Disziplin – Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts (eBook)
191 Seiten
Vandenhoeck & Ruprecht (Verlag)
978-3-647-99250-1 (ISBN)
Ursula Günter-Schöning, staatlich anerkannte Sozialfachwirtin, systemische Organisationsentwicklerin und SeniorCoach (QRC) mit eigener Praxis, ist als Dozentin und Autorin im Bereich der frühkindlichen Bildung tätig. Den Youtube-Kanal von Ursula Günster-Schöning finden Sie hier:https://www.youtube.com/channel/UCyy5dNSa7THLmN-m2ltya3w
Ursula Günter-Schöning, staatlich anerkannte Sozialfachwirtin, systemische Organisationsentwicklerin und SeniorCoach (QRC) mit eigener Praxis, ist als Dozentin und Autorin im Bereich der frühkindlichen Bildung tätig. Den Youtube-Kanal von Ursula Günster-Schöning finden Sie hier:https://www.youtube.com/channel/UCyy5dNSa7THLmN-m2ltya3wIsabella Gölles ist Primärpädagogin und Psychologin (Schwerpunkt Entwicklungspsychologie und Resilienz im frühen Kindesalter) mit über 20-jähriger Lehrerfahrung im Schuldienst. Sie leitet das Team Primärpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Tirol und ist verantwortlich für den Hochschullehrgang "Frühe sprachliche Förderung". In privater Praxis berät und begleitet sie Menschen bei Bildungs- und Lebensentscheidungen.
Disziplin – einen alten Begriff neu denken
Disziplin bezieht sich auf die Fähigkeit, sich selbst zu organisieren, Regeln und Standards einzuhalten und die nötige Kontrolle über sich selbst zu haben, um Ziele zu erreichen. Sie ist eine innere Stärke, die es einer Person ermöglicht, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren, unabhängig von Ablenkungen oder Schwierigkeiten. Oft wird die Selbstdisziplin auch als Willensstärke oder innere Kraft beschrieben. Sie umfasst die Fähigkeit, sich an einen Zeitplan zu halten, Verantwortung zu übernehmen und die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um ein Ziel zu erreichen, auch wenn dieses unbequem oder herausfordernd sein kann. Disziplin beinhaltet oft auch die Bereitschaft, unangenehme Aufgaben anzugehen und trotz Ablenkungen oder Schwierigkeiten auf Kurs zu bleiben. Disziplin ist ein entscheidender Faktor für die Erreichung von Zielen und für das effiziente Nutzen von Ressourcen. Im Gegensatz zur Disziplin bezieht sich die Selbstdisziplin immer auf eigene Werte, Regeln, Glaubenssätze und Willenskraft.
| Praxisbeispiel: |
Henry ist ein aufgewecktes Vorschulkind. Manche würden sagen, er schießt gern mal über das Ziel hinaus, andere würden sagen, er kann sich für vieles schnell begeistern. Was jedoch Außenstehenden immer schnell auffällt, wenn sie Henry beobachten, ist, dass er sich oft »festbeißen« kann. Henry gibt nicht auf. Er macht grundsätzlich so lange weiter, bis er es genauso erreicht hat, wie er es sich vorgestellt hat. Kein Weg scheint ihm dann zu steinig oder schwer, keine Aufgabe zu anstrengend. Dabei ist Henry kein Überflieger oder ein besonders gesegnetes Kind. Er kam 6 Wochen zu früh auf die Welt, musste sich immer anstrengen und im Gegensatz zu anderen Kindern »doppelt« arbeiten, indem er aufholen musste, was andere durch die normale Dauer der Schwangerschaft mitbrachten, und parallel musste er sich wie die anderen auch weiterentwickeln, also lernen, wie z. B. Laufen oder Sprechen funktioniert. Mit vier Jahren katapultiert ihn dann ein schwerer Unfall wieder aus der Bahn, und er erholt sich nur schleppend. Und dennoch zeichnet Henry sich durch seine enorme Disziplin aus. Was er will, will er! Und so geht er jede neue Herausforderung an, diszipliniert, fleißig und mitunter auch mit enormem Kraftaufwand. Hilfe von außen lehnt er in solchen Momenten ab. »Nein, ich kann das allein«, ist dann sein Credo, was er mitunter auch wutschnaubend in den Raum hineinbrüllt. Aber es scheint zu helfen. Was er sich vornimmt, setzt er auch um.
Das musste Henry lernen, so Judith Schnacke (34), Henrys Mutter. Ich meine, dass Henry sich durchbeißen muss. Dass ihm keiner was schenkt. Dass Erfolg durch Schweiß, Tränen, Fleiß und Disziplin, vor allem aber auch durch Niederlagen erreicht wird. Mir brach es manchmal das Herz, ihn so zu sehen, wenn er weinte, nicht mehr weitermachen wollte, sauer auf sich und die Welt war. Und was wollen Sie dann einem Viereinhalbjährigen sagen, wenn der Sie fragt: »Warum muss ich die blöde Übung noch mal machen?« Weil du Pech hattest. Weil du zur falschen Zeit am falschen Ort warst. Weil du dein Fahrrad nicht gut und sicher lenken konntest. Weil ich als Mutter die Gefahr zu spät gesehen habe. Nein, das sagen Sie nicht. Sie sagen: »Weil dein Bein dann wieder kräftig wird. Weil du dann auch wie die anderen Jungen wieder schnell laufen kannst. Weil es sein muss. Also, Tränen abputzen und weiter geht’s.«
In vielen Familien und oft auch im erzieherischen Alltag der Kita oder Schule wird die Disziplin leider immer noch oft negativ besetzt, da sie nach Zucht, Ordnung und Drill klingt und mit »Reißdich-zusammen«-Äußerungen oder »Streng-dich-an«-Appellen verwechselt wird. Auch der Fleiß wird oft als Disziplin deklariert, dabei geht es beim Fleiß vielmehr um eine starke Arbeitsmoral und den Einsatz von Anstrengungen und Energie, um eine Aufgabe – zeitnah und von guter Qualität – zu erledigen. Fleiß ist die Bereitschaft, »hart«, also mit viel Durchhaltevermögen und oft auch körperlicher Anstrengung, zu arbeiten und sich mit »aller Kraft« und »heißem Herz« für eine Sache einzusetzen, um Erfolg zu erzielen, um etwas zu erreichen. Fleiß ist in der Regel, wie gerade schon erwähnt, oft mit einem hohen Maß an Ausdauer und einem starken Arbeitsethos verbunden.
Reflexionsfragen:
–Wie definieren Sie Fleiß?
–Wann waren Sie das letzte Mal so richtig fleißig und warum?
–Wie hat es sich angefühlt, fleißig zu sein? Und was war hinterher, nach dem Fleiß, anders?
–Wer oder was hat Sie in Ihrer Kindheit inspiriert, fleißig zu sein?
–Ist »fleißig sein« für Sie eher positiv oder negativ besetzt?
Anstrengungsbereitschaft versus Persönlichkeit
Kinder kommen als individuelle Persönlichkeiten mit Potenzialen und besonderen Charaktereigenschaften zur Welt. Schnell stellt sich dann heraus, welches Temperament das jeweilige Kind hat: Was bringt es zum Lachen, was zum Weinen? Wie gut kann es mit Veränderungen umgehen, lässt es sich schnell auf Neues ein, braucht es viel Zuspruch und Unterstützung, ist es eher wagemutig oder ängstlich, gibt es schnell auf, wenn es frustriert ist, oder »beißt es sich durch«, trotzt Scheitern, Widerständen oder Schwierigkeiten, und gibt es auch bei Rückschlägen nicht auf ? Wie wird sich das Kind weiterentwickeln? Wird es bereit sein, sich engagiert einzubringen, seine Meinung zu sagen, sich anzustrengen, wenn es auf Widerstände oder Probleme stößt, oder wird es schnell die »Flinte ins Korn werfen« und aufgeben? Wird es eine selbstbewusste, stabile, starke Persönlichkeit? Oder wird es Widerständen, Herausforderungen oder auch Konflikten eher aus dem Weg gehen? Wird es sein Verhalten an die unterschiedlichen Situationen anpassen, gar regulieren können, um eine Situation wieder in den Griff zu bekommen? Wird es sich selbst disziplinieren können, also seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse zurückstellen können, um (s)ein Ziel zu erreichen?
»Als exekutive Funktionen bezeichnet man geistige Fähigkeiten, die unser Denken und Handeln steuern. Man spricht dabei auch von der Selbstregulationsfähigkeit, der Willenskraft oder der Selbstdisziplin. Sie beschreiben, wie gut wir uns ›im Griff‹ haben«, so Manfred Spitzer, Neurobiologe und Gesamtleiter des ZNL TransferZentrums für Neurowissenschaften und Lernen (Walk/Evers 2013, S. 5). Er betont, dass Kinder dies ab ca. viereinhalb bis fünf Jahren lernen können. Neben der Hirnforschung setzt sich vor allem aber die Persönlichkeitsforschung mit genau diesen Fragen auseinander.
Was macht uns zu uns? Was ist in unserer Persönlichkeit angeboren, was ist anerzogen und wie viel Einfluss nehmen Umfeld, Kultur und Erziehung auf die Persönlichkeit eines Menschen? Und warum sind Geschwister trotz gleicher Umgebung und Erziehung so verschieden? Selbst eineiige Zwillinge haben oft sehr unterschiedliche Persönlichkeiten und entwickeln sich individuell, trotz der starken Verbundenheit zueinander und frappierender äußerlicher Ähnlichkeiten. Spannend ist, dass es bis jetzt keine eindeutigen Antworten auf all diese Fragen gibt.
Dennoch setzt die Wissenschaft nach und nach verschiedene Teile zu einem großen Ganzen zusammen und ergänzt diese mit Erkenntnissen aus der Psychologie. Und so setzt sich die Persönlichkeit eines Kindes immer aus einer Kombination von drei Wesenszügen zusammen, die je nach Kind mal mehr, mal weniger in einem anderen Verhältnis zum Ausdruck kommen. Es sind die Gefühls-, Bewegungs- und Kontaktintensität, die die Persönlichkeit eines Kindes ausmachen und damit neben dem erzieherischen und gesellschaftlichen Einfluss auch auf seine Anstrengungsbereitschaft einwirken. Und so unterscheidet man zunächst zwischen Temperament und Persönlichkeit.
Das Temperament ist individuell
Gefühlsintensive Kinder neigen dazu, schnell und stark auf Erregung oder Trauer zu reagieren. Sie erleben häufig extreme Stimmungsschwankungen, von euphorischer Freude bis zu tiefer Traurigkeit. Bei Anstrengungen können sie sehr enthusiastisch und euphorisch sein, aber sie sind auch schnell entmutigt, wenn die Dinge nicht sofort funktionieren, und dann schwer zu motivieren. Selbstzweifel zehren an ihnen und lassen sie erschöpft zurück.
Bei bewegungsintensiven Kindern wird das Verhalten überwiegend mit Bewegung und schneller Motorik verknüpft, die sich selbst in der Sprechgeschwindigkeit zeigt. Diese Kinder...
| Erscheint lt. Verlag | 14.4.2025 |
|---|---|
| Zusatzinfo | mit 3 farb. Abb. |
| Verlagsort | Göttingen |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Pädagogik |
| Schlagworte | Anstrengungsbereitschaft • Disziplin • Erziehung • Kindererziehung • Pädagogik • Selbstdisziplin • Zukunftsorientierung |
| ISBN-10 | 3-647-99250-X / 364799250X |
| ISBN-13 | 978-3-647-99250-1 / 9783647992501 |
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