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Die Auslandsaufklärung des BND (eBook)

Operationen, Analysen, Netzwerke in Verbindung mit Andreas Hilger und Holger Meding
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
968 Seiten
Ch. Links Verlag
9783862844999 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Auslandsaufklärung des BND -
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Die globale Auslandsaufklärung ist das Kerngeschäft des BND. Dabei geht es zum einen darum, frühzeitig Aufschluss über die geheimen Absichten und Fähigkeiten möglicher Gegner zu erlangen, zum anderen darum, verdeckte Operationen auszuführen, um Einfluss zu nehmen. In der Zeit bis 1968 standen diese Tätigkeiten ganz im Zeichen der Systemkonkurrenz zwischen Ost und West. Gestützt auf bislang unzugängliche Quellen

aus dem BND-Archiv untersucht dieser Band, wie gut der Nachrichtendienst in jener Zeit für seine Aufgaben gerüstet war, was konkret von ihm verlangt wurde und wie erfolgreich er bei der Umsetzung war. Aufschluss geben Fallbeispiele zur Sowjetunion, Südosteuropa, Lateinamerika, dem Nahen und Mittleren Osten sowie Nordafrika.

(Band 13 der Veröffentlichungen der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945-1968)

Wolfgang Krieger, Jahrgang 1947, ist Universitätsprofessor für Neuere Geschichte. Er war Fellow in Oxford und Harvard, lehrte in München und Marburg sowie als Gastprofessor in Bologna, Princeton, Toronto und Paris. Er ist Mitglied im International Institute for Strategic Studies (London), Mitbegründer der International Intelligence History Association und gehört dem 'Conseil scientifique' für Militärgeschichte des französischen Verteidigungsministeriums an. Zahlreiche Publikationen zur Geschichte der internationalen Beziehungen sowie zur Geschichte von geheimen Nachrichtendiensten.

Andreas Hilger: Blick durch den Eisernen Vorhang. Der westdeutsche Nachrichtendienst und der »Sowjet-Kommunismus«, 1946–1968


Einführung: Organisation Gehlen und BND im Kalten Krieg, 1945–1968


Die Frontlinie des Kalten Kriegs verlief quer durch Deutschland. Die Anti-Hitler-Koalition hatte bereits im Sieg Auflösungserscheinungen gezeigt. Seit dem Beginn der Besatzung traten außen-, wirtschafts- und gesellschaftspolitische Gegensätze zwischen den einstigen Verbündeten immer deutlicher hervor. Sie erwiesen sich lange vor der doppelten Staatsgründung als unüberbrückbar. Nach 1949 nahm die westdeutsche Regierung unter Bundeskanzler Konrad Adenauer die Sowjetunion als expansiv-aggressive Macht, deren Einflusssphäre in Ost- und Zentraleuropa als monolithischen Block unter der Herrschaft Moskaus und die SED-Führung als Marionette des Kremls wahr. Allenfalls dem kommunistischen Regime in China maß man in Bonn auf längere Sicht eigene Bedeutung bei. Hier, so eine Überlegung, mochte ein Konkurrent Moskaus heranwachsen, der mehr noch als Jugoslawien Zusammenhalt und Kraft des sozialistischen Lagers schwächen könnte – derlei Entwicklungen blieben jedoch abzuwarten. Einstweilen befand sich die Bundesrepublik aufgrund ihrer geografischen Lage und der politischen Teilung Deutschlands gegenüber der kommunistischen Gefahr in einer exponierten Stellung. Aufgrund dieser Überlegungen verschrieb sich Adenauer der Politik der forcierten Westintegration. Es galt, aus einer gesamtwestlichen Position von Einheit und Stärke heraus den deutschlandpolitischen Alleinvertretungsanspruch der Bundesregierung durchzusetzen. Eine ertragreiche Außenwirtschaftspolitik korrespondierte mit diesem Gesamtkonzept.

In den 1950er Jahren fügte sich die bundesdeutsche Grundhaltung weitgehend in die Außenpolitik der USA ein, die Bonns wichtigster Bündnispartner waren. In den letzten Jahren der Administration von Präsident Dwight D. Eisenhower, vor allem aber nach Mauerbau und Kubakrise, bewegte sich Washington jedoch in Richtung einer globalen Entspannung zwischen den Machtblöcken. Dies bedeutete auch, dass die USA und die Sowjetunion ihre jeweiligen Einflusssphären in Europa anerkannten. In Bonn allerdings hielt man zunächst an der Auffassung fest, die deutsche Wiedervereinigung sei eine Grundvoraussetzung substantieller europäischer und internationaler Entspannungsschritte. Damit lief die Bundesregierung Gefahr, sich im Westen zu isolieren und gänzlich ins internationale Abseits zu geraten.

In der UdSSR war die Bereitschaft zu einer Politik der Détente unter anderem von der Erkenntnis getragen, dass das eigene Lager mit Gewaltpolitik und Machtdemonstrationen allein auf Dauer nicht zusammenzuhalten war. Doch bereits Moskaus Wiederannäherung an Jugoslawien ab Mitte der 1950er Jahre erwies sich als schwierig und zahlte sich politisch nicht so aus wie erhofft. Die Unruhen und Aufstände 1953 und 1956 in der DDR, Polen und Ungarn belegten in den Augen des Kremls die Anfälligkeit des Ostblocks für nicht-sowjetische Denk- und Ordnungskonzepte. Außerhalb Europas erwies sich Peking als problematischer Partner. Mao Tse-tungs China demonstrierte beispielsweise 1958 in der zweiten Taiwan-Krise seine internationale und ideologische Selbständigkeit. Binnen weniger Jahre trat der Konflikt zwischen den sozialistischen Großmächten offen hervor. Der sowjetisch-chinesische Gegensatz wirkte sich zwangsläufig auf die globale Positionierung Moskaus und Pekings aus. Beide sozialistischen Regime setzten darauf, mit ihrer Außenpolitik und -propaganda nicht nur im Wettkampf mit den USA, sondern auch in der Auseinandersetzung mit dem feindlichen Bruderstaat an Einfluss, Positionen und Statur zu gewinnen. Dieser Riss im sozialistischen Lager wurde insbesondere in der Politik gegenüber der »Dritten Welt« deutlich.

Angesichts der globalen Entwicklungen erprobte Bonn nach Adenauer eine neue Außenpolitik. Nach ersten Ansätzen unter Bundeskanzler Ludwig Erhard entwickelte die Große Koalition unter seinem Amtsnachfolger Georg Kiesinger 1966 das Konzept einer »europäischen Friedenspolitik«. Diese setzte auf eine Entspannung der bilateralen Beziehungen zu osteuropäischen Staaten. Im Rahmen des konzeptionellen Umdenkens eröffnete 1964 eine bundesdeutsche Handelsvertretung in Warschau, Anfang 1968 in Prag. 1967 nahm die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen zum selbstbewussten Rumänien auf. Im Januar 1968 wurden die westdeutsch-jugoslawischen diplomatischen Beziehungen reaktiviert, die Bonn 1957 abgebrochen hatte. Die bundesdeutsche Öffnung sollte die DDR im Wesentlichen außen vor lassen. Der »Ostblock« reagierte auf diese Strategie, indem er demonstrativ die Reihen schloss. Bilaterale Freundschaftsverträge Ost-Berlins mit östlichen Bündnispartnern sowie die am 26. April 1967 verabschiedeten »Karlsbader Beschlüsse« der Mitgliedsstaaten des Warschauer Vertrags unterstrichen die Eigenstaatlichkeit der DDR sowie die Solidarität ihrer Bündnispartner.

Der »Prager Frühling« 1968 unterbrach den globalen und europäischen Entspannungsprozess nur vorübergehend. Auf der Ebene der Supermächte begannen Ende 1969 erste Gespräche zur Begrenzung strategischer Rüstung (Strategic Arms Limitation Talks – SALT I). In Bonn machte sich die erste sozialliberale Koalition daran, ihre – innenpolitisch heftig umstrittene – »Ostpolitik« in die Tat umzusetzen. Es blieb allerdings dabei, dass man eine sozialistische Expansion, ob von der UdSSR oder von Peking aus betrieben, genau so wenig zulassen wollte wie eine Erhöhung des internationalen Prestiges der DDR, die auf Kosten der Bundesrepublik und ihrer Deutschlandpolitik gehen würde.1

Angesichts dieser – hier nur grob skizzierten – internationalen Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg war es selbstverständlich, dass die Beobachtung des »Ostens« den zentralen Aufgabenbereich westdeutscher Spionageaktivitäten ausmachte. Der Kalte Krieg war eine hoch militarisierte, »weitgehend entgrenzte politisch-ideologische, ökonomische, technologisch-wissenschaftliche und kulturell-soziale Auseinandersetzung«, und dementsprechend erwarteten die Entscheidungsträger in Bonn von ihrer Auslandsaufklärung Nachrichten aus allen Sphären von Militär, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Osteuropas.2 Ein solch breiter Ansatz entsprach den Vorstellungen des ersten Leiters von Organisation Gehlen (Org) und Bundesnachrichtendienst (BND), Reinhard Gehlen. Das »totale, alle Lebensbereiche umfassende und ausnutzende« expansive Unterfangen, als das er die sowjetische Politik verstand, bediene sich weltweit »aller nur verfügbaren Mittel und Personenkreise«. Eine Verteidigung gegen die »tödliche Gefahr« aus Moskau erschien ihm nur möglich, wenn der »Westen« allgemein und die Bundesrepublik im Besonderen über alle Facetten der UdSSR und ihrer – tatsächlichen und angeblichen – Hegemonial- und Einflussgebiete, zuerst in Ost- und Südosteuropa, dann in der ganzen Welt, genau informiert war.3 Um es in den Worten des BND-internen Schulungsbetriebs auszudrücken: »Da der moderne Krieg ein totaler Krieg ist, muss auch unsere Aufklärung total sein.«4

Dabei erwiesen sich die sozialistischen Staaten in Osteuropa als besonders schwieriges Zielgebiet. Stalin setzte nach dem Zweiten Weltkrieg erneut auf eine möglichst lückenlose Abschirmung seines Machtbereichs: Gegen eine angenommene »totale Spionage« des Feindes formierte der Kreml eine »totale Abwehr«.5 Dies spiegelte sich unter anderem in der Omnipräsenz und ubiquitären Zuständigkeit sozialistischer Überwachungs- und Repressionsapparate wider. Im Ergebnis erschien etwa eine Anwerbung von Agenten in relevanten Positionen in der UdSSR laut CIA-Veteran Richard Helms als »so irreal wie die Ansiedlung von Spionen auf dem Planeten Mars«.6

Stalins Nachfolger legten das grundsätzliche Misstrauen gegenüber der kapitalistischen Umwelt und ihren möglichen Einflüssen auf die Bevölkerungen im sozialistischen Machtbereich nicht ab. Daher war die Auflockerung der post-stalinistischen Außenpolitik keineswegs von einem kontinuierlichen Abbau der Sicherheitsvorkehrungen begleitet. Sowohl die Außengrenzen als auch die Gesellschaften blieben letztlich scharfer Kontrolle unterworfen.7 Die »Beschaffungslage«, wie es im nachrichtendienstlichen Jargon hieß, war damit durchgängig durch die sorgfältige Überwachung aller Kontakt- und Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Osteuropa und dem nicht-sozialistischen Ausland gekennzeichnet.

Nicht nur die Abwehrmaßnahmen der Behörden in den sozialistischen Staaten erschwerten insbesondere westdeutsche Spionagebemühungen, sondern auch die Grundeinstellungen der Menschen. Nach den Erfahrungen der Kriegsjahre ließ sich Anfang der 1950er Jahre Einschätzungen amerikanischer Nachrichtendienstler zufolge eine generelle...

Erscheint lt. Verlag 14.6.2021
Reihe/Serie Veröffentlichungen der UHK zur BND-Geschichte
Veröffentlichungen der UHK zur BND-Geschichte
Veröffentlichungen der UHK zur BND-Geschichte
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Zeitgeschichte ab 1945
Geisteswissenschaften Geschichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte CIA • Friedrich Frank • Friedrich Leikam • Georg Kollenyi • Hans Berger • Hans Georg Schulz • Hans L. Langemann • Kalter Krieg • Mittlerer Osten • Naher Osten • Nordafrika • Reinhard Gehlen • Richard Christmann • Rudolf Schemmel • Rupert Mandl • Sowjetunion • Spionage • Südamerika • Südosteuropa • verdeckte Operationen • Walter Kainz
ISBN-13 9783862844999 / 9783862844999
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