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Vom Leben und anderen Zumutungen (eBook)

Spiegel-Bestseller
Gespräche mit Zeitgenossen
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
352 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31246-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Vom Leben und anderen Zumutungen -  Giovanni di Lorenzo
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Giovanni di Lorenzos Interviews mit prominenten Zeitgenossen sind immer wieder ein Ereignis.  Wir erfahren, warum Daniel Cohn-Bendit kurz nach seinem fünfundsiebzigsten Geburtstag erstmals seine jüdische Familiengeschichte erzählt. Staunen, dass Telekomchef Timotheus Höttges für das bedingungslose Grundeinkommen plädiert und Udo Jürgens sich nach umjubelten Konzerten manchmal wie ein Nichts fühlte. Nehmen Anteil an den Glaubenszweifeln von Papst Franziskus; spüren die Angst, die ein Despot wie Recep Erdo?an verbreitet. Durch die Intensität der Begegnungen entstehen spannungsreiche Portraits, die zugleich ein Spiegelbild der großen politischen und gesellschaftlichen Themen des vergangenen Jahrzehnts sind - Flüchtlingskrise, Pandemie, Krieg, Fremdenfeindlichkeit oder Cancel-Culture-Debatten.  Lesend tauchen wir ein in die Überzeugungen und Biografien von Menschen, die auf unterschiedliche Weise die Gegenwart geprägt haben. Giovanni di Lorenzo schafft dabei eine Atmosphäre seltener Nähe und Offenheit, scheut aber nie die Konfrontation. Und entlockt so auch ausgebufften Medienprofis Dinge, die sie vorher öffentlich nicht gesagt haben.

Giovanni di Lorenzo, geboren 1959 in Stockholm. Nach dem Studium in München Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung. Ab 1999 Chefredakteur beim Berliner Tagesspiegel, seit 2004 Chefredakteur der ZEIT. Seit 1989 Moderator bei »3nach9« (Radio Bremen). Seit 2021 betreibt er mit Florian Illies den Kunst-Podcast »Augen zu«. Weitere Titel bei Kiepenheuer & Witsch: »Wofür stehst du« mit Axel Hacke (2010); »Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt« (2011) und »Verstehen Sie das, Herr Schmidt?« (2012), beide mit Helmut Schmidt, der Interviewband »Vom Aufstieg und anderen Niederlagen« (2014) und »Erklär mir Italien« mit Roberto Saviano (2017).
Spiegel-Bestseller

Giovanni di Lorenzo, geboren 1959 in Stockholm. Nach dem Studium in München Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung. Ab 1999 Chefredakteur beim Berliner Tagesspiegel, seit 2004 Chefredakteur der ZEIT. Seit 1989 Moderator bei »3nach9« (Radio Bremen). Seit 2021 betreibt er mit Florian Illies den Kunst-Podcast »Augen zu«. Weitere Titel bei Kiepenheuer & Witsch: »Wofür stehst du« mit Axel Hacke (2010); »Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt« (2011) und »Verstehen Sie das, Herr Schmidt?« (2012), beide mit Helmut Schmidt, der Interviewband »Vom Aufstieg und anderen Niederlagen« (2014) und »Erklär mir Italien« mit Roberto Saviano (2017).

Inhaltsverzeichnis

»Ich wollte immer Filme machen, das war schon mit zehn Jahren so«


Michael Bully Herbig

Bully Herbig ist einer jener Menschen, die mit der Gabe der Sympathie gesegnet sind: Mit ihrer Freundlichkeit und ihrem Witz können sie nahezu jeden für sich gewinnen oder entwaffnen. Manche mögen das als charakterlichen Hang zur Leichtigkeit ansehen. Von Max Frisch stammt der Satz: »Charme zur Haltung gemacht, ist etwas Fürchterliches: Waffenstillstand mit der eigenen Lüge.« Aber mit diesem Befund kann man auch falschliegen. Menschen, die so sind wie Bully Herbig, haben ihren Charme vielleicht deswegen entwickelt, weil sie sich schützen mussten. Weil sie anders nicht durchgekommen wären. Das hat mich an Bully Herbig interessiert: Wie ist er aus bescheidenen Verhältnissen, ohne jede Unterstützung von außen, zum Kultkomiker im Stadtfernsehen »tv.münchen«, wo ich ihn in meiner Münchner Studentenbude verfolgte, zum Kinoliebling und Publikumsmagneten aufgestiegen – als Schauspieler, Regisseur und Produzent?

In einem kahlen Konferenzraum der Bavaria Film in Geiselgasteig erzählte er mir die berührende und bewundernswerte Geschichte einer Karriere, die ihm selbst noch lange unwirklich zu sein schien. Das Sonnenhafte seines Wesens ist über all die Jahre geblieben. Erst vor Kurzem war er zu Gast bei »3nach9«, Anlass war sein Kinofilm Tausend Zeilen, eine Mediensatire, die frappierende Ähnlichkeit mit dem Fälschungsskandal um den »Spiegel«-Reporter Claas Relotius aufwies. Erst begann es lustig. Bully Herbig erfand eine Geschichte über seine angeblichen Sportlerqualitäten. Aber dann wollte ich von ihm wissen, ob er heute noch Komödien wie Der Schuh des Manitu inszenieren würde, in denen die Winnetou-Filme persifliert werden – jetzt, da schon das Aussprechen des Wortes Indianer Ärger machen kann. Oder ob er als Schauspieler noch Klischees über schwule Männer bedienen würde wie in (T)Raumschiff Surprise?

Eine ähnliche Frage hatte ich ihm schon in meinem ZEIT-Interview gestellt. Diesmal sagte Bully Herbig, nein, das würde er so nicht mehr tun. »Die Comedy-Polizei ist so streng geworden, und das nimmt einem so ein bisschen die Unschuld und die Freiheit.« Und als er das sagte, klang er, zumindest für eine kurze Zeit, gar nicht mehr wie ein Sunnyboy.

 

 

 

Kann es sein, dass Sie Ihr Leben ändern wollen?

Ja, vor allem in Bezug aufs Filmemachen. Im Grunde hat das ja seinen Anfang gehabt vor 14 Jahren.

Was war vor 14 Jahren?

Dieser exorbitante Erfolg mit dem Schuh des Manitu hat eigentlich alles über den Haufen geschmissen.

Was genau?

Es war Wahnsinn, weil man bis dahin so vor sich hin gewurschtelt hat und irgendwie alles entspannt war. Selbst die TV-Show damals …

… die Bullyparade auf ProSieben …

… war anders, als sie heute vielleicht wahrgenommen wird. Heute wird ganz gern von einer Kultshow gesprochen. Die Wahrheit ist: Die ersten Staffeln hat kaum jemand gesehen! Die Show lief ja samstags gegen »ran!«. Ungelogen, wir hatten mit der ersten Staffel eine durchschnittliche Zuschauerzahl von 500000. Wenn ich mir jetzt überlege, es hätte damals Facebook gegeben oder Twitter – die hätten uns wahrscheinlich weggeblasen.

Und was änderte sich dann durch den Erfolg von Manitu?

Ich hatte vorher ja Erkan und Stefan inszeniert, und dieser Film hatte, glaube ich, 1,2 oder 1,3 Millionen Zuschauer. Das war für mich unheimlich. Ich habe damals gesagt: »Ich hoffe ja nur, dass mein zweiter Film wenigstens einen Zuschauer mehr hat, damit die Leute nicht sagen können: »Erkan und Stefan war eine Eintagsfliege von dem Typen!« Und dann kam dieser Western, das war eine Odyssee von zwei, drei Jahren, bis wir überhaupt das Drehen angefangen haben, weil es ja keiner machen wollte. Erst anhand der Trailer, die im Kino liefen, zeichnete sich ab, dass das etwas Gutes werden könnte. Ich bin ja so: Ich muss dann ins Kino und mir die Reaktionen auf den Trailer anschauen.

Die Leute haben sehr gelacht?

Ja, also man spürte, da bewegt sich gerade irgendwas. Dann kam der Kinostart – und das mit Wucht! Am ersten Abend hatte der Film 250000 Zuschauer. Und am ersten Wochenende bestimmt irgendwas zwischen einer und zwei Millionen!

Was passierte dann in Ihrem Leben?

Das war auf einmal totaler Stress.

Warum?

Weil ich plötzlich so im Fokus war, den ich nicht gewohnt war. Ich stand am zweiten Wochenende mal mit dem Rick Kavanian auf unserem Parkplatz, wir haben uns angeguckt und gemerkt, das ist ein gemischtes Gefühl: Irgendwie freut man sich, aber es hat auch was Unheimliches, da kommt was Vereinnahmendes, so etwas wie: »Jetzt gehörst du uns allen.« Helmut Dietl, den ich damals getroffen habe, hat mir etwas total Richtiges gesagt, was ich erst Jahre später verstanden habe. Er sagte: »Jetzt haste deinen Erfolg, jetzt musst du damit leben.« Am Ende hatten wir 11,7 Millionen Zuschauer.

Sie waren damals Anfang dreißig. Haben Sie wirklich nie abgehoben, nicht einmal für einen Moment?

Nee, bei mir passierte genau das Gegenteil. Ich habe mich erst einmal gar nicht mehr rausgetraut. Das war die Zeit, in der ich das letzte Mal auf der Wiesn war und erschrocken bin, wenn mich im Flugzeug die Stewardess mit dem Namen angesprochen hat. Ich wollte eigentlich wieder in Ruhe gelassen werden. Wir waren ja dann ein halbes Jahr mit dem Film im Kino unterwegs, das hörte einfach nicht auf. Irgendwann kam ein Befreiungsschlag. Auf die Frage, was als Nächstes kommen soll, habe ich gesagt, wisst ihr was, ich lasse einfach das Publikum abstimmen.

Eine unglaublich avantgardistische Maßnahme damals.

Ja, ganz ohne Facebook. Wir haben durch einen Aufruf im Fernsehen im Internet abstimmen lassen.

Fast jeder andere hätte nach dem Erfolg eine Fortsetzung des Schuh des Manitu gedreht. Stattdessen haben Sie nach der Abstimmung das (T)Raumschiff Surprise gemacht.

Eine Abstimmungsoption war übrigens auch »Bully, hör auf mit dem Scheiß«. Ich war ein bisschen enttäuscht, dass nur fünf Prozent dafür waren. Dann hätte ich endlich meine Ruhe gehabt. (lacht)

Bis heute ist wohl nur dem Produzenten Horst Wendlandt mit Otto – Der Film ein noch größerer Zuschauererfolg als Ihnen gelungen, weit zurück im vergangenen Jahrhundert.

Nun ja, bis unser Film kam, hieß es, Otto hätte 8,7 Millionen Zuschauer gehabt, danach haben die offenbar neu gerechnet, egal. Aber ich habe den Herrn Wendlandt unheimlich bewundert. Einmal war er bei mir im Büro; da habe ich gedacht, jetzt zeige ich ihm mal den Trailer vom Manitu. Er war ja auch der Produzent der Winnetou-Filme, die ich parodiert habe. Ich dachte, ich hole mir jetzt seinen Segen ab, oder er haut’s mir um die Ohren. Meine Mitarbeiter im Raum verfielen in Schockstarre, die wurden ganz blass und haben gesagt: »Bist du irre?« Und dann guckte sich Wendlandt das an, ich glaube, er hat ein Mal ganz kurz mit den Schultern gezuckt, ich weiß nicht, ob’s ein Husten oder ein Lacher war. Und dann war der Trailer zu Ende, und er dreht sich um und hat zu mir nur gesagt: »Ich weiß nicht, ob die Leute lieber über Winnetou lachen oder weinen, aber ich wünsche Ihnen viel Glück.«

Wie haben Sie den Satz verstanden?

Für mich war das ein Absegnen.

Stimmt es, dass Bernd Eichinger Ihnen für den Erfolg von Manitu einen Porsche schenken wollte?

Ja. Ich wollte ihn aber nicht.

Warum nicht? Hatten Sie schon einen?

Nein, gar nicht. Es war so, ich wohnte damals noch in einer netten kleinen Dreizimmerwohnung in Trudering.

Nicht die hipste Gegend.

Nein, aber ruhig. Da saßen wir auf unserem Balkon, und sonntagnachmittags fuhren da plötzlich auffällig viele Radler vorbei und haben hochgewinkt. »Vielleicht sollten wir mal langsam an Umzug denken«, habe ich zu meiner Frau gesagt. Und da hatte ich damals einen sehr netten Nachbarn, der ein Autonarr war und einen Ferrari besaß und noch einen Porsche und immer mit Brrrruumm, Wrrruuum vorbeigefahren kam. Er hat mir mehrmals angeboten, mit ihm eine Spritztour zu fahren. Ich habe immer gesagt: Nee, lass mal, ich fühle mich nicht so wohl, wenn ich in solchen Autos sitze, weil die Leute ohnehin schon gucken. Und dann die Vorstellung, dass die Leute sagen: »Aha, da sitzt der feine Herr im Ferrari«, das war mir noch unangenehmer.

Aber wie kam Eichinger auf die Idee?

Es sollte ja eine Überraschung sein. Meine Managerin rief mich an und meinte: »Ich soll’s dir ja eigentlich nicht verraten, aber der Bernd würde dir gerne einen Porsche schenken.« »Warum?«, habe ich gefragt.

Ja, warum eigentlich?

Weil er einen Haufen Kohle gemacht hat über den Verleih meines Filmes. Ich sagte also Nein, und damit war das Thema für mich erledigt. Doch dann ruft meine Managerin eine Woche später wieder an und sagt: »Jetzt wollen sie dir ein Pferd schenken!« Ich sage: »Sind die irre geworden? Was soll ich mit einem Pferd? Wo soll ich das hinstellen?« Ich habe mich wirklich mit Händen und Füßen gegen das Geschenk gewehrt.

Hat Eichinger Sie eigentlich vor Ihrem Erfolg mit...

Erscheint lt. Verlag 2.11.2023
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Angela Merkel • Bülent Ceylan • Bully Herbig • Christian Drosten • Constantin Schreiber • Daniela Cavallo • Daniel Cohn-Bendit • Erdogan • Frank-Walter Steinmeier • Gespräche • Helene Fischer • Helmut Schmidt • Interviews • Jan Josef Liefers • Jens Spahn • Jogi Löw • Klaus Wowereit • Kultur • Leonhard Birnbaum • Måneskin • Mario Draghi • Marius Müller-Westernhagen • Oliver Bäte • Papst Franziskus • Penelope Tzanakakis • Politik • Prominente • Reinhold Messner • Riccardo Muti • Robert Habeck • Sabine Rückert • Timotheus Höttges • Udo Jürgens • Umberto Eco • Viktor Orban • Wirtschaft
ISBN-10 3-462-31246-4 / 3462312464
ISBN-13 978-3-462-31246-1 / 9783462312461
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