Wie meistern Kinder den Schulanfang erfolgreich? Förderung der Schulfähigkeit und Vorbeugung von Lernschwierigkeiten (eBook)
127 Seiten
Social Plus (Verlag)
978-3-96355-146-8 (ISBN)
4 Übergang Kindergarten – Grundschule
In diesem Kapitel sollen die theoretischen Grundlagen zum Übergang vom Kindergarten in die Grundschule dargestellt werden. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich dabei immer auf das Bundesland Baden-Württemberg, um den Umfang dieser Arbeit nicht zu überschreiten. Zunächst werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Übergang vom Kindergarten in die Grundschule geklärt. Dann erfolgt ein Überblick über die moderne Schuleingangsdiagnostik. Anschließend wird genauer beleuchtet, wie sich die Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule gestaltet. Es wird dargestellt, welche Akteurinnen und Akteure beteiligt sind, welche Grundprinzipien der Kooperation gelten und welche Probleme und Herausforderungen bestehen. In einem nächsten Schritt werden Maßnahmen und Projekte zur Verbesserung der Anschlussfähigkeit und Kooperation in Baden-Württemberg vorgestellt. Anschließend wird auf die Rolle und den Auftrag der sonderpädagogischen Förderung im Förderschwerpunkt Lernen im Übergang eingegangen. Zuletzt wird erläutert, inwieweit zwischen den Systemen Kindergarten und Grundschule Anschlussfähigkeit besteht.
4.1 Einschulung – rechtliche Rahmenbedingungen (BW)
Die gesetzlichen Vorgaben rund um den Schuleintritt werden in Deutschland von den jeweiligen Bundesländern definiert. In diesem Kapitel wird ein Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit dem Eintritt in die Schule im Bundesland Baden-Württemberg gegeben.
4.1.1 Schulpflicht:
Aufgrund der föderalistischen Strukturen in Deutschland ist die Schulpflicht nicht bundeseinheitlich geregelt. Auf Bundesebene findet sich im Grundgesetz nur der staatliche Erziehungsauftrag in Art. 7 Abs. 1 GG. Die Bundesländer regeln die Schulpflicht in ihren Landesverfassungen und Schulgesetzen unterschiedlich. In Baden-Württemberg besteht eine Schulpflicht bis zum vollendeten 18. Lebensjahr. Die Schulpflicht unterteilt sich dabei in eine Vollzeitschulpflicht und eine Berufsschulpflicht. Die Vollzeitschulpflicht besteht in Baden-Württemberg aus vier Jahren Grundschule und fünf Jahren aufbauender Schule. Rechtsgrundlage hierfür sind der Art. 14 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württembergs sowie §§ 72 ff. des Schulgesetzes für Baden-Württemberg (Vossenkuhl, 2018).
Die Einschulung kann in Baden-Württemberg fristgemäß (Einschulungsstichtag), vorzeitig oder verspätet (Zurückstellung) erfolgen (Berthold, 2008). Wie die Regelungen im Einzelnen aussehen, wird nachfolgend erläutert.
4.1.2 Einschulungsstichtag:
Seit den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zum Schulanfang aus dem Jahr 1997 liegt der Einschulungsstichtag zwischen dem 30.06. und 30.09. Bis dahin war der Stichtag für die Einschulung der 30.06. gewesen. Baden-Württemberg verlegte mit dem Schuljahr 2005/06 den Stichtag vom 30.06. nach hinten auf den 30.09. (Berthold, 2008). Aktuell bestehen in Baden-Württemberg Bestrebungen, den Stichtag wieder vorzuverlegen. Das Kultusministerium hat einen Gesetzesentwurf zu einer etappenweisen Vorverlegung des Einschulungsstichtags auf den 30.06. vorgelegt. Zum kommenden Schuljahr 2020/21 soll der Stichtag auf den 31.08. vorverlegt werden, im Schuljahr 2021/22 auf den 31.07. und im Schuljahr 2022/23 schließlich auf den 30.06. Dem Gesetzentwurf wurde am 12.11.2019 vom Ministerrat zugestimmt. Eine abschließende Beschlussfassung durch den Landtag von Baden-Württemberg steh noch aus (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, 2019a).
4.1.3 Vorzeitige Einschulung:
Berthold (2008) hält fest, dass Erziehungsberechtige einen Antrag auf vorzeitige Einschulung stellen können, wenn von einem erfolgreichen Schulbesuch ausgegangen werden kann. In der Regel entscheidet dann die Schulleitung über eine Aufnahme des Kindes. Wird dem Antrag stattgegeben, wird das Kind zu diesem Zeitpunkt schulpflichtig. In Baden-Württemberg gilt der sogenannte „Einschulungskorridor“, welcher sich bislang vom 31. Oktober bis zum 30. Juni erstreckt. In diesem Korridor geborene Kinder sind per Gesetz noch nicht schulpflichtig, können aber durch einen Antrag der Erziehungsberechtigten vorzeitig eingeschult werden. Mit der Vorverlegung des Einschulungsstichtages auf das Schuljahr 2020/21 wird auch der Einschulungskorridor vorverlegt. Der Beginn des Einschulungskorridors wird ebenfalls gestaffelt auf den 01.09. (Schuljahr 2020/21), den 01.08. (Schuljahr 2021/22) und schließlich den 01.07. (Schuljahr 2022/23) vorverlegt (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, 2019a).
4.1.4 Zurückstellung:
Wenn Kinder nicht die notwendigen Voraussetzungen für einen gelingenden Schulstart mitbringen, steht es Eltern frei, einen Antrag auf Zurückstellung zu stellen. Dies soll in engem Austausch mit der Grundschule geschehen. Eine Entscheidung trifft dann die Grundschule, auch auf der Grundlage eines Gutachtens des Gesundheitsamtes (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, 2019). Nach § 74 Absatz 2 des Schulgesetzes ist ein Kind zurückzustellen, „wenn der schulische Misserfolg mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Je eindeutiger dabei die Prognose über den Erfolg oder Misserfolg der Teilnahme am Unterricht ausfällt, desto geringer ist der Entscheidungsspielraum der Schule“ (Verwaltungsgerichthof Baden-Württemberg, 1995, Beschluss vom 06.09.1995 - 9 S 2397/95; zit. nach Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, 2019). Knitsch (2004) hält fest, dass die Zurückstellung auch noch nach der Einschulung geschehen kann, wenn das Kind den Anforderungen des Anfangsunterrichts nicht gewachsen ist. Kinder, die vom Schulbesuch zurückgestellt wurden, können für ein weiteres Jahr den Kindergarten oder eine Grundschulförderklasse besuchen. Grundschulförderklassen werden an Grundschulen als eine eigene Klasse geführt (Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg, 2020).
4.1.5 Einschulungsuntersuchung:
Laut der Verwaltungsvorschrift des Sozialministeriums Baden-Württembergs (2019) werden alle zur Schule angemeldeten Kinder nach § 8 Abs. 2 des Gesundheitsdienstgesetzes (ÖGDG) vom 17. Dezember 2015 (GBI. S. 1210) und nach § 2 Abs. 2 der Schuluntersuchungsverordnung vom 8. Dezember 2011 (GBl. S. 559) von den unteren Gesundheitsbehörden untersucht (Sozialministerium Baden-Württemberg, 2019). Die Gesundheit von Kindern ist nach § 1 Abs. 2 bis 4 des Kinderschutzgesetzes Baden-Württemberg vom 3. März 2009 (GBl. S. 82), das durch Artikel 3 des Gesetzes vom 14. April 2015 (GBl. S. 181, 182) geändert worden ist, von Ärztinnen und Ärzten des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes zu schützen und zu fördern (Sozialministerium Baden-Württemberg, 2019). Dies soll unter anderem im Rahmen der Einschulungsuntersuchung geschehen. Durchgeführt werden die Einschulungsuntersuchungen von den jeweils zuständigen Gesundheitsämtern. Die Teilnahme an der Einschulungsuntersuchung ist verpflichtend. Gesundheitliche Einschränkungen und Entwicklungsverzögerungen sollen dadurch so früh wie möglich erkannt werden (Sozialministerium Baden-Württemberg, 2019). Die Einschulungsuntersuchung wird in zwei Schritten durchgeführt (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, 2020a):
1): Der erste Schritt der Einschulungsuntersuchung erfolgt 24 bis 15 Monate vor der Einschulung. Die Eltern füllen auf freiwilliger Basis einen Fragebogen aus und stellen das gelbe Früherkennungsheft, das Impfbuch und wichtige Befunde aus früheren Untersuchungen zur Verfügung. Die Erzieherinnen und Erzieher füllen einen Fragebogen zur Entwicklung des Kindes aus, der Grenzsteine der Entwicklung sowie Anzeichen von Hyperaktivität abfragt. Medizinische Assistentinnen und Assistenten des Gesundheitsamtes führen eine Basisuntersuchung beziehungsweise ein Screening durch. Bereiche, die überprüft werden, sind Sehen und Hören, Körpergröße und Körpergewicht, Sprache, Motorik, Malentwicklung, Mengenerfassung und Verhalten (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, 2020a). Die Ergebnisse werden mit den zuständigen Ärztinnen und Ärzten des Gesundheitamtes besprochen. Sind die Ergebnisse des Sprach-Screenings auffällig, wird zusätzlich der Sprachentwicklungstest SETK 3 – 5 durchgeführt (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, 2020a).
2): Der zweite Schritt der Einschulungsuntersuchung erfolgt im letzten Kindergartenjahr. Bei Kindern, die Gefahr laufen, keine ausreichende Schulfähigkeit zu entwickeln empfehlen die Kooperationslehrerinnen und Kooperationslehrer eine schulärztliche Untersuchung. Die Ärztinnen und Ärzte begutachten bei allen Kindern die Schulfähigkeit aus schulärztlicher Sicht. Weitere Untersuchungen werden befundorientiert durchgeführt. Abschließend erstellen die Ärztinnen und Ärzte einen Bericht für die Eltern, die Schule, den Kindergarten und die Kinderärztinnen und Kinderärzte (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, 2020a).
Ziel des ersten Schritts ist das Gewinnen von Zeit für eventuell erforderliche Präventions- und Gesundheitsförderungsmaßnahmen. Ziel des zweiten Schritts ist die Feststellung gesundheitlicher Einschränkungen und Entwicklungsverzögerungen hinsichtlich Schulfähigkeit oder hinsichtlich der Teilnahme am Unterricht (Sozialministerium Baden-Württemberg, 2019).
4.2 Schuleingangsdiagnostik
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| Erscheint lt. Verlag | 13.4.2021 |
|---|---|
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Pädagogik ► Sonder-, Heil- und Förderpädagogik |
| Schlagworte | Anschlussfähigkeit • Förderschwerpunkt Lernen • Grundschule • Kindergarten • Lernförderung • Schulfähigkeit • Schulreife • Sonderpädagogik |
| ISBN-10 | 3-96355-146-1 / 3963551461 |
| ISBN-13 | 978-3-96355-146-8 / 9783963551468 |
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