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Die Exponentialgesellschaft (eBook)

Vom Ende des Wachstums zur Stabilisierung der Welt | Soziologie in Bestform
eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
500 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-78205-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Exponentialgesellschaft -  Emanuel Deutschmann
Systemvoraussetzungen
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Wie wir die Kurve(n) kriegen

Fortschritte bei der Künstlichen Intelligenz, Infektionswellen und die Klimakrise mögen auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben, sie sind aber häufig verknüpft. Und sie folgen einem ähnlichen, nämlich exponentiellen Muster: Eine Größe - Rechenpower, mit Corona infizierte Menschen oder CO2-Moleküle in der Atmosphäre - nimmt per Zeiteinheit um einen konstanten Faktor zu. Zunächst erscheint das oft harmlos, aber dann geht die Kurve plötzlich fast senkrecht nach oben, mit potenziell unkontrollierbaren Folgen.

Für sein hochaktuelles Buch hat Emanuel Deutschmann eine Unmenge von Daten analysiert. Er zeigt, dass Entwicklungen in einer verblüffenden Vielzahl von Bereichen diese steile Phase erreicht haben. Wir leben in einer Exponentialgesellschaft, und darum häufen sich die Krisen ebenso wie die sozialen Konflikte. Eigentlich müssten wir die Kurve kriegen und das Wachstum auf nachhaltigen Niveaus stabilisieren. Doch während sich das stabilisatorische Lager für entsprechende Maßnahmen einsetzt, drängen die Expansionisten auf mehr Tempo, mehr Autos, mehr Profit. Am Ausgang dieser Auseinandersetzung könnte sich die Zukunft der Menschheit entscheiden.



Emanuel Deutschmann, geboren 1986, ist Juniorprofessor für soziologische Theorie an der Europa-Universität Flensburg. Für seine Dissertation <em>Mapping the Transnational World</em> wurde er 2019 mit dem Wissenschaftspreis der OLB-Stiftung ausgezeichnet. 2023 erhielt er den Hans-L.-Zetterberg-Preis der Universität Uppsala.

9

Vorwort


»Es ist gar nicht so leicht, in all dem Chaos ein wenig Ruhe zu finden«, schreibt meine Mutter mir 2022 in einer Weihnachtskarte. Sie berichtet aus der Apotheke, in der sie arbeitet:

Das dritte Corona-Jahr belastet uns nach Masken, Desinfektionsmitteln, Impfzertifikaten, Fälschungen und Corona-Testungen nun mit einer neuen Variante: der Nichtverfügbarkeit von Medikamenten. Unsere verwöhnte Gesellschaft bekommt nicht mehr alles, was sie will. Fiebersäfte, Antibiotika für Kinder usw. sind nicht mehr einfach verfügbar. Wir sind den ganzen Tag nur noch am Probleme lösen mit zu wenig Personal.

Ihre Erfahrung steht exemplarisch für etwas, das damals viele spüren. Die Verhältnisse sind erschüttert, die globalisierten Lieferketten: brüchig. Der über Jahrzehnte verlässlich gewachsene Wohlstand: gefährdet, die Gesundheit: bedroht. Das gesellschaftliche und das ökologische Klima: am Kippen, die Perspektiven: unklar. Multiple, ineinander verschlungene Krisen verlangen uns alles ab, die Verunsicherung ist groß, der Optimismus verflogen. Der Wunsch nach Lagedeutungen, Lösungsangeboten und positiven Zukunftsvisionen ist erdrückend. »Wie würdest du diese ganzen Probleme anpacken?«, fragt mich meine Mutter.

Wie soll man auf eine so große Frage eine überzeugende Antwort geben? Ich habe erst einmal keine, vertröste nur auf das Buch, an dem ich gerade arbeite. Darin versuche ich, die schwierige Situation, in der wir uns befinden, aus einer Makroperspektive – also mit Blick aufs große Ganze – zu beschreiben, zu analysieren und darüber zu reflektieren, wie es weitergehen könnte. Mittlerweile habe ich das Buch fertiggestellt. Es liefert wahrscheinlich keine endgültig befriedigenden Antworten, aber vielleicht hilft es, beim Nachden10ken über Lösungen einen kleinen Schritt voranzukommen. Meine Hoffnung wäre, dass es zumindest etwas zum Verständnis beiträgt, warum die multiplen Krisen so geballt auftreten. Die Grundannahme lautet: Wir leben in einer Exponentialgesellschaft, die an ihre Grenzen stößt und vor dem Problem der Stabilisierung steht. Aus dieser Konstellation ergeben sich schwerwiegende Spannungen und Konflikte.

Über den am Neujahrstag 2015 viel zu früh verstorbenen Soziologen Ulrich Beck wird erzählt, die besten Ideen seien ihm beim Spazierengehen am Starnberger See gekommen. Die Idee für dieses Buch (ob sie gut ist, wird sich zeigen müssen) kam mir in einer ganz ähnlichen Situation: beim Campen am Meer. Gut zwei Jahre vor dem Brief meiner Mutter, im Oktober 2020 – die erste Coronawelle lag hinter uns, und in den Medien war von einem erneut drohenden Anstieg der Inzidenzen die Rede –, dachte ich am dänischen Lillebælt über die sich zuspitzende Lage nach: über die Pandemie, die ökologischen Krisen, das Wirtschaftswachstum, die Staus und Abgase auf den Straßen, die internationale Mobilität, die ich in meiner Doktorarbeit untersucht hatte. Plötzlich fiel mir auf, dass diese Entwicklungen eine erstaunlich ähnliche Form aufwiesen: Sie alle verliefen exponentiell. Und nicht nur das, sie schienen sich auf vielfältige Art gegenseitig zu beeinflussen: die Klimakrise die Pandemie, die Pandemie das Wirtschaftswachstum, das Wirtschaftswachstum die Klimakrise usw. Mir kam der Gedanke, dass diese exponentiellen Trends zu oft für sich allein betrachtet werden, als Sujets der jeweiligen Spezialdisziplinen. Die Epidemiologie befasst sich mit der Pandemie, die Klimatologie mit der Klimakrise, die Volkswirtschaftslehre mit der Globalisierung, die Stadtplanung mit der Verkehrssituation. Aber wer kümmert sich eigentlich um die gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge? Oft scheint unser Blick auf solche Trends auch zu kurzfristig: Man schaut auf die aktuelle Inflationsrate oder das Wirtschaftswachstum im nächsten Quartal, aber nicht auf die langfristigen Entwicklungen und wo sie uns potenziell hinführen. Die Idee, in einer großrahmigen Zusam11menschau darzulegen, wie Gesellschaft heute durch eine Vielzahl exponentieller Trends bestimmt wird, war da und ließ mich nicht mehr los.

Der Erfinder des Wortes »Soziologie«, Auguste Comte, stellte sich die neue Disziplin im 19. Jahrhundert als die »Königin der Wissenschaften« vor, die so umfassend sein sollte, dass sie alle anderen Fächer unter sich versammelte. Der Gedanke hat eine charmante Vermessenheit, die angesichts der deutlich höheren Autorität anderer Disziplinen fast komisch wirkt. Aber möglicherweise liegt eine Stärke der Soziologie tatsächlich darin, dass es gerade ihr gelingen kann, ganz unterschiedliche Bereiche zusammen zu betrachten. Immerhin hat alles, was in diesem Buch thematisiert wird – auch scheinbar primär chemische, medizinische oder materialwissenschaftliche Gegenstände (von CO2-Molekülen und Viruspartikeln über Alterung und Sterbewahrscheinlichkeiten bis hin zu Beton und Zwanzig-Fuß-Standardcontainern) –, direkt mit Gesellschaft zu tun. Natürlich hat eine solche hoch aggregierte Makroperspektive auch ihren Preis: Wer auf das große Ganze blickt, verliert unweigerlich den Blick für Nuancen, die mit einem spezialisierteren Zugriff besser sichtbar sind und nur in den jeweiligen Fachgebieten angemessen analysiert werden können. Aber ich glaube, dass es manchmal durchaus sinnvoll ist, ein paar Schritte zurückzutreten und sich einen Überblick zu verschaffen: Wo stehen wir insgesamt, wie sind wir dort gelandet, und wo könnte es hingehen?

Das Buch basiert auf umfassenden empirischen Daten zu mehr als achtzig exponentiellen Trends. Ich danke allen Menschen, die diese Informationen in mühevoller Arbeit zusammengetragen und zur Verfügung gestellt haben. Hervorheben möchte ich die von Max Roser an der University of Oxford entwickelte Plattform Our World in Data (OWiD), die bei der Recherche eine große Hilfe war. Ich danke außerdem Michael Biggs und Dashun Wang, die mir freundlicherweise unveröffentlichte Daten zugänglich gemacht haben, sowie Justin Connolly für die Erlaubnis, seine Skizze zur Vision einer 12stabilisierten Wirtschaft abzubilden. Steffen Mau hat früh Teile des Manuskripts gelesen, mich in wichtigen Punkten beraten und das Projekt großzügig unterstützt. Bernd Sommer hat ebenfalls bereits am Anfang Lesezeit investiert, wichtige Anmerkungen gemacht und Ratschläge gegeben, für die ich sehr dankbar bin. Ich danke auch den Teilnehmenden des von Sighard Neckel und Cordula Kropp organisierten Plenums »Die ökologische Krise: Polarisierungen moderner Demokratien« auf dem 41. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Bielefeld sowie den Teilnehmenden der Vortragsreihe »Gewalt und Macht in der Gesellschaft« an der Hochschule Niederrhein, der Flensburger Ringvorlesung an der Phänomenta sowie des Jour fixe am Norbert Elias Center for Transformation Design & Research der Europa-Universität Flensburg für wichtige Kommentare und Anregungen. Ein Forschungsfreisemester, das ich am Institute for Analytical Sociology der Linköping University in Schweden verbringen durfte, hat mir im Herbst 2023 die Freiräume verschafft, mich ganz der Fertigstellung des Manuskripts widmen zu können. Ich danke Maria Brandén für die freundliche Einladung und allen Mitgliedern des Instituts vor Ort, insbesondere Selcan Mutgan, Alexandra Rottenkolber und Jacob Habinek, sowie Rebecca Ye, Erik Nylander und ihrem Sohn Noa, die den Aufenthalt noch angenehmer gemacht haben. Außerdem danken möchte ich Enis Bicer, Maike Böcker, Caterina Bonora, Sebastian Büttner, Michaela Christ, Janina Deutschmann, Monika Eigmüller, Lorenzo Gabrielli, Jürgen Gerhards, Jean-Yves Gerlitz, Solveig Gleser, Florian Hertel, Moritz Hess, Katharina Hoppe, Nepomuk Hurch, Anne Klingenmeier, Jonas Lage, Lara Minkus, David Petersen, Thore Prien, Céline Teney, Stefan Wallaschek, Nils Witte und Monika Verbalyte, die mir bei verschiedenen Aspekten durch wichtige Gedanken und Kommentare weitergeholfen haben. Beim Suhrkamp Verlag hat Heinrich Geiselberger das Buch hervorragend betreut und fantastisch lektoriert; durch seinen genauen Blick hat das Manuskript am Ende noch einmal einen Riesensatz nach vorne gemacht. Auch der produktive Austausch mit Eva Gilmer 13und Christian Heilbronn war eine Bereicherung für das Projekt. Nicht zuletzt danke ich Elli für zahllose wertvolle Gespräche und Hinweise sowie meiner Mutter und meiner Oma Ruth, die mir die richtigen – und die richtig schwierigen – Fragen gestellt und dadurch das Buch geprägt haben. Es...

Erscheint lt. Verlag 21.5.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte aktuelles Buch • Andreas Reckwitz • Bücher Neuerscheinung • Club of Rome • Coronapandemie • Degrowth • Die Grenzen des Wachstums • Fortschritt • Hans-L.-Zetterberg-Preis 2023 • Hartmut Rosa • Kapitalismus • Klimawandel • Krise • Neuerscheinung 2025 • neues Buch • Schulden • Steffen Mau • Stoffwechselpolitik • Triggerpunkte • Ulrike Herrmann • Wachstum • Wachstumsgesellschaft • Wachstumskritik • Welt • Wissenschaftspreis der OLB-Stiftung 2019
ISBN-10 3-518-78205-3 / 3518782053
ISBN-13 978-3-518-78205-7 / 9783518782057
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