Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de
Forschungsmethoden der Erziehungswissenschaft -  Franz-Michael Konrad,  Maximilian Sailer

Forschungsmethoden der Erziehungswissenschaft (eBook)

Eine Einführung
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
303 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-044426-3 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
31,99 inkl. MwSt
(CHF 31,25)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Das Buch führt in alle gängigen Forschungsmethoden der Erziehungswissenschaft ein. Dabei werden die texthermeneutischen Methoden ebenso wie die qualitativ- und die quantitativ-empirischen Methoden vorgestellt. Knappe wissenschaftsgeschichtliche und wissenschaftstheoretische Hinweise erleichtern die Einordnung der Methoden und zahlreiche Beispiele aus der erziehungswissenschaftlichen Forschung veranschaulichen ihre Anwendung in der Forschungspraxis. Auf diese Weise werden Studierende dazu befähigt, kleinere und größere Forschungsvorhaben eigenständig zu planen und durchzuführen - von der Problembeschreibung über die Hypothesenbildung und Datengewinnung bis zur Auswertung und Interpretation der Daten.

Dr. Franz-Michael Konrad ist emeritierter Professor für Historische und Vergleichende Erziehungswissenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Dr. Maximilian Sailer ist Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Passau.

Dr. Franz-Michael Konrad ist emeritierter Professor für Historische und Vergleichende Erziehungswissenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Dr. Maximilian Sailer ist Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Passau.

2          Die Phasen des Forschungsprozesses


Was nun im Folgenden dargestellt werden soll, ist der erziehungswissenschaftliche Forschungsprozess in seinem Ablauf. Im Falle der Erziehungswissenschaft bezieht sich die Forschung auf die Handlungsform des Erziehens und Bildens. Dieses Handeln soll aber nicht irgendwie, sondern methodisch geleitet untersucht werden.

2.1          Zum Problem der Methode


Wie grundlegend methodisches Vorgehen für Wissenschaft ist, hat der Philosoph Martin Heidegger (1889–1976) deutlich gemacht: »Methode ist nicht ein Ausstattungsstück der Wissenschaft unter anderen, sondern der Grundbestand, aus dem sich allererst bestimmt, was Gegenstand werden kann und wie es Gegenstand wird« (Heidegger 1987, S. 79).

Unser Verständnis von Methode klärt sich, wenn man sich die Bedeutung des griechischen Wortes »methodos« in Erinnerung ruft, die in etwa mit ›Entlanggehen eines Weges‹ zu übersetzen ist. Wir wollen uns unter Methodenanwendung also so etwas wie eine Abfolge von Schritten vorstellen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Diese Schritte sind nicht beliebig, sondern unterliegen Regeln, die als planmäßig und vernünftig anzusehen sind. In diesem Sinne hat man die sozialwissenschaftlichen Forschungsmethoden auch »Regelsysteme zur Erfassung sozialer Phänomene« (Kuckartz 2002, S. 545) genannt. Nur Regelhaftigkeit sichert, dass erstens das angestrebte Ziel auch erreicht wird und dass zweitens andere Forschende diese Schritte nachvollziehen können, um zu demselben Ziel zu gelangen. Reproduzierbarkeit und damit Überprüfbarkeit und Kritisierbarkeit sowohl der Methoden als auch der mit ihrer Hilfe gewonnenen Erkenntnisse sind wesentliche Bedingungen des Forschens, was u. a. die Forderung nach sich zieht, alle Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung zu veröffentlichen. Andernfalls kann und darf im wissenschaftlichen Diskurs kein Bezug auf sie genommen werden.

Mit dem häufig zu hörenden Begriff der »Methodologie« ist übrigens nicht die Anwendung der Methoden gemeint, sondern die Reflexionsarbeit, die der Methodenanwendung vorausgeht und sie begleitet. Hier stellen sich Fragen wie etwa die folgenden: Welche Methoden gibt es? Warum sollen welche Methoden angewendet werden? Welche Vor- und Nachteile bietet eine bestimmte Methode? Wo liegen die Grenzen bestimmter Methoden? Wie muss die Methodenanwendung im Forschungsprozess ggf. modifiziert werden? Und so weiter. Es handelt sich gewissermaßen um die Theorie der Methodenanwendung. Diese Reflexion ist bestimmt von unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Schulen, wie es sie in allen Wissenschaften und so auch in der Erziehungswissenschaft gibt. Insofern versuchen wir im Folgenden strenggenommen, da wir ja die erziehungswissenschaftlichen Forschungsmethoden nicht praktisch anwenden, sondern deren Anwendung beschreiben und begründen, einen Beitrag zur Methodologie der Erziehungswissenschaft, zur Theorie der Methodenanwendung zu leisten, wobei wir unter Theorie, um das an dieser Stelle schon einmal einzuführen, ein System von methodisch erzeugten, widerspruchsfreien und systematisch empirisch (mehr oder weniger) geprüften Aussagen verstehen.

Im Wesentlichen können wir die in der Erziehungswissenschaft gebräuchlichen Forschungsmethoden in zwei Hauptgruppen einteilen:

•  Datenerhebungsmethoden: Das sind spezifische Methoden, mit deren Hilfe systematisch und kontrolliert erziehungswissenschaftliche Daten (Primärdaten) gewonnen (generiert) werden.

•  Datenanalysemethoden: Das sind spezifische Methoden, mit denen die im Datenerhebungsprozess gewonnenen Daten nach wissenschaftlich kontrollierten Gesichtspunkten analysiert und interpretiert werden.

Noch ein Wort zur Terminologie: Wir haben oben auf den Philosophen Windelband hingewiesen, der von nomothetischen und idiographischen Methoden sprach ( Kap. 1.1.5). Unter nomothetischen Methoden werden jene Methoden verstanden, die sich an dem Ziel orientieren, allgemeingültige Aussagen zu treffen. Mittels idiographischer Methoden werden einzelne konkrete Gegenstände umfassend analysiert und spezifische Aussagen getroffen (Hopf 2016b). Dem entspricht im heutigen Sprachgebrauch in etwa der Dualismus »quantitativ-empirisch« vs. »qualitativ-empirisch«. Allerdings sollte man sich immer klar machen, dass dieses Begriffspaar keinen strengen Dualismus signalisiert. Vielmehr handelt es sich eher um ein Kontinuum, gewissermaßen eine Linie, an deren einem Ende die messenden oder quantitativ-empirischen Methoden stehen, am anderen Ende die rekonstruktiv-interpretierenden oder qualitativ-empirischen Methoden, welche ihrerseits ebenfalls nicht grundsätzlich auf die Verallgemeinerbarkeit ihrer Befunde verzichten. Wir werden auf dieses Methodenkontinuum zurückkommen, wenn wir die Forschungsmethoden im Einzelnen vorstellen. Selbst das Begriffspaar »Datenerhebungsmethoden« vs. »Datenanalysemethoden« repräsentiert in mancher Hinsicht keinen strengen Gegensatz. Datenerhebungsmethoden können im Forschungsprozess zu Datenanalysemethoden werden und umgekehrt. Auch darauf werden wir an geeigneter Stelle eingehen.

Aus heuristischen Gründen ist es aber sinnvoll, zwischen den beiden Methodengruppen – Datenerhebungsmethoden und Datenanalysemethoden – zu unterscheiden. Indem wir also diese beiden Methodengruppen unterschieden haben, sind bereits die zwei Hauptphasen des Forschungsprozesses benannt: Auf die Datenerhebung folgt die Datenanalyse. So wollen wir auch im Folgenden vorgehen. Zuerst klären wir, was unter erziehungswissenschaftlich relevanten Daten zu verstehen ist. Dann behandeln wir die Datenerhebungsmethoden; anschließend die Datenauswertungsmethoden.

2.2          Die Phasen des Forschungsprozesses


Zunächst einmal gilt ganz grundsätzlich, dass der erziehungswissenschaftliche Forschungsprozess der in den Sozialwissenschaften üblichen Schrittfolge verpflichtet ist. Diese ist im Detail nicht einheitlich und verbindlich, sondern liegt nur in ihren wesentlichen Komponenten fest. Später, wenn wir die Datenerhebungs- und -analysemethoden vorstellen, wird sich zeigen, dass der im Folgenden präsentierte Ablauf nur ein idealtypischer ist und vielfach zwischen den einzelnen Schritten hin und hergesprungen werden kann. Auch die Begrifflichkeit ist uneinheitlich.

Noch etwas Grundsätzliches bezüglich des Ablaufs des Forschungsprozesses: Hier lässt sich zwischen hypothesenprüfenden und hypothesengenerierenden Verfahren unterscheiden. Bei hypothesenprüfenden Verfahren werden die Hypothesen zu Beginn des Forschungsprozesses formuliert. Bei hypothesengenerierenden Verfahren werden die Hypothesen im Verlauf des Forschungsprozesses entwickelt. Was ist eine Hypothese? An dieser Stelle und kurz gesagt verstehen wir unter einer Hypothese ein System von widerspruchsfreien und prüfbaren Aussagen, die Annahmen über ein spezielles Thema/Problem/eine Forschungsfrage enthalten. Mehr dazu weiter unten ( Kap. 3).

Und noch eine Vorbemerkung: Wenn auf den folgenden Seiten die Phasen bzw. Schritte des Forschungsprozesses beschrieben werden, dann beziehen wir uns im Wesentlichen auf einen Forschungsprozess, der auf der Ebene der Datenanalyse im quantitativ-empirischen oder im qualitativ-empirischen Modus mündet. Bezüglich der entsprechenden Schrittfolge in einem Forschungsprozess, der in der Datenanalyse im hermeneutisch-»verstehenden« Modus mündet, verweisen wir auf unsere ausführlichen Hinweise in Kapitel 7 in diesem Buch ( Kap. 7.2)!

Die folgenden graphischen Darstellungen ( Abb. 1; Abb. 2) des Forschungsablaufs sollen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden möglichen Forschungswegen aufzeigen. Bezüglich des exemplarischen Ablaufs haben wir uns an unterschiedlichen Quellen, insbesondere aber an Atteslander (2010) und Gravetter & Forzano (2016) orientiert.

Abb. 1:  Der Forschungsprozess bei hypothesenprüfenden Verfahren

Bevor wir die Phasen oder Schritte des Forschungsprozesses ausführlich darstellen, hier ein erster kurzgefasster Überblick:

•  Die Themenfindung:

In der ersten Phase des Forschungsprozesses geht es um das Finden eines geeigneten Forschungsthemas. In dieser Phase wird das Problem, welches forschend gelöst werden soll, benannt und beschrieben. Sodann muss das Problem in eine präzise Fragestellung, die Forschungsfrage, übersetzt werden: Was will ich herausfinden?

Abb. 2: Der Forschungsprozess bei hypothesengenerierenden Verfahren

Im nächsten Schritt ist der Stand der im Umkreis der Forschungsfrage bereits geleisteten Forschung zu ermitteln – soweit es Forschung zu dem betreffenden Problem gibt. In dieser Phase erfolgt zudem die Formulierung einer (oder mehrerer) Hypothese(n), in der mehr oder weniger...

Erscheint lt. Verlag 7.2.2024
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Allgemeines / Lexika
Schlagworte Empirische Sozialforschung • Pädagogik • Sozialwissenschaften
ISBN-10 3-17-044426-3 / 3170444263
ISBN-13 978-3-17-044426-3 / 9783170444263
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 3,7 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Einführung in die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse

von Hans-Christoph Koller

eBook Download (2023)
Kohlhammer Verlag
CHF 29,95
Einführung in die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse

von Hans-Christoph Koller

eBook Download (2023)
Kohlhammer Verlag
CHF 29,95
Training mithilfe sprecherzieherischer Methoden aus der …

von Markus Kunze

eBook Download (2023)
Springer VS (Verlag)
CHF 48,80