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Zwischen Imperialismus und Revolution (eBook)

Die Grundfragen der Revolution an dem Einzelbeispiel Georgiens
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
234 Seiten
Manifest Verlag
978-3-7521-4358-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zwischen Imperialismus und Revolution -  Leo Trotzki,  Wolfram Klein
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»Dadurch wird in bedeutendem Maße der Inhalt und Charakter unserer Arbeit bestimmt. Wir mußten von neuem jene Fragen durchnehmen, die bereits ihre prinzipielle Auslegung gefunden haben, im besonderen im ersten Teile ?Terrorismus und Kommunismus.? Wir strebten diesmal danach, möglichste Konkretheit zu erreichen. Die Aufgabe bestand darin, an einem Einzelbeispiel die Wirkung der Hauptkräft e unserer Epoche zu zeigen. An der Geschichte des ?demokratischen? Georgiens versuchten wir die Politik der regierenden sozialdemokratischen Partei zu verfolgen, die genötigt war, ihren Weg zwischen Imperialismus und proletarische Revolution zu legen. Wir wollen hoff en, daß gerade die detaillierte Konkretheit der Darstellung es uns ermöglicht hat, die inneren Probleme der Revolution, ihre Bedürfnisse und ihre Schwierigkeiten dem Verständnis eines Lesers näher gebracht zu haben, der keine direkte revolutionäre Erfahrung hat, aber daran interessiert ist, sich solche zu erwerben.« (Aus der Einleitung von L. Trotzki) Mit einer Einleitung und ausführlichem Anhang von Wolfram Klein.

Russischer Revolutionär, Kopf der Roten Armee und später Verbannung unter Stalin und Ermordung in Mexiko.

Russischer Revolutionär, Kopf der Roten Armee und später Verbannung unter Stalin und Ermordung in Mexiko.

Einleitung


Von dem für die Konferenz in Genua festgesetzten Termin trennen uns – im Augenblick, da diese Zeilen geschrieben werden – weniger als drei Wochen. Welcher Zeitraum uns von der Konferenz selbst trennt, das weiß offenbar noch niemand. Der diplomatische Kampf um die Konferenz ist in engster Weise mit der politischen Agitation um Sowjetrussland verflochten. Zwischen der Diplomatie der Bourgeoisie und ihrer Sozialdemokratie bleibt im Grunde genommen die Arbeitsteilung aufrechterhalten: die Diplomatie betreibt offizielle Intrigen, die Sozialdemokratie macht die öffentliche Meinung gegen die Republik der Arbeiter und Bauern mobil.

Was will die Diplomatie? Dem revolutionären Russland einen möglichst schweren Tribut auferlegen; es zwingen, möglichst viele Reparationen zu zahlen; die Schranken des Privatbesitzes auf dem Sowjetterritorium möglichst weit spannen; den ausländischen und russischen Finanzleuten, Industriellen und Wucherern möglichst viel Privilegien über die russischen Arbeiter und Bauern verschaffen. Was früher als Deckmantel dieser Forderungen diente – „Demokratie", „Recht", „Freiheit" –, das hat die bourgeoise Diplomatie heute beiseite geworfen, wie der Kaufmann das Packpapier von einem Stück Stoff beiseite wirft, wenn er seine Ware vorzeigen, handeln und nach Arschin abmessen muss.

Aber in der bourgeoisen Gesellschaft geht nichts verloren. Die Papierhülle, genannt „Recht", geht in die Verfügungsgewalt der Sozialdemokratie über; das ist ihre Ware, sie handelt damit. Die Zweite Internationale – und was von ihr gesagt wird, gilt auch für den Schatten, den sie in Form der Internationale Zweieinhalb nach links wirft – ist aus allen Kräften bemüht, den Arbeitern zu beweisen, dass, da die Sowjetregierung „Recht" und „Demokratie" nicht einhält, die werktätigen Massen Russlands keine Unterstützung in ihrem Kampfe gegen die Weltwucherer verdienen.

Unsere Nichtachtung in Bezug auf „Recht" und „Demokratie" haben wir am stärksten, wie bekannt, in der Oktoberrevolution gezeigt. Gerade sie ist ja unsere Erbsünde. Im Laufe der ersten Jahre versuchte die Bourgeoisie, die sozialistische Revolution mit dem Schwerte auszurotten. Jetzt beschränkt sie sich darauf, wesentliche kapitalistische Verbesserungen an ihr vorzunehmen. Der Kampf geht um die Ausmaße derselben.

Die Zweite Internationale möchte jedoch die Konferenz zu Genua für die Wiederherstellung von „Recht" und „Demokratie" ausnützen. Man sollte meinen, dass hieraus ein ganz bestimmtes Programm folgen müsste: die „usurpatorische", „diktatorische", „terroristische" Regierung der Sowjets nicht nach Deutschland hereinzulassen, sondern die demokratischen Reliquien der Konstituierenden Versammlung dorthin zu schaffen. Aber eine derartige Behandlung der Frage wäre zu lächerlich und würde sich auch mit den praktischen Schritten der Bourgeoisie kreuzen. Die Zweite Internationale erhebt auch am allerwenigsten auf die Rolle eines verrückten Ritters der Demokratie Anspruch. Sie ist nur ihr Sancho Pansa. Sie wagt die Frage nicht in ihrem vollen Umfange aufzuwerfen. Sie möchte nur ein klein wenig Nutzen daraus ziehen.

Die Losung des Kampfes um einen kleinen demokratischen Nutzen ist gegenwärtig Georgien. Der Sowjetumsturz fand dort erst vor einem Jahre statt. In Georgien hatte die Partei der Zweiten Internationale die Macht in den Händen. Die menschewistische Republik schwankte fortwährend zwischen Imperialismus und proletarischer Revolution hin und her, indem sie bei dem ersteren Schutz suchte oder ihn gegen die letztere unterstützte. Darin besteht aber auch die Rolle der gesamten Zweiten Internationale. Das menschewistische Georgien hat mit seinem eigenen Untergang seine Beziehungen zur Gegenrevolution büßen müssen. Aber auch der Zweiten Internationale droht unvermeidlich das gleiche Schicksal. Was Wunder, wenn der Kampf der internationalen Sozialdemokratie um das „demokratische" Georgien eine Art von symbolischem Charakter bekommen hat!

Doch haben zugunsten der Prätentionen der georgischen Menschewiki die erfinderischsten Köpfe der Zweiten Internationale kein einziges Argument aufzustellen vermocht, das nicht schon tausendmal von den Verteidigern der „demokratischen" Rechte, den Miljukow, Kerenski, Tschernow, Martow, ausgenützt worden wäre. Es besteht hier keinerlei prinzipieller Unterschied. Die Sozialdemokraten präsentieren uns jetzt in octavo, was die vereinigte Presse des Imperialismus uns vorher in folio präsentierte. Es ist nicht schwer, sich hiervon zu überzeugen, wenn man den Beschluss des Exekutivkomitees der Zweiten Internationale, Georgien betreffend, zur Hand nimmt.

Der Text des Beschlusses verdient Beachtung. Der Stil ist nicht nur für einen Menschen, sondern auch für eine Partei bezeichnend. Hören wir nun, in welchem politischen Stil die Zweite Internationale mit der proletarischen Revolution spricht:

„I. Das Territorium Georgiens wurde von den Truppen der Moskauer Regierung besetzt, die in Georgien eine Macht aufrechterhält, die seiner Bevölkerung verhasst ist, und sie erscheint in den Augen des Proletariats der ganzen Welt als die einzige Person, die verantwortlich ist für die Vernichtung der georgischen Republik und für das terroristische Regime, das in diesem Lande errichtet wurde."

Hat etwa nicht die reaktionäre Presse der ganzen Welt im Laufe von vier Jahren gegenüber der Sowjetföderation als Ganzes dasselbe behauptet? Sprach sie nicht davon, dass die Macht der Sowjets der Bevölkerung Russlands verhasst sei und sich nur durch das militärisch-terroristische Regime halte? Hielten wir da nicht Petrograd und Moskau mit Hilfe „lettischer, chinesischer, deutscher und baschkirischer Regimenter"? Verbreitete da Moskau nicht „gewaltsam" die Sowjetmacht in der Ukraine, in Sibirien, am Don, im Kubangebiet, in Aserbaidschan? Wenn jetzt die Zweite Internationale dem von uns zurückgeschlagenen Gesindel Wort für Wort die gleichen Phrasen, speziell in Bezug auf Georgien, nachschwätzt – ändert das dann etwa ihre Natur?

„II. Die Verantwortlichkeit der Moskauer Regierung hat sich nach den kürzlichen Ereignissen in Georgien noch verdoppelt, im Besonderen aber nach den Proteststreiks, die von den Arbeitern (?) veranstaltet und mit Gewalt unterdrückt wurden, wie dies von reaktionären Regierungen gemacht wird."

Ja, die revolutionäre Regierung Georgiens hat die menschewistischen Spitzen der Eisenbahnbürokratie, die Beamten und weißen Offiziere, die keine Zeit mehr zur Flucht hatten, mit Gewalt daran gehindert, die Arbeiter- und Bauernregierung zu sabotieren. Anlässlich dieser Repressalien schreibt Merrheim, ein ziemlich bekannter kümmerlicher Lakai des Imperialismus in Frankreich, von „Tausenden" von georgischen Bürgern, die ihre Wohnstätten verlassen mussten. „Unter diesen Flüchtlingen" – wir zitieren ihn wörtlich – „befinden sich eine ungeheure Anzahl von Offizieren, von ehemaligen Beamten der Republik und alle Führer der Volksgarde." Das ist gerade jener menschewistische Apparat, der im Laufe von drei Jahren die revolutionären Arbeiter und die sich ununterbrochen auflehnenden georgischen Bauern unterdrückt hat, und der nach dem Sturz der Menschewiki eine bereitwillige Waffe der Restaurationsversuche der Entente blieb. Dass die revolutionäre Regierung Georgiens mit der sabotierenden Bürokratie schroff abgerechnet hat, das geben wir voll und ganz zu. Das gleiche haben wir aber auf dem ganzen Revolutionsterritorium getan. Die Errichtung der Herrschaft der Sowjets in Petrograd und Moskau stieß zuallererst auf den Versuch eines Eisenbahnerstreiks unter der Führung der menschewistisch-sozialrevolutionären Eisenbahnbürokratie. Indem wir uns auf die Arbeiter stützten, sprengten wir diese Bürokratie, säuberten sie und unterstellten sie der Macht der Werktätigen. Das reaktionäre Gesindel der ganzen Welt erhob aus diesem Anlass ein Geschrei über unseren barbarischen Terrorismus. Das gleiche Wehgeschrei wird jetzt nach dem Muster des reaktionären Gesindels, nur in Bezug auf Georgien, von den sozialdemokratischen Führern wiederholt. Wo ist denn da eine Veränderung eingetreten?

Ist es aber nicht verblüffend, dass die sozialdemokratischen Führer überhaupt ihre Zunge rühren können, um von einer Unterdrückung der Arbeiterstreiks durch Gewalt als von einer Methode des Vorgehens „reaktionärer Regierungen" reden zu können? Oder wissen wir etwa nicht, wer der Zweiten Internationale angehört? Noske und Ebert sind ihre führenden Mitglieder. Oder sind sie etwa ausgeschlossen worden? Wie viel Arbeiterstreiks und Aufstände haben sie unterdrückt? Sind sie etwa nicht die Henker von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht? Oder ist es nicht der Sozialdemokrat Hörsing, ein Mitglied der Zweiten Internationale, der die Märzbewegung in Deutschland provoziert hat, um sie im Blut zu ertränken? Und wie steht es mit den letzten, den allerneuesten Maßnahmen des Sozialdemokraten Ebert gegen den Eisenbahnerstreik in Deutschland?

Oder sieht etwa das Exekutivkomitee von London aus nicht, was auf dem Kontinent vorgeht? In diesem Falle sei es uns aber gestattet, Henderson ehrerbietigst zu fragen, ob er nicht Geheimer Rat der Krone während des Osteraufstandes in Irland im Jahre 1916 war, als die königlichen Truppen Dublin zerstörten und 15 Irländer erschossen, darunter den Sozialisten Connolly, der vorher bereits verwundet war? Hat vielleicht Vandervelde, der ehemalige Vorsitzende der Zweiten Internationale, der kleine geheime Rat einer kleinen Krone, die russischen Sozialisten während des Krieges nicht aufgefordert, sich mit dem Zarismus auszusöhnen, der bis zum Hals im Blute der...

Erscheint lt. Verlag 29.4.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Georgien • Russische Revolution • Sowjetunion • Sozialismus
ISBN-10 3-7521-4358-4 / 3752143584
ISBN-13 978-3-7521-4358-4 / 9783752143584
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