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Woran glaubten eigentlich die Germanen? (eBook)

Überlegungen zu einer neuen Betrachtungsweise der germanischen Religionsgeschichte

(Autor)

Matthias Wenger (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
216 Seiten
tredition (Verlag)
9783384018090 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Woran glaubten eigentlich die Germanen? -  Matthias Wenger
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Die germanische Religionsgeschichte wurde bisher auf eine trivialisierende Weise falsch gedeutet. Der Autor verfolgt in diesem Werk das Ziel, philosophische und spirituelle Hintergründe germanischer Mythen zu durchleuchten und ihre Tiefenschichten freizulegen. Dazu ist es erforderlich, weite Aspekte der bisherigen Rezeption germanischer Mythen zu dekonstruieren, um zu ihrem wahren Kern vorzustoßen. Anhand umfangreichen Quellenmaterials wird nachgewiesen, dass das Postulat einer prähistorischen Dominanz des Odinskultes auf einer massiven Fehlinterpretation beruht! Zugleich geht es um die Frage, welche Mythen und welche mythologischen Gestalten auch in unserer Zeit noch als bedeutungsvoll gelten können. Es geht um eine respektvolle und tiefgehende Wahrnehmung germanischer Mythen für unsere heutige Zeit.

1987 Gründung der Zeitschrift "Der Hain" zusammen mit Michael Frantz. Die Zeitschrift erschien dreimal im Jahr bis 2007. Den Schwerpunkt der Zeitschrift bildeten Themen wie Heidentum, Naturreligion und Esoterik. Studium der Psychologie und Religionswissenschaft in Berlin. 1990 - 1994 Diverse Artikel zu mythologischen, psychologischen und philosophischen Themen in Zeitschriften wie 'Abrahadabra' und Albion. 1994 Das Buch 'Göttinnen und Götter in den Mysterien des Heidentums' erscheint. Seit 1996 regelmäßige Veröffentlichungen in der jährlich erscheinenden 'Rückschau' des Forschungskreises Externsteine e.V., die Kurzfassungen seiner Vorträge auf dessen Tagungen beinhalten. Weltanschauliche Transformation auf der Basis einer intensiven Auseinandersetzung mit Anthroposophie, Buddhismus, Chassidismus, Neuplatonismus und Gnosis. Beiträge zu religionsphilosophischen, historischen und gesellschaftlichen Themen erscheinen regelmäßig auf der Internetseite des Autors unter www.derhain.de. Matthias Wenger ist Mitglied der Theosophischen Gesellschaft Adyar.

1987 Gründung der Zeitschrift "Der Hain" zusammen mit Michael Frantz. Die Zeitschrift erschien dreimal im Jahr bis 2007. Den Schwerpunkt der Zeitschrift bildeten Themen wie Heidentum, Naturreligion und Esoterik. Studium der Psychologie und Religionswissenschaft in Berlin. 1990 – 1994 Diverse Artikel zu mythologischen, psychologischen und philosophischen Themen in Zeitschriften wie "Abrahadabra" und Albion. 1994 Das Buch "Göttinnen und Götter in den Mysterien des Heidentums" erscheint. Seit 1996 regelmäßige Veröffentlichungen in der jährlich erscheinenden "Rückschau" des Forschungskreises Externsteine e.V., die Kurzfassungen seiner Vorträge auf dessen Tagungen beinhalten. Weltanschauliche Transformation auf der Basis einer intensiven Auseinandersetzung mit Anthroposophie, Buddhismus, Chassidismus, Neuplatonismus und Gnosis. Beiträge zu religionsphilosophischen, historischen und gesellschaftlichen Themen erscheinen regelmäßig auf der Internetseite des Autors unter www.derhain.de. Matthias Wenger ist Mitglied der Theosophischen Gesellschaft Adyar.

Tacitus und Cäsar säen Zweifel

Betrachten wir etwa, was uns Tacitus (58 – 120 n. Chr.) in seiner „Germania“ mitteilt:

„Die Götter zwischen vier Wänden einzusperren oder in beliebiger Menschengestalt darzustellen, entspricht im übrigen nicht der germanischen Anschauung von der Erhabenheit himmlischer Wesen. Wälder und Haine sind ihre Tempel und in die Namen ihrer Götter hüllt sich jene geheimnißvolle Macht, welche einzig in der Andacht des frommen Gedankens sich ihnen offenbart.“

(Ceterum nec cohibere parietibus deos neque in ullam humani oris speciem assimilare ex magnitudine caelestium arbitrantur; lucos ac nemora consecrant, deorumque nominibus appellant secretum illud, quod sola reverentia vident.)8

Für jeden, der die zahlreichen skandinavischen Götterfigürchen, die Abbildungen auf den Brakteaten und die Nachrichten von mit Götterstatuen geschmückten Tempeln aus den Sagas kennt, muß diese Nachricht einigermaßen überraschend sein. Zeigt die Kunstgeschichte nicht, daß ganze Generationen germanischer Schmiede und Kunsthandwerker sich zu übertreffen suchten, um die Göttinnen und Götter sinnlich anschaulich zu gestalten? Selbst die aus der Zeit um Christi Geburt und davor stammenden „Baumgötter“ zeigen ein ebenso subtiles als handfestes künstlerisches Talent, religiöse Idole zu produzieren. Davon sind jedenfalls Religionshistoriker überzeugt.

Tacitus Aussagen sind eigentlich recht klar und erlauben ziemlich umfassende Einsichten über die Vorstellung, die die Germanen von einer Gottheit gehabt haben sollen: Götter lassen sich nicht zwischen vier Wänden einsperren. Das hieße, dass diese Art von Gottheit über unsere herkömmlichen Vorstellungen von Raum und Zeit und sich darin bewegende singuläre personale Wesenheiten hinausgeht.

Sie sind nicht in beliebiger Menschengestalt darzustellen. Genaugenommen ist diese Aussage nicht nur ein Affront gegen menschenähnliche Idole in kunsthandwerklicher Form, sondern auch gegen eine literarische Formgestaltung anthropozentrischer Wahrnehmungsstrukturen. Vor allem aber betont dieser Grundsatz in der Darstellung des Tacitus die Apersonalität des Göttlichen insofern, als man ihnen irgendeine zwischenmenschliche emotionale bzw. humanpsychologische Qualität abzusprechen versucht. Und wenn der Grund in der „Erhabenheit“ der Götter besteht, deutet das auf einen besonderen Begriff von Transzendenz, den die Germanen ihren Göttern zuzuschreiben pflegten.

Schlussendlich formuliert Tacitus aber vor allem die deutliche Antithese gegenüber einem germanischen Polytheismus, wenn er darauf hinweist, dass die Namen der Götter lediglich verschiedene Umschreibungen für eine Macht darstellen, die man nur geistig-meditativ erfassen kann. Die Formulierung „in die Namen ihrer Götter hüllt sich jene geheimnißvolle Macht“ verweist doch darauf, dass die Vielfalt der Götter nur die Außenseite einer einheitlichen metaphysischen Qualität darstellt.

Eine Religiosität, die nicht daran denkt, Götter in sakrale Gebäude zu sperren, oder ihre Lokalisierung darauf einzuschränken, deutet natürlich auch auf eine ganz andere Art von Typologie des Religiösen hin. Bernhard Kummer zielt genau darauf ab, wenn er in diesem Zusammenhang den Begriff der „Freilichtreligion“ einführt.9

Natürlich darf man nicht darüber hinwegsehen, dass Tacitus in seinem Werk auch Götter und Göttinnen nennt, die bei den Germanen verehrt worden sein sollen. Die Rede ist z.B. von Isis, Mercurius, Herkules oder die Kastor und Pollux vergleichbaren Zwillingsgötter der Alcen. Abgesehen davon, dass wir hier mit den Rätseln der interpretatio romana konfrontiert sind, kann von einer darin erkennbaren Widerspiegelung der ungemein umfangreichen und vielfältigen Edda-Mythologie keine Rede sein. Das Bild ist ein anderes und es ist seltsam verschoben.

Im 39. Kapitel der Germania erwähnt Tacitus ein zentrales Heiligtum der Germanen, das vom Stamm der Semnonen verwaltet werde:

„…und feiern da mit der öffentlichen Opferung eines Menschen das grauenhafte Vorspiel eines barbarischen Festes“, schreibt Tacitus beklommen. Und noch andere seltsame Riten finden hier statt: „niemand betritt ihn anders als gefesselt; eine Huldigung, welche ein untergeordnetes Wesen der Macht der Gottheit bringt. Fällt einer zu Boden, so darf er nicht aufstehen oder sich aufheben lassen, auf der Erde muß er sich hinauswälzen.“

Ob mit diesen Riten ein missverstandener Initiationsritus beschrieben wird oder vielleicht ein irgendwie geartetes Mysterienspiel zelebriert wird, wissen wir nicht. Aber dieses zentrale Geschehen der germanischen Kultur wird in den Zusammenhang einer bestimmten Gottesidee gestellt:

„Durch dieses ganze Treiben geht die Anschauung, daß hier die Wiege des Volkes, hier der allbeherrschende Gott, alles andere untergeordnet und abhängig sei.“

(Vetustissimos se nobilissimosque Suevorum Semnones memorant. Fides antiquitatis religione firmatur; stato tempore in silvam auguriis patrum et prisca formidine sacram omnes eiusdem sanguinis populi legationibus coeunt, caesoque publice homine celebrant barbari ritus horrenda primordia. Est et alia luco reverentia: nemo nisi vinculo ligatus ingreditur, ut minor et potestatem numinis prae se ferens; si forte prolapsus est, attolli et insurgere haud licitum; per humum evolvuntur. Eoque omnis superstitio respicit, tanquam inde initia gentis, ibi regnator omnium deus, cetera subiecta atque parentia. Adiicit auctoritatem fortuna Semnonum: centum pagis habitantur, magnoque corpore efficitur, ut se Suevorum caput credant.)10

Was könnte man unter einem „allbeherrschenden Gott“ verstehen? Gewiss ist das keine Huldigung an einen semnonisch-suevischen Monotheismus. Aber es deutet doch schon auf eine Gottheit, die vielleicht vielen anderen Gottheiten übergeordnet ist.

Und noch ein Kontrapunkt zu der Idee von den vielen Göttinnen und Göttern deutet sich an, wenn man den Kult der Göttin Nerthus betrachtet, die Tacitus der Göttin der Erde gleichstellt. Im 40. Kapitel der Germania beschreibt er ihren Kult, bei dem zwei wesentliche Züge ins Auge fallen: Die eigentliche öffentliche Unsichtbarkeit der Göttin, bei der nicht klar ist, ob man an eine kultische Person oder an ein den Blicken des Volkes entzogenes kultisches Bild zu denken hat. Der zweite Punkt ist das Verschwinden von am Kult Beteiligten, bei dem rätselhaft bleibt, ob ein Opfergeschehen zugrunde liegt, ähnlich wie bei dem Menschenopfer im Hain der Semnonen.

Der Kult der Mutter Erde fügt sich in eine archaische Dualität von Erde und Himmel, die klarer und einfacher ist, als der soziale und belletristische Polytheismus der Literaten. In vielen indoeuropäischen Mythen begegnet man der Gegenüberstellung von Himmelsgott und einer Erdgöttin.

Die Lage verschärft sich noch weiter zuungunsten der mittelalterlichen Mythologen, wenn wir eine weitere Quelle zu Rate ziehen, nämlich Cäsars (100 – 44 v. Chr.) Mitteilungen über den Gallischen Krieg, der uns folgende radikale Erkenntnis über germanische Religiosität im Gegensatz zur keltischen präsentiert:

"Die Germanen kennen keinen Priesterstand, dem die Leitung des Gottesdienstes obliegt, und kümmern sich nicht viel um Opfer. Göttliche Verehrung genießen bei ihnen nur die Sonne, das Feuer und der Mond, weil sie diese sehen und ihren segensreichen Einfluß deutlich spüren. Die anderen Gottheiten kennen sie nicht einmal durch Hörensagen." 11

Sichtbarkeit und Segensreichtum sind natürlich bagatellisierende Umschreibungen, die für Sonne und Mond auf Himmelsbeobachtung und das Kalendarische Bezug nehmen. Beim Feuer würde man sofort an das heilige Feuer der Parsen und der vedischen Inder denken. Cäsars Hinweis vermittelt einen Eindruck von germanischer Religiosität, die auf die archaische Synthese des zivilisatorisch Nützlichen und Praktischen in Verbindung mit dem Heiligen Bezug nimmt. Tatsächlich lässt sich der Bogen der Vermutungen hier sehr weit spannen, von den Kulturtechniken des Neolithikums bis hin zu frühneuzeitlichen Volksbräuchen, die jahreszeitliche Bedeutung haben.

Die enge Verknüpfung markanter Zeitpunkte des Sonnenjahres und die daran gebundenen kultischen Feuer, wie sie James George Frazer im „Goldenen Zweig“ dokumentierte, würden Cäsars Mitteilung als sehr summarische aber authentische Beschreibung ausweisen.

Versuchte man, den gemeinsamen Nenner zwischen Tacitus und Cäsar auf den Punkt zu bringen, könnte man sagen: Die Germanen waren Anhänger einer bildlosen, übersinnlichen Gottesidee, die sich praktizierbar in einem Himmel und Erde umgreifenden Lichtkult niederschlug.

Waren die Germanen etwa Monotheisten in einem pantheistischen oder kosmotheistischen Sinne? Zu bedenken ist dabei allerdings, daß die explizite Gegenüberstellung von Polytheismus und Monotheismus auf einer Begriffsmythologie beruht. Der Begriff des "Monotheismus"...

Erscheint lt. Verlag 8.9.2023
Reihe/Serie edition prometheus
edition prometheus
Verlagsort Ahrensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte Mittelalter
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Alteuropäische Religion • Altgermanische Religion • Germanische Göttinnen und Götter • Heidentum • Mythendeutung • Odinskult • Prähistorische Religiosität
ISBN-13 9783384018090 / 9783384018090
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