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Schwarz und Frau (eBook)

Gedanken zur postkolonialen Gesellschaft
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
Quadriga (Verlag)
978-3-7517-4273-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schwarz und Frau -  Tsitsi Dangarembga
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Tsitsi Dangarembga zählt zu den wichtigsten Stimmen des afrikanischen Kontinents. Ihr Werk ist unbequem, erhellend und hochpolitisch - kein Wunder, hat sie selbst doch von klein auf erfahren, wie weit die Schatten des Kolonialzeitalters noch heute reichen. Die internationale Bestsellerautorin, Filmemacherin, Friedenspreisträgerin und Aktivistin widmet ihr Sachbuchdebüt dem Kampf für soziale Gerechtigkeit. Sie spannt einen großen historischen Bogen, verankert in ihrer eigenen bewegten Biografie, und schreibt über die doppelte Unterdrückung, die Schwarzen Frauen begegnet - durch rigide patriarchale Strukturen und die anhaltende Dominanz der Weißen. Eine selbstbewusste Einladung zur Reflektion.



Tsitsi Dangarembga (*1959) ist die bekannteste Autorin Simbabwes. Sie ist eine vielfache prämierte Schriftstellerin, Dramatikerin und Filmemacherin, ihre Arbeit wurde unter anderem mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, dem PEN PINTER PRIZE und dem PEN INTERNATIONAL AWARD FOR FREEDOM OF EXPRESSION ausgezeichnet. Ihr Debütroman AUFBRECHEN wurde von der BBC in die Liste der 100 wichtigsten Bücher, die die Welt geprägt haben, aufgenommen.

Tsitsi Dangarembga (*1959) ist die bekannteste Autorin Simbabwes. Sie ist eine vielfache prämierte Schriftstellerin, Dramatikerin und Filmemacherin, ihre Arbeit wurde unter anderem mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, dem PEN PINTER PRIZE und dem PEN INTERNATIONAL AWARD FOR FREEDOM OF EXPRESSION ausgezeichnet. Ihr Debütroman AUFBRECHEN wurde von der BBC in die Liste der 100 wichtigsten Bücher, die die Welt geprägt haben, aufgenommen.

SCHREIBEN ALS SCHWARZE UND ALS FRAU


Die erste Wunde von uns allen, die als »schwarz« klassifiziert werden, ist das »Imperium«. Das ist eine Wahrheit, der viele von uns – ob wir nun dieser Kategorie angehören oder nicht – lieber nicht ins Auge sehen. Heute ist das Wunden schlagende Imperium das der westlichen Staaten: das Imperium, das in seiner Hochzeit im 19. Jahrhundert 80 Prozent der Erde umfasste. Dazu gehören das britische Empire, das mein Land Simbabwe in den 1890er-Jahren kolonisierte. Ich wurde ins Empire hineingeboren: Meine Eltern waren ein Produkt des Empire wie ihre Eltern vor ihnen und ihre Großeltern, meine Urgroßeltern.

Ein wichtiges, frühes Ziel des Imperiums war, was man »Handel« nannte. Die Prämisse für Handel ist Verlangen. Verlangen ohne Liebe verkommt zu Lust, und unpersönliche Imperien können nicht lieben. Lust – unpersönliches Verlangen, das Befriedigung fordert – ist in jeder Hinsicht gefährlich: in persönlicher, sozialer und globaler Hinsicht. Imperiale Lust hat jeden Teil der Welt verletzt, der mit dem Imperium in Berührung kam, und heute wissen wir, dass es den Planeten verletzt hat, der unser Zuhause ist. Das Imperium hat demnach nicht nur die verstümmelt, die es zu unterwerfen suchte, sondern auch sich selbst. Das ist die zweite Wunde, die uns alle betrifft. Wir müssen erst noch lernen, wie wir von den Auswirkungen einer Institution genesen, die schon vor unserer Geburt existierte, deren Systeme jedoch noch arbeiten, um zu entmachten, zu entmutigen und zu verstümmeln. Wie uns das gelingen kann, ist eine Frage, die sich nur sehr wenige zu stellen trauen, weil es – abgesehen davon, dass sie die Antwort nicht wissen – oft scheint, als gäbe es gar keine Antwort.

Toni Morrison beschrieb bestimmte Gräuel, die manche Menschen erleiden mussten, als unaussprechlich, aber diejenigen, die heute dem Imperium unterworfen sind, sprechen. Dieses Sprechen entlarvt imperiale Systeme und Strategien, deren Zweck es lange war, die Auswirkungen des Rassismus in der Welt zu verbergen. Schwarze führen die Forschung und den Aktivismus an, während andere, darunter weiße Männer, auch wenn sie um sich treten und schreien, dazu aufgefordert sind, die Ethnisierung der Welt zu diskutieren. Diejenigen, die wie ich von der Hybris des Weißseins verletzt wurden, sagen nicht länger »Es schmerzt« und behandeln sich selbst auf selbstzerstörerische Weise oder lassen ihren ruinösen, wütenden und bitteren Schmerz an den eigenen Communitys aus, wie es diese Hybris verlangt. Heute sagen wir: »Du hast mir Schmerzen zugefügt«, Worte, die nicht auf die Erniedrigung und den Tod infolge unerbittlicher Selbstverstümmelung verweisen, sondern auf die Möglichkeit, Abstand zu nehmen von demjenigen, der die Schmerzen zufügt, und sich in jemanden zu verwandeln, der nicht mehr verstümmelt werden kann.

»Schaut mal!«, werden wir, die wir schwarz oder braun sind, jetzt häufig ermahnt, da das Unaussprechliche endlich ausgesprochen wird. »Warum sprecht ihr von Schaden? Da sind die Straßen, die Krankenhäuser. Ihr könnt lesen und schreiben, ihr habt Medikamente. Wie könnt ihr da von Schaden sprechen?«

Noch bevor eine schwarze oder braune Person in den akademischen Systemen imperialer Bildung assimiliert wurde und noch bevor sich im Imperium Räume auftaten, in denen diese Fragen gestellt werden konnten, hatten wir die Antwort. Wir sagten: »Wir spüren es.«

In Steve McQueens biografischem Film 12 Years a Slave von 2013 ist Patsey eine Sklavin afrikanischer Abstammung auf der Plantage von Edwin Epps. Bei ihrer Ankunft leidet sie sichtbar, weil sie von ihren Kindern getrennt wurde. Mrs Epps befiehlt, dass Patsey etwas zu essen bekommt, damit sie schneller vergisst. Patseys Schmerz ist ein intensives Statement, das schreit: »Ich spüre es.«1 Für Mrs Epps ist Patseys Schmerz nur ein weiteres Beispiel bedeutungsloser Dysphorie bei einer Haushaltshilfe, die behandelt werden muss wie auf den Boden gefallene Zwiebelschalen oder unter dem Bett angesammelter Staub: Sie müssen weggekehrt werden. Patseys affektives Statement wird ignoriert.

Das Imperium ertrug es nicht, unsere Schreie zu hören, weil es wusste, dass es die Ursache dafür war. Einerseits ist der Ausdruck unseres Schmerzes der Beweis, dass wir leben, und verkündet, dass wir leiden, aber noch atmen. Deswegen gibt es in Simbabwe ein Sprichwort, chikuru kufema – »wichtig ist zu atmen«. Was tot ist, fühlt nichts. Wir sind nicht tot, wenn wir protestieren. Andererseits ist unser Ausdruck des Schmerzes eine direkte Bedrohung [der Systeme] des westlichen Imperiums, das auf der Illusion beruht, etwas zu geben, um selbst das Beste zu erhalten, das es von anderen Völkern begehrt. Unser Ausdruck des Schmerzes besagt: »Das ist kein Geschenk.«

Heilen ist weben, ein Zusammennähen und erneutes Zusammenfügen der Teile, die verstümmelt und verkrüppelt wurden. Das Weben von Worten – und durch diesen Prozess Zeit, Aktion und Reaktion zu einem neuen Ganzen zu integrieren – macht aus dem Schreiben gegen das Imperium einen Ort potentieller Heilung. Manchmal bildet das Schreiben eine Narbe, geschwollen, oft eiternd, über der Wunde. Das beste Schreiben öffnet die Wunde wieder und wieder und reinigt sie. In diesem Fall klingt das Trauma mit jeder Phrase, jedem Satz, mit jedem Absatz und mit jeder Seite weiter ab. Die offene Wunde wird in etwas verwandelt, das in einem bestimmten Licht wie Haut aussieht, die nie verletzt wurde. Was geschehen ist, ist geschehen. Diese Art Verwandlung ist unsere beste Option.

Die verheerenden Schäden durch das Imperium strecken sich weiter in Zeit und Raum zurück, als wir uns für gewöhnlich vorstellen wollen. Geschichten von der Versklavung afrikanischer Völker durch europäische Sklavenhändler sind heute schmerzhaftes Allgemeinwissen. Wir haben von den Gräueltaten gehört, die schwarze Körper, die an der Ostküste der amerikanischen Kontinente von Bord gingen, erleiden mussten. Die Geschichte des transatlantischen Sklavenhandels ist die Geschichte des Imperiums, weswegen sie erhalten und zunehmend bekannt ist. Der Menschenhandel mit schwarzen Körpern war so unabdingbar für das Imperium, dass seine Beamten akribische Aufzeichnungen über die Menschen führten, mit denen sie handelten.

Viel weniger bekannt ist, welche Zerstörungen dieser Menschenhandel innerhalb der Heime, Gemeinschaften und politischen Systeme anrichtete, in denen schwarze Körper gegen ihren Willen in die Sklaverei gezwungen wurden. Von der Sklaverei verstümmelte Generationen gibt es sowohl an der Ostküste des Atlantischen Ozeans wie auch an den Küsten Nord- und Südamerikas. Der afrikanische Kontinent verlor aufgrund des transatlantischen Sklavenhandels eine riesige Zahl seiner Menschen. Diese Zahl wird auf 13 Millionen geschätzt. Man stelle sich vor, die gesamte Bevölkerung Schwedens wird entführt. Oder die Griechenlands. Oder die Portugals. Und dazu dann jeweils noch die von Slowenien oder Lettland. Die Menschen, die zum Zweck unbezahlter Arbeit in Nord- und Südamerika aus ihren Familien gerissen wurden, gehörten zu den kräftigsten und leistungsfähigsten Individuen ihrer Gemeinschaften. Es waren Menschen, die robust und gesund genug waren und eine gute Chance hatten, den gefährlichen Marsch zu den Sklavenhäfen an der afrikanischen Küste zu überstehen. Anschließend mussten sie die Passage über den Ozean unter erbärmlichsten Umständen überleben, ohne die Fähigkeit zu verlieren, bei ihrer Ankunft zu arbeiten. Während der letzten eineinhalb Jahrhunderte erfolgte die Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte, einer bedeutenden Anzahl rechen-, schreib- und lesekundiger Menschen, um im nordwestlichen Viertel der Erde zu arbeiten. Während der vier Jahrhunderte des transatlantischen Sklavenhandels wurden Afrika kontinuierlich Menschen entzogen. Dieser Verlust an Bevölkerung hatte katastrophale Auswirkungen auf die Agrargemeinschaften des Kontinents. Dass die weniger Befähigten, die zurückgelassen wurden, dieses Defizit nicht wettmachen konnten, verstärkte die Auswirkungen der Katastrophe.

Die Systeme des Sklavenhandels zerstörten lokale Verwaltungsstrukturen und den sozialen Zusammenhalt. Sklavenhändler operierten wie Warlords mit eigenen Gesetzen. Dadurch wurden bestehende Institutionen von Recht und Ordnung zerschlagen. Von den Sklavenhändlern eingeführte Anreize, wie zum Beispiel die Möglichkeit, in die Sklaverei verkaufte Verwandte auszulösen, indem man selbst zwei Sklaven brachte, pervertierten lokale Konzepte von Moral und Ethik.

Familien auf beiden Seiten des Atlantiks litten unter der Agonie der gewaltsamen Trennung. Familien und Gemeinschaften an der afrikanischen Küste und im Hinterland wurden instabil aufgrund des Verlusts von Mitgliedern. Nationen wurden traumatisiert, da Gemeinschaften, Familien und Individuen ständigen Angriffen ausgesetzt waren. Ganze Regionen mussten sich gegen die folgende Instabilität behaupten.

Die Wunden durch das Imperium in meinem Teil der Welt – dem südlichen Afrika – sind anderer Natur, weil sie als Geschenke verkleidet kamen. Melanated People (»melaninreiche Menschen«)* – wie wir Schwarze uns zunehmend nennen – wurde das Geschenk des Anstands dank Kleidung, das Geschenk des Wissens dank Bildung, das Geschenk der Erlösung dank Religion zuteil. Dazu kamen noch aufgrund eines Systems von Gesetzen das Geschenk des Wissens von Schuld und Sühne und das Geschenk der Sprache der Kolonisatoren. Jedes dieser Geschenke nahm etwas weg: lokale Vorstellungen von Anstand und Schicklichkeit, lokale Wissenssysteme, metaphysische und Rechtssysteme sowie Sprache. Die Geschenke des nordwestlichen Imperiums an Afrika gehörten zu den...

Erscheint lt. Verlag 13.2.2023
Sprache deutsch
Original-Titel Black and Female
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte afrikanischer Kontinent • Aktivist • aktivistin • Aufbrechen • Auma Obama • BBC • Black and Female • Booker Price • Dekolonialisierung • Diskriminierung • Friedenspreis des Deutschen Buchhandels • Friedenspreisträgerin • Intersektionaler Feminismus • Kolonialismus • Orlanda • Patriarchat • PEN • Politik und Gesellschaft • politischer Aktivismus • Postkolonial • Simbabwe • Soziale Gerechtigkeit • Starke Stimmen • Tribunal • Überleben • Weltempfänger
ISBN-10 3-7517-4273-5 / 3751742735
ISBN-13 978-3-7517-4273-3 / 9783751742733
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