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Partnerdienste (eBook)

Die Beziehungen des BND zu den westlichen Geheimdiensten 1946–1968
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
440 Seiten
Ch. Links Verlag
9783862844890 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Partnerdienste - Wolfgang Krieger
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Im beginnenden Kalten Krieg wurden aus den besiegten Deutschen schon bald Verbündete der Westmächte, und das auch auf dem Feld der Geheimdienstarbeit. Lange bevor die Bundesrepublik 1955 mit neu aufgebauten Streitkräften in die NATO aufgenommen wurde, arbeiteten westdeutsche, amerikanische, britische und französische Nachrichtendienstler gemeinsam an der 'Aufklärung' des sowjetischen Gegners. Und die westdeutsche Seite drängte schon bald darauf, die Rolle des 'Juniorpartners' abzulegen.

Die Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten gehört selbst in Demokratien, die ihre eigenen Dienste intensiv kontrollieren, zu den am strengsten gehüteten Geheimnissen. Denn die dabei erhaltenen Informationen dürfen nicht weitergegeben werden, auch nicht an die Parlamente oder die Justiz. So ist zwar lange bekannt, dass die Geheimdienste der drei westlichen Siegermächte für die Geschichte des Bundesnachrichtendienstes (BND) eine wichtige Rolle spielten. Doch die konkrete Zusammenarbeit blieb lange im Dunklen. In diesem Buch wird sie erstmals ausführlich dargestellt, und zwar auf der Basis von Geheimakten im BND-Archiv und im Bundeskanzleramt, die Wolfgang Krieger umfassend auswerten konnte.

Wolfgang Krieger, Jahrgang 1947, ist Universitätsprofessor für Neuere Geschichte. Er war Fellow in Oxford und Harvard, lehrte in München und Marburg sowie als Gastprofessor in Bologna, Princeton, Toronto und Paris. Er ist Mitglied im International Institute for Strategic Studies (London), Mitbegründer der International Intelligence History Association und gehört dem 'Conseil scientifique' für Militärgeschichte des französischen Verteidigungsministeriums an. Zahlreiche Publikationen zur Geschichte der internationalen Beziehungen sowie zur Geschichte von geheimen Nachrichtendiensten.

2. Zwei Modelle von Partnerbeziehungen


Dauerhafte institutionelle Kooperationen zwischen Geheimdiensten haben sich erstaunlich spät entwickelt. In Ansätzen reichen sie bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges und in die 1920er Jahre zurück, doch erst im Zweiten Weltkrieg haben sie sich etabliert, während Militärbündnisse und gemeinsame Feldzüge verbündeter Staaten seit der Antike üblich waren. Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass es Geheimdienste als selbständige staatliche Behörden erst seit dem frühen 20. Jahrhundert gab, verblüffen diese Berührungsängste.7

In der Kooperation lassen sich vor allem zwei Modelle ausmachen. Das Ältere davon war die geheimdienstliche Zusammenarbeit der kommunistischen Parteien, die nach dem Vorbild der russischen Bolschewiki entstanden waren. Auf Weisung der 1919 gegründeten Kommunistischen (oder »Dritten«) Internationale sollte jede dieser Parteien einen Geheimdienst zur Überwachung der Mitglieder, der Parteikader und der politischen Gegner einrichten. Diese Geheimdienste waren dem Prinzip eines von Moskau gelenkten Zentralismus verpflichtet. Die Grundlage dafür bildeten die 1920 von Lenin erlassenen »21 Bedingungen« für die Mitgliedschaft von Parteien in der Kommunistischen Internationale. Zu den wichtigsten dieser »Bedingungen« gehörte der Kampf gegen innerparteiliche Abweichler und Kritiker, gekoppelt mit einer intensiven Propaganda. Jeder wusste, dass dieser Kampf und diese Propaganda einer ebenso straffen wie geheimen Organisation bedurften, auch wenn hier das Wort »Geheimdienst« nicht fiel. Von 1944 an besetzten die sowjetischen Truppen sukzessive das östliche Mitteleuropa und begannen, überall kommunistische Regierungen einzusetzen. Damit wurde diese ideologische Ausrichtung, Führungsstruktur und innerparteiliche Kontrolle zur verpflichtenden Praxis in diesen nunmehr von Moskau beherrschten Ländern.

Die so an die Regierung gebrachten kommunistischen Parteien richteten jeweils eigene Geheimdienste ein, um ihre Macht abzusichern. Das osteuropäische Modell der Geheimdienstzusammenarbeit beruhte auf der »Tradition der Tscheka«, des ersten bolschewistischen Geheimdienstes unter seinem Gründer Felix Dserschinski. Wie das später entstandene ostdeutsche Ministerium für Staatssicherheit (MfS oder »Stasi«) verstanden sich alle kommunistischen Geheimdienste als »Schild und Schwert der Partei«. Sie wurden nach sowjetischem Vorbild aufgebaut, durch Moskau kontrolliert und waren zur »brüderlichen Zusammenarbeit« verpflichtet.

Es handelte sich somit um eine hegemoniale Kooperation, die zugleich der Kontrolle der neuen kommunistischen Regime diente und ohne militärischen Rückhalt nicht funktionierte.8 Jenseits von Ost- und Mitteleuropa, also in Asien, Lateinamerika und etwas später in Afrika, war dieser machtpolitische Anspruch Moskaus schwer durchsetzbar. Gleichwohl gelang es, mit geheimdienstlichen Mitteln die dortigen kommunistischen Parteien in eine weitgehende Abhängigkeit von Moskau zu bringen. Nur China, das sich selbst zu einer bedeutenden Militärmacht entwickelte, und Albanien durch seine Anlehnung an China gelang es, sich im Laufe der 1960er Jahre aus dieser Abhängigkeit zu befreien.9

Auf völlig anderen Wegen und mit anderen Zielsetzungen entstand die Kooperation der Geheimdienste im Westen. Dort wurde die im Zweiten Weltkrieg begründete britisch-amerikanische Allianz zum Vorbild, aus der sich durch den Beitritt der drei Commonwealth-Staaten Australien, Kanada und Neuseeland die noch heute bestehende Geheimdienst-Allianz der »Five Eyes« entwickelte. Diese Kooperation entstand im Zusammenhang mit dem 1942 eingerichteten britisch-amerikanischen Generalstab (Combined Chiefs of Staff, CCS), der sich bei der gemeinsamen Kriegführung auf einen engen Austausch von Geheimdienstinformationen und Lage-Enschätzungen stützte. Hinzu kamen gemeinsame verdeckte Operationen insbesondere in den von NS-Deutschland besetzten Staaten Europas. Sogar die Waffenentwicklung und -produktion dieser beiden Bündnispartner wurde während der Kriegszeit weitgehend zusammengelegt. Dazu gehörte neben dem amerikanischbritisch-kanadischen Atomprojekt, das man als »Manhattan Project« kennt, seit Sommer 1940 auch die zumindest teilweise zusammengelegte Radarforschung zur Lokalisierung von angreifenden Flugzeugen und Schiffen.

Nach 1945, als die Waffenproduktion und -forschung wieder der nationalen Kontrolle unterstellt wurde, leitete man diese enge militärische Zusammenarbeit in einzelne Kooperations- und Stationierungsabkommen über. Auch die Kooperation der Geheimdienste wurde seit März 1946 auf der Basis einzelner Verträge fortgesetzt. Das galt vor allem im Bereich der technischen Beschaffung. Dazu gehörte das Abhören von Telefon- und Telegrafenleitungen, von Funksignalen, also von Sprechfunk, und von elektronischer Textübermittlung (Morse-Verkehr, Fernschreiber). Aber auch andere technische Signale und Emissionen wurden gemeinsam erfasst und analysiert. Dazu gehörte beispielsweise das Radar der gegnerischen Flugabwehr sowie radioaktive Strahlung und radiochemische Stoffe, die auf nukleartechnische Forschung und Entwicklung hindeuteten. Letzteres betraf zunächst vor allem das sowjetische Atomprogramm, später auch das chinesische.10

Dabei ergänzten sich Briten und Amerikaner insofern, als das Britische Empire mit seinen weltweit verstreuten Territorien die Möglichkeit eröffnete, praktisch rund um den Erdball Funk-, Abhör- und Messstationen einzurichten. Im Gegenzug verfügten die USA über weitaus größere Finanzmittel, technische Entwicklungen voranzutreiben und sowohl derlei technische Stationen wie Militärbasen zu bauen und zu unterhalten. Daraus entstand für beide Seiten ein wichtiger geheimdienstlicher Mehrwert. Demgegenüber war die britisch-amerikanische Kooperation im Bereich der Aufklärung mit menschlichen Quellen nur sporadisch. Interessanterweise blieb auch die politische Auswertung eine weitgehend nationale Angelegenheit, wenngleich solche Berichte routinemäßig ausgetauscht wurden. Zu einer gemeinsamen Analyse und Bewertung kam es jedoch selten, weil die außenpolitischen Interessen in London und Washington zu unterschiedlich waren. Hinzu kam allerdings bis zur Mitte der 1950er Jahre die Zusammenarbeit bei verdeckten Operationen, von denen vor allem die Ein- und Ausschleusung von Saboteuren und Agenten in Ost- und Südosteuropa, der Sturz der iranischen Regierung Mohammed Mossadegh (1953) und der Spionagetunnel in Berlin (1954–1956) genannt seien.

Das britisch-amerikanische Modell beruhte also, im Unterschied zum »tschekistischen« Modell im sowjetischen Herrschaftsbereich, auf der gleichberechtigten Zusammenarbeit souveräner Staaten, wobei es den Partnern überlassen blieb, sich an einzelnen Kooperationen und Operationen zu beteiligen oder nicht. An diesem Modell orientierte sich der frühe BND. Es verstand sich dabei von selbst, dass seine Zusammenarbeit mit den angelsächsischen Staaten nicht »auf Augenhöhe« erfolgen konnte, zumal es noch vielerlei militärische Technologien und geheimdienstliche Methoden und Operationen gab, die man mit den Deutschen nicht teilen wollte. Dazu gehörten vor allem die Atomtechnologie sowie die Verschlüsselung und Entschlüsselung von Texten und elektronischen Signalen. Bei der Zusammenarbeit mit dem BND handelte es sich also zunächst nur um eine geheimdienstliche Zuarbeit der deutschen Seite. Eine gewisse Ausnahme machten die Franzosen. Sie hatten nur wenig an geheimer Militärtechnik über die Kriegszeit hinweg gerettet und fühlten sich deshalb gegenüber den Angelsachsen zurückgesetzt. Allerdings blieben auch bei ihnen die überseeischen geheimdienstlichen Verbindungen ein nach allen Seiten streng gehütetes nationales Geheimnis.

Genau genommen gab es bis zur Gründung des BND am 1. April 1956 keinen deutschen Auslandsgeheimdienst, denn die Org unterstand bis 1949 dem amerikanischen Militär, danach der CIA. Allerdings gab es seit 1951 eine, wenn auch unverbindliche, Absprache, daraus alsbald einen Geheimdienst der westdeutschen Bundesrepublik zu machen. Der französische Geheimdienst Service de Documentation Extérieure et de Contre-Espionnage (Dienst für externe Dokumentation und Spionageabwehr – SDECE) ergriff frühzeitig die Initiative zur Zusammenarbeit mit der Org, obgleich es dafür einer amerikanischen Genehmigung bedurfte.11 Die Briten zogen 1954 nach, hatten jedoch davor bereits allerlei Kontakte aufgebaut und über ihre Geheimdienstallianz mit den Amerikanern eine Fülle von Meldungen und Analysen der Org bezogen.

Was sich im Fall der Franzosen und Briten als eine schrittweise entstandene Zusammenarbeit beschreiben lässt, war gegenüber den USA etwas völlig anderes. Die Org wurde von den Amerikanern aus deutschem Personal aufgebaut, gesteuert und finanziert. Deshalb hatte sie den USA zu dienen. Allerdings kam im US-Militär sowie nachfolgend in der CIA bald der Gedanke auf, die Org nicht nur als Apparat zur Beschaffung von Informationen zu sehen, sondern auch als Instrument, mit dem man künftig auf die westdeutsche...

Erscheint lt. Verlag 18.1.2021
Reihe/Serie Veröffentlichungen der UHK zur BND-Geschichte
Veröffentlichungen der UHK zur BND-Geschichte
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Zeitgeschichte ab 1945
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Auslandsaufklärung • BSSO • CIA • CIC • CIG • DDR • JIB • JIC • KGB • MI5 • MI6 • NATO • Organisation Gehlen • Reinhard Gehlen • SDECE • Sowjetunion • Spionage • Third party rule • Westintegration • Wiederbewaffnung
ISBN-13 9783862844890 / 9783862844890
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