Das blaue Wunder (eBook)
283 Seiten
Ludwig Buchverlag
978-3-641-23107-1 (ISBN)
Erstaunliches passiert unter Wasser: Das Meer leuchtet nachts geheimnisvoll, kleinste Organismen (das Plankton) haben die größte Macht, und Fische sind keineswegs stumm, sondern kommunizieren lauthals miteinander. Die Meeresbiologin Frauke Bagusche erzählt faszinierende Geschichten von den kleinsten und größten Lebewesen unserer Welt und erklärt, woher der Duft kommt, der unsere Strandspaziergänge erfüllt, was für das Leuchten verantwortlich ist, das wir nachts im Wasser bewundern können, und warum das Meer nicht nur unsere Gefühle, sondern auch unser Schicksal und das des ganzen Planeten lenkt. Dazu zieht sie die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse ebenso heran wie ihre eigenen unmittelbaren Erfahrungen und ergründet so unsere innige Beziehung zum Meer: Denn egal ob wir in den Alpen, in Kiel oder Berlin sind – wir sind durch jeden Atemzug mit dem blauen Wunder verbunden. Sie erklärt auch, warum das Meer so dringend unsere Hilfe braucht und stellt aktuelle Lösungsansätze und Forschungsergebnisse zur Rettung der Ozeane vor - mit einfachsten Maßnahmen für den Alltag können wir helfen, unsere Lebensgrundlage, das Meer, zu erhalten.
Dr. Frauke Bagusche, Jahrgang 1978, ist Meeresbiologin. Nach ihrer Promotion an der University of Southampton in England leitete sie meeresbiologische Stationen auf den Malediven und segelte 9500 Kilometer von der Karibik durch den Atlantik ins Mittelmeer, um auf die Vermüllung der Ozeane aufmerksam zu machen. Sie ist eine gefragte Rednerin und hält deutschlandweit Vorträge zu meeresbiologischen Themen. Der von ihr mitbegründete gemeinnützige Verein »The Blue Mind« ist mittlerweile in drei Bundesländern im Bildungsbereich mit Fokus auf Kinder und Jugendliche aktiv und verankert Meeresschutz auch im Inland. 2019 erschien bei Ludwig ihr Spiegelbestseller "Das blaue Wunder. Warum das Meer leuchtet, Fische singen und unsere Beziehung zum Meer so besonders ist ─ Erstaunliche Einblicke in eine geheimnisvolle Welt". Frauke Bagusche lebt in Saarbrücken.
Korallenriffe – die Kinderstuben der Ozeane
Wenn man an große und imposante, von lebenden Organismen geschaffene Gebilde denkt, so kommen einem vielleicht der Burj Khalifa, der größte Wolkenkratzer der Welt in Dubai, die Chinesische Mauer oder die Pyramiden von Gizeh in den Sinn. Den wenigsten Menschen ist jedoch bewusst, dass eine der größten lebenden Strukturen von kleinsten Tieren gebildet wurde und immer noch wird: von Korallen-Polypen. Das Große Barriereriff, welches aus fast 3 000 einzelnen Riffen besteht und sich vor der Küste Queenslands in Australien befindet, ist stolze 2 300 Kilometer lang und sogar aus dem Weltraum zu erkennen.
Insgesamt bedecken tropische Korallenriffe ca. 284 300 Quadratkilometer des Meeresbodens. Das ist zwar nur etwas weniger als ein Prozent der gesamten Fläche, aber dieses eine Prozent dient einem Viertel der weltweit vorkommenden Fischarten als Lebensraum. Aufgrund ihrer Artenvielfalt und Produktivität werden Korallenriffe oft als »Kinderstuben der Meere« oder als »Regenwälder der Meere« bezeichnet. Sie gehören zu den Ökosystemen mit der größten Artendichte, und der Mensch profitiert schon seit Jahrhunderten von ihnen: Korallenriffe produzieren den Sand der Strände und manchmal sogar die Inseln selbst (Atolle), sie bieten Schutz vor Sturmfluten, verhindern die Erosion der Küsten, sie ernähren die in Küstenregionen lebenden Menschen – und sie sind, wie sich in den letzten 50 Jahren herausgestellt hat, eine wichtige Quelle für neue Pharmazeutika. Korallenriffe gehören zu den facettenreichsten und komplexesten Ökosystemen der Erde, sie sind faszinierend in ihrer Diversität, bunt, lebendig, einfach ein Wunder der Natur und voller Geheimnisse.
Doch was sind überhaupt Korallen? Korallen sind sessile, d. h. festsitzende, koloniebildende kleine Tiere, Polypen genannt, die zusammen mit Anemonen, Quallen und Hydrozoen zu den Nesseltieren (Cnidaria) gehören. Diejenigen Polypen, die den Hauptanteil an der Bildung von Korallenriffen (siehe hier) übernehmen, sind die Steinkorallen (Scleractinia); aber auch kalkabscheidende Algen (coralline Rotalgen) und Schwämme spielen bei der Riffbildung eine Rolle. Steinkorallen werden oft, wie ihr Name nahelegt, für Steine gehalten, da sie sich nicht fortbewegen können und sich die kleinen Polypen tagsüber zumeist in ihr Kalkskelett zurückziehen, das aussieht, als wäre es aus Stein (siehe hier und hier). Nachts kommen sie aus ihrer Deckung und fangen mit ihren Tentakeln das vorbeischwebende Plankton. Schaut man sich einen Korallenpolypen genauer an, erkennt man einen tassenförmigen Körper mit einer einzigen zentralen Öffnung, welche von Tentakeln umrandet ist.
Riffbildende (hermatype) Korallen kommen fast ausschließlich in warmen, lichtdurchfluteten tropischen Küstengewässern vor, da die speziellen Algen, mit denen sie in einer Symbiose leben, Licht für die Fotosynthese brauchen. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich zwischen dreißig Grad nördlicher und dreißig Grad südlicher Breite und sieht aus wie ein breiter, etwas löchriger Gürtel, den sich Mutter Erde um die Hüfte gelegt hat. Der Großteil der Korallenriffe liegt im Indopazifik – vom Roten Meer bis hin zum Mittleren Pazifik. Nur etwa acht Prozent der Riffe sind in der Karibik und dem Atlantik beheimatet. Steinkorallen und andere Korallenvertreter finden sich jedoch auch in gemäßigten und kalten Meeren – sogar in der Tiefsee. Steinkorallen, welche ihr Außenskelett aus Calciumcarbonat aufbauen, zählen zu der Unterklasse der Hexacorallia, das heißt, ihr Magenraum wird beim jungen Polypen durch sechs Längswände, Mesenterien genannt, symmetrisch geteilt, und der junge Polyp hat sechs Tentakel. Wächst er, kommen mehr Mesenterien und Tentakel hinzu. Die mit Nesselkapseln bewehrten Tentakel können dabei in mehreren Reihen um die Öffnung, die sowohl als Mund als auch als Anus dient, angeordnet sein. In einem Korallenriff gibt es neben den Hexacorallia noch eine weitere dominante Gruppe von den Nesseltieren, nämlich die Octocorallia, deren Polypen acht Tentakel haben und zu denen unter anderem Weichkorallen (Alcyonacea), Gorgonien (Gorgonacea) und Seefedern (Pennatulacea) zählen. Beide, die Hexa- und die Octocorallia, werden zu der Klasse der Anthozoa oder Blumentiere gezählt, die mit etwa 7 500 Arten die größte Gruppe innerhalb der Nesseltiere darstellt. Im Gegensatz zu den Quallen, die ebenfalls zu den Nesseltieren gehören, fehlt es den Blumentieren, die ihren Namen der Ähnlichkeit mit Blumenblüten verdanken, allerdings an einem Medusenstadium – sie kommen nur als Polypen vor. Jeder Polyp steht am Anfang zur Bildung einer Kolonie, welche aus vielen Tausenden Einzelpolypen bestehen kann.
Wenn Steinkorallen eine Facebook-Seite hätten, lautete ihr Status wohl »in einer Beziehung«, denn die meisten Arten leben in einer Symbiose mit einzelligen Algen, den Zooxanthellen. Im deutschen Sprachgebrauch versteht man unter Symbiose meist eine Beziehung, bei der alle Beteiligten profitieren. International (im angelsächsischen Sprachraum) bezeichnet der Begriff Symbiose jedoch ganz allgemein eine Vergesellschaftung von Organismen unterschiedlicher Art – ohne bereits Nutzen und Schaden zu benennen. Hier muss man daher präzisieren: Bei der Beziehung von Korallen und ihren Zooxanthellen handelt es sich um eine mutualistische Symbiose, da beide Partner voneinander profitieren und sich perfekt ergänzen. Zooxanthellen leben nicht nur in Symbiose mit Steinkorallen, sondern auch mit vielen Octocorallia, Riesenmuscheln (Tridacnidae) und sogar mit manchen Schwämmen und Nacktkiemerschnecken (Nudibranchia). Im Falle der im tropischen Flachwasser vorkommenden Steinkorallen leben die Zooxanthellen in sehr hohen Konzentrationen als sogenannte Endosymbionten im Körpergewebe der Polypen (wobei mindestens eine Million Algenzellen auf einem Quadratzentimeter Gewebe leben). Diese algigen Untermieter betreiben in der Sicherheit des Korallenpolypengewebes Fotosynthese und versorgen die Polypen dafür mit den Früchten ihrer Arbeit: mit Zucker, Stärke und anderen organischen Produkten, welche dem Wachstum ihrer Vermieter zugutekommen. Ohne ihre kleinen Mitbewohner hätten die Korallen ein Problem, denn die flachen tropischen und subtropischen Gewässer sind für gewöhnlich sehr nährstoffarm. Die Korallen sind deswegen auf die Hilfe der Fotosynthese betreibenden Zooxanthellen angewiesen. Die Algen hingegen bekommen von den Korallen nicht nur Schutz, sondern auch deren Abfallprodukte wie Nitrate und Phosphate, die sie wiederum dringend für ihren Stoffwechsel benötigen. Korallen, die symbiontisch mit Zooxanthellen der Gattung Symbiodinium leben, haben meist eine wesentlich höhere Kalkbildungsrate als Steinkorallen ohne solche Mitbewohner (azooxanthellate Korallen).
Die Kalkbildung wird auch als Biomineralisation oder Kalzifizierung bezeichnet. Bei der Biomineralisation wird ein Mineral, in diesem Fall Aragonit, das ein Polymorph* von Calciumcarbonat (kohlensaurer Kalk) ist, von einem leben Organismus, hier: dem Korallenpolypen, produziert. Ein Biomineral besteht sowohl aus mineralischen als auch aus organischen Komponenten und wird vom Organismus nicht zufällig, sondern kontrolliert hergestellt. Das Wunderbare an Biomineralen ist, dass sie unter dem Elektronenmikroskop in vielfacher Vergrößerung erst ihre wahre Schönheit preisgeben. Während meiner Doktorarbeit habe ich mich bis in den Nanometerbereich von Austernschalen hineingezoomt und konnte so die geometrische Schönheit der einzelnen Strukturen der Austernschalen bewundern. Es ist kaum zu glauben, dass diese geometrischen Formen, welche denen der geologischen Minerale in Präzision und Formenvielfalt in nichts nachstehen, aktiv von lebenden Tieren geschaffen werden. Biomineralisation ist reine Kunst! Der Prozess, bei welchem die Korallen ihr Skelett bauen, ist bis heute nicht vollständig erforscht. Vereinfacht erklärt, scheiden riffbildende Steinkorallen an der Basis der Polypen ihr Kalkskelett ab, das hauptsächlich aus Aragonit besteht. Die Zutaten dafür, Calcium- und Hydrogencarbonat-Ionen, nimmt der Polyp aus dem Meerwasser auf und wandelt sie in einem komplexen Prozess in Aragonitkristalle um. Das geht allerdings nicht im Handumdrehen: Korallen wachsen in der Regel nur wenige Millimeter pro Jahr.
Das Phänomen der Biomineralisation ist nicht auf Korallen beschränkt, sondern reicht quer durch das Tierreich. Die zahlenmäßig größte Gruppe von Organismen, die ihr eigenes Kalkskelett herstellen, sind kleine einzellige Algen, Coccolithophoriden genannt. Diese winzigen runden Algen, deren bekanntester Vertreter wohl Emiliania huxleyi ist, scheiden Calciumcarbonat-Platten ab, die Coccolithen genannt werden und den Algen als Schutzpanzer dienen. Im Ozeanographischen Museum von Monaco hängt im Aquariumbereich ein Modell davon an der Decke, das an den Mond erinnert (und sich gut als Wohnzimmerlampe machen würde). Emiliania huxleyi, auch kurz als E. hux bezeichnet, ist ein wichtiger Primärproduzent und berühmt für seine großflächigen Algenblüten, welche sogar aus dem All sichtbar sein können. Abgestorbene Algen, die in die Tiefen der Ozeane sinken, spielen eine große Rolle im marinen Kohlenstoffkreislauf, da sie den in ihren Schalen gebundenen Kohlenstoff nach unten transportieren (siehe oben »Die grüne Lunge«).
Doch auch andere Organismen bilden ihre Skelette durch Biomineralisation. Wenn Ihr Fuß schon einmal das Vergnügen hatte, einen Seeigel näher kennenzulernen, wird er sich...
| Erscheint lt. Verlag | 27.5.2019 |
|---|---|
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik ► Natur / Ökologie |
| Technik | |
| Schlagworte | eBooks • Meeresbewohner • Meeresbiologie • Ozean • Peter Wohlleben • Plastik • Schnorcheln • Tauchen • Tiefsee • Urlaub • Wasser |
| ISBN-10 | 3-641-23107-8 / 3641231078 |
| ISBN-13 | 978-3-641-23107-1 / 9783641231071 |
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