Der Auto-Schock (eBook)
381 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-33113-9 (ISBN)
Unsere Autobauer werden von China verdrängt - die wichtigste deutsche Industrie, viele Jahrzehnte globaler Taktgeber der Innovation. Die Folge: Massenentlassungen und Gewinneinbrüche. Frank Sieren, ausgezeichneter Kenner der chinesischen Wirtschaft, beschreibt wie es kommen konnte, dass der Marktanteil aller deutschen Wagen im chinesischen E-Auto-Markt bei unter fünf Prozent liegt und die meisten Stromer weltweit inzwischen aus China kommen – dem wichtigsten Autowachstumsmarkt der Welt. Ob Batterien, digitale Vernetzung oder Autonomes Fahren, die Chinesen sind nun besser als wir und bieten sehr günstige Preise. Das liegt auch an staatlichen Subventionen, aber vor allem an großer Innovationskraft. Sie steht für globale Machtverschiebungen: Die Zeiten der wirtschaftlichen und politischen Vorherrschaft des Westens sind vorbei. Frank Sieren fragt: Wie kommen wir aus der Krise wieder raus?
Frank Sieren ist einer der führenden deutschen China-Experten. Der Journalist, Buchautor und Dokumentarfilmer lebt seit 1994 in Peking – länger als jeder andere westliche Wirtschaftsjournalist. Hautnah erlebt er den Aufstieg der neuen Weltmacht mit. Er hat im vergangenen Vierteljahrhundert als Korrespondent für die »Süddeutsche Zeitung«, die »Wirtschaftswoche«, die »Zeit«, das »Handelsblatt«, den »Tagesspiegel«, die Deutsche Welle und »China.Table« gearbeitet. Nun auch für Gabor Steingarts »The Pioneer«. Sieren hat bereits mehrere Bestseller veröffentlicht, darunter »Zukunft? China!« und »Shenzhen«. Zuletzt erschien von ihm »China to go«, ein Überblick über aktuelle Themen und Trends in 100 Artikeln.
Vorwort
»China wird ökonomisch aufsteigen, ohne dass das für uns zu Einbußen führt. Immer vorausgesetzt, dass wir in der Zwischenzeit nicht stillstehen, sondern dass unsere Wissenschaft, unsere Techniker und Ingenieure weiterhin neue Produkte erfinden und sie auch verkaufen.«
Altbundeskanzler Helmut Schmidt 2011
Dieses Buch dreht sich um unsere Zukunft. Um die Zukunft der wichtigsten Industrie Deutschlands, der Autoindustrie. Die ist leider düster, weil Chinas Autobauer so erfolgreich sind. Um es gleich vorwegzunehmen: Die größten Probleme sind nicht die staatlichen Subventionen oder der Technologieklau, sondern vielmehr die Innovationskraft pfiffiger chinesischer Ingenieure, die Offenheit der chinesischen Kunden für neue Technologien und ein Staat, der Unternehmen hilft, ihre Innovationskraft zu entfalten – eben nicht nur mit Zuschüssen.
Das sieht selbst das US-amerikanische Time Magazine inzwischen so: »Es ist zu kurz gegriffen, China zu beschuldigen, dass staatliche Subventionen Chinas Vormachtstellung bei den E-Autos geschaffen haben.«
Wir haben die Chinesen unterschätzt, müssen wir nüchtern feststellen. »Um die Autos der Zukunft zu sehen, schauen Sie sich Chinas E-Autos an«, resümiert der britische Economist. Chinas »superintelligente Tesla-Killer« seien »meilenweit voraus«. Leider »killen« sie nicht nur Tesla. Auch die deutschen Hersteller straucheln. 130 000 deutsche Arbeitsplätze sind in Gefahr, schätzt eine Studie der Deutschen Bank. Das ist erst einmal unser Fehler. Jahrzehntelang waren deutsche Autos global führend. Da waren die großen Zeiten der amerikanischen Autoindustrie längst vorbei. Am Ende konnten nicht einmal die Japaner den Deutschen das Wasser reichen. Zwar haben sich VW und Toyota abgewechselt im Wettbewerb um den Titel des größten Autoherstellers der Welt, aktuell ist Toyota stabil vorne. Doch Toyotas Lexus hat global nie so gut geklungen wie eine S-Klasse, ein 7er BMW oder ein Audi Q8, von Porsche ganz zu schweigen. Auch deshalb waren vierzig Jahre lang deutsche Premiumfahrzeuge unangefochten spitze in China, vor allem Audi. Aber auch BMW und Mercedes galten als die Krönung der chinesischen Autoträume. VW und nicht Toyota war über Jahrzehnte der Platzhirsch im chinesischen Markt, der VW Santana das erste Auto der neuen chinesischen Mittelschicht. Für angehende chinesische Autoingenieure war es ein Traum in Deutschland zu studieren.
Lange schien eines in Stein gemeißelt: Wir haben entwickelt und den Takt angegeben, die Chinesen haben umgesetzt. Dann jedoch haben chinesische Ingenieure mit einem langen Anlauf die schwierige Technologiestufe des Verbrennermotors einfach übersprungen und gleich auf preiswerte hochgradig vernetzte E-Autos gesetzt, autonom rollende Smartphones gewissermaßen. Als diese Autos vor einigen Jahren in China auf den Markt kamen, wurden deutsche Fahrzeuge mit einer Geschwindigkeit uninteressant, die niemand bei uns für möglich gehalten hat. Nun ist BYD der größte chinesische Autohersteller – nur mit E-Autos. Das an sich wäre ja noch nachvollziehbar. Denn in Europa führen europäische Hersteller, in den USA amerikanische und in Japan japanische. Aber BYD ist nun vor Tesla auch global der größte E-Auto-Hersteller. Und Stromer sind der neue Goldstandard der Autoindustrie. Während alle westlichen Hersteller straucheln – auch bei den Verbrennern –, konnte BYD 2024 bei den Verkäufen ein Plus von über vierzig Prozent erzielen.
Im ersten Halbjahr 2025 konnte BYD 1,2 Millionen E-Autos verkaufen. Ein Wachstum von noch einmal über dreißig Prozent. In ganz Europa hingegen wurden in diesem Zeitraum nur 1,5 Millionen Stromer losgeschlagen. Bei VW waren es rund 70 000 E-Autos im Monat. Bei BYD weit über 350 000. Die Aktie von VW ist in den vergangenen fünf Jahren um knapp fünfzig Prozent eingebrochen. Die von BYD um zehn Prozent gestiegen. BYD hat einen Börsenwert von rund 120 Milliarden Euro. Der von VW liegt bei 50 Milliarden.
Dass BYD führt, liegt vor allem noch an der Präsenz im chinesischen Markt. Denn knapp zwei Drittel der chinesischen E-Autos der Welt fahren in China. Mit großen Schritten erobert BYD nun aber den Weltmarkt, fasst trotz der Zölle auch in Europa und Deutschland Fuß. Inzwischen mit Erfolg. BYD hat Tesla in Europa überholt.
Im Mai 2025 lag der BYD Seal U bei den E-Autoverkäufen in Europa erstmals auf Platz drei hinter dem Tesla Y und dem Škoda Elroq, aber vor den VWs ID.4, ID.7 und ID.3. Der erste Audi kam auf Platz acht. BWM folgte auf Platz elf, Mercedes auf Platz zwanzig. Die Chinesen haben im Sommer 2025 bereits einen Marktanteil von 5,4 Prozent. »Pkw chinesischer Herkunft fahren mittlerweile in relevanter Zahl auf deutschen Straßen«, stellt der ADAC fest. Schon im Sommer 2024 konnten sich über siebzig Prozent der 19- bis 39-jährigen Deutschen vorstellen, ein chinesisches Auto zu kaufen. Kein Wunder: »Die meisten Modelle holen Bestnoten beim Euro-NCAP-Crash-Test«, so der ADAC im Sommer 2025. Die Akkutechnik sei »ausgereift«, die Reichweiten »passabel«. Die Verarbeitungsqualität »stünde manchem etablierten Konkurrenten gut zu Gesicht, von der meist guten Serienausstattung mal ganz abgesehen«. Von den 23 chinesischen Autos, die der ADAC bisher getestet hat, schneiden alle mit »gut« ab. Wenig überraschend also, dass der Blick sich auf China richtet.
Die chinesischen E-Autos sind in der Regel inzwischen viel billiger, innovativer, genauso sicher, besser designt und ausgestattet als die deutschen. Den Chinesen gelingt es zudem, ein neues Auto in der halben Zeit zu entwickeln. Bei den Batterien und beim KI-basierten autonomen Fahren, der zentralen Technologie am Beginn des 21. Jahrhunderts, sind sie bereits unangefochtener Weltmarktführer. Der Börsengang des chinesischen Batterieherstellers CATL im Mai 2025 in Hongkong war der bis dahin weltweit größte des Jahres. Das Unternehmen sammelte fast fünf Milliarden Dollar ein, die Aktie stieg am Ausgabetag um 18 Prozent.
Zu Technologien wie denen von CATL oder Huawei im Bereich autonomes Fahren haben deutsche oder europäische Ingenieure kaum noch etwas beizutragen. Nun bestimmen die Chinesen den Takt und die Richtung der globalen Autoinnovation. Genauer gesagt die chinesischen Kunden, die nach Autos verlangen, die den Bedürfnissen in den pulsierenden chinesischen Megastädten gerecht werden. Und so sind die deutschen Autohersteller binnen zwei, drei Jahren vom Treiber zum Getriebenen in der globalen Autoindustrie geworden.
Zwar hat VW im Juni mit dem ID. Buzz AD angeblich das »erste Serienfahrzeug« der autonomen Fahrstufe 4 vorgestellt und die Wirtschaftswoche hat daraus gleich eine Titelgeschichte gemacht: »Das deutsche Autowunder«. Doch wenn man genauer hinschaut, lassen sich keine Wunder finden. Getestet wird auf der Reeperbahn, statt in der Megametropole Shenzhen. Das Auto kommt erst 2026 auf den Markt. Und VW will bis 2030 10 000 Stück davon verkaufen. Derweil hatte Huawei, der fortschrittlichste Hersteller beim autonomen Fahren in China, 2024 schon rund 400 000 Autos im Markt, die jede Sekunde mit neuen Daten lernen. Sie fahren aus regulatorischen Gründen nur auf Stufe 3, schaffen aber faktisch schon Stufe 4.
Im ersten Halbjahr 2025 kamen in China noch einmal 200 000 autonome E-Autos dazu. Und das liegt nicht nur an Huawei. Die anderen chinesischen Anbieter sind nicht weit hinterher. Wenn Christian Senger, Leiter des Bereichs autonomes Fahren der VW-Transportsparte, gegenüber der Wirtschaftswoche davon spricht, es gäbe »eine realistische Chance«, dass VW in Europa für das autonome Fahren stehen könnte »wie Tempo für Taschentücher«, dann klingt das eher wie das Pfeifen im Keller. Klar ist: In China, dem größten und wichtigsten Wachstumsmarkt der Welt, werden es andere sein.
Über die Subventionen in China zu jammern, hilft wenig. Die gibt es, aber vor allem beim Ausrollen neuer Technologien. Beim Bau von Fabriken werden Steuernachlässe oder verbilligte Grundstücke vergeben. Die erhalten auch Ausländer. Die lokalen Player haben jedoch einen Heimvorteil. Subventionen für jedes E-Auto, die gezahlt werden, um die Autos für den Endkunden billiger zu machen, bekommen alle Hersteller, auch ausländische Produzenten. Die europäischen Autohersteller befürchten Vergeltungsmaßnahmen für ausländische Hersteller in China, wenn EU-Zölle auf chinesische Autos in Europa erhoben werden. »Wir brauchen mehr Freihandel statt neuer Handelshemmnisse«, fordert deshalb zum Beispiel Mercedes-CEO Ola Källenius im Oktober 2024. Ihm ist eine Lösung wichtig, »die sowohl der EU als auch China gerecht wird«. So lange solle es keine Zölle geben. Diese Position teilt die Mehrheit der deutschen Autoindustrie, auch die Bundesregierung stellt sich daher gegen Zölle. Brüssel sieht das anders und verhängt Zölle, angeblich um die Unternehmen schützen, die offensichtlich gar nicht geschützt werden wollen. Auch die Verbraucher wollen von Brüssel nicht geschützt werden. Sie kaufen gerne preiswerte Autos aus China.
Die Sorge der Deutschen...
| Erscheint lt. Verlag | 10.9.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
| Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
| Wirtschaft | |
| Schlagworte | autoindustrie europa • Automobilindustrie • BMW • ByD • china geschäft risiken • china geschäft risiken • chinesische e autos • Deutsche Autos • Donald Trump • eBooks • europäische autos • Geopolitik • handelsbeziehungen china • Handelskrieg • Investition China • Mercedes • nio • Porsche • Schlüsselindustrie • Shenzhen • subventionen china • Tesla • VW • weltmachtstreben china • Weltwirtschaft • Wirtschaft • xpeng • zölle autos china • zölle usa |
| ISBN-10 | 3-641-33113-7 / 3641331137 |
| ISBN-13 | 978-3-641-33113-9 / 9783641331139 |
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