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Das Licht an dunklen Tagen (eBook)

Wie meine kleine Tochter unheilbar erkrankte – und wir als Familie trotz allem nicht aufgaben

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025
204 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-33054-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Licht an dunklen Tagen - Julia Dettmer
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»Mein Buch soll die Lesenden im tiefsten Herzen berühren und ihnen Dankbarkeit und Zuversicht schenken«

Als ihre acht Monate alte Tochter Amalia mit halbseitigen Lähmungserscheinungen aufwacht, ist für Julia und ihre Familie von einem Moment auf den anderen nichts mehr, wie es war. Die Diagnose: ein schwerer Schlaganfall. Große Teile des Gehirns sind irreparabel geschädigt. Der herrliche Sommer kippt in eine düstere Parallelwelt.
Jeden Tag verbringt Julia am Bettchen ihrer Tochter auf der Kinderintensivstation. Das fröhliche Gebrabbel von Amalia ist ersetzt durch das monotone Piepen der Überwachungsmonitore. Die Familie lebt im Ausnahmezustand. Trotzdem gilt: Jedem Tag soll etwas Gutes abgewonnen werden. Julia bietet dem Schock die Stirn, der in jeder Faser ihres Körpers und in ihrer Seele sitzt.

Mit unglaublicher Offenheit berichtet Julia Dettmer von der Krankheit und dem Tod ihrer kleinen Tochter. Von den Phasen der Hoffnung, der Enttäuschung, des Durchhaltens und des Trauerns – und wie es ihr gelingt, trotz allem immer wieder nach vorne zu schauen. Es ist eine Geschichte von Liebe, Hoffnung und den kleinen Lichtblicken, wenn es gerade stockdunkel ist.

  • »Mein Buch soll die Lesenden im tiefsten Herzen berühren und ihnen Dankbarkeit und Zuversicht schenken« – Julia Dettmer
  • Eine persönliche Geschichte, die unter die Haut geht und zeigt, wie man auch nach einem schweren Schicksalsschlag die Hoffnung behält
  • Berührend, ehrlich, liebevoll – eine Mutter erzählt von der schweren Erkrankung ihrer kleinen Tochter
  • Mit behutsamen Tipps für Betroffene und Angehörige: Wie finde ich Hilfe, wie kann ich helfen und was sind die richtigen Worte?


Julia Dettmer hat Medienwissenschaft und Germanistik studiert. Anschließend arbeitete sie in großen Medienhäusern, zuletzt als als Redaktionsleiterin von ProSieben.de und als Chefredakteurin von BUNTE.de. Seit 2020 ist sie freie Journalistin, Lektorin und Dozentin. Sie schreibt unter anderem für die FAZ, ELTERN und InStyle und gibt Seminare zu den Themen Emotionales Schreiben und Recherche.

Der letzte schöne Tag


Am nächsten Tag kehren zwei Dinge wieder: die Hitze und die Zuckungen. Nach dem Aufstehen ist noch alles okay. Wir machen uns fertig, denn wir haben ja gleich den Impftermin bei Amalias Kinderärztin. Beim Anziehen bemerke ich, dass die Kleine wieder unkontrolliert mit dem rechten Arm wackelt. Moment, nicht nur mit dem rechten Arm. Jetzt macht auch das rechte Beinchen mit. O Gott, und jetzt auch noch das Augen­lid. Sie blinzelt mit dem rechten Auge im Takt der Zuckungen. Alles ruckelt nur ganz leicht, aber es macht mir Angst. Hier stimmt was nicht. Ich versuche, das Zucken zu unterbrechen, spreche mit Amalia, berühre sie, doch es hört nicht auf. »Filmen, ich muss es filmen, damit ich es den Ärzten zeigen kann!«, fällt mir ein, und ich mache ein Handyvideo. Die Maus lächelt sogar leicht, während sie zuckt. Wüsste ich es nicht besser, würde ich meinen, sie lacht über die kleinen Bewegungen. Dann hört es wieder auf, und sie ist gut drauf, als wäre nix gewesen. Die Praxis unserer Kinderärztin ist nicht weit, und wir spurten los. Dort sind wir in sicheren Händen. Ich werde ihr sofort das Video zeigen.

Als wir in der Praxis ankommen, sind wir auch direkt an der Reihe. Noch bevor wir groß zum Reden kommen, zuckt Amalia wieder. »Das ist nicht gut, das ist gar nicht gut«, kommentiert unsere Kinderärztin, und ich merke ihr an, dass sie ­hochalarmiert ist. Ihre sonst so ruhige Art weicht schnellen Bewegungen, und die ganze Stimmung im Raum verändert sich. Sie greift zum Telefon und sagt zu mir gewandt: »Ich melde Sie im Hauner an. Da fahren Sie jetzt sofort hin!« Das »Hauner« ist das Haunersche Kinderspital in der Innenstadt. Ich bin komplett überfordert, nicke nur wortlos und streichle weiter meine Tochter, die den Krampf mittler­weile überwunden hat. »Ich schicke euch jetzt ein acht ­Monate altes Baby mit fokalen Krämpfen«, ruft sie ins Telefon, während sie Amalia beunruhigt beobachtet.

»Frau Dettmer, das, was Amalia da zeigt, sind fokale Krämpfe. Fokal heißt, dass diese Krämpfe in einem Bereich des Gehirns beginnen und dann auch nur einen bestimmten Bereich des Körpers betreffen. So wie bei Amalia. Die im Hauner müssen sich das jetzt sofort genauer anschauen«, erklärt sie und bedeutet mir dann ­resolut, dass wir losmüssen.

Ich bin überrumpelt: Amalia hat doch nichts Schlimmes, sie zuckt doch nur ein bisschen? Gleichzeitig muss ich den Gedanken zulassen, dass wir es hier offenbar nicht mit einer Lappalie zu tun haben. Also, innere Kräfte bündeln und los. Ich funktioniere in unvorhersehbaren Situationen wie ein Roboter.

Wir springen in die U-Bahn, die direkt vor der Tür abfährt und nach wenigen Stationen direkt vor der Haunerschen Kinder­klinik hält. Was für ein Glück. So schnell hätte uns weder ein Krankenwagen noch ein Taxi hingebracht. Hätte ich damals schon ahnen können, dass wir ab jetzt unzählige Male am »­Goetheplatz« aussteigen würden?

In der Notaufnahme ersparen sie uns den langwierigen Aufnahme- und Warteprozess. »Wir sind die mit den Krampf­anfällen, wir wurden angemeldet«, sage ich, und man winkt uns direkt in ein Behandlungszimmer durch. Sie kleben Amalchen Elektroden auf die Brust sowie einen Sensor an den Daumen und hängen sie an den Überwachungsmonitor. Während eine Ärztin ganz kurz unsere Situation abfragt und ich ihr das Handy­video zeige, bekommt Amalia den nächsten Krampfanfall. Ich stoppe das Video. Jetzt sieht die Ärztin live, worum es hier geht. Sie bleibt ruhig, aber ich merke auch ihr an, dass solche Krampfanfälle bei Babys nichts sind, womit gespaßt wird.

Nun soll ein Zugang gelegt werden, damit Blut abgenommen werden kann, was die Kleine natürlich überhaupt nicht angenehm findet. Und ich auch nicht. Ich leide mit ihr, streichle sie, rede ihr gut zu: »Du bist so eine starke Maus, du machst das. Ich bin bei dir, wir schaffen das zusammen.« Ich wiederhole diese Sätze immer wieder, während die Ärzte sie malträ­tieren, weil sie keine Ader finden. Die Kleine ist so müde, möchte die ganze Zeit einschlafen. Dann piekst es wieder, und sie schreckt hoch. Es ist grausam. Während dieses unangenehmen Proze­deres erklärt mir eine Ärztin, dass solche Zuckungen wie bei Amalia Hinweise darauf sein können, dass im Gehirn etwas Ungewolltes passiert. Deshalb müssen jetzt ein Ultraschall, ein EEG (Elektroenzephalo­grafie) und ein Schädel-MRT (Magnetresonanz­tomografie) gemacht werden. Beim EEG werden die elektrischen Signale im Gehirn über Sonden an der Kopfhaut gemessen, und der Ultraschall zeigt vor allem die Blutgefäße, sodass man zum Beispiel Verschlüsse erkennen kann. Beim MRT werden mithilfe eines Computers Querschnitte des Gehirns dargestellt, wodurch man einen sehr genauen Eindruck von dessen Aufbau erhält. Schall und EEG gibt’s gleich noch hier im Hauner, für das MRT müssen wir ein paar Tage im Klinikum Großhadern einchecken. Für alle Nicht-Münchner:innen: Das Klinikum Großhadern und das Haunersche Kinderspital gehören zusammen zum Uniklinikum München, liegen aber einige Kilometer voneinander entfernt.

Großhadern kenne ich schon, denn da waren wir bereits im Mai, um Amalias PDA (persistierender Ductus arteriosus) verschließen zu lassen. Dabei handelt es sich um eine kleine offene Stelle im Herzen. Eigentlich schließt sich diese nach der Geburt von selbst, bei Amalchen aber nicht, vermutlich wegen ihrer Frühgeburtlichkeit. Das war aber kein großes Ding, ein Routineeingriff, den sie sehr gut überstanden hat. Man musste sie dazu auch nicht aufschneiden, sondern hat einfach eine Art Stöpsel durch die Arterie an der Leiste reingeschoben.

Leider hört sich diese Sache jetzt nicht so trivial an. Ich bin überfordert mit den ganzen Informationen, und wie so oft setze ich dann zum Scherzen an: »Einmal im Quartal ein paar Tage Krankenhaus, ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen«, murmle ich. Da fällt mir ein, dass wir am Wochenende ja eigentlich in den Urlaub aufbrechen wollten – das steht jetzt also auf der Kippe. Andererseits muss ich froh sein, dass wir nichts gebucht haben, sondern nur in unser Ferienhaus fahren wollten, und dass Flori frei hat. So können wir uns im Krankenhaus abwechseln, je nachdem, wie lange wir jetzt dortbleiben müssen.

Die Blutabnahme ist endlich überstanden, jetzt schallen sie Amalias Kopf mit einem wohl sehr genauen Ultraschallgerät. Hier sind keine Unregelmäßigkeiten zu erkennen. Dass sie vergrößerte Seitenventrikel (also mit Hirnwasser (Liquor) gefüllte Hohlräume im Inneren des Gehirns) hat, wussten wir, aber das war laut der Ärzte bisher kein Grund zur Besorgnis.

Wir werden weiter zum EEG geschickt. Hier bekommt Amalia eine Haube über den Kopf gezogen, in der sich viele ­Elektroden befinden. Diese sind über lauter kleine Kabel mit dem EEG-­Gerät verbunden und leiten die Aktivitäten des Gehirns weiter, die sich dann als Kurve auf dem Bildschirm zeigen.

Schon völlig mitgenommen von den vorherigen Strapazen, liegt die kleine Maus ziemlich ruhig in meinem Arm und lässt auch diese Untersuchung noch über sich ergehen. Ich halte sie ganz fest, damit sie merkt, dass Mama sie beschützt.

»Und, was sehen Sie?«, frage ich die Schwester, die die Untersuchung durchführt. »Ich kann dazu nichts sagen, das müssen Sie mit den Ärzten besprechen«, antwortet sie. »Sie müssen doch was dazu sagen können, Sie machen das doch jeden Tag«, pampe ich sie verzweifelt an. Kann mir denn jetzt langsam mal irgendjemand mitteilen, was mit meiner Tochter los ist?

»Sorry, wirklich nicht. Ich bin nur für die Messung ­zuständig«, antwortet sie ruhig, und ich blicke in ehrliche Augen, die mich bemitleiden. »Sorry, dass ich Sie angeschnauzt habe. Ich bin nur so beunruhigt, weil mir bisher niemand etwas sagen kann«, erkläre ich meinen Ausbruch.

Ich merke, wie ich wieder über meine Grenzen gehe. Ich muss mit allerletzter Kraft die Dachbalken hochstemmen, sonst bricht mein Haus ein. Und es ist niemand da, auf den ich mich fallen lassen könnte. Flori arbeitet, ich bin die Mutter, es liegt alles bei mir. Amalia und ich hatten heute zwar nichts Wichtiges vor, aber ich hätte lieber eine unmenschlich volle To-do-Liste abgearbeitet, als diesen Horrortrip ins Krankenhaus durchzustehen.

Meine Gedanken driften kurz ab. In meinem Tagtraum sehe ich mich und meine Familie in einem milchigen Film an einem Nordseestrand. Nicht Til-Schweiger-Sepia, sondern eher so ­Rosamunde-Pilcher-Milchweiß-Hellblau. Leichte Brise, zarte Klavier­melodie, alles weich, schön, ruhig und sorglos. Die Klappe fällt, ich bin wieder in der Realität.

Während das EEG läuft, schicke ich meinen Freundinnen ein Update. Sie stehen mir – wie immer – sofort zur Seite, drücken ihre Sorge um Amalchen und auch um mich aus und senden mir Kraft. Ich solle nicht zögern und mich sofort melden, wenn sie irgendetwas tun können. Ich bin erfüllt von Dankbarkeit.

Da kommt mir der nächste quälende Gedanke: Ich kann meiner Familie einen erneuten Krankenhausaufenthalt nicht verschweigen. Jetzt muss ich alles wieder und wieder haarklein erklären, damit sie es auch verstehen können. Davor graut mir, weil es so anstrengend ist. Hiobsbotschaften überbringen und dann sofort das Gegenüber trösten – ich hasse es. Es kostet mich so viel Kraft. Wieder bin ich die, die für die anderen stark sein muss. Denn wenn ich vor ihnen zusammenbreche, machen sie sich noch mehr Sorgen um uns als Familie. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als weiter mit...

Erscheint lt. Verlag 14.5.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Behindertes Kind • Biografie • Biographien • eBooks • Erfahrungsbericht • Familie • Familienleben • Gesundheit • Glücklich sein • Kindstod • Krankes Kind • Liebe • liebe hoffnung trauer • Mutter • Mutter sein • Pflegemama • Schicksalsschlag • seltene Krankheit • Trauerbewältigung • Trost • Unheilbare Krankheit • Zuversicht
ISBN-10 3-641-33054-8 / 3641330548
ISBN-13 978-3-641-33054-5 / 9783641330545
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