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Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf im Unterricht -

Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf im Unterricht (eBook)

Fallgeschichten - Fachwissen - Impulse für die Grundschulpraxis
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
224 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-042154-7 (ISBN)
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Die Umsetzung der Inklusion ist heute eine zentrale Aufgabe für alle Lehrkräfte der verschiedenen Schulformen, so auch für die Grundschule. Die Frage, was Inklusion ist, wurde bereits in verschiedenen Publikationen reflektiert. Deshalb rückt dieses Buch die unterschiedlichen SchülerInnen mit besonderem Förderbedarf im inklusiven Unterricht in den Fokus: SchülerInnen mit Beeinträchtigungen des Lernens, der Kognition, der Sprache, der Motorik, des Hörens, des Sehens und im Verhalten. Diese klassischen Förderbereiche (nach der KMK) werden um die Felder SchülerInnen im Autismus-Spektrum, mit traumatischen Erfahrungen, Rechenstörungen, Migrationshintergrund, psychischen Erkrankungen sowie Komplexbehinderungen erweitert. Die Beiträge weisen eine gleichbleibende Struktur auf: Nach einer Fallgeschichte werden die Ursachen und Folgen der Beeinträchtigungen, die lernpsychologischen und didaktischen Zugänge, die Methoden und Medien sowie entsprechende Beispiele des inklusiven Unterrichts und die möglichen Bildungs- und Erziehungspartnerschaften behandelt.

Dr. Maximilian Buchka ist Professor für Sonder- und Kindheitspädagogik an der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn. Michael Brockmann, M.A., leitet das Zentrum für Pädagogisch-praktische Studien an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule in Wien.

Dr. Maximilian Buchka ist Professor für Sonder- und Kindheitspädagogik an der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn. Michael Brockmann, M.A., leitet das Zentrum für Pädagogisch-praktische Studien an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule in Wien.

1 Schüler*innen im Förderschwerpunkt Lernen


Michael Brockmann

Schulisches Lernen und alle Prozesse, die mit diesem zusammenhängen, prägen vielschichtig das (zukünftige) Leben von Schüler*innen. Bereits in der Grundschulzeit beeinflussen zahlreiche Aspekte das Lernen der Schüler*innen aus familiärer, sozialer und schulischer Sicht. Ein besonderer Fokus von Lehrer*innen liegt demnach darauf, die Lernmotivation der Schüler*innen zu stärken, die Lernfreude zu bewahren sowie möglichen Lernschwierigkeiten präventiv vorzubeugen oder, wenn sie bereits aufgetreten sind, die Schüler*innen dabei professionell zu unterstützen und zu fördern. Der folgende Beitrag gibt fachwissenschaftliche und praxisnahe Einblicke – auch mittels Expert*innen-Interviews – in den Bereich der Lernschwierigkeiten im Grundschulalter.

1.1 Fallgeschichten von Schüler*innen mit Lernbeeinträchtigungen


Hannah ist 11 Jahre alt und Schülerin einer vierten Klasse einer Grundschule in Bayern. Ihre Mutter war bei der Geburt von Hannah noch eine Jugendliche. Als Hannah im Säuglingsalter war, konsumierte ihre Mutter Drogen, oft auch im Beisein des Kindes. Hannah hatte in ihren Eltern keine Vorbilder zur Orientierung und lernte keine geregelten Tagesabläufe kennen. Auch regelmäßige Mahlzeiten und eine kindgerechte Versorgung über den Tag waren nur selten gegeben. Sie hatte keinen festen Schlafplatz und eine Struktur durch Regeln und Rituale erhielt sie nur bedingt. Sie erlebte von Geburt an in ihrer Familie Vernachlässigungen und Misshandlungen, dabei stand auch der Verdacht des sexuellen Missbrauchs im Raum. Gegenwärtig lebt Hannah bei Pflegeeltern. Sie hat weiterhin Kontakt zur leiblichen Mutter, den sie sich selbst wünscht. Sie ist in Sorge um ihre leibliche Mutter, zeigt jedoch oft nach Besuchen bei dieser psychosomatische Auffälligkeiten wie Bauchschmerzen, Verspannungen, Durchfall, Schlafstörungen, die so stark sein können, dass Hannah infolgedessen nicht in die Schule kommen kann.

In ihrer Bewegung und ihrer Körperhaltung zeigt Hannah Besonderheiten. Sie hält den Kopf häufig schief und tänzelt mehr, als dass sie geht oder läuft. Es wirkt so, als hätte sie Schwierigkeiten mit dem Gleichgewichtssinn. Sie ist in einer ständigen Unruhe und muss sich bewegen. Hannah neigt dazu, wie ein Kleinkind zu sprechen und ihre Stimme zu verstellen.

In der Schule ist es Hannah wichtig, immer genügend Essen zu haben. Aus Angst, dass sie nichts zu essen bekommen könnte, hat sie unter ihrem Schultisch ein kleines Lager angelegt. Außerdem achtet sie fast zwanghaft darauf, dass alle für sie wichtigen Gegenstände immer in ihrer Nähe sind und von ihr überblickt und kontrolliert werden können. Ist ihr dies nicht möglich, zeigt sie starke Unruhe und weitere Stresssymptome. Es muss alles für eine mögliche »Flucht« geregelt sein. Dieses Verhalten hat einen direkten Einfluss auf ihr Lernverhalten und ihre Konzentrationsspanne.

Einerseits ist ihr Bedürfnis nach körperlicher Nähe, nach einem Miteinander und nach Vorbildern groß, andererseits sucht sie Ruhe und das Alleinsein ohne Störungen von außen. Sie erfährt Akzeptanz bei Ihren Mitschüler*innen, möchte an Gruppenarbeiten aktiv teilnehmen und ihren Beitrag leisten. In der Klasse, im Umgang mit ihren Mitschüler*innen und im schulischen Tagesablauf geben ihr Regeln und Rituale Sicherheit. Bei Auseinandersetzungen und Konflikten ist sie jedoch überfordert, stößt andere vor den Kopf, fängt an zu weinen, zeigt aggressives Verhalten und benötigt Hilfe bei der Klärung. Hannah fühlt sich offenbar minderwertig und zeigt wenig Vertrauen in ihre schulischen Fähigkeiten. Sie geht sogar oft davon aus, dass ihre Arbeitsergebnisse falsch sind und entsprechend fragt sie ihren Lehrer wiederholt bei der Vorlage von bearbeiteten Aufgaben: »Ist das falsch?«

Sie spricht in einfachen Sätzen, oft mit grammatikalischen Fehlern, zudem ist ihre Aussprache undeutlich und verwaschen. Ihr Klassenlehrer beschreibt sie dennoch als wissbegierig. Sie zeigt sich entsprechend bereit, zu lernen, auch rechnet und schreibt sie gerne. Hannah ist ein Kind, das nach Möglichkeit zur Erschließung von Lernprozessen ihre Sinne einsetzt. Zum Beispiel bietet ihr Lehrer verschiedene Materialien zur Visualisierung in der Mathematik an. Versteht sie jedoch Aufgaben nicht, zeigt sie nur eine geringe Frustrationstoleranz. Bleibt der Erfolg aus, lässt sie ihre Aufgaben unvollendet und fängt an, das zu übermalen, was sie aufgeschrieben hat und von dem sie ausgeht, dass es falsch sei. Sowohl für den Lehrer als auch für Hannah ist es möglich, im Lernprozess an ihr bestehendes Wissen anzuknüpfen. Findet sie jedoch keinen Zugang, versucht sie der Lernsituation z. B. durch Toilettengänge zu entgehen. Wird sie in den Situationen, in denen neue Lernangebote bereitgestellt werden, individuell durch den Lehrer begleitet, kann das Verhalten des Ausweichens überwunden werden. Bei Lernprozessen unterstützt es sie, wenn der behandelte Sachverhalt sichtbar gemacht wird. Versteht sie die zu bearbeitende Aufgabe nicht oder falsch und findet sie keinen Zugang, wie z. B. bei Aufgaben in der Mathematik, bei denen auf bestimmte Regeln oder Zuordnungen zurückgegriffen werden muss, zeigt sie sogar aggressives Verhalten. Ihr fällt es schwer, notwendige abstrakte Zusammenhänge zur Bearbeitung verschiedener Aufgabenformate innerlich herzustellen, mit diesen weiterzuarbeiten und sie als ein bestehendes Repertoire zu festigen. Sachverhalte aus einer Metaebene zu betrachten und sich über die gemachten Erkenntnisse auszutauschen, gelingt ihr nur bedingt. Sie lässt sich leicht durch äußere Gegebenheiten ablenken, läuft z. B. zu ihren Mitschüler*innen oder schaut längere Zeit aus dem Fenster. Sich länger auf einen Sachverhalt zu konzentrieren, fällt ihr schwer. Bei Themen, zu denen sie einen emotionalen Zugang hat und eine positive Verbindung besteht, entwickelt sich in Folge leichter ein produktiver Lernprozess. Dies gelingt insbesondere bei ihren Lieblingsthemen Natur und Tiere im Sachunterricht.

1.2 Beschreibungen, Ursachen und Folgen einer Lernbeeinträchtigung


Ein zentraler Aspekt des Unterrichts in der Grundschule ist das gemeinsame Lernen der Schüler*innen im Klassenverband. Es gilt, ansprechende Unterrichtsthemen in den verschiedenen Fächern zu finden und durch das Angebot differenzierter Zugänge und Methoden Lernfreude zu ermöglichen, um eine bewusste, reflexive Einstellung zum eigenen Lernen zu gewinnen sowie die Grundlegung eines lebenslangen Lernens für die Schüler*innen zu schaffen (vgl. KMK 2015, S. 9).

In den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz (KMK) zur Arbeit in der Grundschule, in der Fassung von 2015, wird darüber hinaus die vorhandene Vielfalt als Ausgangspunkt des gemeinsamen Lernens und Lebens benannt. »Bereits erworbene fachliche und methodische sowie soziale und personale Kompetenzen werden weiterentwickelt und bilden die Grundlage, auf der die weiterführenden Schulen aufbauen« (KMK 2015, S. 5).

Lernen wird »als [...] eigenaktive, selbstgesteuerte Tätigkeit in Interaktion mit dem Umfeld in der funktionalen Verbindung von Wissen, Verstehen, Können und Wollen verstanden« (KMK 2019, S. 3 f.).

Somit kann Lernen bezogen auf Schüler*innen als ein individueller Prozess verstanden werden, der von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Neben der Qualität der Lehr- und Lernumgebung spielen auch die vorangegangenen Lehr- und Lernerfahrungen der Kinder und Jugendlichen, ihre Motivation, ihre Interessensgebiete und die erworbenen Lernstrategien eine entscheidende Rolle. Nach Ehm, Lonnemann und Hasselhorn (2021) lässt sich Lernen im schulischen Kontext aus »zwei unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten: aus der des Lernenden und aus der des Lehrenden« (ebd., S. 9). Erst der Perspektivwechsel, die Sicht des Kindes einzunehmen, ermöglicht es, das Kind in seinem Lernen angemessen zu unterstützen (vgl. ebd.). Darüber hinaus hat die Beziehungsgestaltung der Lehrkraft, zum einen bezogen auf die ganze Klasse und zum anderen bezogen auf jedes Kind einen direkten Einfluss auf die Lernentwicklung der Schüler*innen. Daneben jedoch können eine Reihe von Faktoren das Lernen erschweren oder verlangsamen. Deshalb sollen im Folgenden nichtförderliche schulische Lernprozesse ausgehend vom Begriff der Lernschwierigkeit, der als Oberbegriff für die verschiedenen Ausprägungsformen gesehen werden kann, dargestellt werden (vgl. Börnert-Ringleb 2023, S. 13).

Lernschwierigkeiten


»Lernschwierigkeiten sind besondere Schwierigkeiten der Auseinandersetzung mit Lernanforderungen aller Art, die sich in Minderleistungen beim Lesen, in der Rechtschreibung und/oder beim Rechnen niederschlagen« (Gold 2018, S. 10 f.).

Nach Breuer und Weuffen (2006) hängt der Erfolg beim Lernen insbesondere mit Blick auf die Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen vom »Wissens- und Kommunikationspotenzial eines Kindes, seine‍[n] intellektuellen Fähigkeiten sowie seine‍[n] sozialen Kompetenzen ab« (S. 9)....

Erscheint lt. Verlag 10.1.2024
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Schulpädagogik / Grundschule
Schlagworte Grundschule • Inklusion • Unterricht
ISBN-10 3-17-042154-9 / 3170421549
ISBN-13 978-3-17-042154-7 / 9783170421547
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