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Unterricht bei Zwei- und Mehrsprachigkeit -  Christine Einhellinger

Unterricht bei Zwei- und Mehrsprachigkeit (eBook)

Grundlagen - Methoden - Materialien
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
190 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-038482-8 (ISBN)
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Junge Menschen, die die deutsche Sprache noch lernen müssen, in unser Schulsystem einzubeziehen, stellt viele Lehrkräfte aktuell vor große Herausforderungen. Sie müssen hier die Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) in sehr heterogenen Gruppen unterrichten. Das Fundament für einen erfolgreichen Unterricht bildet die Beschäftigung mit Sprache - sowohl mit der Zielsprache Deutsch als auch mit den vielfältigen Herkunftssprachen. Damit startet dieses Buch. Die Lernenden mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen stehen im Zentrum eines weiteren Basiskapitels. Wesentliche Prinzipien, Konzepte, Methoden und praktische Materialien zum DaZ-Unterricht werden dann vorgestellt. Anschließend geht es um die Kompetenzbereiche Hören und Sprechen, Lesen und Schreiben. Ausführlich wird auf konkrete Umsetzungsmöglichkeiten für den Unterricht eingegangen.

Dr. Christine Einhellinger ist Akademische Oberrätin am Lehrstuhl für Pädagogik bei Lernbeeinträchtigungen der Universität Würzburg.

Dr. Christine Einhellinger ist Akademische Oberrätin am Lehrstuhl für Pädagogik bei Lernbeeinträchtigungen der Universität Würzburg.

1 Die Sprachen, um die es geht


Sich mit den Sprachen zu beschäftigen, um die es geht, ist die Basis eines guten Unterrichts, noch vor der Beachtung der Lerngruppe. Damit ist zum einen – ganz naheliegend – die deutsche Zielsprache gemeint, aber auch die Erstsprachen (L1) der Kinder und Jugendlichen, die erst in den letzten Jahren mehr in den Fokus rücken.

1.1 Lautlehre für alle Sprachen – Phonetik


Begriffe und Grundlagen

Phonetik ist mehr als Aussprachelehre der verschiedenen Sprachen der Welt und Aussprache ist weit mehr als ein weitgehend akzentfreies Deutsch, denn sie hat auch eine hohe Bedeutung für den Erwerb einer Zweitsprache (▶ Kasten 1). Betrachtet man die vier Lernbereiche Hören und Sprechen, Lesen und Schreiben, wie sie in den meisten Lehrplänen oder Lehrwerken Schwerpunkte darstellen, so spielt die Phonetik in allen vier Bereichen eine deutliche Rolle. Daher wird der Vorstellung verschiedener Erstsprachen sowie auch der deutschen Sprache ein Kapitel über Lautlehre vorangestellt.

Kasten 1: Begriffsklärungen Phonologie und Phonetik (nach Hirschfeld/Reinke 2016, 86)

Phonologie meint das Sprachsystem, Phonetik seine Umsetzung.
Beide Bereiche sind wichtige Grundlagen für die Entwicklung der rezeptiven und produktiven Fertigkeiten.
Mit rezeptiven Fertigkeiten sind die Bereiche Hören und Lesen gemeint, mit produktiven Fertigkeiten Sprechen und Schreiben.
In der gesprochenen deutschen Standardsprache unterscheidet man suprasegmentale sowie segmentale Einheiten und Merkmale.
Mit suprasegmentalen Einheiten und Merkmalen sind Sprachmelodie, Akzent, Gliederung und Rhythmus gemeint.
Mit segmentalen Einheiten und Merkmalen sind Vokale und Konsonanten gemeint.

In Abbildung 1 (▶ Abb. 1) sehen Sie einen Sagittalschnitt, also einen Querschnitt durch den Sprechapparat. Die lateinischen Bezeichnungen der beteiligten Artikulationsorgane, also Sprechwerkzeugen in Kopf und Hals, werden verwendet, um Vokale und Konsonanten aller Sprachen der Welt zu beschreiben. Sich bewusst zu machen, wo und wie Laute gebildet werden, ist für Lehrende wie Lernende eine sehr gewinnbringende Sache. Zum einen versteht man leichter, warum Laute verwechselt werden, wenn man sich bewusst macht, dass sie an derselben Stelle gebildet werden; zum anderen kann man Kindern und Jugendlichen gezielter dabei helfen, Laute richtig zu artikulieren, wenn man die verwendeten Sprechwerkzeuge und den Artikulationsort zeigen und benennen kann.

Abb. 1:Querschnitt durch den Sprechapparat (Zeichnung: Wolfgang Einhellinger; nach Hirschfeld/Reinke 2016, 67)

Nun soll es um die Laute gehen (▶ Kasten 2), die sich mit unseren Sprechwerkzeugen (Artikulatoren) erzeugen lassen und die wiederum in Alphabetschriften wie der unseren in Graphen und Grapheme übersetzt werden. In keiner Sprache der Welt kommen alle Laute, die wir eigentlich mit unseren Artikulatoren erzeugen könnten, gleichzeitig vor.

Kasten 2: Begriffsklärungen Phone, Phoneme und Allophone (nach Einhellinger 2013, 279)

Ein Phon ist die lautliche Umsetzung eines Segmentes, also eines Teils der gesprochenen Sprache. Man kann es hören.

Als Phonem wird ein Laut bezeichnet, der zu einer Bedeutungsunterscheidung beiträgt, z. B. <r> in Rose, die mit einem <h> eine Hose wäre. Nicht zur Bedeutungsunterscheidung tragen dagegen die regional unterschiedlichen Aussprachemöglichkeiten von Phonemen wie dem <r> bei. Ob es ein Sprecher als [r] mit der Zungenspitze rollt oder eine andere Sprecherin es als [&ip.rscp;] im Rachen rollt oder es im Rachen als Reibelaut [&ip.rscpi;] ausspricht – es ändert in der deutschen Sprache nichts an der Wortbedeutung, z. B. von dem Wort Brot.

Solche nicht bedeutungsunterscheidenden Varianten eines Phonems (wie beim eben genannten Beispiel) werden Allophone genannt.

Verschiedene Sprachen – verschiedene Systeme – Phone und Phoneme

Das Problem für alle, die eine L2 oder L3 lernen müssen oder wollen, ist allerdings, dass verschiedene Sprachen verschiedene Systeme darstellen. In der einen Sprache – wie im Deutschen – ist es nicht bedeutungsunterscheidend, wie wir das <r> aussprechen, weswegen die verschiedenen Varianten Allophone sind. In der japanischen Sprache wiederum wird zwischen dem [r], das mit der Zungenspitze gerollt wird, und einem [l] nicht unterschieden. Den beiden Phonen gemeinsam ist die Stelle, an der sie gebildet werden; sie sind in der japanischen Sprache bedeutungsgleiche Aussprachevarianten, also Allophone. Mit Ohren, die Deutsch als L1 gehört haben, klingt das, als würden die beiden Laute verwechselt werden – dabei ist es aus Sprechersicht einfach nicht bedeutend. Mit einem weiteren interessanten Aspekt befasst sich Claudia Maria Riehl. Sie fragt danach, »welche Laute in den Sprachen der Welt am häufigsten verwendet werden, da man annehmen kann, dass diese dann auch von den meisten Sprechern produziert werden können« (Riehl 2018a, 237). Sie erläutert, dass in jeder Sprache Vokale und Konsonanten vorkommen, dass es aber in allen Sprachen mehr Konsonanten als Vokale gibt. Unglaubliche 921 Phoneme gibt es in den Sprachen der Welt; der am häufigsten vorkommende ist dabei der Nasal <m>. Zwischen 30 und 50 Phoneme besitzen die meisten Sprachen. Das Deutsche befindet sich dabei mit 41 Phonemen im Durchschnitt (ebd., 238). Die Allophone, die bereits in Kasten 2 (▶ Kasten 2) erläutert wurden, sind der Grund dafür, warum es in den meisten Sprachen mehr Einzellaute, also Phone gibt als bedeutungsunterscheidende Phoneme. Neben den Spitzenreitern der Nasale wie <m> und <n> (97 % aller Sprachen) kommen auch Liquide sehr häufig vor; das sind <l>- und <r>-Laute. Im Gegensatz zu den Sprecherinnen und Sprechern von Deutsch als L1, die den <r>-Laut vorwiegend im Rachen bilden, wird er weltweit am häufigsten am Zahndamm artikuliert (ebd.). Diese Feststellung passt wieder zu dem oben genannten Beispiel aus der japanischen Sprache mit der vermeintlichen Verwechslung der <l>- und <r>-Laute. Nach Riehl ist anzunehmen, dass Lernende von Deutsch als L2 oder L3 »vor allem mit Lauten Probleme haben, die in den Sprachen der Welt sehr selten sind« (ebd.). Sie nennt als Beispiele vor allem den Frikativ [ç] (ein am Gaumen gebildetes <ch> wie in ich) sowie das in Kasten 2 (▶ Kasten 2) beschriebene [&ip.rscpi;]. Aber nicht nur das Produzieren, also Aussprechen von unbekannten Lauten, sondern auch das Hören ist oft ein großes Problem. Schlatter et al. (2017, 146) betonen die außerordentliche Bedeutung, die die Phonetik für das Sprachenlernen hat: Nur mithilfe der phonetischen Fähigkeiten können Lernende überhaupt erst »aus einem Lautstrom heraus Laute und Wörter korrekt [...] identifizieren« (ebd.). Dass es so schwerfällt, unbekannte Laute aus einer fremden Sprache herauszuhören, begründen sie damit, dass sich das Hörzentrum des Gehirns »auf die eigenen Laute und die eigene Sprachmelodie spezialisiert« habe (ebd.). Wenn also eine zuhörende Person noch nicht über die in den meisten Sprachen unbekannten Laute [y] und [œ] verfügt, »speichert sie diese unter vorhandenen, ähnlich klingenden Lauten ab. Müde wird dadurch zu mide, können zu kennen« (ebd.).

Verschiedene Sprachen – verschiedene suprasegmentale Systeme

Nach diesem Ausflug in die Vokale und Konsonanten der weltweit gesprochenen Sprachen ist auch ein Blick in die Unterschiede auf der suprasegmentalen Ebene sehr spannend, in der es um Sprachmelodie, Akzent, Gliederung und Rhythmus geht. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen Akzentsprachen und Tonsprachen. Akzentsprachen zeichnen sich dadurch aus, dass es immer eine Silbe gibt, die betont gesprochen wird, also den Akzent trägt. In vielen Sprachen findet sich der Wortakzent regelmäßig am Rande des Worts. Im Tschechischen z. B. ist das wie in den meisten Akzentsprachen die erste Silbe, im Polnischen die vorletzte Silbe, was am zweithäufigsten vorkommt. Am seltensten wird die letzte Silbe betont – so wie im Türkischen (Riehl 2018a, 240 f.). Es gibt aber auch Sprachen wie das Russische, die einen freien Wortakzent haben. Das heißt, dass der Akzent auf verschiedenen Silben liegen kann, aber dann auch eine andere Wortbedeutung bedingt. Riehl (ebd., 241) nennt hier das russische Minimalpaar [ˈmuka], das Leid bedeutet, und [muˈka], was für Mehl steht. Das Mandarin-Chinesische hat nicht nur, wie allseits bekannt, ein völlig anderes Schriftsystem als die meisten Sprachen, sondern bezieht als Tonsprache darüber hinaus Veränderungen in der Tonhöhe beim Sprechen innerhalb eines Wortes in die Bedeutung ein. Das Wort ma z. B. kann je nach Tonhöhe oder...

Erscheint lt. Verlag 11.1.2023
Zusatzinfo 24 Abb., 26 Tab.
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Schulpädagogik / Grundschule
Schlagworte Grundschule • Inklusion • Unterricht
ISBN-10 3-17-038482-1 / 3170384821
ISBN-13 978-3-17-038482-8 / 9783170384828
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