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Eine kurze Geschichte der Künstlichen Intelligenz -  Michael Wildenhain

Eine kurze Geschichte der Künstlichen Intelligenz (eBook)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
120 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-7681-9826-4 (ISBN)
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Wird Künstliche Intelligenz nun menschlicher als der Mensch? Schon lange Zeit begleiten uns Faszination und Furcht vor Automaten, Robotern und Künstlicher Intelligenz: Der preisgekrönte Autor Michael Wildenhain rollt exemplarisch ihre spannende Geschichte von vorne auf und untersucht, ob KI schließlich ein eigenes Bewusstsein entwickeln kann.  Mit dem Launch von ChatGPT im November 2022 hat die Debatte um die Nutzung Künstlicher Intelligenz einen weiteren Höhepunkt erreicht. Michael Wildenhain erläutert anhand zentraler Stationen die Entwicklung und Rezeption Künstlicher Intelligenz: Von Literaten wie Mary Shelley hin zu den Pionieren des Programmierens wie Herbert A. Simon, Allen Newell und Alan Turing und den Philosophen Gottlob Frege und John Rogers Searle beschreibt den Werdegang der KI  - und diskutiert fesselnd, inwieweit KI-Systeme bemessen am menschlichen Maßstab als intelligent betrachtet werden können, und ob es möglich ist, dass sie mit ihrer zunehmenden Komplexität ein eigenes Bewusstsein entwickeln, das uns Menschen schließlich überlegen sein könnte.

Michael Wildenhain ist 1958 in Berlin geboren, wo er auch heute lebt. Nach einem Philosophie- und Informatikstudium engagierte er sich in der Hausbesetzerszene - Stoff u. a. für seine ersten literarischen Veröffentlichungen: »zum beispiel k.«, »Prinzenbad« und »Die kalte Haut der Stadt«.Für sein literarisches Schaffen wurde er vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Alfred-Döblin-Preis, dem Ernst-Willner-Preis, dem Stipendium der Villa Massimo sowie dem London-Stipendium des Deutschen Literaturfonds. »Das Lächeln der Alligatoren« war für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert und wurde mit dem Brandenburger Kunstpreis ausgezeichnet. Wildenhain schrieb mehrere Theaterstücke, von denen 2012 ein Auswahlband erschienen ist.Sein letzter Roman »Das Singen der Sirenen« erschien 2017 und war für den Deutschen Buchpreis nominiert, 2018 würdigte das Literaturforum im Brecht-Haus sein Gesamtwerk mit einem Symposium.

Michael Wildenhain wurde 1958 in Berlin geboren. Nach einem Philosophie- und Informatikstudium engagierte er sich in der Hausbesetzerszene. Für sein literarisches Schaffen wurde er vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Alfred-Döblin-Preis, dem Stipendium der Villa Massimo und dem London-Stipendium des Deutschen Literaturfonds. »Eine kurze Geschichte der Künstlichen Intelligenz« ist sein erstes Sachbuch. Er lebt in Berlin. 

2. Aufzug: das 20. und 21. Jahrhundert


Einführung


Der erste Wissenschaftler, der den Begriff »Künstliche Intelligenz« in einem Antrag für Fördergelder benutzt hat, ist 1955 John McCarthy, Erfinder der Programmiersprache Lisp (List Processing). Der Förderantrag war an die Rockefeller Foundation gerichtet und diente der Finanzierung der Dartmouth Conference 1956, die als Geburtsstunde der KI firmiert.[12]

Organisiert wird die Konferenz unter anderem von Marvin Minsky (1927–​2016), der als einer der prominentesten und vehementesten Vertreter einer »starken KI« gilt, einer KI also, die dem Menschen hinsichtlich ihrer Intelligenz ebenbürtig sein soll beziehungsweise ihn in absehbarer Zeit überflügeln wird. Wohingegen sich eine »schwache KI« dadurch auszeichnet, dass sie nur in der Lage ist, genau definierte Aufgaben zu bewältigen, für die bestimmte intelligente Fähigkeiten benötigt werden. Aus dem Grund sind entsprechende Anwendungen lange als Expertensysteme bezeichnet worden. Solche Applikationen prägen mittlerweile in fast allen Bereichen des Lebens unseren Alltag und die Arbeitswelt, interessieren in dieser Abhandlung aber nur am Rande. Wie groß das Ausmaß der Überformung durch die digitale Computertechnik und die daraus abgeleiteten Phänomene mittlerweile ist und vor allem mit welcher Rasanz der Prozess sich Bahn gebrochen hat, mag daran abzulesen sein, dass die weltweit erste Webseite am 6. August 1991, vor gerade einmal gut dreißig Jahren, online ging.[13]

Die Grundlage für den sagenhaften Fortschritt auf allen Gebieten, die von der Computer Science, der angloamerikanische Begriff, der über Informatik deutlich hinausgeht, durchdrungen sind und durchdrungen werden, lässt sich durch einen Sachverhalt beschreiben, der als »Mooresches Gesetz« bezeichnet wird. Eigentlich bloßes Postulat und dennoch verblüffend zutreffend, besagt es, dass sich die Komplexität integrierter Schaltkreise beziehungsweise die Menge an Transistoren pro Flächeneinheit regelmäßig verdoppelt, wobei je nach Quelle zwölf, 18 oder 24 Monate angegeben werden. Veröffentlicht wurde die These 1965 und tatsächlich verdoppelt sich die Integrationsdichte seither circa alle 20 Monate. Die Vervielfachung unterliegt zwar einer natürlichen Begrenzung, weil Platinen eine endliche Ausdehnung haben und Transistoren minimal die Dicke eines Atoms haben könnten. Bei einer Näherung an die geringe Höhe muss zudem die Möglichkeit eines Tunnel-Effekts der Elektronen berücksichtigt werden, der ein adäquates Funktionieren der Bauteile beeinträchtigen beziehungsweise verändern kann.

Trotzdem bildet die Zunahme an Speicherkapazität und Rechenleistung – bei geeigneter Rechnerarchitektur – das Fundament, ohne das Applikationen, die als KI firmieren, undenkbar wären. Hinzu kommt eine nicht mehr fassbare Menge an Daten, die den Rohstoff abgibt, um Systeme wie ChatGPT zu trainieren.

In den mittleren Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts, die zunächst thematisiert werden sollen, dürfte man sich keine angemessene Vorstellung von dem Technologiesprung gemacht haben, der inzwischen erfolgt ist. Die Entwicklung einer starken KI steht hingegen nach wie vor aus, obgleich nicht allein Marvin Minsky seit etwa 1970 wiederholt prognostiziert hat, in wenigen Jahren werde es Maschinen mit der durchschnittlichen Intelligenz des Menschen geben, deren Programmierung ihnen – auch – Emotionalität gestatten solle. Mit anderen Worten: Trotz des unbestritten sich stetig fortschreibenden Erfolgs diverser Emanationen der schwachen KI bleibt die Entwicklung der starken KI bisher bloße Hypothese. Dennoch wird diese Hypothese, sobald ein nächster entscheidender technischer Fortschritt im Kontext Künstlicher Intelligenz in die Öffentlichkeit drängt, erneut virulent.

Auftritt 3 – Alan Turing (1912–​1954)


Alan Turing ist nicht nur aufgrund der Filme und Literatur über ihn, sondern sicherlich auch durch seine Tätigkeit beim britischen Geheimdienst (Dechiffrierung) während des 2. Weltkriegs und der gegen ihn erhobenen Anklage wegen Homosexualität die bekannteste und berühmteste Persönlichkeit in der Geschichte der Entwicklung von Computer und KI. Zudem markiert seine Person, neben den Praktikern John von Neumann (1903–​1957) und dessen Electronic Computing Instrument (1946) sowie Konrad Zuse (1910–​1995), der mit der Z3 (1941) den ersten relaisgesteuerten Rechner gebaut hat – damals als »nicht kriegswichtig«, »nicht dringlich« eingestuft –, den Anfang der Epoche.

Zu nennen sind an dieser Stelle auch die weiteren Pioniere der digitalen Welt, Vorgänger derjenigen, die eine erste Realisierung in Angriff nehmen konnten: Charles Babbage (1791–​1871) und seine Analytical Engine, die als Vorläufer des modernen Computers gilt; Ada Lovelace (1815–​1852) nebst ihrem Programm zur Berechnung der Bernoulli-Zahlen, einer bahnbrechenden Arbeit, die als eine Art Prototyp für die Entwicklung der Programmiersprachen gelten kann, ebenso wie die Begriffsschrift Gottlob Freges (1848–​1925) sowie das von Rudolf Carnap (1891–​1970) in seinem zentralen Werk Der logische Aufbau der Welt dargelegte Konstitutionssystem. Wie kein anderer steht jedoch Alan Turing für den Beginn des Computerzeitalters.

Hans Magnus Enzensberger würdigt ihn 1975 in seinem Buch Mausoleum – Siebenunddreißig Balladen aus der Geschichte des Fortschritts wie folgt:

Fest steht, daß er nie eine Zeitung gelesen hat; daß er seine Handschuhe selber strickte; und daß er, sofern er bei Tisch sein hartnäckiges Schweigen brach, in ein schrilles Gestotter verfiel oder krähend lachte. […] Warum er es stets vermied, die Haut anderer Personen, einerlei welchen Geschlechts, zu berühren, darüber wissen wir nichts.[14]

Die bekanntesten Erfindungen, die Alan Turing zugeschrieben werden, sind der Turing-Test und die universelle Turing-Maschine, wobei der Test eher als exakt formulierter Einfall zu bezeichnen wäre. Sinngemäß handelt es sich bei der universellen Turing-Maschine um eine Maschine, die jede Maschine sein kann, also um einen Computer, auf dem beliebige Anwendungen programmiert werden können. Turing hat den Nachweis erbracht, dass für diese Simulation einer beliebigen Maschine nichts als ein Band benötig wird, auf dessen Feldern Nullen oder Einsen notiert oder gelöscht werden, also der grundlegende Binärcode, der einen Computer zum Arbeiten bringt.

Nicht erwähnt hat Turing die Notwendigkeit eines Peripheriegeräts. Der Laptop wird erst zum Drucker, wenn das entsprechende Gerät angeschlossen ist. Ohne Peripherie kann der Laptop zwar via Programm zum ideellen Drucker werden, drucken kann er aber nicht.

Der Turing-Test ist eine clevere Anordnung dergestalt, dass eine Prüfperson bei einem Gespräch oder der Vorlage eines Fragenkatalogs nicht mit Gewissheit entscheiden kann, ob es sich bei ihrem unsichtbaren Gegenüber um Mensch oder Maschine handelt. Wird die Ununterscheidbarkeit signifikant, hat die Maschine den Test bestanden. Ähnlich wird heute verfahren, wenn auf die Leistungsfähigkeit von ChatGPT oder von ähnlichen Assistenzsystemen hingewiesen werden soll. Dem System wird die Mathematik- oder Informatikklausur einer gymnasialen Oberstufe vorgelegt oder es wird aufgefordert, das Abstract eines Papers der Quantenphysik zu schreiben. Zugleich wird eine menschliche Vergleichsgruppe mit der Lösung der fraglichen Aufgabe betraut. Kommt eine signifikante Anzahl von Prüfpersonen angesichts der Ergebnisse bei der Frage »Maschine oder Mensch?« zu keinem genügend zutreffenden Urteil, so darf gemutmaßt werden, dass die KI über Fähigkeiten verfügt, die menschlichen Maßstäben genügen. Erkennt die Prüfgruppe bei geringen Abweichungen,3 also ausreichend genau, welche Lösung vom Menschen und welche von der Maschine erbracht worden ist, hat das KI-System den Test nicht bestanden.[15]

Obgleich die Möglichkeiten aktueller Assistenzsysteme verblüffend sein mögen und wirken wie nie da gewesen, hat die Entwicklung früh begonnen. Ein Sprachanalyse-Programm namens ELIZA, bei dem entfernt eine Ähnlichkeit mit dem Turing-Test besteht, ist schon 1966 von Joseph Weizenbaum (1923–​2008) entwickelt worden, der später mit seinem Buch Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft (1977) als Kritiker der KI oder eher als Warner vor ihr hervortritt.

ELIZA simuliert auf geschickte Art ein Gespräch, zum Beispiel mit einem Psychologen oder Therapeuten, indem es die aus Antworten gewonnenen Informationen in Form von Fragen an den Probanden/Patienten zurückgibt oder anderweitig mit einer oft nichtssagenden Floskel den Dialog fortsetzt:

»Guten Tag, warum sind Sie heute bei mir?«

»Ich hatte als Kind Probleme mit meinem Vater.«

»Wie geht es ihrem Vater momentan?« etc.

Nicht wenige Probanden haben durch die »verständnisvoll« wirkende Art der Gesprächsführung den Eindruck gehabt, es werde ihnen nicht nur suggeriert, sie säßen einem Psychotherapeuten gegenüber, sondern genau das sei der Fall. Heutzutage gilt ELIZA als Prototyp für Chatbots.

Obwohl bei einem regelmäßig ausgetragenen Wettbewerb kein Computer einen...

Erscheint lt. Verlag 16.3.2024
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Ada Lovelace • AI • Alan Turing • Artificial Intelligence • Buch • Bücher • Der Sandmann • E.T.A. Hoffmann • Frankenstein • Goethe • Golem • Gottlob Frege • Harari • Homo Deus • ISAAC ASIMOV • KI • Kulturgeschichte • Künstliche Intelligenz • Leib und Seele • Mary Shelley • Mathematik • neuerscheinung 2024 • Neuerscheinung Sachbuch • Philosophie • Philosophiegeschichte • Programmieren • Sachbuch • Schummeln mit ChatGPT • Stanislaw Lem
ISBN-10 3-7681-9826-X / 376819826X
ISBN-13 978-3-7681-9826-4 / 9783768198264
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