Die Krönung (eBook)
264 Seiten
Europa Verlag GmbH & Co. KG
9783958904866 (ISBN)
Charles Eisenstein, Jahrgang 1967, graduierte an der renommierten Yale University in Philosophie und Mathematik. Er arbeitete und lebte zehn Jahre als Übersetzer vom Chinesischen ins Englische in Taiwan. Als Autodidakt, Redner und Schriftsteller befasst er sich mit den Themen Zivilisation, Bewusstsein, Gesundheit, Naturwissenschaft, Wirtschaft und Kulturentwicklung. Seine beliebten Kurzfilme und Online-Essays haben ihm den Ruf eines genreübergreifenden Sozialphilosophen und gegenkulturellen Intellektuellen eingetragen. Heute gilt er als maßgeblicher Vordenker für eine ökologische, vom Schenken inspirierte Lebensweise. Am 16. Juli 2017 war er zu Gast in der Sendung Super Soul Sunday von Oprah Winfrey. Er präsentiert seine Visionen auf Vorträgen, veranstaltet Online-Seminare, betreibt einen Podcast und verfasst Bücher, darunter: 'Die Renaissance der Menschheit', 'Die Ökonomie der Verbundenheit', 'Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich', und 'Klima - Eine neue Perspektive', die zu Klassikern der Nachhaltigkeitsbewegung wurden.
Charles Eisenstein, Jahrgang 1967, graduierte an der renommierten Yale University in Philosophie und Mathematik. Er arbeitete und lebte zehn Jahre als Übersetzer vom Chinesischen ins Englische in Taiwan. Als Autodidakt, Redner und Schriftsteller befasst er sich mit den Themen Zivilisation, Bewusstsein, Gesundheit, Naturwissenschaft, Wirtschaft und Kulturentwicklung. Seine beliebten Kurzfilme und Online-Essays haben ihm den Ruf eines genreübergreifenden Sozialphilosophen und gegenkulturellen Intellektuellen eingetragen. Heute gilt er als maßgeblicher Vordenker für eine ökologische, vom Schenken inspirierte Lebensweise. Am 16. Juli 2017 war er zu Gast in der Sendung Super Soul Sunday von Oprah Winfrey. Er präsentiert seine Visionen auf Vorträgen, veranstaltet Online-Seminare, betreibt einen Podcast und verfasst Bücher, darunter: "Die Renaissance der Menschheit", "Die Ökonomie der Verbundenheit", "Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich", und "Klima – Eine neue Perspektive", die zu Klassikern der Nachhaltigkeitsbewegung wurden.
Die Krönung ist höchst interessante Lektüre für jeden, der die Zeichen der Zeit verstehen lernen will, der nach Selbsterkenntnis strebt und der gewillt
ist, gesellschaftliche Prozesse aktiv in eine positive Richtung zu lenken – nicht zuletzt dadurch, dass er seine eigenen Schattenseiten ans Licht bringt und
transformiert.
ZIKA UND DIE KONTROLLMENTALITÄT
März 2016
Dies ist der einzige Essay in dieser Sammlung, den ich vor der Coronazeit geschrieben habe. Es war im Jahr 2016. Wie hier aufgezeigt wird, stand die ganze ideologische Maschinerie schon in den Startlöchern für den Übergang zu einer gänzlich medikalisierten Gesellschaft, der 2020 begann.
2018 bekam ich zudem einen ersten Vorgeschmack auf das Zeitalter der Lockdowns. Mein Sohn Philip sollte ins Schullandheim auf Rhode Island. Leider waren zwei Fälle von Zika in New England aufgetreten, weshalb die Schulbehörde die Reise aus Sicherheitsgründen stornierte. Schließlich bedeutet der Aufenthalt im Freien, dass man Stechmücken ausgesetzt ist. Diese Entscheidung impliziert, dass verantwortungsbewusste Eltern ihre Kinder nicht aus dem Haus lassen – was nicht wenige Eltern tatsächlich taten. Ja, einige ließen ihre Kinder wochenlang nicht ins Freie. Was mich daran am meisten verrückt gemacht hat, war, dass niemand es für verrückt zu halten schien. Bei einer derartigen Entscheidung erhob sich eine Frage, die 2020, obwohl selten genau so formuliert, zum Antrieb für den gesellschaftlichen Konflikt werden sollte: Wie viel von unserem Leben wollen wir auf dem Altar der Sicherheit opfern? Sollten wir, nur weil es ein bisschen sicherer ist, nie wieder nach draußen gehen, nie mehr Hände schütteln, einander nie mehr ins nackte Gesicht sehen? Sollten wir von anderen dasselbe verlangen?
Wenn Sie diesen Aufsatz lesen, denken Sie daran, dass er 2016 verfasst wurde. Das Menetekel stand schon an der Wand. Der Biosicherheitsstaat wartete nur noch auf die richtige Krankheit.
Die herrschenden Institutionen dieser Welt fühlen sich mit einem Virus ganz wohl.
Als zuerst SARS kam, dann H1N1, dann Ebola und jetzt das Zika-Virus, waren die Leitmedien und offizielle Stellen schnell dabei, die Bedrohung zu erkennen und zu bekämpfen – mit Reisewarnungen, Quarantäne-Maßnahmen, Forschungsförderung, Impfstoffentwicklung und erhöhten Alarmstufen. Informationen über andere, nicht minder tödliche Bedrohungen wie Medikamentenrückstände im Trinkwasser, Belastung unserer Lebensmittel durch Pflanzenschutzmittel oder die Vergiftung von Luft und Wasser durch Schwermetalle werden von den Gesundheitsbehörden meistens in die Alternativmedien abgedrängt, ignoriert oder sogar aktiv unterdrückt. Warum ist das so?
Die Antwort, die man schnell parat hat, zielt auf die Wirtschaft. Die oben genannten menschengemachten Bedrohungen sind Begleiterscheinungen rentabler Geschäftstätigkeiten von Konzernen mit weitreichendem politischem Einfluss. Wollten wir die toxischen Belastungen unserer Biosphäre an der Wurzel packen, müssten wir unser gesamtes Wirtschafts-, Industrie-, Medizin- und Agrarsystem ändern.
Genauer betrachtet passen ein Virus oder andere Krankheitserreger perfekt zu dem in unserer Kultur üblichen Muster der Krisenbewältigung: Identifiziere zunächst einen Feind – eine alleinige Ursache der Krise – und bekämpfe ihn dann mit allen verfügbaren Kontrollinstrumenten. Im Falle eines Krankheitserregers erfolgt die Bekämpfung in Form von Antibiotika, Impfstoffen oder antiviralen Mitteln; Sümpfe werden trockengelegt oder mit Insektiziden eingesprüht, Infizierte werden unter Quarantäne gestellt und vielleicht werden alle Menschen aufgefordert, eine Atemschutzmaske zu tragen, im Haus zu bleiben oder weniger zu reisen. Gängige Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus sind Überwachung, Bombardierungen, Drohnen, Grenzschutz etc. Egal, welcher Art von Krise wir begegnen, persönlich oder als Gesellschaft: Wir neigen quasi instinktiv zu diesem Reaktionsmuster.
Eine weitere Betrachtungsweise wäre, dass unsere Gesellschaft im Fall einer Infektionskrankheit weiß (oder zu wissen glaubt), was zu tun ist. Die Lösungen, die sich anbieten, sind bestens bekannt. Wir müssen nur mehr von dem tun, was wir bisher schon getan haben. Wir müssen nur die Reichweite unserer auf Kontrolle und Beherrschung basierenden Zivilisation ein wenig ausdehnen, weitere Dinge unter Kontrolle bringen, die bisher nicht kontrolliert wurden. Dadurch verschärft die Maschinerie, mit der eine Krankheit in Schach gehalten oder besiegt wird, nebenbei auch die soziale Kontrolle im Allgemeinen. Sie rechtfertigt, praktiziert und entwickelt Kontrollmechanismen, die auch zu anderen Zwecken genutzt werden können.
Die gegenwärtige Lage mit dem Zika-Virus, das für eine furchtbare Epidemie von Mikrozephalie (einer Fehlbildung des menschlichen Schädels) bei Neugeborenen in Brasilien verantwortlich gemacht wird, zeigt beispielhaft, wie wir uns auf einen Krankheitserreger stürzen. In Brasilien wurde das Virus bei etwa jedem zehnten mikrozephalischen Fötus in Blut und Fruchtwasser nachgewiesen.1 Zika ist jedoch auch in Kolumbien und Venezuela verbreitet, wo kein Anstieg an Fällen von Mikrozephalie gemeldet wurde.
Spannend wurde es, als vor ein paar Wochen eine Gruppe argentinischer Ärzte behauptete, dass der Ausbruch viel eher mit einem Larvizid zusammenhinge. Ein Larvizid, das ironischerweise genau gegen die Moskitos eingesetzt wurde, die für die Verbreitung des Zika-Virus verantwortlich gemacht werden. Das Larvizid Pyriproxyfen wurde in den betroffenen Gebieten Trinkwasser-Reservoirs zugesetzt, zu genau der Zeit, als die Fälle von Mikrozephalie sich häuften.2
Offensichtlich ist es politisch dienlicher, die Schuld an der Krankheit einem externen Akteur zuzuschreiben, als Regierungen und Konzerne in die Pflicht zu nehmen. Es passt auch ideologisch besser zur Erzählung von der Überlegenheit der Menschheit über die Natur. Anstatt das Versagen in menschlichem Handeln zu erkennen, ziehen wir lieber gegen eine neue Bedrohung aus der natürlichen Welt zu Felde, die mit einer technologischen Lösung zu überwinden ist. Unsere Kultur ist damit bestens vertraut. Unsere Institutionen wissen, wie das geht; es trainiert ihre Leistungsfähigkeit und rechtfertigt ihre Existenz.
Dennoch sollten wir auch vorsichtig damit sein, Pyriproxyfen als »die Ursache« der Mikrozephalie zu benennen. Zunächst einmal unterscheidet sich die überstürzte Schuldzuweisung an ein Pestizid nicht allzu sehr von der an ein Virus. Es passt genauso in die Ideologie der Kontrolle und in die Denkweise, nach der es einen Feind zu vernichten gilt. Tatsächlich traten manche Fälle von Mikrozephalie in Gegenden auf, wo das Pestizid nicht im Trinkwasser war; obendrein wird Pyriproxyfen weltweit häufig eingesetzt. Die Beweislage dafür, dass es der Schuldige ist, ist schwach.
In den vorigen Satz (»… der Schuldige«) habe ich eine Annahme eingeschmuggelt, die an der Wurzel des Problems steht; die Annahme, dass es »einen« Schuldigen gibt, eine alleinige Ursache. Ob nun ein Virus oder eine Chemikalie, wir haben etwas, das wir unter Kontrolle bringen und bekämpfen können. Ob es der Sieg über ein Virus ist, über eine Staatsregierung oder einen Chemiekonzern, der Weg zum Sieg steht fest.
Die Kontrollmentalität beruht auf Vereinfachung, idealerweise indem sie ein Problem auf eine einzige Ursache zurückführt. Multifaktorielle, nicht lineare, neu auftretende Probleme widersetzen sich vereinfachenden Strategien. Während wir den Einsatz von Pyriproxyfen im Trinkwasser zweifellos auf der Stelle verbieten sollten, bedeutet es, selbst wenn die Mikrozephalie-Epidemie aufhört, nicht automatisch, dass wir zum Tagesgeschäft übergehen und weiterhin in linearen Kategorien von Ursache und Wirkung denken können. Vielleicht ist es die Kombination aus Zika und Pyriproxyfen, die diese Fehlbildungen hervorruft? Oder vielleicht ist die Chemikalie keine direkte Ursache, sondern verstärkt nur die Wirkung einer dritten Substanz im Körper? Möglicherweise beeinträchtigt sie auch das Ökosystem Wasser in einer Weise, die wir nicht verstehen und die einen weiteren, unbekannten Umwelt-Risikofaktor verstärkt. Wir wissen es einfach nicht.
Wir müssen Fragen wie diese stellen: »In welcher Weise wird das Ökosystem beeinträchtigt, wenn wir Larven in irgendeinem Gewässer töten (nicht nur in Trinkwasser)?« – »Welche einander ergänzenden und verstärkenden Wirkungen folgen aus dem Eindringen Tausender künstlicher Chemikalien in die Biosphäre und in unsere Körper?« – »Wie sollen wir Entscheidungen über die Sicherheit treffen, wenn die üblichen Mittel zur Prüfung von Sicherheit darin bestehen, alle Variablen zu kontrollieren außer der einen, die auf dem Prüfstand steht?« Die Kontrollmentalität erstreckt sich sogar auf eine Schlüsselformel für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn: Isoliere eine Variable und teste ihre Wirkungen.
Bevor wir nicht anfangen ganzheitlich zu denken, taumeln wir von einem Feind zum nächsten und unterdrücken auf ewig nur Symptome, während wir die Krankheit verschlimmern. Auf die obigen Fragen gibt es keine einfachen Antworten, aber ein guter erster Schritt wäre es, sich von...
| Erscheint lt. Verlag | 3.6.2022 |
|---|---|
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
| Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
| Schlagworte | Aggressionsventil • Covid-19 • Entlastungsmechanismus • Initiationsritus • Interbeing • Selbstverantwortung • Seuche • Ventil für angestaute Gewalt • Zerfall der Gesellschaft • Zusammenhalt in der Gesellschaft |
| ISBN-13 | 9783958904866 / 9783958904866 |
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