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Die Tochter des Roten Hauses (eBook)

Historischer Roman | Frauen im historischen Kontext | Sophie von la Roche als Wegweiserin einer jungen Frau auf der Suche nach Vergeltung
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
496 Seiten
HarperCollins eBook (Verlag)
978-3-7499-0744-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Tochter des Roten Hauses - Natalie Hallward
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»Vergangenes ist nicht vergessen. Aber leben muss ich heute. Das nimmt mir niemand ab.«

Eifel 1803. Die Franzosen halten unter Napoleon die linke Rheinseite besetzt. In diesen schwierigen Zeiten lässt Anne, eine junge Frau aus einfachen Verhältnissen, alles hinter sich und macht sich auf die Suche nach dem Mann, der für den Tod eines geliebten Freundes verantwortlich ist. Auf sich alleine gestellt kommt sie im »Roten Haus«, einer Pension in Coblenz, unter. Dort dann lernt sie Sophie von La Roche, Deutschlands erste Reiseschriftstellerin, kennen. Die ungewöhnliche Freundschaft zwischen den beiden Frauen ermöglicht es Anne, der verräterischen Spur des Mörders zu folgen: Ein Gedicht, das er überall im Land an Mauern und Wände schreibt. Zur gleichen Zeit begegnet sie dem Keramikhändler Georg und verliebt sich in ihn. Als der Mann, den sie sucht, plötzlich auftaucht, geraten die Ereignisse außer Kontrolle. Anne muss sich entscheiden, denn wenn sie nicht auf ihre Rache verzichtet, riskiert sie alles zu verlieren, wonach sie bisher gesucht hat.



<p>Natalie Hallward lebt im hessischen Langen. Unabhängig von der jeweiligen Epoche, in der ihre Romane spielen, faszinieren sie Frauen, die selbstbewusst ihre Ziele verfolgen und dabei ihr humorvolles und emotionales Wesen nicht verlieren. Natalie Hallward ist ein Pseudonym.</p>

Prolog


Das Gasthaus im Wald

Mai 1810

Eine Liebe war mir nie lange vergönnt. Immer entschloss sich der Tod dazwischenzugehen.

Ich war jetzt Anfang vierzig und fühlte mich an manchen Tagen so müde, als wäre ich bereits am Ende eines langen Lebens angekommen. Immer häufiger dachte ich nach, kamen mir Gedanken über die Zeiten, die jetzt gekommen waren, und über die, die längst gegangen sind.

Meine Gefühle erschienen mir manchmal wie Schwäche. Das sollten sie nicht sein, aber waren es nicht häufig meine Gefühle gewesen, die mich viel zu oft an andere denken ließen und zu selten an mich selbst?

Im Grunde ein schöner und liebenswerter Charakterzug, aber in Zeiten wie diesen konnte ich es mir nicht immer leisten, wollte ich nicht unter die Räder geraten.

Es hatte Jahre gebraucht, bis ich mir zugestand, etwas auch mal ruhen zu lassen, gewissermaßen als seelischer Selbstschutz.

Und dann genügte eine Begegnung, um alles zu erschüttern.

Ein zufälliges Aufeinandertreffen, um das Gleichgewicht erneut zu verlieren. Es war mühsam gewesen, wieder zu mir selbst zu finden. Und dann genügte ein Blick auf einen Menschen, der für den Schrecken in meinem Leben verantwortlich war.

Als der Mann mit Einbruch der Dämmerung in mein Gasthaus im Wald trat, wusste ich sofort, dass nur einer von uns beiden den nächsten Morgen erleben würde. Es war unausweichlich, es war das Ende eines langen Weges.

Den ganzen Tag über hatte es wie aus Kübeln geregnet. Für viele war ein Gewitter einfach nur ein Gewitter, aber gegen Abend hin war es zu einem regelrechten Sturm angeschwollen, der Bäume bog und den Fluss übertreten ließ.

Ich hatte meinen Gasthof, das bekannte Rote Haus, immer mit Umsicht und auch einem gewissen Geschick geführt, und so hatte ich meinen Mädchen schon recht früh aufgetragen, die Läden vor den Fenstern zu schließen. Bei diesem Wetter würde sich wohl kein Reiter mehr einfinden und sicher auch kein naturtrunkener Wanderer, der sich an den Schönheiten der Landschaften rund um Mayen und den Hainbuchenwäldern entlang der Nette berauschen wollte. Ein Fluss war eben auch nur gemütlich, solange er nicht zu einem reißenden Strom wurde. Selbst die Tagelöhner wagten sich bei dieser Urgewalt an Blitzen und Donner und Wind nicht aus den Scheunen und von den Höfen, an denen sie sich gerade ein paar Taler verdient hatten.

Na, und die Postkutsche würde sicher in irgendeiner schlammigen Fahrrinne feststecken und weder am Tag noch in der kommenden Nacht den Unterstand neben dem Gasthaus erreichen. Das war bitter, nicht nur für die sich im Aufbau befindende Postlinie, auf die Napoleon gedrungen hatte, sondern auch für meinen Gasthof, denn für gewöhnlich brachten die Fahrgäste ordentlichen Appetit und Durst mit. Meist waren ein paar haltlose Trinker darunter, die alleine schon für einen ertragreichen Tag sorgten.

Zufrieden hatte ich beobachtet, dass die Mädchen reihum die Fensterläden sorgfältig einhakten. Der Sturm warf sich mächtig gegen das Haus und rüttelte daran, doch die Läden hielten stand und klapperten begleitend zum prasselnden Regen.

In einer anderen Nacht hätte ich einfach nur abgewartet, bis alles vorüber war, doch nicht in dieser. In dieser Nacht würde etwas endlich sein Ende finden.

Das Rote Haus bedeutete für viele Menschen ein lebendiges Treiben, und das war es auch, aber für mich war es in den vergangenen Jahren noch mehr geworden. Inmitten des täglichen Trubels hatte ich die Möglichkeit, im Hintergrund verschwinden zu können, wenn mir danach war.

Mich vom Leben isolieren.

Denn die perfekte Isolation bedeutete auch perfekten Frieden.

Und das war gut so für eine wie mich, die sich lange schon entschlossen hatte, als Zuschauerin durchs Leben zu gehen. Beobachten und alles vermeiden, was diese Ruhe stören konnte.

Oder gar zerstören.

Der Mann war der letzte Gast, der Einlass gefunden hatte. Er war eingetreten, als die letzten beiden fröhlichen Zecher sich noch beizeiten auf den Heimweg machten, bevor ihre Stiefel in Schlammpfützen versanken wie in einer Sumpflandschaft und sie wegen Unpassierbarkeit der Straßen nicht mehr nach Hause kamen. Querfeldein und durch die Wälder zu laufen grenzte an Dummheit, das war jedem bewusst. Bei einem solchen Sturm forderte man das Schicksal nicht unnötig heraus.

Eins der Mädchen wollte dem eintretenden Mann sagen, dass für heute geschlossen sei, doch ich hatte schnell reagiert, kaum dass ich gesehen hatte, dass ausgerechnet er es war, der durch die Tür trat. Nach so vielen Jahren hatte ich ihn dennoch sofort wiedererkannt, und mein Herz bestätigte mir, dass ich mich nicht täuschte.

Mit einer knappen Handbewegung bedeutete ich dem Mädchen, ihn doch noch hereinzulassen.

Und mit einer zweiten, dass sie hinter ihm die Tür mit dem Querbalken verriegeln sollte.

Der Mann bekam es nicht mit.

Ich wies ihm einen Tisch zu. Den, der genau in der Mitte des Gastraums stand. Ein kantiges Teil, an dem ein Bein kürzer war als die anderen. Ein durch das Leben versehrter Tisch, hatte ich ihn mal genannt. Ganz so, wie auch ich mich manchmal fühlte.

In dieser Nacht spürte ich die geschlagenen Wunden ganz deutlich. Es wurde Zeit, dass sie endlich heilen durften.

Der Mann war Franzose. Schwer schnaufend warf er seinen tropfnassen Umhang über eine Sitzbank.

Auf dem Tisch flackerte eine Kerze, die in einem Flaschenhals steckte und ein dämmriges Licht in den ansonsten abgedunkelten und inzwischen auch leeren Raum warf. Nur die Gesichter von uns beiden, die wir uns an diesem Tisch gegenübersaßen, waren erhellt, wenngleich auch nur so, dass die Gesichtshälften jeweils in Licht und Schatten halbiert waren.

Hinten im Raum stand ein kleiner qualmender Ofen und verströmte ein wenig Wärme. Bei dem Gedanken, dass er hier vor mir saß, war mir aber schon heiß genug. Hass wärmte manchmal stärker als das größte Feuer.

»Ich spendiere dir einen Krug von unserem besten Wein«, eröffnete ich das Gespräch. »Und als Gegenleistung hörst du dir dafür eine Geschichte an.«

Der Franzose hob überrascht die Augenbrauen. Er war nachlässig gekleidet, im Grunde sogar verwahrlost. Ganz so, als wäre er seit Monaten nicht aus seiner Kleidung gekommen. Früher musste der teure Stoff, aus dem sie geschneidert war, auch einmal als ein solcher zu erkennen gewesen sein, aber nun glich sie mehr einer zerschlissenen Pferdedecke als der Uniform eines französischen Soldaten aus Napoleons Armee, die nun schon seit mehr als fünfzehn Jahren über die linksrheinischen Gebiete herrschte.

»Wein? Einfach so?«, vergewisserte er sich. »Und nur zuhören?«

Es war ein Angebot, das hellhörig und wachsam hätte machen sollen, zumal es von einer Frau in ihren besten Jahren ausgesprochen war.

Wenn ich wollte, dann verstand ich es immer noch hervorragend, mit nur einem Lächeln bei jedem Mann alle nur möglichen Leidenschaften zu wecken und ihn dabei jegliche Vorsicht vergessen zu lassen.

»Ja.« Ich nickte bedächtig. »Nur zuhören.«

Und danach sterben.

Aber das behielt ich für mich.

Der Mann beäugte mich misstrauisch von der Seite. Seine kraftlos gebeugten Schultern schoben sich ein Stück hoch, als wollte er den Kopf einziehen. Kleine Narben am Kinn ließen vermuten, dass er sich mit der zittrigen Hand eines Säufers rasierte. Die tief in den Höhlen liegenden Augen, wässrig vom vielen Alkohol, bestätigten diese Vermutung. Er wirkte wie jemand, der die Hoffnung schon vor langer Zeit begraben hatte.

»Weshalb willst du das machen?«, fragte er.

»Draußen tobt die Sintflut, und du sitzt hier fest.«

Er grinste plötzlich. »Schon, aber das hier ist doch das berühmte Rote Haus, n’est-ce pas? Und wenn ich auf die Mädchen schaue, die hier sind, dann kann ich mir auch was anderes vorstellen, als einer Geschichte zuzuhören.«

Ich spreizte die Hände auf der verschrammten Tischplatte und rang mir ein schwaches Lächeln ab. »In diesem Haus wurde von Anfang an nie etwas anderes serviert als Wein und Speisen.«

»Dann stimmt es also, was man sich über das Gasthaus erzählt?« Der Franzose ließ enttäuscht die Mundwinkel hängen. »Wirklich schade. Gerade die dort würde mir gefallen.«

»Was erzählt man sich denn?«

»Dass es hier die hübschesten Mädchen gibt, aber dass man keine von ihnen anrühren darf.«

»Das stimmt, ja.«

»Dich auch nicht?«

»Ich bin eine anständige Frau. Mit gelegentlicher Ausübung schlimmer Dinge.«

Ich schickte meinen Worten mein schönstes Lächeln hinterher. Er sollte sich sicher fühlen.

Im Gefühl, ein Mann und allein dadurch überlegen zu sein, richtete der Franzose sich auf.

»Und wenn ich mich nicht davon abhalten ließe?«, fragte er.

»Ein solcher Versuch ist noch keinem bekommen.«

»Keinem?«

Er sah reihum in die Gesichter der drei Mädchen, die sich im Halbdunkel vor und hinter dem Schanktisch versammelt hatten. Als er seinen Blick wieder auf mich richtete, bemerkte ich, dass er auf meine Fingernägel sah, die lang und spitz wie zehn...

Erscheint lt. Verlag 22.10.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Sozialwissenschaften Soziologie
Schlagworte Brentano • Buch • Dorfleben • erste Frauenzeitschrift • erste weibliche Journalistin • Feminismus • Feminismus Geschichte • Französische Revolution • Gerechtigkeit • Große Gefühle • Heimliche Liebe • Historische Persönlichkeiten • Historischer • Journalismus • Liebesroman • Räuberbande • Roman • Selbstfindung • Sophie von La Roche • Verbotene Gefühle • Verbotene Liebe
ISBN-10 3-7499-0744-7 / 3749907447
ISBN-13 978-3-7499-0744-1 / 9783749907441
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