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Unbequem (eBook)

Eine Aufforderung zum Anecken

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
240 Seiten
Atlantik Verlag
978-3-455-01500-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Unbequem -  Vera Strauch
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 Schluss mit angepasst - nur wer aneckt,  bringt etwas in Bewegung  Wollen wir angepasst leben, nicht auffallen und keinesfalls  anecken - und dabei unsere eigenen Werte verraten, weil wir uns ständig verbiegen? Oder lohnt es sich vielleicht, mal nicht angepasst zu reagieren, aus der Rolle zu fallen und wirklich einzutreten für das, was richtig ist, für die Gesellschaft oder auch nur für uns selbst? Inspirierend und kenntnisreich lädt Vera Strauch dazu ein, unbequem zu sein - und damit wirklich etwas zu bewegen.

Vera Strauch (geboren 1986) ist digitale Unternehmerin, Podcasterin und Gründerin der Female Leadership Academy. Sie setzt sich mit Themen wie Future Work, Female Empowerment und Frauen im Job auseinander. Vera Strauch studierte Betriebswirtschaftslehre in Deutschland und Neuseeland und absolvierte ihren Master in Internationaler Wirtschaft als Fulbright-Stipendiatin in den USA.

Vera Strauch (geboren 1986) ist digitale Unternehmerin, Podcasterin und Gründerin der Female Leadership Academy. Sie setzt sich mit Themen wie Future Work, Female Empowerment und Frauen im Job auseinander. Vera Strauch studierte Betriebswirtschaftslehre in Deutschland und Neuseeland und absolvierte ihren Master in Internationaler Wirtschaft als Fulbright-Stipendiatin in den USA.

Cover
Verlagslogo
Titelseite
Widmung
Einleitung
Individuum – Unbequem mit mir
Miteinander – Unbequem im Wir
Umfelder – Unbequem in der Gesellschaft
Anleitungen zum Anecken
Dank
Anmerkungen
Über Vera Strauch
Impressum

2. Denken: Alte Ideen loslassen


»Die Schwierigkeit liegt nicht darin, die neuen Ideen zu finden, sondern darin, die alten loszuwerden.«[30]

John Maynard Keynes

 

Ich sitze beim Abendessen mit guten Freundinnen und Freunden in einer Wohnung im Hamburger Schanzenviertel. Wir lachen, essen und trinken Wein. Draußen stürmt es, und drinnen ist es warm. Die Stimmung ist angenehm vertraut, herzlich, wohlig. Dann fällt im Gespräch der Begriff »Patriarchat«. Kurze Stille. Die beiden Männer in der Runde fühlen sich provoziert. Ich spüre Widerstand. Ein kleines, für einige unbequemes Wort: Patriarchat. Vor allem von Männern, aber auch von Frauen kenne ich die Vorurteile und Ablehnung, die wie der eisige Wind draußen jetzt auch durch die Wohnung wehen. Es ist ein Gedanke, der den Status quo angreift.

Der Begriff Patriarchat stößt viele ab, während er mir immer näher kommt. Je besser ich verstehe, was er meint und wie er wirkt, desto stärker verinnerliche ich: Es liegt am System und nicht an mir. Systemisch läuft etwas verkehrt. Mehr Begriffsklarheit würde vielleicht nicht nur uns in dieser Runde helfen zu verstehen, warum ich nicht Krawall, sondern Freiheit suche, wenn ich unbequem werde und das Wort in den Mund nehme. Denn was genau ist das eigentlich – das Patriarchat?

Das Patriarchat: Was ist das?


 

In »Die Entstehung des Patriarchats« zeigt die Historikerin Gerda Lerner, dass dieses System nicht in einer einmaligen Aktion aufgebaut worden ist, sondern sich über einen Zeitraum von zirka 2.500 Jahren ab 3100 v.Chr. etabliert hat. Der Begriff »Väterherrschaft« oder »Vaterrecht« beschreibt eine Gesellschaftsordnung, in der das männliche Oberhaupt Macht über die männlichen und weiblichen Mitglieder seiner Familie hat. Rechtlich und ökonomisch ist er über die von ihm abhängigen Menschen gestellt.[31]

Das Ergebnis von Jahrtausenden der Herrschaftsstellung einzelner Männer über andere ist, dass der Mann eine exponierte Position nicht nur in der Familie, sondern auch in Staat und Gesellschaft einnimmt. Dieses System fußt auf tiefer Imbalance, beispielsweise auch in der Geschichtsschreibung oder der Wissenschaft. Wie die Autorin Caroline Criado Perez in ihrem Buch »Unsichtbare Frauen« zeigt, hat es weitreichende, teils verheerende Konsequenzen, wenn Männer als Standard fungieren und Gesellschaften vorrangig nach ihren Bedürfnissen und Vorstellungen ausgerichtet sind. Diese zeigen sich zum Beispiel in der Medizin, in der der weibliche Körper heute noch als eine Abweichung vom männlichen Durchschnitt gesehen wird. Von der Ausbildung medizinischen Personals zur »menschlichen« Anatomie bis hin zur Zulassung und Dosierung von Medikamenten dient der männliche Körper in der Regel als Norm. Nicht zuletzt eine historische Datenlücke in der Forschung zu Bedürfnissen von Frauen und zur daraus resultierenden optimalen medizinischen Betreuung, wie Criado Perez zeigt, kann mitunter tödliche Folgen für Frauen haben.[32]

 

Feminismus richtet sich nicht gegen Männer, sondern setzt sich für ein anderes, gerechtes System ein. Der Angriff auf das Patriarchat ist deshalb keine Männerfeindlichkeit. Es ist wichtig, diesen Punkt immer wieder klarzustellen, weil er so häufig fehlgedeutet, bewusst und unbewusst instrumentalisiert wird. Wir brauchen Klarheit darüber, dass wir alle, unabhängig von unserem Gender und unseren biologischen Geschlechtsmerkmalen, ein Interesse haben, uns für Feminismus und damit gegen das Patriarchat und seine Ungerechtigkeit einzusetzen. Patriarchale Strukturen wirken unterdrückend und produzieren auf allen Seiten Verlierer*innen. Es leiden auch Männer unter dem Patriarchat, das Männern beispielsweise systematisch die Erlaubnis zur Verletzlichkeit abspricht und es ihnen erschwert, um Hilfe zu bitten.[33] So liegt die weltweite Suizidrate von Männern weit über der von Frauen – und das, obwohl Frauen deutlich häufiger unter diagnostizierten Depressionen leiden.[34]

Wir brauchen das kollektive Verständnis und Bewusstsein darüber, dass es viel zu gewinnen gibt, wenn wir bestehende Vorstellungen neu denken. Das kann auch geschehen, indem wir die Individualisierung aus jeder Unterhaltung, jedem Text, jeder Auseinandersetzung sezieren: Wenn wir das Problem verstehen wollen, geht es nicht um Einzelfälle, sondern um das System.

 

Bei uns zu Hause kümmerte sich meine Mutter allein um den Haushalt, während mein Vater Vollzeit arbeitete. Die Sorge- und Erziehungsarbeit für meine Schwester und mich lag maßgeblich bei ihr. Mein Vater war stark eingespannt in seinen Vollzeitjob und in der Regel nur an Abenden und Wochenenden zu Hause. Die Rollenverteilung zwischen meinen Eltern war klar geregelt; in den achtziger und neunziger Jahren keine Ausnahme und eine Übereinkunft, die sich beide gemeinsam so ausgesucht hatten. Sie wirkten einverstanden und zunächst zufrieden damit. Wir, die Kinder, mussten meiner Mutter im Haushalt helfen – unser Vater nicht. Je älter wir wurden, desto lauter wurden unsere Diskussionen darüber, weshalb das okay sein solle. Mein Vater diskutierte wohlwollend mit uns. Wie bei vielen Eltern mit Töchtern ist er sich im beruflichen Kontext der genderbasierten Ungerechtigkeiten und der Notwendigkeit für Veränderung bewusst. Doch am Frühstückstisch kam er in Erklärungsnöte. Ich finde diese Dynamik in den Worten der Politikwissenschaftlerin Emilia Roig wieder:

»Das Patriarchat ist deshalb so mächtig, weil viele Aspekte der patriarchalen Unterdrückung und männlichen Dominanz in der intimen Sphäre wirken und vom Affekt verdeckt sind. […] Die patriarchale Unterdrückung ist subtil, dennoch machtvoll, und lässt sich nicht einfach identifizieren, da sie oft unsichtbar bleibt.«[35]

 

Während mein Vater sich grundsätzlicher gesellschaftlicher Ungerechtigkeit bewusst ist, schien er im Privaten seinen Beitrag nicht zu sehen. Das Zusammenspiel aus individuellem Verhalten und systemischen Zusammenhängen hat eine zentrale Rolle, wenn es um die Auseinandersetzung mit dem Patriarchat geht. Denn ja, es geht auch um das individuelle Verhalten jeder einzelnen Person. Das bestätigt und festigt die Strukturen, die ausgesprochenen und impliziten Regeln des Miteinanders. Doch was leicht passiert, ist – wie ich auch bei unserer Unterhaltung im Freundeskreis beobachte –, dass wir bei den Einzelfällen gedanklich hängen bleiben.

Denn im großen Ganzen geht es nicht um meinen Vater, meine Mutter, unsere Unterhaltung, sondern um ein omnipräsentes System.

 

Wir haben patriarchale Strukturen so tief verinnerlicht, dass uns nicht auffallen muss, wo sie überall wirken. Eben auch und besonders im Privaten, im Intimen. Denn was auch heute noch mehrheitlich in Haushalten gilt: Das meiste Geld verdient der Mann, die Sorgearbeit übernimmt maßgeblich die Frau.[36] Erwerbsarbeit wird monetär entlohnt, Sorgearbeit innerhalb der Familie nicht. Deswegen ist das eine und damit auch der eine wertvoller als das andere und damit auch die andere.

Wenn ich mich heute rund zwanzig Jahre später in den Beziehungen in meinem Umfeld umsehe, erkenne ich Veränderung, ja, aber de facto sind Frauen immer noch in der Mehrzahl diejenigen, die sich maßgeblich beispielsweise um Kita- oder Schulthemen kümmern, Einkaufslisten schreiben, Mahlzeiten kochen, Küchen aufräumen, den Abwasch erledigen, Geburtstage organisieren, gemeinsame Wohnungen putzen, Geschenke besorgen, pflegebedürftige Angehörige besuchen oder versorgen. Sie arbeiten in Teil- oder Vollzeit, und den Hauptanteil der unbezahlten Carearbeit leisten sie einfach noch zusätzlich.

Die Faktenlage bestätigt diesen Eindruck: Frauen leisten im Durchschnitt 52,4 Prozent mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer, wie die sogenannte Gender-Care-Gap aufzeigt.[37] Frauen verdienen im Jahr 2021 für dieselbe Erwerbsarbeit rund 6 Prozent weniger als Männer, wenn man sich den bereinigten Durchschnitt ansieht. »Bereinigt« heißt: bei vergleichbaren Qualifikationen, Erwerbsbiographien und Tätigkeiten. Unbereinigt ist der Gender-Pay-Gap, also das geschlechtsspezifische Erwerbsgefälle zwischen Männern und Frauen, im Jahr 2021 etwa dreimal so hoch und liegt bei 18 Prozent.[38]

Kurz gesagt, haben Frauen in Deutschland rund ein Fünftel weniger Einkommen, das ihnen zur Verfügung steht als Männer. Geld ist in unserem Selbstverständnis eng mit Macht verwoben und ein zentraler Indikator für den Wert, den wir heute Menschen in unserer Marktwirtschaft und Gesellschaft beimessen.[39]

 

Das Patriarchat bedeutet für Frauen, wie Roig schreibt, »sich so klein zu machen wie möglich, nicht zu viel Platz einzunehmen, nicht zu viel zu sprechen, nicht zu laut zu lachen, nicht zu klug zu erscheinen, nicht aufzufallen (außer aufgrund ihrer Schönheit). Klein zu bleiben, damit sich Männer nicht bedroht fühlen.«[40] Es ist hierarchisch organisiert: Die einen stehen über den anderen. Das Männliche über dem Weiblichen. Die Herrschaft der Männer kann als System auch deshalb funktionieren, weil die Annahme ihrer Überlegenheit über die Frau tief verinnerlicht ist.

Die unterdrückende Wirkung alter Ideen


 

Am Tisch geht...

Erscheint lt. Verlag 4.10.2022
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Anpassung • Booktok • BookTok Germany • Denkmodelle • Erfolg • female leadership • Feminismus • Frauenfinanzen • Freiheit • Gesellschaft • Karriere • Lebensentwürfe • lebensregeln • Pflichtgefühl • Sachbücher • Selbstbefreiung • Sprache • Starke Frauen • TikTok • TikTokBooks • TikTok Germany • Unternehmensgründer • wohlfühlen • Zufriedenheit
ISBN-10 3-455-01500-X / 345501500X
ISBN-13 978-3-455-01500-3 / 9783455015003
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