Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Work-Survive-Balance (eBook)

Warum die Zukunft der Arbeit die Zukunft unserer Erde ist

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
240 Seiten
Verlag Herder GmbH
978-3-451-82889-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Work-Survive-Balance -  Hans Rusinek
Systemvoraussetzungen
16,99 inkl. MwSt
(CHF 16,60)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Es wird viel geredet über die Zukunft der Arbeit: Das Büro wird zur Lounge, die Firma zur Familie und die Kollegen treffe ich nun auch im Metaverse. Wenn das die Lösungen für eine bessere Zukunft sein sollen, dann möchte ich mein Problem zurück. Denn das wahre Problem ist doch, dass wir durch unsere Art zu wirtschaften den Planeten so abgearbeitet haben, dass er vor Überarbeitung unser Überleben in Frage stellt. Die Umweltkrise ist eine Krise unserer Tätigkeiten. Wie kann also sinnvolles Arbeiten im Anthropozän aussehen? Für diese Frage bringt der Arbeitsforscher Hans Rusinek die Zukunft der Arbeit und die Zukunft des Planeten radikal zusammen. Und dekliniert einmal durch, welche Denk- und Handelsbarrieren wir für eine enkeltaugliche Arbeitswelt überwinden müssen: etwa im Umgang mit Zeit, im Beachten unserer und anderer Körper oder im Entdecken künstlicher Intelligenz. Denn noch können wir unsere Zukunft selbst gestalten!

Hans Rusinek, geb. 1989, forscht, berät und publiziert zum Wandel der Arbeitswelt. Er erfüllt außerdem einen Lehrauftrag zu 'Future of Work' an der Fresenius Universität in Hamburg und ist Fellow im ThinkTank30 des Club of Rome Deutschland. Bis 2020 war er Strategiedirektor und erster Mitarbeiter der Purpose-Beratung der Boston Consulting Group, BrightHouse. Zudem beteiligt er sich publizistisch an Debatten zwischen Wirtschaft und Gesellschaft, etwa in BrandEins, Capital, DIE ZEIT, ThePioneer oder Deutschlandfunk, wofür er 2020 den Förderpreis für Wirtschaftspublizistik der Ludwig-Erhard-Stiftung bekam. Hans Rusinek studierte VWL, Philosophie und Politik an der London School of Economics und in Bayreuth, sowie Design Thinking am Hasso-Plattner-Institut.

Hans Rusinek, geb. 1989, forscht, berät und publiziert zum Wandel der Arbeitswelt. Er erfüllt außerdem einen Lehrauftrag zu "Future of Work" an der Fresenius Universität in Hamburg und ist Fellow im ThinkTank30 des Club of Rome Deutschland. Bis 2020 war er Strategiedirektor und erster Mitarbeiter der Purpose-Beratung der Boston Consulting Group, BrightHouse. Zudem beteiligt er sich publizistisch an Debatten zwischen Wirtschaft und Gesellschaft, etwa in BrandEins, Capital, DIE ZEIT, ThePioneer oder Deutschlandfunk, wofür er 2020 den Förderpreis für Wirtschaftspublizistik der Ludwig-Erhard-Stiftung bekam. Hans Rusinek studierte VWL, Philosophie und Politik an der London School of Economics und in Bayreuth, sowie Design Thinking am Hasso-Plattner-Institut.

1 Die Zukunft des Planeten


Vor allem unser Problem


„Die eigentliche Misere der Menschheit ist folgende:

Wir haben paläolithische Emotionen, mittelalterliche Institutionen und gottähnliche Technologie.“

E. O. Wilson1

Francisco de Goya, Kämpfe mit Knüppeln, ca. 1820/1823

 

Im Raum 67 des Prado-Museums in Madrid hängt ein eher unscheinbares Bild. Knüppelkampf heißt es. Gemalt wurde es von Francisco de Goya um das Jahr 1820. Dieses Werk ist eines seiner Schwarzen Gemälde – befremdliche Bilder, die der im Alter ziemlich in sich gekehrte und ertaubte Star der spanischen Malerei direkt an die Innenwand seiner Villa, der Quinta del Sordo (das Haus des Tauben), pinselte. Was all diese Schwarzen Gemälde gemeinsam haben, ist, dass in ihnen Goyas düstere Sicht auf die Menschheit zum Ausdruck kommt.

Warum hat diese obskure Zeichnung so viele Denker fasziniert, die sich mit der Zukunft unserer Gattung auf diesem Planeten beschäftigen, vom Philosophen Michel Serres über den Molekularbiologen und Historiker Hans-Jörg Rheinberger bis zur Anthropozänforscherin Eva Horn?

Auf dem Bild im Raum 67 geht es um eine ganz spezielle Angst. Wir sehen zunächst zwei Männer, die sich mit schwingenden Knüppeln bekämpfen – erst auf den zweiten Blick merken wir, dass ihre Beine dabei unsichtbar sind. Goya lenkt unsere Aufmerksamkeit zunächst auf den Kampf zwischen den beiden, darauf, dass die eine Person gerade ordentlich von links ausholt, während die andere eine saftige Rechte auf den Gegner steuert. Doch „das eigentliche Drama“, wie Eva Horn schreibt, spielt sich gar nicht zwischen den beiden ab.2 Das eigentliche Drama ist zu erkennen, wenn man einen Schritt vom Bild zurücktritt: Es spielt sich nämlich unter ihnen ab, und bald schon um sie herum. Die beiden verbissenen Kämpfer stehen knietief im Treibsand: „Bei jeder Bewegung saugt ein zähflüssiger Strudel sie weiter ein, so dass sie einander nach und nach selbst begraben“, so Michel Serres dazu.3 Genau wie die beiden Kämpfer bemerken auch wir, wenn wir das Bild nur oberflächlich betrachten, das eigentliche Drama viel zu spät.

Wenn wir uns nun unserer Welt und der Arbeit in ihr zuwenden, stellen wir fest: Ähnlich wie die beiden Knüppelschwinger interessieren wir uns oft allein für die Konflikte zwischen Organisationen und Individuen. Die Knüppel heißen etwa Aktienrendite, Drittmitteleinwerbung, Bonuszahlung oder Marktanteile. Wie die beiden Kämpfer übersehen auch wir die eigentlichen Grundbedingungen all dieser Schwingerei. Den gemeinsamen Boden, auf dem die ganzen Händel veranstaltet werden. Dieser kommt durch unsere Scharmützel in Bewegung und gerät ins Strudeln. Was uns als bloße Bühne erschien, wird zum dritten Akteur.4 Die Natur wird gerade im Anthropozän durch unsere Handlungen zur gefährlichen Mit- oder Gegenspielerin – und ihr Knüppel ist gewaltig.

Wer länger vor de Goyas Gemälde steht und in der Darstellung ein Symbol unserer Zeit erkennt, begreift: Die Frage nach einem zukunftsfähigen Wirtschaften, die viel beschworene Zukunft der Arbeit, muss sich auf die Frage nach den Bedingungen des Arbeitens auf dieser Erde beziehen. Auf die Frage nach der Zukunft des Planeten. Wer aber mit der „Zukunft der Arbeit“ nur den Knüppelkampf selbst meint, der verpasst es, die Frage nach unserer Zukunft auf diesem Planeten zu stellen, und beantwortet sie trotzdem. Und zwar verneinend.5 Ein im Sande versinkender Narr, wer die Arbeit und den Planeten nicht zusammendenkt. Ein Genie ist de Goya, dass er dieses Werk geschaffen hat, die treffende Darstellung für die Tragik unseres Arbeitens im Anthropozän, für unser Knüppelschwingen im Treibsand. Übrigens war Goya mit seinen Schwarzen Gemälden der erste westliche Künstler, der seine eigenen Ideen, Visionen, Träume und Albträume und nicht nur die äußere Realität malte – wir begegnen anderen im Kapitel über künstliche Intelligenz. Goya war so „der erste Modernist“, wie der Kunstkritiker Robert Hughes ihn nannte.6 Und was macht diese erste moderne Kunst? Sie lässt unseren Blick auf die Krise des Anthropozäns wenden.

2022 klebten sich Klima-Aktivisten an die Rahmen der De-Goya-Bilder ein paar Gänge weiter im Raum 38. Eines davon, das Aktbild der Nackten Maja, ist aus der Zeit, wo de Goyas Blick anscheinend noch andere Suchbewegungen unternahm. Eine verpasste Klebechance, wie ich finde.

Die Metakrise des Anthropozäns – Arbeit, die sich sehen lässt


Die Erde ist sehr groß. Würde man sie auf ihre acht Milliarden Bewohner aufteilen, bekäme jeder fast eine Billion Tonnen.7 Jeder Mensch acht Chinesische Mauern. Kaum vorstellbar, dass ein so schweres Ding von einer Säugetierspezies so grundlegend verändert wurde. Kaum vorstellbar, dass deren Handeln das gesamte Erdsystem prägt und viele nun von einer neuen erdgeschichtlichen Epoche sprechen. Dem Anthropozän. Kaum vorstellbar, wenn man bedenkt, dass diese Primatengruppe erst seit einem winzigen Bruchteil der gesamten Erdexistenz auf ihrer Oberfläche herumarbeitet.8 Das ist doch mal Arbeit, die sich sehen lassen kann.

Wenn wir vom Anthropozän sprechen, dem Neuen (altgriechisch kainos), das der Mensch (anthropos) hervorgebracht hat, dann meinen wir, dass der Mensch einen nicht umkehrbaren Einfluss auf das Erdsystem hat, welches sich deshalb neu justieren muss. Wir sprechen also von einer Metakrise, deren Folgen wir seit Jahrzehnten durchleben, auf die wir aber in der Unzahl an verschiedenen Krisendiagnosen nie einen klaren Blick gewinnen konnten. Einer Metakrise, die in der Geologie und im Erdsystem klar und zusammenhängend hervortritt.

Wie bei dem Bild von de Goya müssen wir erst einen Schritt zurücktreten, um dies zu erkennen. Dann stellen wir fest, dass es unserer Gattung gelungen ist, ebendiese rasante „Entwicklung von mittelgroßen, allesfressenden Primaten zu einer prägenden Kraft für die physikalischen und biogeochemischen Prozesse auf diesem Planeten“ zu durchlaufen, die Eva Horn meint.9 Dann stellen wir fest, dass all diese Knüppelei eben auch unsere Lebensgrundlagen verändert hat. Dafür gibt es unzählige Tatorte, wie Horn ausführt, „vom globalen Klimawandel und seinen Folgen über die Veränderung der ozeanischen und atmosphärischen Strömungssysteme, die Versiegelung von Böden und die Störung der Wasserzyklen, das rasante Schwinden der Artenvielfalt, die Anreicherung von Luft, Böden und Gewässern mit toxischen und nicht-abbaubaren Substanzen, die Störung wichtiger Stoffkreisläufe (wie Phosphor und Stickstoffkreislauf) bis zu einer rasant wachsenden Zahl von Menschen und Schlachtvieh“.10 All dies betrifft den unsichtbaren dritten Akteur im Gemälde von de Goya, die Grundlage, die unter unserem Handeln nachgibt.

Als Erdsystem bezeichnet man das Zusammenspiel verschiedener Sphären auf dem Planeten: Gase der Atmosphäre, Gesteine und Sedimente der Lithosphäre, Gewässer, Eisschichten und Meere der Hydrosphäre und die lebendigen Organismen der Biosphäre. Hinzu kommt nun noch die vom Menschen, also aus der Biosphäre, geschaffene Technosphäre, bestehend aus all seinen hergestellten Dingen. Diese Sphären befinden sich in Wechselwirkungs- und Rückkopplungsprozessen, was dazu führt, dass die Erde in ein dynamisches Gleichgewicht gebracht wurde – und sich dort ein bisschen wie ein planetarisches Thermostat ausgleichend hält.11 Diese fließende Dynamik führt zu Artenvielfalt, biologischer Evolution und veränderten Klimabedingungen, die in einem selbstregulierenden Zusammenhang stehen: Die Gase in der Atmosphäre bestimmen die Oberflächentemperatur, diese verändert zum Beispiel die Form auf der Erde lebender Organismen, und diese wirken durch Abgabe von Gasen über Atmung und Verwesung wieder auf die Atmosphäre zurück. Entscheidend ist hier, dass soziale Prozesse des Menschen nun einen Maßstab erreicht haben, dass diese ebenfalls Einfluss auf geophysikalische, geochemische und biologische Prozesse nehmen, dass also unser Handeln auf Erdsystemebene einen für uns gefährlichen Unterschied macht. Das zeigt sich beispielsweise folgendermaßen:

 

  • Biosphäre: Die Populationen wild lebender Fische, Vögel, Reptilien und Säugetiere sind in den letzten fünfzig Jahren im Durchschnitt um 69 Prozent geschrumpft.12 Wild lebende Tiere machen nur noch drei Prozent der Biomasse von terrestrischen Wirbeltieren aus, der Rest sind Menschen (30 Prozent) und ihre Arbeits- und Nutztiere (67 Prozent).13
  • Biosphäre und Technosphäre: Seit 1910 hat sich die Masse aller von uns produzierten Dinge (Technosphäre) alle zwanzig Jahre verdoppelt. 1910 entsprach sie drei Prozent aller lebenden Organismen (Biosphäre). Seit 2020 gibt es mehr Technosphäre als Biosphäre.14
  • Lithosphäre: Weltweit wird durch menschliche Arbeit mehr Erde, Sand und Stein bewegt als durch natürliche Prozesse.15
  • Hydrosphäre und Atmosphäre: Seit der industriellen Revolution hat sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre um 44 Prozent erhöht, was das Klima erwärmt, das Meerwasser saurer macht und die Lebensbedingungen aller Organismen massiv verändert.16
  • ...

Erscheint lt. Verlag 9.10.2023
Zusatzinfo ca. 5 Abb.
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 4-Stunden-Woche • Anthropozän • Arbeit • Bullshit Jobs • Care-Arbeit • carework • Generationenkonflikt • Greenwashing • hypbrides Arbeiten • K.I. • Klimakatastrophe • Klimakrise • Klimawandel • Künstliche Intelligenz • Meritokratie • new work • Selbstverwirklichung • Umwelt • Verantwortung • Zukunft der Arbeit
ISBN-10 3-451-82889-8 / 3451828898
ISBN-13 978-3-451-82889-8 / 9783451828898
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,9 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die globalen Krisen und die Illusionen des Westens

von Carlo Masala

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
CHF 12,65
Die globalen Krisen und die Illusionen des Westens

von Carlo Masala

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
CHF 12,65
Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles …

von Helen Pluckrose; James Lindsay

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
CHF 16,60