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Unser gutes Recht (eBook)

Was hinter den Gesetzen steckt

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
368 Seiten
Hoffmann und Campe (Verlag)
9783455012224 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Unser gutes Recht -  Bijan Moini
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'Überraschend, erhellend und höchst unterhaltsam.' - Ferdinand von Schirach In diesem Buch erzählt der Anwalt und preisgekrönte Autor Bijan Moini, was es mit unserem Recht auf sich hat: wer hat es sich wann und warum ausgedacht und wie bestimmt es ganz konkret unser Leben? Unschuldsvermutung, Streik oder Meinungsfreiheit - viele rechtliche Errungenschaften sind für uns heute selbstverständlich. Bijan Moini erzählt anschaulich von dem weiten Weg, den wir zurückgelegt haben, um zu unserem Recht zu kommen - und von den Menschen, die es formten. Anhand vieler Beispiele zeigt er, dass unser Rechtssystem entgegen mancher Unkenrufe von Gerechtigkeit geprägt ist - indem es Einzelne vor dem Staat schützt, die Schwachen vor den Mächtigen oder Verdächtige vor dem Mob. Ein spannender Blick auf Geschichte und Gegenwart unserer Gesetze.  

Dr. Bijan Moini ist Rechtsanwalt und koordiniert seit 2018 Verfassungsklagen der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Er studierte Jura und Politikwissenschaften in München und promovierte bei Hans-Jürgen Papier. Nach dem Referendariat in Berlin und Hongkong arbeitete er drei Jahre als Rechtsanwalt in einer Berliner Wirtschaftskanzlei. Im Anschluss widmete er sich gesellschaftspolitischen Themen und schrieb den dystopischen Bestseller Der Würfel. Seine Texte erscheinen u.a. bei Spiegel Online und in der FAZ.

Dr. Bijan Moini ist Rechtsanwalt und koordiniert seit 2018 Verfassungsklagen der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Er studierte Jura und Politikwissenschaften in München und promovierte bei Hans-Jürgen Papier. Nach dem Referendariat in Berlin und Hongkong arbeitete er drei Jahre als Rechtsanwalt in einer Berliner Wirtschaftskanzlei. Im Anschluss widmete er sich gesellschaftspolitischen Themen und schrieb den dystopischen Bestseller Der Würfel. Seine Texte erscheinen u.a. bei Spiegel Online und in der FAZ.

Cover
Verlagslogo
Titelseite
Widmung
Einleitung
Teil 1 Recht allgemein
Teil 2 Unsere Beziehung zum Staat
Teil 3 Unsere Beziehungen zueinander
Teil 4 Unser Umgang mit Verbrechen
Teil 5 Unsere Beziehungen zu anderen Völkern
Schluss
Dank
Endnoten
Biographie
Impressum

Kapitel 1 Der Zauber des Rechts


Was Recht ist und woher es kommt

Recht ist wie Zauberei. Mit Worten erschaffen wir aus dem Nichts Rechte und Pflichten. Eigentum und Ehre. Ehen, Unternehmen, ganze Staaten. Selbst Frieden und Regeln für den Krieg.

All diese Dinge sind physisch nicht greifbar. Menschen kann man sehen – eine Ehe, die sie verbindet, nicht. Den Boden unter den Füßen kann man spüren – nicht aber das Eigentum, das jemand an ihm geltend macht. Felder, Wiesen, Wälder kann man riechen – aber nicht den Staat, der sie zu seinem Territorium erklärt.

Und doch ist all das bedeutungsvoll, der Zauber wirkt. Entscheidend für seine Wirkung ist nicht, dass er in Gesetzen oder Verträgen geschrieben steht, sondern dass wir an ihn glauben, ihn verinnerlichen. Dieser Glaube macht die Dinge, die wir regeln, echt. Auf seiner Grundlage üben wir unsere Rechte aus und verlangen von anderen, ihre Pflichten zu erfüllen.

Damit sich aber der Zauber des Rechts voll entfalten kann, bedarf der Glaube auch der Durchsetzung. Denn anders als Naturgesetze sind menschliche verletzlich. Sie beschreiben nicht, was ist, sondern, wie es sein soll. Niemand kann die Schwerkraft ignorieren, wohl aber einen Vertrag. Deshalb führt seine Verletzung zu Schadensersatz, ein Knochenbruch zu Schmerzensgeld, Mord zu lebenslanger Haft. Die Folgen einer Rechtsverletzung gehören zum Recht wie der Fall zum Wurf. Es gilt nicht nur, Recht wird auch gesprochen und – zur Not – vollstreckt.

Die Wurzeln des Rechts


Dass wir mit dem Recht eine Welt jenseits des Greifbaren erschaffen haben, in der sich Eheleute, Aktiengesellschaften und Staatenbünde tummeln, hängt eng mit der menschlichen Vorstellungskraft zusammen. Doch Vorstufen des Rechts herrschen auch in der Natur. Tiere setzen und befolgen Regeln, ahnden Verstöße mit Drohung und Gewalt. Wolfsrudel etwa markieren mit Harn, Kot und durch Heulen Jagdreviere, die sich über ein paar Dutzend bis zu mehreren Tausend Quadratkilometern erstrecken können. Sie verteidigen ihr Territorium gegen andere Wölfe, oft bis auf den Tod. Auch viele andere Tiere – neben weiteren Raubtierarten zum Beispiel Fische, Vögel, sogar Insekten – besitzen und verteidigen Jagd-, Balz- oder Brutreviere. Beute wird ebenfalls verteidigt. Bis zu 60 Hyänen stehen zusammen, wenn Löwen sich ihnen nähern.

Dem Revier im Tierreich entspricht beim Menschen die (Staats-)Grenze, der Beute das Eigentum. Der Unterschied zwischen tierischen Regeln und menschlichem Recht liegt darin, dass wir es bewusst als Instrument einsetzen. Keine andere Spezies hat sich die Natur so radikal untertan gemacht wie wir. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) unterstützt das zum Beispiel durch Regeln dafür, wie Eigentum an beweglichen Sachen erworben wird und verloren geht, nämlich durch Übertragung, Ersitzung, Verbindung, Vermischung, Verarbeitung, Aneignung oder Fund. Das BGB regelt auch, was Eigentum überhaupt bedeutet, wie wir es verteidigen dürfen oder welche Rechte daran wir anderen einräumen können, zum Beispiel in Form von Miete oder einer Hypothek. Und dass selbst lebendige Tiere eigentumsfähig sind. Auf diese Idee ist sonst kein Lebewesen gekommen.

Auch jenseits von Revier und Beute leben Tiere nach festen Regeln.[1] Und zwar nicht nur nach deskriptiven, die nur ein vorhersagbares Verhalten beschreiben, wie die mütterliche Beschützerhaltung. Sondern auch nach präskriptiven, also vorschreibenden Regeln, die über Belohnung und Bestrafung aufrechterhalten werden. Besonders ausgeprägt sind auf Hierarchien gestützte Regeln, die den Höherrangigen einer Gruppe besondere Vorrechte für die Nahrungsaufnahme oder die Paarung einräumen. Oder die Rangkonflikte steuern: Nicht schon die Niederlage, erst die Unterwerfung des Unterlegenen beendet den Konflikt; so wie bei uns die Kapitulation. Nicht nur hierarchisch-vertikale, auch horizontale Regeln existieren, zum Beispiel bei Menschenaffen das Prinzip der Wechselseitigkeit: Wenn ich dir helfe, etwa bei einer Auseinandersetzung mit einem Artgenossen, hilfst du mir bei der nächsten. Mal gebe ich dir etwas von meinem Essen ab, mal ist es umgekehrt.

Interne Konflikte schlichtet oft das Alphamännchen, ganz neutral, also ohne Berücksichtigung des Verwandtschafts- oder Freundschaftsgrads und meist zugunsten des schwächeren Beteiligten.[2] Sogar in Gefangenschaft erzwingen Tiere die Befolgung von Regeln. Der Ethologe Frans de Waal berichtet von der vom Arnheimer Zoo gesetzten Regel, dass keiner der Affen etwas zu fressen bekam, ehe nicht alle ins Schlafquartier zurückgekehrt waren. Deshalb halfen die Schimpansen bei der Durchsetzung dieser Regel. Wer trödelte, wurde gejagt, sogar verprügelt.[3] In Experimenten bestrafte eine andere Schimpansengruppe Futterdiebstahl – und sogar versuchten Diebstahl – häufig mit Protest, Drohungen und körperlichen Angriffen; gelegentlich intervenierten auch Dritte zur Streitschlichtung oder Bestrafung des Übeltäters.[4]

Die Wurzeln für unser Leben nach Regeln reichen also tief. Den Baum, der sich daraus entwickelte, nennen wir Recht. Aber warum ist er überhaupt gewachsen? Warum gelten in Deutschland Abertausende von Gesetzen, allesamt mit einer Vielzahl von Artikeln und Paragraphen? Warum halten wir uns an sie, warum setzen wir sie durch?

Der Schlüssel zur Antwort auf diese Fragen liegt in der Gemeinschaft. Ein einzelnes Lebewesen braucht keine Regeln. Eine Gemeinschaft schon. Die Gemeinschaft bietet viele Vorteile, die wichtigsten darunter sind – wie auch im Tierreich – die besseren Aussichten, genug Nahrung zu haben und sich gegenüber Feinden und Konkurrenten behaupten zu können, das heißt zu überleben. Aber diese Vorteile können Gruppen nur nutzen, wenn sie sich organisieren. Dafür brauchen sie Regeln.

Regeln gleichen widerstreitende Interessen aus. Diese Interessen können zwischen einzelnen Menschen bestehen, zwischen diesen Menschen und der Gemeinschaft (in der Moderne also dem Staat), aber auch zwischen verschiedenen Gemeinschaften. Die Teilbereiche des modernen Rechts regeln den Ausgleich der Interessen in diesen unterschiedlichen Verhältnissen: Das öffentliche Recht beschreibt unsere Beziehungen zum Staat. Das Privatrecht (oder: Zivilrecht) regelt unsere Beziehungen zueinander. Das Strafrecht als Unterform des öffentlichen Rechts bestimmt unseren Umgang mit besonders schweren Rechtsverletzungen. Und das internationale Recht ordnet die Beziehungen zwischen Staaten. Dieser Aufteilung folgt das vorliegende Buch.

Indem das Recht die Regeln für unseren Interessenausgleich definiert, verfolgt es aber ein noch höheres Ziel: Frieden. Denn herrscht nicht das Recht, drohen Rache und Gewalt. In rechtlosen Gesellschaften praktisch allen: den Schwachen, weil sie ihre Interessen nicht durchsetzen können; den Starken, weil sie Angst vor einem Umsturz haben; und allen gemeinsam, weil nach einem Fehltritt die Rache des Verletzten droht. Untersuchungen von lange Zeit noch ursprünglich lebenden indigenen Gesellschaften in Lateinamerika und Afrika zeigen, wie hoch der Blutzoll dafür sein kann. Der Anthropologe Napoleon Chagnon schätzte 1988, dass bei den Yanomami-Indios am Amazonas annähernd 30 Prozent der erwachsenen Männer eines gewaltsamen Todes starben,[5] bei prähistorischen Gesellschaften geht man von ähnlich hohen Quoten aus.[6] Wer diesen Befund in Frage stellt – wie etwa der Historiker Rutger Bregman in seinem Buch Im Grunde gut –, findet den Beweis für den Wert der Geltung des Rechts in der jüngeren Vergangenheit, etwa in der Antike oder im Mittelalter. Selbst in undemokratischen Gesellschaften vermeidet das Recht zumindest oft Gewalt. Auch dort gelten Gesetze, an die sich Kauf- und Eheleute, Nachbarschaft und Firmen halten müssen, die ein bestimmtes Verhalten unter Strafe stellen und deren Vollstreckung dem Staat vorbehalten.

In unserer Vorstellung soll Recht aber neben der Vermeidung von Gewalt noch eine weitere Funktion erfüllen: Es soll die Interessen nicht nur irgendwie ausgleichen und dadurch den Frieden erhalten, sondern dieser Ausgleich soll gerecht sein. Ein Anspruch, den übrigens wiederum auch viele Tierarten etwa an die Verteilung von Nahrung haben.

Warum ist ein gerechter Ausgleich wichtig? Können wir nicht darauf vertrauen, dass uns andere nicht übervorteilen? Zwischen Menschen, die sich gut kennen oder die aus anderem Grund miteinander verbunden sind, ist Vertrauen auf Fairness begründet. Zwischen Fremden oder Entfremdeten nicht. An seine Stelle tritt das Vertrauen in gerechte Regeln und ihre Durchsetzung. Je flüchtiger oder zerrütteter die Beziehung, desto mehr regelt das Gesetz. Kaufen wir ein Auto, definiert das BGB, was als Mangel gilt, welche Ansprüche der Mangel auslöst, sogar wer vor Gericht für welchen Umstand den Beweis zu führen hat. Für die innere Organisation von Vereinen gibt das Gesetz deutlich weniger vor. Und die Kindererziehung ist weitgehend Elternsache. Erst wenn es ums Geld geht – den Unterhalt, das Erbe – oder Familien zerbrechen, regeln die Gesetze mehr.

Das Recht stiftet auch Vertrauen in den Staat. In einem Stamm aus nur einigen Dutzend Personen genießt das Oberhaupt kraft enger Verbundenheit Vertrauen, die Interessen der Übrigen zu wahren. Das gilt auch für nicht verwandtschaftlich, sondern durch das Schicksal verbundene...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2021
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Bijan Moini • Frauenwahlrecht • Gesetze • Gesetzgebung • Grundgesetz • Justiz • Kriminalfall • Rechtsgeschichte • Schirach • Todesstrafe
ISBN-13 9783455012224 / 9783455012224
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