Partnerschaft ist zweifach (eBook)
156 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-347-95881-4 (ISBN)
Dr. Matthias Stiehler, Jahrgang 1961, ist Theologe, Erziehungswissenschaftler und Psychologischer Berater. Im Amt für Gesundheit und Prävention Dresden leitet er das Sachgebiet Sexuelle Gesundheit. Er ist Vorsitzender des Dresdner Instituts für Erwachsenenbildung und Gesundheitswissenschaft e.V. und führt hier gemeinsam mit seiner Frau, Dr. Sabine Stiehler, Paarberatungen durch. Darüber hinaus ist er Initiator und Mitherausgeber mehrerer Männergesundheitsberichte. (www.matthias-stiehler.de)
Dr. Matthias Stiehler, Jahrgang 1961, ist Theologe, Erziehungswissenschaftler und Psychologischer Berater. Im Amt für Gesundheit und Prävention Dresden leitet er das Sachgebiet Sexuelle Gesundheit. Er ist Vorsitzender des Dresdner Instituts für Erwachsenenbildung und Gesundheitswissenschaft e.V. und führt hier gemeinsam mit seiner Frau, Dr. Sabine Stiehler, Paarberatungen durch. Darüber hinaus ist er Initiator und Mitherausgeber mehrerer Männergesundheitsberichte. (www.matthias-stiehler.de)
Muster, die Paare zusammenführen
Zunächst möchte ich Ihnen – quasi zum Anwärmen – ein erstes Beispiel aus unserer Beratungspraxis vorstellen und an ihm die wesentlichen Muster aufzeigen, die Paare zusammenführen. Ich werde diese Muster nur kurz benennen, um Ihnen das Themenspektrum, um das es bei Partnerschaften geht, zu eröffnen. Sie sollen eine Ahnung bekommen, auf was Sie sich beim Lesen dieses Buches einlassen. Die Muster werden dann im Verlauf des Buches eingehend erläutert.
»Die Wanderung«
Ein Paar. Er arbeitet im Management eines Unternehmens. Sie ist ebenfalls Akademikerin und arbeitet im Öffentlichen Dienst. Doch trotz ihrer Berufstätigkeit steht sie im Schatten seiner erfolgreichen Karriere. Sie haben ein Kind, vier Jahre alt, und sind seit fünf Jahren verheiratet. Die Frau ist 37, der Mann 43. Sie kommen in die Paarberatung, weil sie ihre Partnerschaft in einer schweren Krise sehen. Insbesondere der Mann gibt von Beginn an bekannt, dass er nicht weiß, ob er die Ehe überhaupt noch fortsetzen will. Dafür möchte er erst einmal verstehen, was und warum alles passiert ist. Das ist seine Motivation für die Paarberatung. Die Frau möchte dagegen die Paarberatung nutzen, um die Ehe zu retten. Sie möchte sie auf jeden Fall fortsetzen.
Von Beginn an fällt das unterschiedliche, ja entgegengesetzte Auftreten beider auf. Die Frau ist voller Selbstvorwürfe. Sie klagt, dass sie zu wenig Selbstvertrauen hat. Sie war auch schon in Psychotherapie deswegen. Der Mann dagegen weiß, dass er gut in der Welt steht und das Leben führt, das er sich so gewünscht hat, besonders beruflich. Es käme ihm nie in den Sinn, sich nicht als selbstbewusst und erfolgreich zu sehen.
Sie schildern ihren Konflikt: In einem Urlaub kommt es während einer Wanderung zwischen beiden zu einer Auseinandersetzung. Er hatte nicht beachtet, dass die Route für das Kind zu anspruchsvoll ist. Als das beim Wandern klar wurde, kam es zu einem heftigen Streit. Er war nicht der Meinung, dass er etwas falsch gemacht hätte. Am Ende aber gab er nach. Infolgedessen bestand zwischen ihnen über einen Monat »Funkstille«. Der Alltag lief wie gewohnt weiter, aber der Mann sprach über das Nötigste hinaus nicht mit seiner Frau. Im Rückblick sagte er, dass er es nicht ertragen konnte, dass sie sich durchgesetzt hat.
Anfangs nahm sie sein Schweigen hin, aber zunehmend litt sie darunter. Sie bat ihn, mit ihr zu sprechen, aber er konnte einfach nicht über seinen Schatten springen. Auf ihrer Arbeit machte ihr gerade in dieser Situation ein Arbeitskollege Avancen. Sie ließ sich darauf ein und hatte mit ihm eine kurze Affäre. Ein einziges Mal schliefen sie miteinander. Dann aber beendete sie die Affäre mit schlechtem Gewissen. Die Situation mit ihrem Mann entspannte sich auch wieder.
Nach einiger Zeit bekam sie jedoch mit, dass sie schwanger ist. Sie wusste nicht, wer der Vater ist. Es konnte ihr Mann, aber auch ihre Affäre sein. Sie hatte sich ein zweites Kind gewünscht, aber mit dieser Ungewissheit wollte sie es nicht. In ihrer Verzweiflung entschied sie sich für eine Abtreibung. Dabei sagte sie ihrem Mann zwar, dass sie schwanger sei. Sie teilte ihm aber zugleich ihre Entscheidung für eine Abtreibung mit. Ihr Mann verstand nicht, warum sie sich allein und so endgültig entschieden hatte. Aber letztlich akzeptierte er das, wenn auch mit untergründigem Ärger.
Erst nach Wochen, als sie die Situation nicht mehr aushielt, gestand sie ihm die Affäre und die Unsicherheit, von wem sie schwanger geworden war. Der Mann wollte sich daraufhin trennen, weil er sich nicht vorstellen konnte, ihr das zu verzeihen. Allerdings wollte er auch verstehen, wie es dazu gekommen war. Denn alles, was zuvor geschehen war, rechtfertigte für ihn nicht ihr Verhalten.
Wenn Ihnen dieses Beispiel mit all seiner Dramatik beim Lesen etwas fremd vorkommt und Sie das Verhalten der beteiligten Personen im ersten Moment nicht so recht verstehen können, ist das durchaus normal. Es ist eben nicht Ihr eigenes Leben. Von außen betrachtet ist es relativ leicht, andere Verhaltensmöglichkeiten zu sehen, die nicht in so eine Verstrickung des Paares geführt hätten.
Aber das Paar schaut eben nicht von außen auf die Situation. Die Beteiligten handeln mitten im Geschehen. Und so zeigt sich ein Verhalten, das mit den individuellen seelischen Verfassungen der Frau und des Mannes und ihrem beiderseitigen Zusammenspiel zu tun hat. Daher ist natürlich jedes Beispiel partnerschaftlichen Agierens ganz speziell und für die Betrachter nicht immer zu einhundert Prozent nachzuvollziehen. Es lässt sich daher fragen, warum ich solch ein ganz individuelles und zudem recht dramatisches Beispiel an den Anfang meines Buches gestellt habe.
Wir können die Frage aber auch umkehren: Glauben Sie, dass ein Beispiel aus Ihren Partnerschaftserfahrungen wirklich so ganz anders wäre? Auch Ihre Innenwahrnehmung der Partnerschaft wird sich von einer Außenbetrachtung unterscheiden. Das gilt für Konflikte in besonderer Weise. Hier stellt sich das eigene Verhalten stets zwangsläufiger dar. Das ist normal, auch wenn von außen betrachtet diese Zwangsläufigkeit nicht immer nachzuvollziehen ist.
Doch bei aller Einzigartigkeit der Beteiligten und somit auch des Paares, gibt es dennoch allgemeingültige Muster, die das Zusammenleben bestimmen. Es handelt sich um ein Art Gerüst, in dessen Rahmen wir letztlich alle handeln und unsere Eigenheiten ausleben. Das Gerüst ist dabei weder gut noch schlecht, sondern eine schlichte Tatsache. Und um diese Muster geht es in diesem Buch. Daher habe ich auch das Eingangsbeispiel gewählt, weil sie sich in ihm sehr gut erkennen lassen. Das Beispiel ermöglicht mir die wesentlichen Themen, die eine Partnerschaft ausmachen, in aller Kürze zu benennen. Ich hoffe, dass Sie dadurch neugierig werden. Und sie brauchen nicht nervös werden, wenn Ihnen die folgenden Absätze noch zu wenig Erläuterungen bringen. Sie dienen als eine Art Übersicht. All die Themen werden später ausführlich behandelt.
An dem vorgestellten Paar wird aber zugleich anschaulich, zu welchen dramatischen Folgen vergleichsweise harmlose Ursachen führen können. Das passiert häufig dann, wenn wir die Muster missachten beziehungsweise nicht wahrhaben wollen und wenn wir unsere jeweils eigenen Anteile an den Konflikten zu wenig beachten. Neben der allgemeinen Neugier soll Sie das Buch also auch für das eigene Partnerschaftsverhalten sensibilisieren.
Beispielhaft zeigen sich hier zwei Menschen, die sich in ihrer jeweils ganz eigenen Art in dem Konflikt verhalten. Der eine handelt in der eigenen Logik und der andere in der seinigen. Das ist eine Binsenweisheit, eigentlich zu banal, um in einem Buch erwähnt zu werden. Und dennoch verlieren wir diese schlichte Tatsache im Leben häufig aus dem Blick. Insbesondere, wenn wir selbst in einem Partnerschaftskonflikt stecken. Dann gehen wir meistens davon aus, dass der andere dieselben Voraussetzungen hat, wie man selbst, die gleiche Art, die Welt zu sehen, das gleiche Repertoire an Verhaltensweisen und Empfindungen. Man versteht nicht, warum der andere so ganz anders tickt. Dabei ist das einfach zu verstehen. Es handelt sich halt um zwei verschiedene Menschen. Und der Blick von außen auf das Beispiel macht diese bekannte Tatsache einmal mehr deutlich.
Die Betrachtung von außen zeigt aber noch anderes. Zum Beispiel, dass es zwischen den Partnern bei aller Unterschiedlichkeit in ihrem Handeln beziehungsweise gerade durch ihre Unterschiedlichkeit ein Zusammenspiel gibt. Damit sich die Situation so wie beschrieben zuspitzt, müssen beide ihren Teil hierzu beitragen. Einem allein wäre das so nicht gelungen. Sie müssen sich ergänzen.
Sein Schweigen bringt sie in Not. Ihre Affäre aber verstärkt die Krise. Aus einem anfänglichen, eher harmlosen Streit entwickelt sich eine Tragödie. Beide tun das ihrige, um es in der beschriebenen Weise eskalieren zu lassen.
Und auch, wenn dieses Beispiel so dramatisch ist, dass es zu einer Trennung der beiden führen könnte, zeigt sich das Zusammenspiel in einer Partnerschaft nicht nur an der Dramatik. Paare praktizieren es immer, egal ob im Guten oder im Schlechten. Es handeln stets beide und sie sind dabei auch stets aufeinander bezogen. »Das hatte nichts mit dir zu tun, Schatz.« ist eine der unsinnigsten Aussagen innerhalb einer Partnerschaft.
Der Blick von außen auf dieses Beispiel zeigt aber auch, dass beide Partner in all ihrer Unterschiedlichkeit dann doch nicht so verschieden sind. Beide sind in einer ähnlichen Weise verletzbar, beide kämpfen in ähnlicher Weise dagegen an. Der Mann mag selbstbewusst erscheinen. Aber, wie sein beleidigtes Schweigen in dem Beispiel zeigt, hat er in der Tiefe ein ebenso geringes Selbstbewusstsein wie seine Frau. Ich nenne das die Gleichwertigkeitsbalance, die eine zumindest länger andauernde Partnerschaft zwangsläufig ausmacht. Sie bezieht sich auf die innerseelische Verfasstheit der Partner. Es gibt in einer längeren Partnerschaft nicht den einen Besseren und den anderen Schlechteren.
Es gibt allerdings noch eine weitere Gemeinsamkeit, die Menschen...
| Erscheint lt. Verlag | 1.10.2023 |
|---|---|
| Verlagsort | Ahrensburg |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Partnerschaft / Sexualität |
| Sozialwissenschaften ► Soziologie | |
| Technik | |
| Schlagworte | Der oder die Richtige • Eigene Personlichkeit • Gemeinsames Grundthema • Partnerschaft • Wofür braucht man die Fehler des anderen? |
| ISBN-10 | 3-347-95881-0 / 3347958810 |
| ISBN-13 | 978-3-347-95881-4 / 9783347958814 |
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