Die Wohnwende (eBook)
192 Seiten
Books on Demand (Verlag)
9783819236051 (ISBN)
Seit über 25 Jahren bewegt sich Nathanael Over in der Bau- und Immobilienbranche - als Bauingenieur, Betriebswirt und Visionär. Doch für ihn geht es um mehr als Gebäude: Es geht um Menschen. Um Würde. Um Zukunft. Als Gründer und langjähriger Geschäftsführer entwickelte er Wohnlösungen, die nicht nur bezahlbar, sondern auch nachhaltig sind. Serieller Holzbau, Kreislaufwirtschaft, soziale Konzepte - das sind für ihn keine Schlagworte, sondern Wege, wie eine echte WOHNWENDE gelingt. Schon als Kind liebte er Baustellen. Heute baut er nicht nur Häuser, er träumt und gestaltet an der Zukunft, in der Wohnen für uns alle möglich ist. Heute treibt er diese Vision mit seiner Beratung Die WOHNWENDE weiter voran. Sein Purpose: Wohnungsnot gemeinsam meistern!
KAPITEL 1
Wohnen ohne Not
Ein eigenes Zuhause – einst ein selbstverständlicher Traum, heute für viele ein unerreichbares Ziel. Dieses Kapitel erzählt die packende Geschichte vom Verlust eines Ideals, das uns allen so viel bedeutet: ein sicherer Ort, an dem wir leben, lieben und träumen können. Es geht um die wachsende Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit, um Schicksale, die berühren, und um die brennende Frage: Wie können wir den Traum vom Wohnen für alle zurückholen?
Die Bohrmaschine wummert über meinem Kopf, während ich auf der Leiter stehe und Zementfaserplatten an die Decke meines zukünftigen Kinderzimmers montiere. Unter den wachsamen Augen meines Vaters verspachtele ich anschließend die Schrauben, versehe die Übergänge mit einem Netz und trage auch darauf Spachtelmasse auf.
Wir schreiben das Jahr 1989, ich bin 13 Jahre alt und hantiere nicht zum ersten Mal mit einer Bohrmaschine. Dabei ahne ich nicht, dass es in einigen Jahren YouTube-Videos geben wird, in denen solche Heimwerkerprojekte für Laien erklärt werden. Mein »YouTube« sind handwerklich begabte Freunde meiner Eltern. Die ganze Familie packt beim Hausbau mit an. Klar, dass auch meine beiden Brüder und ich helfen. Schließlich bauen wir unser neues Zuhause. Statt Stockbetten im engen Dreierzimmer winkt jedem von uns endlich ein eigenes Reich. Wer bekommt welches Zimmer? Darüber diskutieren wir Kinder lang und breit, noch bevor der Bauplatz abgesteckt ist.
Ein paar Monate später leben wir den deutschen Traum, in einer Einfamilienhaussiedlung mit Garten und Carport: 150 Quadratmeter mit Platz für drei Kinderzimmer, ein Elternschlafzimmer, eine Küche mit Speisekammer, ein großes Ess- und Wohnzimmer, ein Arbeitszimmer, zwei Bäder und eine Waschküche. Für uns damals das Normalste der Welt. Der für mich wichtigste Raum im ganzen Haus ist mein eigenes Zimmer.
Ich erinnere mich noch heute an dieses unvergleichliche Gefühl von Geborgenheit und Freiheit. Einfach die Tür hinter mir zu schließen und die Welt draußen zu lassen – unbezahlbar. Unser Haus wird zum wichtigsten Ort der Welt für mich. Hier findet unser Familienleben statt. Natürlich gibt es auch Zoff und Stress unter uns Kindern und mit unseren Eltern. Aber der ist in der Regel bald wieder vergessen. Wir erleben schöne gemeinsame Stunden, zelebrieren sonntags ein ausgiebiges Frühstück mit dem Goldrandgeschirr von Oma und Bach-Kantaten. Ich komme nach der Schule gerne nach Hause, auch wenn meine Noten nicht so gut sind. Meine Mutter hat immer ein ermutigendes und tröstendes Wort. Ich spüre ganz tief in mir: Egal, was passiert, hier bin ich sicher.
Mein Elternhaus steht in Celle in Niedersachsen, wo wir Kinder auf der Straße Tennis spielen. Der Bolzplatz und ein Schwimmbad sind ganz in der Nähe, keine 100 Meter von uns fließt ein Fluss, dahinter liegen Felder und Wald. Zur Schule fahren wir mit dem Fahrrad, Innenstadt, Karstadt und Stadtbibliothek sind nicht weit entfernt. Es ist der ideale Ort für ein Zuhause, für uns als Familie.
Dieses Ideal war in der Bundesrepublik von den 1970er- bis 1990er-Jahren so weitverbreitet, dass es selbstverständlich schien. Bauland zu bekommen, war damals in den meisten Gegenden kein Problem. Das Einfamilienhaus meiner Eltern kostete selbst inflationsbereinigt ungefähr die Hälfte des Betrages, der heute aufzubringen wäre. Auch wenn die Bauzinsen mit rund acht Prozent hoch lagen, war das damals zu stemmen. Sogar für durchschnittliche Familien, die weder Doppelverdiener waren noch geerbt hatten.
Eine Wahl zu haben, was ihr Zuhause angeht, schien damals für die Mehrheit der bundesdeutschen Familien ganz normal. So entschieden sich die Eltern meines Kumpels Sven für eine Eigentumswohnung in einem Mehrfamilienhaus, weil ein Haus ihr Familienbudget überstieg, aber sie dennoch Eigentum schaffen wollten.
Sicher, in anderen Teilen der Welt sah es ganz anders aus. Doch die waren weit weg. In der Schule sahen wir Filme über Slums in Indien, der Weltspiegel berichtete über Favelas in Südamerika, und in Skid Row, einem Stadtviertel in Los Angeles, hausten schon in den 1930er-Jahren viele Tausend Menschen auf der Straße. Noch heute leben dort in Downtown mehr Obdachlose als in anderen Städten der USA.
Doch in meiner Kinder- und Jugendzeit kannte ich noch niemanden persönlich, der oder die in Wohnungsnot war. Slums in Deutschland? Undenkbar! Das ist heute anders. Wohnraum ist mittlerweile nicht nur teuer, er ist vor allem rar. Bis zu 720 000 Wohnungen fehlen in Deutschland 2025. 1
Machen wir uns auf eine kurze Reise durch unsere Republik für eine Bestandsaufnahme.
Willkommen im Land der Wohnraumsuchenden
Esslingen bei Stuttgart, im Frühjahr 2024: Am Tresen seiner Änderungsschneiderei knipst Bülent einen letzten Faden ab, bevor er mir meine sorgfältig gekürzte Hose reicht. Bülent, der Schneider meines Vertrauens, ist ein gesprächiger Mann um die 50, mit freundlichen, dunklen Augen. Einige Wochen zuvor hatte ich ihm den Kontakt zu einem Wohnungsmakler vermittelt. Denn Bülents fünfköpfige Familie benötigt dringend mehr Platz.
»Wir haben noch immer nichts Passendes gefunden«, sagt er nun kopfschüttelnd und erzählt von frustrierenden Absagen und Vorurteilen. In über 90 Prozent der Fälle habe er auf seine Anfragen gar keine Rückmeldung erhalten.
Bülents Mitarbeiterin gesellt sich zu uns. Sie erzählt mir von ihrem erwachsenen Sohn, der unbedingt in ihre Nähe ziehen will, aber bislang ebenfalls kein Glück auf dem Wohnungsmarkt hat. Dabei wäre es wundervoll, ihre Enkel in der Nähe zu haben. Und praktisch obendrein, denn sie könnte dann stundenweise auf die beiden Kinder aufpassen, da ihr Sohn und seine Frau beide arbeiten.
Ich würde gerne helfen, und es tut mir leid, dass der von mir vermittelte Maklerkontakt Bülent bisher nicht weitergebracht hat. Doch es gibt einfach zu wenig Wohnungen, und wer eine hat, hält daran fest.
Hinter mir hat eine junge Kundin den Laden betreten. Ob ich Makler sei, will sie wissen.
»Das bin ich nicht, aber ich beschäftige mich seit über zwei Jahrzehnten intensiv mit Wohnungen, Bau und Vermietung.«
Daraufhin erzählt sie von ihrem Freund, der noch bei seiner Mutter lebt und mit 30 Jahren endlich zu Hause ausziehen will. Auch hier wieder das gleiche Lied: Er findet einfach keine bezahlbare Wohnung.
Ein Bekannter aus Duisburg schickte mir kürzlich ein Foto von dem Sportplatz, an dem er auf seiner Joggingrunde immer vorbeikommt. Am Zaun hängt ein riesiges Plakat mit der Aufschrift »Lisa und Paul suchen eine Wohnung zum Kauf« plus Adressinfo. Andere sprühen Wohnungsgesuche an Brücken und Mauerwände. Ähnlich den »Ich kaufe dein Auto«-Kärtchen an der Windschutzscheibe verteilen Wohnungssuchende massenhaft gedruckte Flyer oder Postkarten in Briefkästen.
Frühzeitig zu wissen, wann eine Wohnung frei wird, ist inzwischen begehrtes Insiderwissen, für das Provision kassiert wird. Für erfolgreiche Tipps bei der Wohnungssuche werden Belohnungen ausgeschrieben. In Großstädten wie Berlin, München oder Hamburg ist die Not besonders groß. Dort sind manche Interessenten bereit, Extra-Geld zu bezahlen.
Ich las von einem Fall aus Berlin, wo Interessenten bis zu 10 000 Euro auf die Hand boten, um den Zuschlag für die besichtigte Wohnung zu erhalten. Andere sind bereit, eine gesamte Jahresmiete im Voraus zu bezahlen, nur um überhaupt eine Wohnung zu bekommen.
Heute lebt mehr als jeder Zehnte in Deutschland in überbelegten Wohnungen oder Zimmern. Bei Haushalten mit Kindern leben sogar bis zu einem Drittel hierzulande in räumlicher Enge. 2 Junge Familien und besonders Alleinerziehende mit Kindern haben es schwer, eine größere Wohnung oder gar ein Haus mit Garten zu finden – gerade in den Städten ist das utopisch geworden.
Der Verlust der Entscheidungsfreiheit
Doch die Frage nach einem Zuhause geht längst nicht mehr nur bestimmte Bevölkerungsgruppen an. Sie betrifft uns alle. Auch wer gerade nicht aus beruflichen, familiären oder gesundheitlichen Gründen umziehen will oder muss, spürt die Folgen der zunehmenden Not bereits in irgendeiner Form. Die Selbstverständlichkeit des Wohnens und die Entscheidungsfreiheit auf dem Wohnungsmarkt sind bis weit in die Mittelschicht hinein verloren gegangen. Dieser Verlust hat direkte Auswirkungen auf die gesellschaftliche Stimmung und das persönliche Lebensgefühl. Was kommt da auf uns als Gesellschaft zu? Und welche Folgen hat die zunehmende Wohnungsnot für einzelne Menschen in Deutschland?
Schauen wir uns ein Beispiel an: Nach einer Ausbildung als Arzthelferin in Sonthofen geht es für Kathrin zum Studium in die Ferne. Aus dem Allgäu zieht die angehende Medizinstudentin bis nach Kiel. Ein wichtiger Grund dafür: Die Chancen auf eine bezahlbare Unterkunft sind dort deutlich größer als zum Beispiel in München.
Wie Kathrin überlegen viele angehende Studierende inzwischen, ob es in der Nähe ihrer Wunschuniversität überhaupt eine bezahlbare Bleibe gibt....
| Erscheint lt. Verlag | 24.4.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Naturwissenschaften ► Geowissenschaften |
| Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung ► Staat / Verwaltung | |
| Technik | |
| Schlagworte | Alternativen zum Eigentumsmodell • Bezahlbarer Wohnraum für alle Buch • Bezahlbarer Wohnraum für alle Ratgeber • Bücher über soziale Ungleichheit • Gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung • Ideen für günstigen Wohnraum • Innovative Wohnkonzepte Deutschland • Kritik am Immobilienmarkt • Kritische Bücher zur Stadtentwicklung • Lösungen gegen Wohnungsnot • Nachhaltiges Bauen Buch • Nachhaltige Wohnzukunft • Nachhaltige Wohnzukunft Sachbuch • Nachhaltig wohnen in der Stadt • Neue Wege aus der Wohnungsnot für alle • Politische Bücher über Deutschland • Politisches Buch über Wohnen • Sozial gerechtes Bauen • Wie können wir besser wohnen • Wohnbaukrise verstehen • Wohnkrise Deutschland Ursachen • Wohnraum in Großstädten • Wohnungsmangel in Deutschland • Wohnungsnot Städte Buch • Wohnungsnot Städte Sachbuch • Wohnungspolitik Deutschland aktuell • Zukunft des Wohnens Buch |
| ISBN-13 | 9783819236051 / 9783819236051 |
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