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Wo alles beginnt (eBook)

Die ungeahnte Power der Gebärmutter

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
230 Seiten
Atlantik Verlag
978-3-455-01579-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wo alles beginnt -  Leah Hazard
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 Alles über das unbekannte Power-Organ: die Gebärmutter!  Die Journalistin und Hebamme Leah Hazard ist um die Welt gereist, um alles über ein faszinierendes Organ zu erfahren, über das wir zu wenig wissen: die Gebärmutter. Sie hat mit zahlreichen Frauen und Expert*innen gesprochen, über ihre Erfahrungen rund um Zyklus, Krankheit, Schwangerschaft, Geburt, Abtreibung, über die Meilensteine der Medizin und ihre Auswirkungen, die noch junge wissenschaftliche Erforschung des Uterus und über verblüffende technologische Zukunftsmusik. Sie erzählt auf informative und höchst unterhaltsame Weise Faszinierendes sowie Erschreckendes über den zurückhaltenden bis abwertenden Umgang mit dem Uterus. Leah Hazards Ansatz ist feministisch, und ihre Botschaft ist klar: Die Gebärmutter ist ein Power-Organ!

Cover
Verlagslogo
Titelseite
Widmung
Motto
Einleitung
Die Gebärmutter
Periode
Empfängnis
Schwangerschaft
Kontraktionen
Wehen
Verlust
Kaiserschnitt
Postpartum
Gesundheit
Menopause
Hysterektomie
Reprozid
Zukunft
Quelle
Danksagungen
Glossar
Endnoten
Biographien
Impressum

Einleitung


Auf der Suche nach der Gebärmutter


Wo könnte man mehr über Anatomie erfahren als in einem Museum, das den Wundern des menschlichen Körpers gewidmet ist?

Genau dorthin bringt mich ein glücklicher Zufall eines schönen Oktobermorgens in Edinburgh, als selbst die gotischen Kirchtürme in der strahlenden Herbstsonne zu blinzeln scheinen. Ich habe ein paar Stunden totzuschlagen in dieser Stadt mit ihren Schauergeschichten von Geistern und Leichendieben, und als ich vor dem imposanten Tor des Royal College of Surgeons stehe und die Inschrift auf der Schwelle lese, kann ich nicht widerstehen: »Hic sanitas« – hier ist Gesundheit.

Ich habe die Surgeons’-Hall-Museen schon einmal vor zehn Jahren mit meinen Kindern besucht und die »Nasssammlung« und die hell erleuchteten Dioramen bestaunt, in denen sich Ärzte im Frack über die blutigen Pappmaché-Wunden von Schaufensterpuppen beugten. Seitdem habe ich eine Ausbildung zur Hebamme gemacht und in verschiedenen Kreißsälen, Notaufnahmen und auf Entbindungsstationen gearbeitet. Meine Faszination für die Anatomie hat das flüchtige Interesse meiner Töchter überholt, und ich habe meine Leidenschaft zum Beruf gemacht: das weibliche Fortpflanzungssystem mit all seinen Funktionen und Fehlfunktionen – Ursprung von Leben und Tod, Quelle von Schmerz und Glück. An dem Morgen in Edinburgh ist die Idee zu einem Buch über das aufregendste und missverstandenste Organ des menschlichen Körpers noch im Frühstadium: ein Geistesblitz, ein Moment voller Potenzial. Und so mache ich mich auf die Suche nach den Gebärmüttern.

Die Wegweiser zur Abteilung für Obstetrik und Gynäkologie leiten mich in den hinteren Teil des ersten Stocks. Doch zuerst muss ich an den vielen Organen vorbei, die die Ausstellungsleute für publikumswirksamer halten: Wie im Supermarkt, wo die süßesten Snacks direkt an der Kasse liegen, zeigt das Museum seine beträchtliche militärmedizinische Sammlung ganz vorne. Fragmente gesprengter Schädel und amputierte Gliedmaßen veranschaulichen, wie sich Männer auf Schlachtfeldern die Köpfe eingeschlagen und wieder zusammengeflickt haben. Die Exponate sind glorreich, doch ich haste weiter. Nicht, dass ich nicht beeindruckt wäre, aber mich interessiert etwas anderes mehr: die Fragmente des »schwachen«, »schönen« Geschlechts, die Organe, die auf den Schlachtfeldern der Geburt und des weiblichen Lebenszyklus gefochten haben.

Ich passiere Lebern, Nieren und Därme, einen Blinddarmdurchbruch, ein Herz mit einer Stichverletzung, die sich durch die aufgedunsenen grauen Kammern bohrt. Im Saal der Gefäßchirurgie sind freigelegte Arterien und ein Fuß zu sehen; in der Ophthalmologie trübe, starrende Augäpfel; in der Kranio-Maxillo-Fazialen Chirurgie missgestaltete Kiefer. Ich bleibe kurz in der Urologie stehen und zähle zwanzig Hoden und zahlreiche Penisse in verschiedenen Stadien von Gesundheit und Krankheit. Dann vergewissere ich mich auf dem Faltplan, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin: Ja, es geht immer weiter in die Tiefen des Gebäudes.

Nach einer kuriosen Reihe von Aneurysmen vor der hinteren Treppe biege ich um die Ecke und bin endlich da: Obstetrik und Gynäkologie, die kleinste Abteilung des Museums mit sage und schreibe vier Regalfächern. Ich versuche, nicht enttäuscht zu sein, bleibe vor jedem Glas stehen, sehe mir die Präparate genau an, zolle jedem Organ den Respekt, der ihm gebührt, gedenke der Frauen, die sich im Namen der Wissenschaft aufschneiden und zerlegen lassen haben. Es sind dreizehn Gebärmütter – weniger als die Hoden um die Ecke –, zum Teil von Myomen oder Krebsgeschwüren durchwuchert, in eine schmiegt sich noch der dünne, weiße Wurm einer Spirale. An einer Vulva hängt noch ein Büschel verblüffend rotes Haar: ein Leuchtsignal aus der Vergangenheit, das ins Leere funkt. Die Beschreibung auf den Kärtchen verrät keine Namen, keine persönlichen Daten, nur die knappste Diagnose. Die Organe – der Ursprung des Lebens – liegen irritierend reglos da; auf den Kärtchen wird nicht erwähnt, welche der Gebärmütter Kinder hervorgebracht haben, aber die meisten von ihnen wurden vor gut hundert Jahren konserviert, lange vor der Pille, was den Schluss nahelegt, dass die meisten entbunden haben.

Passend dazu – oder vielleicht um die Dürftigkeit der Ausstellung zu kompensieren – steht in der Ecke ein »Gebärstuhl« aus dem 18. Jahrhundert mit martialischen Beinstützen aus lackiertem Metall. »Der Stuhl lässt sich im Boden verankern«, steht in der Beschreibung, als hätte die Gebärende solche Superkräfte – oder wäre so explosiv –, dass man sie an der Erde festketten muss, um zu verhindern, dass sie von der Macht ihrer Wehen ins All katapultiert wird. Als Hebamme habe ich diese Kräfte unzählige Male miterlebt – Frauen in rasende Dämonen verwandelt, von den Kontraktionen ihres Körpers gefoltert, mit feuerspeienden Augen. Die Gebärmütter, die hier im Formaldehyd schwimmen, sind tot und schweigen. Sie behalten ihre Geheimnisse für sich.

Zwei junge Besucherinnen reißen mich aus den Gedanken. Sie sind zufällig in der Abteilung gelandet und schütteln sich, als sie die körperlosen Gebärmütter sehen. »Uterus, hurra«, kommentiert die eine beim Anblick der Präparate und verzieht das Gesicht, bevor sie hastig in die Otolaryngologie weitergehen, wo sie in aller Ruhe Nasen und Ohren begutachten, um dann im Saal mit den offenbar weniger schockierenden kindlichen Gliedmaßen zu verweilen.

Etwas an den Gebärmüttern, die schweigend in ihren Gläsern schweben, war den beiden Frauen zu viel, zu intim – schlimmer als die Relikte vom Schlachtfeld, abstoßender als kranke Därme und Blasen.

Manchmal ist es leichter, nicht hinzusehen, nicht Bescheid zu wissen. Die Kartierung des Körpers kann verunsichern oder ermächtigen – das Bewusstsein wirft Fragen mit unbequemen Antworten auf. Aber in diesem Buch, auf diesen Seiten sind wir aus härterem Holz geschnitzt. Wir wenden uns nicht ab. Wir wollen die Gebärmutter kennenlernen. Wir wollen wissen, wo alles beginnt. Wir bleiben stehen. Wir verweilen. Wir wollen herausfinden, was in dem Glas ist.

Eine normale Gebärmutter (ich verwende absichtlich das Wort »normal«) ist etwa sieben mal fünf Zentimeter groß und hat rund 2,5 Zentimeter dicke Wände. Manche vergleichen sie mit einer umgedrehten Birne, wobei sie im letzten Schwangerschaftsdrittel zur Größe einer Wassermelone wachsen kann. Der weibliche Fortpflanzungsapparat wird häufig mit kulinarischen Begriffen beschrieben – birnenförmiger Uterus, mandelförmige Eierstöcke, pflaumengroßer Fetus –, vielleicht um den Körperteilen ihren Schrecken zu nehmen. Reime und Lieder trichtern es uns von klein auf ein, und die Gesellschaft wiederholt es bis zum Erbrechen: Mädchen sind süß und appetitlich. Doch in diesem Buch will ich alle süßen Vergleiche vermeiden. Wir werden erfahren, dass die Gebärmutter weit mehr ist als ein Stück Obst oder eine leere Schüssel. Wir fangen gleich damit an, dass sie ein Muskel ist. Passend wäre der Vergleich mit einer geballten Faust, nicht nur wegen der Größe, sondern auch wegen der Kraft.

Tatsächlich ähnelt die Gebärmutter in ihrer Größe und Struktur einem anderen, weitaus beliebteren Organ: dem Herz. Wie das Herz besteht sie aus drei Schichten, dem Endometrium (der Gebärmutterschleimhaut an der Innenwand des Uterus, die sich zyklisch aufbaut, bei der Menstruation abgestoßen wird oder im Fall einer Schwangerschaft weiter wächst, um den Embryo und die Plazenta mit Nährstoffen zu versorgen), dem Myometrium, einer Schicht aus glatter Muskulatur mit dicht verflochtenen Fasern, die sich dehnen und krampfartig zusammenziehen können, und dem Perimetrium, dem glatten Mantel zum Bauchraum.

Am oberen Teil des Gebärmutterkörpers führen schlanke Röhren, die Eileiter oder Tuben, rechts und links zu den Eierstöcken, wo die Eier lagern, und das untere Ende verjüngt sich zur Zervix oder dem Gebärmutterhals, einer Art fleischigem Tunnel, der in die Vagina führt. Das ist der grobe Aufbau, den viele von uns in Biologie abgezeichnet und beschriftet haben, auch wenn das Wissen meistens mit der Zeit verblasst ist. Laut Umfragen, die 2016 und 2017 von Eve Appeal durchgeführt wurden, einer Organisation zur Förderung der weiblichen Gesundheit, konnten viele junge Frauen die Bestandteile des weiblichen Fortpflanzungssystems nicht korrekt benennen.[1] Auf einer anatomischen Zeichnung konnten nur 50 Prozent der Männer die Vagina identifizieren, von der Gebärmutter ganz zu schweigen.[2]

Um die Sache noch komplizierter zu machen, gibt es Gebärmütter in unzähligen Varianten, von denen manche überraschend häufig und andere extrem selten sind. So kann ihre Position im Becken stark variieren: In Lehrbüchern wird der Uterus meistens nach vorn gekippt und auf der Harnblase liegend dargestellt (Anteflexion), doch diese Position kommt nur bei etwa der Hälfte der Frauen vor. Bei den anderen ist der Uterus nach hinten zum Steiß gekippt (Retroflexion) oder in der sogenannten Mittelstellung. »Normal« beschreibt also nur jede zweite Frau.

Darüber hinaus gibt es Menschen, deren Gebärmütter wenig mit den Zeichnungen in Lehrbüchern zu tun haben. Da ist der Uterus unicornis, kein uterines Einhorn, das durchs Becken prescht, sondern eine Gebärmutter mit nur einem »Horn«, von dem ein einziger Eileiter zu einem Eierstock führt. Mein persönlicher Liebling ist der...

Erscheint lt. Verlag 5.6.2023
Übersetzer Sophie Zeitz
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Abtreibung • Der Ursprung der Welt • Endometriose • Feminismus • Frauengesundheit • Frauenmedizin • Gebärmutter • Geschlechterrollen • Gleichberechtigung • Hebamme • Hysterektomie • Künstliche Befruchtung • liv strömquist • menopause • Menstruation • Menstruationsschmerzen • Periode • Reproduktion • Scham • Schwangerschaft • Stillgeburt • Totgeburt • Unfruchtbarkeit • uterus • Zyklus
ISBN-10 3-455-01579-4 / 3455015794
ISBN-13 978-3-455-01579-9 / 9783455015799
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