Handbuch Europarecht (eBook)
872 Seiten
Springer Berlin (Verlag)
978-3-540-28494-9 (ISBN)
Das Wettbewerbsrecht hat in den letzten Jahren tiefgreifende Umbrüche erfahren. Das betrifft die Kartellverfahrens- und die Fusionskontrollverordnung ebenso wie verschiedene Gruppenfreistellungsverordnungen. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen sind im Lichte auch der jüngsten Leitlinien der Kommission ausführlich dargestellt.
Auch in diesem Band liegt der Schwerpunkt auf der näheren Strukturierung und Bewertung der Rechtsprechung sowie der Kommissionspraxis. Jüngere Entscheidungen zum Unternehmensbegriff (AOK), Vorliegen einer Vereinbarung (Arzneimittelimporteure), zur Zurechnung von Wettbewerbsverstößen (Aalborg Portland), missbräuchlichen Vorenthaltung immaterialgüterrechtlich geschützter Leistungen (IMS Health, Microsoft) sowie zur Beweisführung bei künftigen Entwicklungen (Tetra Laval) werden näher dargestellt. Die dadurch aufgeworfenen zentralen Fragen des EG-Kartellrechts werden in Herleitung und Folgen umfassend bewertet.
Vorwort 8
Inhaltsübersicht 10
Inhaltsverzeichnis 14
Abkürzungsverzeichnis 44
Teil I Grundlagen 50
Kapitel 1 Bedeutung der Wettbewerbsfreiheit im Gefüge des Gemeinschaftsrechts 52
§ 1 Grundlagenfunktion für einen europaweiten Markt 52
A. Der Wettbewerb als Integrationsfaktor 52
B. Geänderte Integrationsausrichtung 54
C. Leistungssteigerung durch freie Entfaltung im Wettbewerb 56
D. Unverfälschter Wettbewerb 57
E. Chancengleichheit als Grundlage 59
F. Wettbewerb als Teil des gemeinschaftlichen Wirtschaftssystems 60
G. Unverfälschter Wettbewerb als System 62
§ 2 Wettbewerbsfreiheit und Grundfreiheiten 63
A. Enge sachliche und rechtssystematische Verbindung 63
B. Die Wettbewerbsfreiheit als Grundfreiheit 67
C. Parallele Struktur 70
D. Abgrenzung 90
§ 3 Wettbewerbsfreiheit und Grundrechte 92
A. Abgrenzung und Parallelen 92
B. Ausfluss grundrechtlicher Schutzpflichten 94
C. Überschneidungen 95
§ 4 Sondervorschriften 97
A. Verkehrssektor 97
B. Landwirtschaft 98
C. Kohle und Stahl 98
D. Atomkraft 99
E. Maßnahmen zur Wahrung wesentlicher nationaler Sicherheitsinteressen 99
Kapitel 2 Gemeinschaftliche, nationale und internationale Wettbewerbsordnung 100
§ 1 Zuständigkeitsverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten 100
A. Entwicklungsstand 100
B. Materielle Verschränkung von nationalem und europäischem Kartellrecht 106
C. Organisatorische Verschränkung 112
§ 2 Internationale Dimension des europäischen Wettbewerbsrechts 120
A. Einleitung 120
B. Erstreckung der EG-Wettbewerbsregeln auf international tätige Unternehmen 121
C. Die Zusammenarbeit mit Wettbewerbsbehörden von Drittstaaten am Beispiel der USA 132
D. Zur Vereinbarkeit der EG-Wettbewerbsregeln mit GATT und WTO 136
Teil II Unternehmenskooperationen und -koordinierungen 150
Kapitel 3 Kartellverbot 152
§ 1 Grundstruktur und Zielsetzung 152
A. Zweck 152
B. Verhältnis zu den anderen Wettbewerbsregeln 155
C. Entwicklung 161
D. Systematik 168
§ 2 Verpflichtete 177
A. Unternehmen 177
B. Unternehmensvereinigungen 191
C. Geltung für Unternehmen in Drittstaaten 193
§ 3 Vereinbarungen zwischen Unternehmen 194
A. Bedeutung und Abgrenzung zu den anderen Verhaltensweisen 194
B. Gemeinsame Willenserklärung 197
C. Zwischen Unternehmen 206
§ 4 Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen 210
A. Unternehmensvereinigung als Kooperationsform 210
B. Mögliche Beschlussfassungen 212
C. Tatsächliche Maßnahmen 213
D. Zur Frage der Verbindlichkeit 214
§ 5 Aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen 215
A. Bedeutung und Grundstruktur 215
B. Abstimmung 218
C. Verhalten 227
§ 6 Spürbarkeit als ungeschriebenes Merkmal 231
A. Begründung und Definition 231
B. Bagatellbekanntmachung 232
§ 7 Bezweckung oder Bewirkung einer Wettbewerbsbeeinträchtigung 238
A. Struktur ausgehend vom Wortlaut 238
B. Geschützter Wettbewerb 240
C. Absicht oder Effekt 268
D. Beispielskatalog nach Art. 81 Abs. 1 lit. a)-e) EG 278
§ 8 Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels 286
A. Stellenwert 286
B. Verallgemeinernde Regeln 288
C. Handel zwischen Mitgliedstaaten 289
D. Eignung zur Beeinträchtigung 295
E. Spürbarkeit 300
§ 9 Zur Tatbestandslosigkeit bestimmter Verhaltensweisen 303
A. Einordnung 303
B. Relevanz staatlicher Einwirkung 304
C. Tatbestandslosigkeit umweltbezogenen wettbewerbsbeeinträchtigenden Verhaltens? 312
D. Tatbestandslosigkeit wettbewerbseröffnender Maßnahmen 314
§ 10 Rule of Reason? 316
Kapitel 4 Freistellungen 320
§ 1 System 320
A. Unmittelbare Anwendung der Freistellungstatbestände 320
B. Gruppenfreistellungen 327
C. Einzelfreistellungen 331
§ 2 Gruppenfreistellungsverordnungen 334
A. Allgemeine Anforderungen 334
B. Gesamtsystem 336
C. Einzelne Gruppenfreistellungsverordnungen 340
§ 3 Verfolgung eines freistellungsfähigen Ziels 359
A. Grundstruktur 359
B. Ausfüllung durch den Gemeinsamen Markt 362
C. Hinreichende Wahrscheinlichkeit direkter Effizienzgewinne 367
D. Verbesserung der Warenerzeugung und -verteilung 371
E. Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts 374
F. Umweltschutz als zusätzlicher Freistellungsgrund? 377
G. Keine notwendige Kohärenz mit gemeinschaftlichen oder nationalen Zielen 378
§ 4 Angemessene Gewinnbeteiligung der Verbraucher 379
A. Verbraucher 379
B. Gewinn 380
C. Angemessene Gewinnbeteiligung 386
§ 5 Unerlässlichkeit 389
A. Durchgehende Erforderlichkeitsprüfung in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht 389
B. Frühere Zielerreichung 397
C. Inkaufnahme eines höheren Kostenaufwandes 398
D. Ausgrenzung von Konkurrenten aus anderen Mitgliedstaaten 399
E. Das Problem der Prognoseunsicherheiten 400
§ 6 Keine mögliche Ausschaltung des Wettbewerbs für einen wesentlichen Teil 401
A. Keine Fähigkeit zur Verdrängung der Konkurrenz 401
B. Bezug zur Innehabung einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 82 EG 402
C. Untersuchungsansatz 403
D. Gleitender Maßstab 404
E. Restwettbewerb bei flächendeckenden Kooperationen 406
§ 7 Weitere Rechtfertigungsgründe? 409
A. Begrenzte analoge Anwendung der Schranken der Warenverkehrsfreiheit 409
B. Praktische Konkordanz mit Gemeinschaftszielen 415
Kapitel 5 Praxis der horizontalen Vereinbarungen 420
§ 1 Klassische Kartellabsprachen, Marktaufteilungen, Preisabsprachen 420
A. Allgemeines 420
B. Wettbewerbsbeschränkung 420
C. Freistellung 422
§ 2 Strukturkrisenkartelle 423
A. Allgemeines 423
B. Freistellung 424
§ 3 Vereinbarungen aus den Leitlinien 425
A. Allgemeines 425
B. Gemeinsame Forschung und Entwicklung 426
C. Produktions- und Spezialisierungsvereinbarungen 431
D. Einkaufsvereinbarungen 436
E. Gemeinsame Vermarktung 439
F. Normen- und Typenvereinbarungen 444
G. Umweltschutzvereinbarungen 446
§ 4 Besondere Kooperationsformen 448
A. Marktinformationsverfahren und Informationsaustausch 448
B. Arbeitsgemeinschaften 451
Kapitel 6 Allgemeine Zivilrechtsfolgen 454
§ 1 Nichtigkeit 454
A. Einbindung in das gesamte Kartellverbot 454
B. Unmittelbares Eingreifen 454
C. Absolutheit 455
D. Begrenzte sachliche Reichweite 456
§ 2 Unterlassungsansprüche 458
§ 3 Schadenersatzansprüche 459
A. Anwendbares Recht 459
B. Gerichtsstand 460
C. Effektivität 460
D. Grundvoraussetzungen 461
Teil III Ausnutzung dominanter Stellungen 464
Kapitel 7 Missbrauchsverbot 466
§ 1 Systematik und Bedeutung 466
A. Grundlagenfunktion für den Binnenmarkt 466
B. Missbrauchsverbot als Garant funktionsfähigen Restwettbewerbs 468
C. Umfassende Schutzwirkung 469
D. Abgrenzung zu anderen Wettbewerbstatbeständen 472
E. Unmittelbar wirkendes Verbot 479
F. Systematik des Missbrauchsverbots 480
§ 2 Beherrschende Stellung 485
A. Primärrechtliche Anhaltspunkte 485
B. Relevanter Markt 489
C. Ermittlung einer marktbeherrschenden Stellung 501
§ 3 Missbräuchliche Ausnutzung 514
A. Umfassende Einbeziehung wettbewerbsverfälschenden Verhaltens 514
B. Erzwingung unangemessener Geschäftsbedingungen (Art. 82 lit. a) EG) 519
C. Einschränkung von Erzeugung, Absatz oder technischer Entwicklung mit Verbraucherschaden (Art. 82 lit. b) EG) 528
D. Diskriminierung von Handelspartnern (Art. 82 lit. c) EG) 544
E. Sachfremde Zusatzleistungen (Art. 82 lit. d) EG) 553
F. Generalklausel nach Art. 82 S. 1 EG 558
§ 4 Missbrauch marktbeherrschender Stellung durch mehrere Unternehmen 576
A. Begründung einer beherrschenden Stellung 576
B. Gemeinsame missbräuchliche Ausnutzung 579
§ 5 Potenzielle Beeinträchtigung des grenzüberschreitenden Handels 579
A. Notwendige Transnationalität 579
B. Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Handel oder die Wettbewerbsstruktur im Gemeinsamen Markt 580
C. Spürbarkeit 583
§ 6 Rechtfertigung von Verstößen 584
§ 7 Rechtsfolgen 585
A. Effektives Verbot 585
B. Unwirksamkeit 586
C. Die Grenzen der Nichtigkeit 587
D. Unterlassung und Schadensersatz 587
Teil IV Kartellverfahren und Fusionskontrolle 590
Kapitel 8 Kartellverfahrensrecht 592
§ 1 Allgemeines 592
A. Einführung 592
B. Behördenzuständigkeiten 593
C. Verhältnis Gemeinschaftsrecht und nationales Recht 604
§ 2 Kommissionsverfahren 606
A. Einleitung und Aktivitäten im Vorfeld 606
B. Ermittlungsbefugnisse 607
C. Verfahrensgrundsätze 618
D. Mögliche Handlungsweisen der Kommission 625
E. Sanktionen 636
§ 3 Verfahren vor den nationalen Wettbewerbsbehörden 648
A. Allgemeines 648
B. Art. 5 VO (EG) Nr. 1/2003 649
§ 4 Rechtsschutz 650
A. Gegen Entscheidungen der Kommission 650
B. Gegen Entscheidungen der nationalen Wettbewerbsbehörden 655
C. Zivilrechtliche Durchsetzung des Kartellverbots vor nationalen Gerichten 657
§ 5 Musterablauf eines Beschwerdeverfahrens 658
A. Zulässigkeit einer Beschwerde 658
B. Verfahrensablauf 660
C. Alternative: Klage vor einem nationalen Gericht 664
Kapitel 9 Fusionskontrolle 666
§ 1 Grundlagen 666
A. Rechtsregime 666
B. Zwischen Wettbewerbsbeeinträchtigung und -förderung 666
C. Ansätze des EuGH 667
D. Vorverlagerung 670
des primärrechtlichen Wettbewerbsschutzes 670
§ 2 Erfasste Zusammenschlüsse 671
A. Systematik 671
B. Zusammenschluss 671
C. Erforderliche Umsatzschwellen 699
D. Verfahrensbedingte Erweiterungen 702
§ 3 Beurteilungsmaßstab 703
A. Erhebliche Wettbewerbsbehinderung (SIEC-Test) 703
B. Relevanter Markt 706
C. Wettbewerbsbehinderung bei hohem Marktanteil 708
D. Potenzieller Wettbewerb als gleichgewichtiger Faktor 714
E. Prognoseunsicherheiten für künftige und komplexe Entwicklungen 715
F. Messung der Veränderungen des Konzentrationsgrades 722
G. Kollektive beherrschende Stellung 723
H. Marktbedingtes gleichförmiges Verhalten als kollektive beherrschende Stellung 724
J. Effizienzvorteile 730
K. Sanierungsfusionen 731
§ 4 Verfahren 733
A. Grundablauf 733
B. Anmeldung 734
C. Vorabprüfung und Einleitung des Verfahrens sowie Vollzugshemmung 741
D. Auskünfte, Nachprüfungen, Anhörung 745
E. Verflechtung mit den nationalen Behörden 752
F. Vereinfachtes Verfahren 757
§ 5 Entscheidungen und Rechtsschutz 758
A. Mögliche Entscheidungen und deren Veröffentlichung 758
B. Entscheidungsbefugnisse (Art. 8 FKVO (EG) Nr. 139/2004) 759
C. Verweisung an die nationalen Wettbewerbsbehörden nach Anmeldung (Art. 9 FKVO (EG) Nr. 139/2004) 763
D. Geldbußen und Zwangsgelder (Art. 14, 15 FKVO (EG) Nr. 139/2004) 766
E. Rechtsschutz 767
Teil V Besonderheiten bei staatlichem Einfluss 770
Kapitel 10 Unternehmensbezogenenes staatliches Verhalten 772
§ 1 Staatliche Beeinflussung privaten Wettbewerbs 772
A. Entwicklungsstand 772
B. Aussonderung von Art. 86 Abs. 1 EG 776
C. Direkte Anwendung von Art. 81 Abs. 1, 82 EG 777
§ 2 Freistellung bzw. Rechtfertigung 780
A. Problematik 780
B. Wettbewerbseröffnendes Verhalten 781
C. Art. 81 Abs. 3 EG 781
D. Analoge Anwendung der für die Warenverkehrsfreiheit anerkannten Schranken 782
Kapitel 11 Daseinsvorsorge und Sonderrechte 786
§ 1 Grundsätzliche Geltung der Wettbewerbsregeln 786
A. Doppelter Ansatz 786
B. Öffentliche und mit herausgehobenen Rechten ausgestattete Unternehmen 790
C. Mitgliedstaatliche Pflichten 795
§ 2 Begrenzte Sonderstellung 802
A. Fortbestehende Maßgeblichkeit von Art. 86 Abs. 2 EG trotz Art. 16 EG 802
B. Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse 803
C. Finanzmonopole 810
D. Dispenserfordernisse 810
§ 3 Bestehende Gestaltung 820
A. Art. 86 Abs. 3 EG als Rechtsgrundlage 820
B. Transparenzrichtlinie 821
C. Telekommunikation 822
§ 4 Bedeutung von Art. 16 EG 823
A. Entstehung 823
B. Verhältnis zu Art. 86 EG 824
C. Art. 16 EG als bereichsübergreifender gleichgewichtiger Abwägungsbelang 826
D. Gestaltungsauftrag 832
Literaturverzeichnis 840
Rechtsprechungsverzeichnis (EuGH, EuG) 868
Verzeichnis der Kommissionsentscheidungen 880
Vorschriftenverzeichnis 888
Materielles Kartellrecht, insbes. Freistellungen 888
Kartellverfahrensrecht 890
Fusionskontrolle 891
Sonstiges 891
Sachwortverzeichnis 894
Kapitel 3 Kartellverbot (S. 103-104)
§ 1 Grundstruktur und Zielsetzung
A. Zweck
I. Spezifische Ergänzung zu den Grundfreiheiten
Die Wettbewerbsregeln stellen zusammen mit den Grundfreiheiten einen freien Wirtschaftsverkehr im europäischen Binnenmarkt sicher und erfassen in der Gesamtschau sowohl private als auch staatliche Verhaltensweisen. Das verleiht ihnen erst ihre flächendeckende Effektivität. Aufgrund ihrer sich gegenseitig ergänzenden Funktion überlappen sie sich dabei kaum. Das gilt zumal für die unternehmensbezogenen Wettbewerbsregeln. Deren bedeutendste Ausprägung ist das an der Spitze stehende Kartellverbot nach Art. 81 EG.
Spezifisch das Kartellverbot will privates Verhalten domestizieren, damit der Wettbewerb im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr unverfälscht erfolgen kann. Es sollen nicht von Unternehmen Wettbewerbsbeschränkungen wieder aufgebaut werden, welche in ihren Wirkungen den durch den EG abgeschafften staatlichen Hürden entsprechen. Daraus ergibt sich ein spezifischer Funktionszusammenhang zwischen Grundfreiheiten und Kartellverbot, bei dem Letzteres insbesondere die Zoll- und die Warenverkehrsfreiheit in ihrem Erfolg sicherstellt und vor privaten Beeinträchtigungen schützt. Gerade staatsübergreifende Kartelle können Zöllen und Kontingenten in ihrem Effekt gleichkommen, indem Märkte aufgeteilt und Preise abgesprochen werden. Sie dürfen daher nicht an die Stelle staatlicher Maßnahmen treten. Ein ungehinderter grenzüberschreitender Wirtschaftsverkehr beruht deshalb auf einem Verbot sowohl staatlicher als auch privater Beeinträchtigungen.
II. Freier unternehmerischer Wettbewerb als Selbstwert
Das Verbot privater Wettbewerbsbeeinträchtigungen dient dazu, den funktionierenden Wettbewerb zwischen autonom entscheidenden Privaten nicht zu verfälschen. Die Selbstständigkeit unternehmerischer Entscheidungen soll erhalten bleiben. Der Charakter des Kartellverbots als Freiheitsrecht rückt damit in den Vordergrund. Die Unverfälschtheit des Wettbewerbs steht in enger Verbindung mit der Wettbewerbsfreiheit. In Art. 4 Abs. 1 und 2 EG wird der Wettbewerb denn auch ausdrücklich als freier Wettbewerb benannt, wenngleich in Verbindung mit einer offenen Marktwirtschaft. Dieser Zusammenhang belegt indes die freiheitliche Ausrichtung des Wettbewerbsgedankens. Soweit die Marktwirtschaft in Art. I-3 Abs. 3 VE als in hohem Maße wettbewerbsfähige und soziale propagiert wird, wird dadurch in erster Linie die Wirtschaftspolitik für andere Einflüsse geöffnet. Der Wettbewerb selbst wird aber in Art. I-3 Abs. 2 VE gleichermaßen mit den Adjektiven „frei" und „unverfälscht" versehen, und zwar in Verbindung mit dem Binnenmarkt. Somit bleibt weiterhin anerkannt, dass der Wettbewerb ein freier sein muss.
Daraus ergibt sich weiter gehend, dass die Freiheit unternehmerischer Initiative einen Selbstwert bildet, der in erster Linie über das Kartellverbot sicherzustellen ist. Nur so können auch die übergeordneten Ziele erreicht werden, in deren Kontext der Wettbewerb eingebunden ist. Aus dieser ganzheitlichen Sicht mag der Wettbewerb im Gemeinsamen Markt kein Selbstzweck sein. Indes ist Wettbewerb ohne Freiheit nicht vorstellbar und taugt daher auch nicht für die Erreichung der anderen Vertragsziele. Freier unternehmerischer Wettbewerb bildet deshalb einen Selbstwert, zumal er auch in dieser Kombination an zentraler Stelle im Vertrag genannt wird.
Freier Wettbewerb wird insbesondere durch kooperative Verhaltensweisen von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen behindert, die dem Wettbewerb zuwider laufen, indem sie einzelne Mitbewerber ausgrenzen. Diese Verhaltensweisen wirken sich stärker Wettbewerbsverfälschend aus als etwa staatliche Subventionen, weil sie von den am Wettbewerb Beteiligten kommen und das Gleichgewicht der im Wettbewerb stehenden Unternehmen von innen verschieben. Sie drohen daher neben der Aufrichtung von Handelshürden im grenzüberschreitenden Verkehr etwa durch Gebietsabsprachen die Struktur freien Wettbewerbs zwischen den Konkurrenten schleichend auszuhöhlen und damit eine im Idealfall vom Geiste fairen Wettbewerbs beherrschte Unternehmenskultur zu zerstören. Darum liegt in der wettbewerbsorientierten Handhabung des Kartellverbots der Schlüssel zu einem in sich ruhenden unverfälschten Wettbewerb.
| Erscheint lt. Verlag | 23.2.2006 |
|---|---|
| Zusatzinfo | XLVIII, 872 S. |
| Verlagsort | Berlin |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Recht / Steuern ► EU / Internationales Recht |
| Technik | |
| Wirtschaft | |
| Schlagworte | Europäisches Kartellrecht • Europäisches Wettbewerbsrecht • Europarecht • Fusionskontrolle • Gemeinschaftsrecht • Kartellverbot • Missbrauchsverbot |
| ISBN-10 | 3-540-28494-X / 354028494X |
| ISBN-13 | 978-3-540-28494-9 / 9783540284949 |
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