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Mehr Zuversicht wagen (eBook)

Wie wir von einer sozialen und demokratischen Zukunft erzählen können
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
352 Seiten
Hoffmann und Campe (Verlag)
978-3-455-01633-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mehr Zuversicht wagen -  Carsten Brosda
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In Zeiten sich überlagernder Krisen und Katastrophen zeigt Carsten Brosda Wege in eine gute Zukunft auf. Im Zentrum steht dabei die Kraft gemeinsamer Geschichten, die wir uns als Gesellschaft endlich neu und besser erzählen müssen. In diesem ebenso erhellenden wie Hoffnung stiftenden Buch erzählt Carsten Brosda auf kluge und persönliche Weise, warum eine gute Zukunft trotz aller Krisen und Konflikte noch immer möglich ist. Plausible Gründe für das Gelingen einer besseren Gesellschaft entdeckt er unter anderem in den Songtexten von Bruce Springsteen, in Filmen wie Nomadland und auch in Büchern oder in Theaterstücken. Sie sind nicht bloß Versuche, eine chaotische Welt zu ordnen und besser zu verstehen. Carsten Brosda findet in diesen Erzählungen reiche Quellen politischer Zuversicht. Sie sind Ausdruck einer tieferen Vernunft und unabdingbare Voraussetzung dafür, künftig freier, gerechter und solidarischer zusammenzuleben. Ein faszinierendes Werk, das Politik nicht nur überraschend verständlich macht, sondern auch einen überzeugenden Gegenentwurf zum um sich greifenden Fatalismus liefert. »Einer der wichtigsten und klügsten Zukunftsgeschichtenerzähler unseres Landes. Was Carsten Brosda sagt und schreibt, verdient größtmögliche Aufmerksamkeit und Beachtung. Und zwar immer.« Igor Levit  »Eloquent und fundiert verwebt Brosda gegenwärtig verhärtete Debatten mit Kunst, Kultur und Philosophie und bietet eine erfrischend klare, persönliche und zugleich nachdenkliche Perspektive. Ein mutiges, weitsichtiges Buch. Ausgerechnet aus der Mitte politischen Betriebs. Welch' intellektuelles Feuerwerk!« Kübra Gümü?ay  »Carsten Brosda ist so schlau und uneitel, dass er es schafft hochpolitische und komplizierte Vorgänge so zu schreiben, dass sie unterhaltsam und geistreich sind und alle sie verstehen können. Bei den meisten anderen ist es genau anders herum.« Thees Uhlmann  »Carsten Brosda weigert sich beharrlich, klein und lauwarm zu denken - und baut hier erzählend allen, die das Politische groß und mutig denken wollen, ein kluges, leidenschaftsorientiertes Geländer. Den nötigen Beat in den Hüften gibt es gratis obendrauf dazu.« Simone Buchholz

Dr. Carsten Brosda, Jahrgang 1974, ist Senator für Kultur und Medien in Hamburg sowie Vorsitzender des Kulturforums der Sozialdemokratie und Co-Vorsitzender der Medien- und Netzpolitischen Kommission des SPD-Parteivorstandes. Nach einem Studium der Journalistik und Politikwissenschaft wurde er mit einer Arbeit über 'Diskursiven Journalismus' promoviert. Er war u. a. Leiter der Abteilung Kommunikation des SPD-Parteivorstandes und arbeitet seit 2011 in Hamburg, zunächst als Leiter des Amtes Medien, ab 2016 als Staatsrat für Kultur, Medien und Digitalisierung und seit Februar 2017 als Senator.

Dr. Carsten Brosda, Jahrgang 1974, ist Senator für Kultur und Medien in Hamburg sowie Vorsitzender des Kulturforums der Sozialdemokratie und Co-Vorsitzender der Medien- und Netzpolitischen Kommission des SPD-Parteivorstandes. Nach einem Studium der Journalistik und Politikwissenschaft wurde er mit einer Arbeit über "Diskursiven Journalismus" promoviert. Er war u. a. Leiter der Abteilung Kommunikation des SPD-Parteivorstandes und arbeitet seit 2011 in Hamburg, zunächst als Leiter des Amtes Medien, ab 2016 als Staatsrat für Kultur, Medien und Digitalisierung und seit Februar 2017 als Senator.

Cover
Verlagslogo
Titelseite
Widmung
Motto
Einleitung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Schluss
Dank
Anmerkungen
Biographie
Impressum

Sagen, was sein könnte


Es spricht nicht nur nichts dagegen, sondern im Gegenteil: Ohne Geschichten geht es nicht! Und es ist die Essenz kulturellen und künstlerischen Wirkens, diese Geschichten in die Gesellschaft zu tragen. Dies wurde mir schlagartig bewusst bei einer Rede des britischen Dramatikers Simon Stephens. Am Sonntagvormittag des 11. November 2018 sprach er bei der 175-Jahr-Feier des Hamburger Thalia Theaters über die Kraft des Geschichtenerzählens. Er warnte eindringlich: »Vielleicht weil wir es vernachlässigt haben, uns ausreichend um sie zu kümmern, sind die Geschichten den Bastarden in die Hände gefallen.«[7] Er wählte als Beleg für diese Mutmaßung unter anderem eine Anekdote aus der Zeit der Brexit-Kampagne 2016, als einer der ärgsten Befürworter des britischen Austritts aus der Europäischen Union, Michael Gove, im Fernsehen mit den düsteren Vorhersagen von Experten zu den ökonomischen Konsequenzen dieses Schritts konfrontiert wurde. Der Satz, mit dem der konservative Tory-Politiker reagierte, habe ihn, so wie fast alle Liberalen auf der Welt, frösteln lassen, sagte Stephens. Gove wischte damals alle wissenschaftlichen Warnungen mit dem »Argument« vom Tisch: »Ich denke, wir hatten mehr als genug von diesen Experten, oder?«[8]

Zwei Jahre später in Hamburg, der Stadt, die sich rühmt, die britischste auf dem europäischen Kontinent zu sein, berichtete Simon Stephens davon, wie er später mit seinem Sohn über die Expertenfeindlichkeit der Brexit-Befürworter*innen diskutiert habe. Und sein Sohn habe ihm erklärt, dass Gove recht habe. Einer der Gründe dafür, dass die Brexit-Kampagne Erfolg hatte, sei doch gewesen, dass sie sich eben nicht auf Expertenwissen habe verlassen müssen. Wie bitte? Der Vater stutzte, aber der Sohn ließ sich nicht beirren. Er fragte seinen Vater: Würdest du plötzlich für den Brexit sein, nur weil jemand dir vorrechnet, dass sich das Verlassen der EU für das Vereinigte Königreich wirtschaftlich lohnen würde? Natürlich nicht, war die Antwort des Vaters. Siehst du, so der Sohn, denn es geht nicht darum, wer die besseren Berechnungen oder Statistiken hat, sondern um etwas ganz anderes. Es geht um eine Geschichte Europas, die die Bürger*innen überzeugen kann. Und die hätten die Europa-Befürworter*innen in Großbritannien ganz offensichtlich nicht erzählt. Mit den bekannten dramatischen Auswirkungen und dem folgenden Austritt aus dem gemeinsamen europäischen Projekt.

Simon Stephens zog aus dem kurzen Disput eine wichtige Lehre: Sein Sohn habe recht. »Mehr als je zuvor sollten wir den Drang verspüren, unsere Geschichten besser zu erzählen«, appellierte Stephens. Nur dann könne es gelingen, Menschen an etwas glauben zu lassen, was sie noch nicht sehen können. Dazu reiche es eben nicht aus, es bloß besser zu wissen und das auch wissenschaftlich begründen zu können. Dazu brauche es eine Geschichte, die Emotionen und Zugehörigkeit ermöglichen kann.

»We all need to tell our stories better.« Wir alle müssen unsere Geschichten besser erzählen. Als ich am Sonntagmittag aus dem Theater trat, wusste ich: Diese Aufforderung wird mir nicht mehr aus dem Kopf gehen. Doch wo sind die wahrhaftigen Geschichten, die zu erzählen sich lohnt? Warum konzentrieren wir uns so sehr auf die Beschreibung des Gegenwärtigen und vertrauen bloß den Statistiken und methodisch gesicherten Prognosen, mit denen die Politik Tag für Tag versorgt wird, während wir den utopischen Überschuss einer Erzählung des Fortschritts oder auch nur des künftigen guten Lebens vernachlässigen?

Storys sollen die Analyse nicht ersetzen. Dann wären sie bloße Propaganda, faule PR anstelle harter politischer Arbeit. Gigi anstelle von Beppo. Aber Geschichten können politische Veränderungen möglich machen. Schließlich werden in ihnen ein besseres Morgen und die Kraft zu seiner Gestaltung spürbar – emotional und praktisch. Es sind kulturelle Formate wie Songs und Bücher, Theaterstücke und Filme, Bilder und Bauten, in denen sich diese Vorstellungen einer anderen Gegenwart und Zukunft zeigen lassen. Politik hat früher häufig ihre Nähe gesucht. Das zeigte sich etwa in den großen Inszenierungen der ägyptischen Pharaonen oder den Heldenerzählungen mittelalterlicher Höfe. Es sind die großen Epen, die bis heute überdauert haben und die uns erinnern, welchen Werten, Zielen und Utopien frühere Zeitalter nacheiferten. Und es waren die feudalen Herrscher*innen früherer Jahrhunderte, die die Freiheit ihrer Hofkünstler*innen sicherten,[9] bevor die Künste zum Gegenstand und Instrument bürgerlicher Kritik wurden.

In der Moderne haben sich die großen Traditionslinien so sehr verworren, dass nichts mehr nur deshalb gilt, weil es gestern schon galt. Deshalb sind Geschichten heute erst recht ein wesentlicher Treibstoff gesellschaftlicher, kultureller und politischer Entwicklungen. Und es ist daher in der Tat entscheidend, dass wir uns für sie interessieren und dass wir sie gut erzählen, wenn wir Politik möglich machen wollen.

Zu Beginn moderner Politik und in den Zeiten der Gründung der Sozialdemokratie schien diesbezüglich manches einfacher zu sein. »Alle große politische Aktion besteht im Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit. Alle politische Kleingeisterei besteht in dem Verschweigen und Bemänteln dessen, was ist.«[10] Diese Worte stammen von Ferdinand Lassalle, der vor hundertsechzig Jahren, im Jahr 1863, mit einem Brief den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein gründete und damit nach gängiger Lesart die deutsche Sozialdemokratie ins Leben rief. Was für ein Anspruch: Auf die Fakten kommt es an, sie sind der Ausgangspunkt politischer Programme. Heute, in einer Zeit, in der jeder behaupten kann, was er will, ohne dass wir uns der Mühe unterziehen zu überprüfen, ob da auch etwas dran ist, klingen diese Sätze wirklich revolutionär. »Aussprechen, was ist.« Wie schön wäre es, wenn das gelänge.

Wir haben den Glauben an eine klar benennbare und erkennbare Wirklichkeit verloren. Wir wollen wissen, warum etwas so ist. Jede Behauptung braucht Gründe, um akzeptiert zu werden. Und genau hier beginnen die Schwierigkeiten. Gründe müssen nämlich akzeptiert werden. Wer sagt was warum? Das ist immer wieder aufs Neue Gegenstand erbitterter Debatten. Und je länger jemand dabei ist, desto gefährlicher wird es. Weil die Wahrscheinlichkeit steigt, dass andere ermüdet sind von dem Umstand, dass alles schon tausendmal gesagt wurde. Keine gute Aussichten, wenn man hundertsechzig Jahre alt ist.

In diesem Sinne war es früher wohl wirklich einfacher. Doch zugleich irritiert es, wenn sich auf einmal eine merkwürdige Melancholie breitmacht. Erst kürzlich ist eine Studie veröffentlicht worden, der zufolge 56 Prozent der Achtzehn- bis Vierunddreißigjährigen lieber in der Vergangenheit leben wollen, weil es da geordneter und sicherer gewesen sei und es weniger Krisen gegeben habe.[11] Aber was ist das für ein Befund, wenn schon die Jüngeren sich nach einer Vergangenheit sehnen, die sie vermutlich gar nicht selbst gelebt haben, sondern die sie nur aus Erzählungen kennen? Ich musste jedenfalls sofort an den Titel eines Buches von Joachim Meyerhoff denken: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war. Wenn schon die Jüngeren melancholisch zurückschauen, wenn sie von besseren Zeiten träumen, dann ist das allemal ein Anlass, unruhig zu werden.

Vielleicht lohnt es daher, bei diesem ominösen »Früher« noch einmal anzusetzen und zu schauen, was seitdem schiefgelaufen ist. Warum es eben nicht mehr reicht, einfach zu sagen, was ist. Und warum auch die Begründungen zunehmend hohler klingen. Warum uns die Gewissheit abhandengekommen ist. Vielleicht hat das ja auch etwas damit zu tun, dass das »Sagen, was ist« eigentlich noch nie ausgereicht hat, sondern immer schon eine Verkürzung war, wie Samira El Ouassil und Friedemann Karig in ihrer Studie Erzählende Affen argumentieren, in der sie der Kraft der Geschichten in unserem Alltag und ihrer Bedeutung für unser Weltverstehen nachspüren.

»Aus einem ›Sagen, was ist‹ wurde auf einmal ein ›Sagen, was war‹ und ein ›Sagen, was sein könnte‹. Und irgendwann berichtete man von Dingen, die nicht in oder vor der Höhle existierten und passierten, sondern weit entfernt«, heißt es in dem Buch über frühe steinzeitliche Stammesgesellschaften, die anfingen, in Geschichten ungekannte, vielleicht drohende Erlebnisse in Gedanken durchzuspielen, um so die Welt mit all ihren Gefahren besser zu verstehen.[12] Daraus wurden dann irgendwann die klassischen Erzählungen, die unsere Weltwahrnehmung prägen. Dabei mischen sich nicht erst heute mitunter Fakten und Fiktionen. Erzählfiguren aus Kunst und Literatur rutschen immer wieder in unsere Ordnungsversuche hinüber. Problematisch ist das nicht, solange allen klar ist, dass das Teil unseres Erzählens ist und Fakt und Fiktion unterscheidbar bleiben.

El Ouassil und Karig beschreiben in ihrem Buch ausführlich, was Simon Stephens im Thalia Theater nur skizzenhaft angedeutet hat: Wir versuchen mit den Geschichten, die wir uns erzählen, Ordnung in das Chaos unserer Welt zu bringen. Wir sind in unserer Evolution offensichtlich so geprägt worden, dass unser Gehirn förmlich nach Geschichten sucht, um die vielen und oft kaum zueinanderpassenden Informationen, die auf uns einprasseln, zu strukturieren, um sie verarbeiten zu können, um ihnen einen Sinn zu geben. Das ist weniger eine bewusste...

Erscheint lt. Verlag 4.9.2023
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Gesellschaft • Krisen • Kultur • Musik • Sozialdemokratie • SPD • Vision • Wandel • Zukunft • Zuversicht
ISBN-10 3-455-01633-2 / 3455016332
ISBN-13 978-3-455-01633-8 / 9783455016338
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