Sebastian Kurz (eBook)
304 Seiten
FinanzBuch Verlag
9783960924906 (ISBN)
Judith Grohmann ist Absolventin der international hoch angesehenen französischen Privatschule Lycée Français de Vienne, seit ihrem 17. Lebensjahr Journalistin mit Schwerpunkt Enthüllungsjournalismus, Wirtschaft und Politik, sowie Buchautorin. Ihr letztes Buch In geheimer Mission. Was Polizeispezialeinheiten im Kampf gegen Verbrechen und Terror erleben wurde in mehrere Sprachen - darunter Englisch und Französisch - übersetzt.
Judith Grohmann ist Absolventin der international hoch angesehenen französischen Privatschule Lycée Français de Vienne, seit ihrem 17. Lebensjahr Journalistin mit Schwerpunkt Enthüllungsjournalismus, Wirtschaft und Politik, sowie Buchautorin. Ihr letztes Buch In geheimer Mission. Was Polizeispezialeinheiten im Kampf gegen Verbrechen und Terror erleben wurde in mehrere Sprachen – darunter Englisch und Französisch – übersetzt.
PROLOG
Sonnenstrahlen bedeckten mein Gesicht, während ich hastig über das steinerne Pflaster auf dem Wiener Minoritenplatz huschte. In der Mitte dieses Platzes steht eine gotische Kirche aus dem 13. Jahrhundert. Wir schreiben den 30. November 2016. Die Vorweihnachtszeit hatte begonnen. Draußen waren es sechs Grad. Ich hatte meinen Wintermantel angezogen und fror trotzdem ein wenig. Noch ein paar Schritte, dann betrat ich die beheizte Empfangshalle an der Rückseite des Palais Niederösterreich. Es handelt sich um ein Gebäude, welches über 500 Jahre alt ist. Die Wiener Innenstadt kann nicht nur aus kultureller, sondern auch aus politischer Sicht einiges vorweisen und erzählen. Während der Sicherheitsbeamte meinen Presseausweis prüfte, wurde ich von seinem Kollegen im Kabinett angemeldet. Danach führte man mich in einen eleganten Warteraum mit einer Ledercouch. Dort nahm ich Platz. Vor mir stand ein Pult, dahinter saß ein Wächter. Er lächelte mir freundlich zu. Wenige Minuten später holte mich eine Mitarbeiterin aus einem Büro, welches ein Stockwerk höher lag, ab. Die junge Frau lächelte mich an und streckte mir ihre Hand zur Begrüßung entgegen. Dann stiegen wir gemeinsam über die geschwungenen barocken kalksandsteinernen Treppen in den ersten Stock hinauf. Entlang der Mauern befand sich schöne Stuckatur aus einem anderen Jahrhundert. Oben angekommen, mussten wir zunächst zwei Sicherheitstüren durchqueren, bevor wir in einem schmalen, endlos langen und mehrere Meter hohen, weißen Korridor standen. Dieser Korridor war voller Türen. An einer dieser Türen lehnte ein Mann im dunkelgrauen Anzug, der nachdenklich mit seinem Zeigefinger über seine Lippe strich. Der Pressesprecher des Außenministeriums galt als Troubleshooter der Nation und war ein in der österreichischen Medienszene bestens vernetzter Mensch, der seinen Chef stets vor kritischen Journalisten verteidigte. Während er noch die gegenüberliegende Seite des Korridors mit seinem scharfen Blick fixierte, gingen wir langsam weiter. Irgendwann sah er neugierig zu uns herüber und lächelte mich an. Willkommen im Ministerium.
Er führte mich in sein Arbeitszimmer. Es war nicht groß. Vor dem Fenster standen zwei riesige Holzschreibtische, die aneinandergestellt waren. Darauf thronten zwei Computer und zwei hellgraue Telefone. In einer Ecke, an der Wand, stand eine kleine schwarze Ledercouch. Ich nahm darauf Platz. Er setzte sich mir gegenüber. Aus den Augenwinkeln beobachtete er mich. Er schien neugierig zu sein auf das, was ich ihm erzählen würde.
Zwei Espresso mit Milch und Zucker wurden serviert, bevor wir mit dem Hintergrundgespräch beginnen konnten. Er wollte sofort mehr über mich erfahren: Meine Karriere, meine Arbeitgeber und meine Kollegen interessierten ihn. Aber auch die Artikel, die ich schrieb. Ich schmunzelte innerlich und begann zu erzählen. Dazwischen tranken wir unseren Espresso.
Ich sprach nicht gerne über mich selbst, denn als Journalist ist man zur Bescheidenheit erzogen. Doch dieser Termin war wichtig, denn ich wollte unbedingt rasch ein Interview mit seinem Chef haben.
In Österreich ist der Aufbau eines Interviews mit einem internationalen Medium mit einem der Großen aus der Politik ähnlich dem Aufbau einer Geschäftsbeziehung zwischen zwei Unternehmen aus unterschiedlichen Ländern. Zugegebenermaßen hat es fast schon etwas Komödiantisches an sich, wenn man als Journalist auf den Pressesprecher eines wichtigen Ministers trifft. Denn in Österreich beherrschen die Beamten in den Kabinetten ihrer Minister das freundschaftliche, wienerische Palavern mit Medienvertretern ausgezeichnet. Man spricht über alles und nichts, über Gott und die Welt. Und man schenkt sich gegenseitig Komplimente, genauso wie es soeben hier am Minoritenplatz gerade geschah. An einem der ältesten öffentlichen Plätze mitten in der Wiener Altstadt fand genau in diesem Augenblick ein Gespräch statt, das sich in etwa wie folgt anhörte: »Sie sind sehr jung Journalistin geworden, Bravo!«, »Sie sind im Kabinett des jüngsten Außenministers von Österreich, Bravo!«
Diese Form der Konversation erschien auf den ersten Blick hin sehr unkonventionell. In Wahrheit war sie essenziell, um einen engeren Kontakt zum Sprecher des Ministers zu bekommen. Die Sympathie wurde sukzessive im Gespräch aufgebaut. In Momenten wie diesen versucht der Journalist sich in diplomatischer Art und Weise für die Tätigkeit seines Gegenübers zu interessieren. Die beiden Gesprächspartner testen sich gewissermaßen ab, bevor der Journalist zur Tat schreiten kann und ihm mit der Zeit gezielte Insiderinformationen anvertraut werden. Doch sobald man das Vertrauen seines Gegenübers gewonnen hat, wird man vorerst meist in kleine, unwichtige Details aus der Politik eingeweiht. Eines ist bei diesem Spiel die Bedingung: Man muss Österreichs politisches Umfeld zunächst über mehrere Stunden, meist mehrere Tage und Wochen in dieser Form kennenlernen, bevor gegenseitiges Vertrauen überhaupt entstehen kann und Informationen ausgetauscht werden können. Und eines war für mich an diesem Tag von Anfang an sonnenklar: Ohne diesen Termin gab es kein Interview.
Das Gespräch dauerte eine ganze Stunde. Wir tauschten uns ein wenig über unseren beruflichen Alltag aus und verstanden uns sehr gut. In einer Pause beschloss ich, noch einen Schluck Kaffee zu trinken, bevor ich mich neugierig erkundigte: »Und wie geht es unserem Herrn Minister?«. Genau das schien eine wichtige Frage gewesen zu sein. Mir fiel auf, dass mein Gegenüber zwar antworten wollte, er aber stattdessen begann, die offene Türe, die sich gleich rechts neben uns befand, mit seinen Augen zu fixieren. ›Seltsam‹, dachte ich mir, denn ich war es gewohnt, dass man sich in Momenten wie diesem, eigentlich in die Augen sah und auf das gemeinsame Gespräch konzentrierte. Deshalb wunderte es mich, dass mein Gesprächspartner konzentriert in eine andere Richtung blickte. Vielleicht hatte er die Frage ja überhört, dachte ich mir und legte einfach noch eine Frage nach: »Ist unser Herr Außenminister gerade in Wien, oder ist er im Ausland unterwegs?«
Doch der Pressesprecher schien mich zu ignorieren. Er starrte konzentriert zur offenen Türe. Ich war verwundert. Es ist in diplomatischen Kreisen gänzlich unüblich, dass ein wohlerzogener Gesprächspartner eine Frage seines Gegenübers einfach nicht zur Kenntnis nimmt. Und so war ich der festen Überzeugung, dass ich meiner journalistischen Neugierde freien Lauf lassen sollte und ergründen musste, was ihn von einer Antwort abhielt.
Und so sah auch ich zur Türe hinüber. Doch mit einem Mal erklärte sich die Abwesenheit des Pressesprechers. Zunächst erblickte ich nur eine Silhouette. ›Ist er es wirklich?‹, dachte ich mir. Ich sah lediglich einen Teil eines Kopfes, doch der kam mir bekannt vor. Diese dunkelbraunen Haare, die streng nach hinten gekämmt waren, und die kleine, spitze Nase, die aus seinem Gesicht hervorlachte. Der Mann, der hier lässig an der Türe lehnte, war fast einen Meter neunzig groß und von merklich dünner Statur. Er wirkte wenig ministeriell. Er trug einen dunkelgrauen Anzug, dazu schwarze Socken, schwarze Schuhe und ein weißes Hemd mit einer dunklen Krawatte, die fest saß. Und völlig unerwartet trat er mit einem Mal durch die Tür.
Er sah aus dem Fenster und blickte gedankenversunken in die Ferne. Ob er uns wahrgenommen hatte, war fraglich. Das helle Sonnenlicht leuchtete in den Raum hinein. Doch das störte ihn nicht. Die Herbstsonne blendete sein Gesicht. Er war vertieft und in Gedanken versunken. Er fokussierte, und das schien – wie ich später erfuhr – ein Markenzeichen von ihm zu sein.
Ein paar Sekunden lang beobachteten wir ihn gemeinsam. Dann beschloss der Pressesprecher seinen Vorgesetzten anzusprechen. »Sebastian, kann ich etwas für dich tun? Brauchst du etwas von mir?« Keine Reaktion. Weder ein Augenzwinkern, noch ein Schmunzeln, noch eine abwehrende Handbewegung. Nichts. Der Minister starrte weiterhin ins Leere. Er schien mit seinen Gedanken weit entfernt von dem Ministerium zu sein, das er zu diesem Zeitpunkt leitete. Vielleicht dachte er ja über die aktuelle Politik in Österreich nach, über den Koalitionspartner oder über eine Bemerkung aus den eigenen Reihen, die er selber erst verdauen musste. Oder aber über einen wichtigen Schritt, den er als Politiker in den nächsten Tagen offiziell setzen wollte. Der junge Außenminister war konzentriert und überdachte eine Angelegenheit, die ihn offensichtlich stark beschäftigte, so viel war gewiss. Es war ein besonderer Augenblick für mich. Denn ich sah einen Politiker bei seiner täglichen Arbeit, versunken in Gedanken über die beste Strategie. Abseits von Kameras und Mikros. Für eine Journalistin ein besonderer Augenblick, kennt man doch Politiker meist nur von öffentlichen Auftritten und Medienterminen. So etwas passiert wirklich nicht jeden Tag.
Schließlich atmete er tief durch. Also sprang ich auf und ging einen...
| Erscheint lt. Verlag | 9.9.2019 |
|---|---|
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
| Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
| Schlagworte | Biografie • Buch • Bundeskanzler • FinanzBuch Verlag • FPÖ • Österreich • Österreichisch • ÖVP • Politik • Populismus • populistisch • Rechtsextrem • Rechtsruck • Sachbuch |
| ISBN-13 | 9783960924906 / 9783960924906 |
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