die Zahl Pi ein fester Wert ohne Unsicherheit. Dass die Zahl nicht mit allen bekannten und unbekannten Stellen zur Anwendung kommt, macht sie nicht unsicher. In der Anwendung kann sich eine Unsicherheit aus einer Rundung ergeben. Dies ist keine Unsicherheit der Konstanten, sondern der Rundung.12

  • Konstanten in Definitionen

Definitionen sind zumeist auf Grund einer allgemeinen Vereinbarung festgelegte Werte. So ist der Nullpunkt der Temperaturskala auf Basis einer solchen Vereinbarung zu 273,15 K definiert worden. Festlegungen dieser Art sorgen dafür, dass alle mit gleichen Größenwerten arbeiten.

  • Vorgabewerte/Betriebsbedingungen

Betriebsbedingungen sind Vorgaben, die nur endlich gut realisiert werden können. Dies ändert aber nichts an der Vorgabe. Eine Vorgabe für einen Messpunkt könnte zum Beispiel sein, dass bei einem Strom von 1 Ampère eine Ablesung durchzuführen ist. Ein Kalibrator wird diesen Punkt nur bedingt gut darstellen. Unsicherheiten kommen aus der Realisierung der Vorgabewerte; nicht aus diesem selbst.

  • Diskrete (zählbare) Werte (1, 2, 3, ...)

Offensichtlich ist, dass bei Verkehrszählungen keine halben oder viertel Autos gezählt werden. Daher sind zählbare Größen punktgenau definiert.

Alle anderen Größen in der Metrologie haben eine (Mess - )unsicherheit.

2.2 Modell der idealen Messung (Prozessgleichung)


»Man sucht ein Modell aufzustellen, das Daten „erklärt“ und fragt nach dem einfachsten und plausibelsten Modell.«

Bernd R.L. Siebert

Im JCGM 100 („GUM“), [3], wird die Bestimmung der Messunsicherheit mit der Modellgleichung begonnen. Die hier eingeführte Prozessgleichung kommt im GUM nicht vor. 13 Hingegen ist es hilfreich, über einen Zwischenschritt zur Modellgleichung14 zu gelangen, um sich zunächst mit den theoretischen Grundlagen des Messprozesses vertraut zu machen.15

(a) Die mathematische Beschreibung der Messaufgabe

Der erste Schritt zum Messunsicherheit ist eine mathematisch korrekte Beschreibung des Messprozesses. Die Prozessgleichung enthält noch keine Messunsicherheitsbeiträge. Sie ist ein ideales Abbild der Messung.

Definition 2.2-1: Prozessgleichung

Die Prozessgleichung beschreibt, auf welche Art und Weise eine Ausgangsgröße (oder Ergebnisgröße) von Einflussgrößen in idealer Form abhängig ist.

Häufig ist die Prozessgleichung eine ganz triviale physikalische Aussage.

Beispiel: Einfache Längenmessung

In einer Aussage in der Form...

Gleichung 2.2-1: Beispiel einer Prozessgleichung eines einfachen Längenvergleichs

…stecken bereits mehrere Informationen über den Messprozess:

  • Eine Länge wird mit einer anderen Länge direkt verglichen.
  • Es wird nur eine Ablesung durchgeführt (keine Mehrfachmessung)
  • Es werden keine Teillängen ermittelt und addiert.
  • usw.

Beispiel: Komplexe Längenmessung der Länge eines Raumes

Wenn man die Länge eines Raumes mit einem Gliedermaßstab („Zollstock“) bestimmen möchte, kommt man ab einer Länge von zwei Meter nicht mehr mit einer Anlegung aus. Bei einer angenommenen Länge von 5,52 m muss der Gliedermaßstab zwei Mal ganz und zudem bei einer Teilablesung angewendet werden. Eine zugehörige Prozessgleichung könnte wie folgt aussehen:

Gleichung 2.2-2: Beispiel einer Prozessgleichung einer Längenmessung

Länge des Raumes
Gesamtlänge des Gliedermaßstabs
Teillänge der dritten Ablesung

Gleichung 2.2-3: Größenwertgleichung zur Prozessgleichung

Die möglichen Modellgleichungen und die resultierende Messunsicherheitsbilanz müssen sich in Abhängigkeit von der Struktur der Prozessgleichung unterscheiden.

Anmerkung: Konsequenzen aus dem geänderten Messprozess

  • Der Messunsicherheitseinfluss einer möglichen Längenabweichung des Gliedermaßstabes muss zwei Mal ganz und einmal zum Teil berücksichtigt werden.
  • Das Messmittel wird insgesamt drei Mal angelegt.
  • Die ersten beiden Ablesungen werden eine andere Qualität haben als die Ablesung der Teillänge, weil sich die Ablesungen in der Ausführung unterscheiden.

Um eine korrekte Modellgleichung auf stellen zu können, muss die Prozessgleichung mathematisch und physikalisch korrekt sein .

Sie muss den Messprozess korrekt beschreiben .

Änderungen im Messprozess führe n üblicherweise zu Änderungen in der Prozessgleichung.

Die Modellgleichung folgt den Änderungen in der Prozessgleichung.

(b) Typische Fehler beim Aufstellen der Prozessgleichung

Fehler, die bereits in der Aufstellung der Prozessgleichung gemacht werden, ziehen sich durch die gesamte Modellierung und lassen unweigerlich die Messunsicherheitsbestimmung falsch und wertlos werden.16 17

Beispiel: Das ohmsche Gesetz und die Herleitung einer passenden Prozessgleichung

Der elektrische Widerstand kann nach dem Ohm‘schen Gesetz gemäß gemessen werden. Viele Messmittel nutzen diese Definition auch für den Messprozess, indem eine Konstantstromquelle einen definierten Messstrom vorgibt und der am Kalibriergegenstand18 resultierende Spannungsabfall gemessen wird.

Hingegen darf diese Beziehung nicht eingesetzt werden, wenn ein Widerstand über eine Messbrücke, über Widerstandsverhältnisse oder auf sonstige Art und Weise ermittelt wird. Der Messprozess wäre falsch modelliert. Eine spätere Zuordnung von Messunsicherheitseinflüssen würde an falscher Stelle erfolgen. Dies wiederum verursacht falsche Empfindlichkeitskoeffizienten.19

Viel häufiger sind Prozessfehler in folgender Art zu finden20:

Beispiel: Fehler beim Aufstellen der Prozessgleichung

Mancher Messbereich beginnt in der Praxis nicht an einem definierten Nullwert. Ein Behältnis für Flüssigkeiten weist oft eine nicht unerheblich große Taramasse auf. Für das Messen des Inhalts muss diese Tara-Masse vom Gesamtgewicht des gefüllten Containers abgezogen werden. Der Messprozess zur Ermittlung der Nettomasse des Transportgutes ist keine Direktmessung, sondern eine Differenzmessung. Die Prozessgleichung ist als Differenz darzustellen:

Gleichung 2.2-4: Prozessgleichung einer Differenzwägung (I)

Eine Nullsetzung der Waage bei der Taramessung ist üblich und für die Bestimmung der Nettomasse sinnvoll. Gemessen wird mit einem „Null-Tara“:

Gleichung 2.2-5: Falsche Prozessgleichung einer Differenzwägung (II)

Diese Prozessgleichung ist falsch! Es wird nicht in Differenz zu „0“ gemessen. stattdessen ist eine Taramasse als Referenz zu nutzen. Dies ist bereits eine Teilmessung21. weist eine eigene Messunsicherheit (der Teilmessung) auf.

Beispiel: Dämpfungsmessung

Ein ähnlicher Sachverhalt liegt bei Messungen der Einfügedämpfung vor.

In einem ersten Schritt wird die Leitungsdämpfung der Messanordnung ermittelt. Bei einem vorgegebenen Pegel misst der Indikator, welche Leistung am Ende der Messkette ankommt.

Abbildung 2.2-1: Vereinfachte Messkette zur Dämpfungsmessung (Referenzmessung)22

Beispiel: Dämpfungsmessung

Im nächsten Schritt wird die Messkette an der Messebene geöffnet, um ein Dämpfungsglied einzufügen. Der Leistungsmesser wird eine reduzierte Leistung anzeigen.

Abbildung 2.2-2: Vereinfachte Messkette zur Dämpfungsmessung mit eingefügten Kalibriergegenstand

Das Messergebnis kann als Differenz dargestellt werden:

Gleichung 2.2-6: Prozessgleichung einer Differenzmessung

Oder auch als Verhältnismessung:

Gleichung 2.2-7: Prozessgleichung einer Verhältnismessung

Maß der Einfügedämpfung, relativ oder absolut, je nach Definition und Darstellung (linear oder logarithmisch)
Referenzleistungspegel
Reduzierte Leistung nach Einfügen des Dämpfungsglieds

Da jede mathematisch und physikalisch korrekte Darstellung zulässig ist, kann eine Prozessgleichung verschieden dargestellt werden. Diese Formen...

Erscheint lt. Verlag 22.7.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Technik
ISBN-13 9783753492926 / 9783753492926
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
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