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Unter Wahnsinnigen (eBook)

Spiegel-Bestseller
Warum wir das Böse brauchen
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
288 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-44332-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Unter Wahnsinnigen -  Florian Schroeder
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Ich habe die Nähe des Dunklen gesucht. >Unter Wahnsinnigen< ist eine Zustandsbeschreibung unserer Zeit. Wie gerne würden wir leicht in Freund und Feind trennen, liken oder bashen. Aber so einfach ist der Mensch nicht. Schroeder folgt seinem Drang und seiner Neugier, das Böse zu verstehen. Auf dem Pfad des Bösen trifft er einen Holocaust-Leugner im Gefängnis, begegnet einem Sexualstraftäter auf seinem Weg nach draußen, erlebt einen Mann, der ein Doppelleben geführt hat, ist mit der Letzten Generation unterwegs und besucht NATO-Soldaten in Litauen, die sich darauf vorbereiten, dem Bösen zu begegnen. Seine Recherchen führen ihn zu Psychologen und Kriminologen, zu den Tätern und Opfern, zu Philosophen und Aktivisten - und immer wieder zu sich selbst und seiner eigenen Geschichte. Er trifft einen Teil von jener Kraft, die nur das Gute will und so das Böse schafft. Florian Schroeder besucht die Abgründe dieser Welt und zeigt, dass sie nur unser Spiegel sind, in dem wir uns selbst erkennen können - wenn wir es wollen. Die Wahnsinnigen sind wir alle.

Florian Schroeder, geboren 1979, studierte Germanistik und Philosophie in Freiburg und begann zu Studienzeiten seine Bühnenkarriere als Kabarettist und Parodist, sammelte Erfahrungen als Radio- und Fernsehmoderator und erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Schroeder ist Träger des Deutschen Kleinkunstpreises 2021. Als Host der Sendungen SPÄTSCHICHT und DIE FLORIAN SCHROEDER SATIRESHOW war Schroeder bis Ende 2022 in der ARD zu sehen. Im Herbst 2023 startet er mit neuen Folgen eines Satireformats in Das ERSTE und der ARD-Mediathek. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht, darunter den Bestseller SCHLUSS MIT DER MEINUNGSFREIHEIT! Im Radio hört man ihn regelmäßig mit seinen Kolumnen, u.a. auf radioeins mit seinem SCHROEDER&SOMUNCU-Podcast. Seit 2021 ist er Gastdozent an der Universität der Freien Künste, Berlin.  

Florian Schroeder, geboren 1979, studierte Germanistik und Philosophie in Freiburg und begann zu Studienzeiten seine Bühnenkarriere als Kabarettist und Parodist, sammelte Erfahrungen als Radio- und Fernsehmoderator und erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Schroeder ist Träger des Deutschen Kleinkunstpreises 2021. Als Host der Sendungen SPÄTSCHICHT und DIE FLORIAN SCHROEDER SATIRESHOW war Schroeder bis Ende 2022 in der ARD zu sehen. Im Herbst 2023 startet er mit neuen Folgen eines Satireformats in Das ERSTE und der ARD-Mediathek. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht, darunter den Bestseller SCHLUSS MIT DER MEINUNGSFREIHEIT! Im Radio hört man ihn regelmäßig mit seinen Kolumnen, u.a. auf radioeins mit seinem SCHROEDER&SOMUNCU-Podcast. Seit 2021 ist er Gastdozent an der Universität der Freien Künste, Berlin.  

Vorwort – Wie ich zum Bösen kam


Allmählich hat sich mir herausgestellt, was jede große Philosophie bisher war: nämlich das Selbstbekenntnis ihres Urhebers und eine Art ungewollter und unvermerkter mémoires.

Friedrich Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse[1]

Das Böse erlebt eine gewaltige Renaissance: Freund und Feind, richtig und falsch, für mich oder gegen mich. Es gibt kaum noch Grautöne, dafür fast nur schwarz oder weiß. Die Welt wird auf diese Weise sehr einfach und übersichtlich – aber eben nur scheinbar. Die Kategorien Gut und Böse lassen uns denken, wir hätten die Sache unter Kontrolle. Solange wir nicht böse sind, sind wir immer die Guten. Wir können uns einrichten in einer Schaukelstuhl-Behaglichkeit des »Wir haben’s doch nur gut gemeint!«. Wir können richten und hängen, strafen und verfolgen – wir können andere ein- und ausgrenzen und dabei garantiert auf der richtigen Seite stehen. Das Schönste dabei: Wir brauchen keine Verantwortung mehr zu tragen, wenn die Ursache allen Übels stets woanders liegt, wenn die Bösen immer die anderen sind.

Dadurch gibt es nur zwei Möglichkeiten: Die Nachrichten sind wahr oder fake, Putin ist Hitler oder Held, Deutschland ist am Ende oder größer und geiler denn je. Kaum geschieht ein Verbrechen, fordern die üblichen Verdächtigen endlich schärfere Gesetze angesichts dieser Explosion der Gewalt. Dabei erleben wir heute so wenig Kriminalität wie noch nie in den vergangenen fünfzig Jahren. Das ist die Krankheit unserer Zeit, sie reduziert unsere Spielräume auf dramatische Weise: Entweder wir liken das Gute oder wir canceln das Böse.

Diese Krankheit macht uns gleichzeitig immun gegen den ehrlichen Blick auf uns selbst. Zu ihren Symptomen gehört, dass wir uns darüber etwas vormachen, wie wir sind. Wir sind nicht nur Engel oder Teufel, Herr oder Knecht, Heilige oder Verräter. Wir sind beides – und vielleicht auch manchmal keines von beiden. Doch je besser wir uns fühlen, je mehr wir die Guten sein wollen, desto verhängnisvoller können wir dem Bösen verfallen. Denn wir sind, wie die Psychologie sagt, Meister im Externalisieren. Wir verlagern Gefühle, Motive und Absichten nach außen, statt sie in uns selbst zu suchen. Und rufen laut: »Dafür kann ich nichts!« Wir verabscheuen das Verbrechen und hören – scheinbar paradoxerweise – leidenschaftlich True Crime Podcasts, schauen Tatort und lesen Krimis am Strand.

Wir verlagern das Böse in uns nach außen. Hier spreche ich nicht als Therapeut, sondern als Patient. Ich bin damit großgeworden. Ich komme aus einer Welt, in der das Böse zum Alltag gehörte und darum verschwiegen werden musste: Mein Vater war kriminell, er saß mehrere Jahre im Gefängnis. Mein Vater war ein klassischer Betrüger: gelernter Antiquar, belesen, talentiert, doch statt wertvolle Bücher zu verkaufen, stahl er sie und verkaufte sie teurer weiter. Er zog es vor, in Hotels erfundene Namen anzugeben, statt sich mit der eigenen Unterschrift zu erkennen zu geben. Im Fernverkehr löste er grundsätzlich keine Tickets, weswegen ich mich bei der Fahrkartenkontrolle stets schlafend stellen musste – vielleicht meine erste große schauspielerische Herausforderung. Früh wollte er auch mich ans kriminelle Geschäft heranführen, indem er mich aufforderte, Bananen auf seine Weise vom Markt mitzubringen: sie einstecken, wenn keiner schaut, und dann schnell weglaufen. Mein Vater war ein Hochstapler, eine Art Felix Krull des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Am Ende starb er vereinsamt in einer dunklen Ecke des Schwarzwaldes. Er, der alle Möglichkeiten gehabt hätte, ein gutes Leben zu führen, entschied sich bewusst dagegen und bewegte sich stattdessen am Rand der Gesellschaft. Dafür muss man schon eine Menge destruktiven Enthusiasmus und Aggression in sich haben. War er aber wirklich böse?

Das war der dunkle Fleck meiner Jugend – es galt zu schweigen, nichts zu erzählen, um bloß nicht mit seinen kriminellen Aktivitäten in Verbindung gebracht zu werden. Als Kind einer alleinerziehenden Mutter war die Stigmatisierung ohnehin schon groß. Über meiner Jugend schwebte das große Horrorbild, ich könnte so werden wie er und am Ende genauso vereinsamt, genauso allein, so beleidigt und resigniert sterben – und erst nach zehn Tagen Liegezeit an einem sehr warmen Frühlingsmorgen gefunden werden, weil sich Nachbarn über den Geruch verwesenden Fleisches beschwert hatten. Mein Vater war ein hochtalentierter Taugenichts – einer, an dessen Schicksal nie er selbst, sondern immer nur die anderen schuld waren.

Ich wurde also groß mit einem bösen Antihelden, und das Lebensziel war schon erreicht, wenn ich ihm nicht nacheiferte. So lernte ich auf der einen Seite tatsächlich eine frühe Form der Selbstverantwortung, auch des Ehrgeizes. Erst sehr viel später stellte ich fest, dass dieses für so fest und sicher gehaltene Ufer auf der anderen Seite des Flusses umso brüchiger war, mich nicht zu schützen vermochte vor meinen eigenen Dämonen. Da ich alles, was er war, nur abgespalten und nicht integriert hatte, lebte es fort und wucherte vor sich hin wie ein Tumor. So habe ich mir, während ich alltäglich sehr funktionsfähig war, oftmals in meinen Umfeldern genau die Menschen wieder gesucht, die das mitbrachten, was ihn ausgemacht hatte – es waren Figuren der Wiederholung, die das Vergangene in der Gegenwart lebendig werden ließen und mich herausforderten –, zumeist warfen sie mich zurück auf gewohnte Reiz-Reaktions-Schemata: Um all diese Gremlins, die wie Schatten der Vergangenheit im Heute wirkten, abzuwehren, verhielt ich mich wie er – herablassend, arrogant, verletzend, selbstgefällig, kalt und vor allem: externalisierend. Ich lud also alles zu mir ein, was ich mit großer Kraft von mir fernhalten wollte. Schuld waren auch bei mir oft die anderen.

Wenn ich dieses Buch also Unter Wahnsinnigen genannt habe, so bedeutet das auch: Ich bin einer von ihnen – nicht, weil ich mich selbst dämonisieren oder die Protagonisten heroisieren oder verharmlosen möchte, sondern schlicht, weil ich sie als den anderen, den väterlichen Teil meiner selbst sehe, als Menschen, die in einem bestimmten Moment eine andere Abfahrt genommen haben als ich. Der Unterschied zwischen mir und ihnen, zwischen Gut und Böse, mag riesig scheinen, ist aber vielleicht nur marginal. Der entscheidende Kronzeuge dieses Buches ist wahrscheinlich Michel Foucault. Als ich beschloss, es zu schreiben, dachte ich oft an einen seiner schönsten Texte, der Wahnsinn – das abwesende Werk überschrieben ist. Darin gibt es einen Satz, der eine Art Grundfrage, eine Art Betriebsanleitung für dieses Buch ist: »Warum verstieß die abendländische Kultur genau das an ihre Grenzen, worin sie sich ebenso gut hätte erkennen können – worin sie sich de facto verzerrt selbst erkannt hat?«[2] Es ist doch erstaunlich: Ein Zeitalter, das sich rund um die Uhr selbst bespiegelt – von Insta-Reels über Feedback-Schleifen bis zu Achtsamkeits-Workshops –, ist vor lauter Selbstoptimierung blind für die Wunden und Narben, die Brüche und Risse, die Schwellen und Abgründe, in die zu schauen wirklich heilend sein könnte. Darum ist die Frage dieses Buchs: Wer sind die Ausgeschlossenen, die Fremden, die anderen? Warum verunsichern sie uns, oder besser: Warum lassen wir uns von ihnen verunsichern? Wen haben wir zum Bösen erklärt und vor wem möchten wir Angst haben? Neben dem Bösen spielt die Angst in diesem Buch eine große Rolle. Das war auch für mich eine überraschende Erkenntnis: Wir haben Angst vor dem Bösen, aber auch die sogenannten Bösen haben häufig mehr Angst, als wir glauben – vor sich oder der Welt, manchmal vielleicht vor beidem. Wie ist das möglich? Die Antworten helfen uns zu verstehen, warum wir das Böse brauchen und welche Leerstelle es füllt. Wenn wir den Blick in diese Richtung verschieben, könnte das der erste Schritt sein, das Böse anzuerkennen, ihm Platz am Tisch einzuräumen und es nicht länger als irre, wahnsinnig oder bestialisch wegzusperren. Wir brauchen das Böse, weil es unsere Angst, unsere Lügen, unsere Doppelmoral erklärt. Das Böse ist unsere Krücke. Es geht in diesem Buch auch um die Frage, wie unser Leben ohne diese Krücke aussehen könnte.

Als Komiker und Satiriker höre ich seit Jahren, meine Show sei dann besonders gut, wenn sie richtig böse ist. Ich habe mich immer gefragt, was das bedeutet: Die meisten Freunde des bösen, bissigen Kabaretts wünschen sich, dass man das sagt, was sie schon immer dachten, nur eben besser, zugespitzter formuliert. Das ist aber das Gegenteil von böse: Das ist meist näher am Evangelischen Kirchentag als an messerscharfer Gesellschaftsanalyse.

Das Böse hat mannigfaltige Gesichter – es stößt uns ab, zieht uns in seinen Bann, lässt uns staunen und erschaudern, erzwingt, dass wir angewidert zuschauen oder mit einer ängstlichen Lüsternheit ambivalent bleiben. Aber es ist stets interessanter als das Gute, es fordert uns immer heraus. Böse sein, sofern man diesen abgedroschenen Begriff in Stellung bringen kann, heißt in der Satire gerade das Gegenteil von dem, was emsige Absitzer des Kleinkunst-Abonnements glauben: Nämlich gerade nicht dem Publikum nach dem Mund reden, sondern es kontraintuitiv verwirren, auf die falsche Fährte führen, sich selbst zum Bösen zu machen, zum bigotten Arschloch. Nur bitte nicht zum Prediger des Guten, der im Gewand des Enttäuschten sich bequem einrichtet in der Haltung, die Welt...

Erscheint lt. Verlag 12.10.2023
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Abendländische Philosophie • aktuelle Sachbücher • Böse • Ehebruch • Einführung in die Ethik • Einführung Philosophie • Ethik • Ethische Werte • Forensische Psychologie • Gefängnis • Geschichte der Menschheit • Gesellschaftlicher Diskurs • Gewalt • GUT • Gutmenschen • Gut und Böse • Horst Mahler • Kabarett • Karl Marx • Lebensphilosophie • Linksextremismus • Ludwig Feuerbach • Lüge • Martin Sellner • Menschliches Handeln • Moral • Moralisches Dilemma • Moralphilosophie • Neue Sachbücher 2024 • Pädophilie • Psychologie • Querdenker • Rechtsextremismus • Religion • Reportagen • richtig und falsch • Sachbuch Neuerscheinungen 2023 • Satire • Sicherheitsverwahrung • Teufel • Ukraine Krieg • Werte • Wertvorstellungen • Wladimir Putin • Wokeness
ISBN-10 3-423-44332-4 / 3423443324
ISBN-13 978-3-423-44332-6 / 9783423443326
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