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Spione im Zentrum der Macht (eBook)

Wie die Stasi alle Regierungen seit Adenauer bespitzelt hat
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
384 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-22928-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Spione im Zentrum der Macht -  Heribert Schwan
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Deutsch-deutsche Geschichte - spannend wie ein Krimi
Günter Guillaume kam Willy Brandt ganz nah. Als der DDR-Agent enttarnt wurde, trat der Kanzler zurück - es war die größte Spionageaffäre der deutschen Geschichte. Doch Guillaume war nur die Spitze des Eisbergs. Es gab Tausende Stasi-Spitzel, die aus dem »Operationsgebiet« BRD berichteten.
Heribert Schwan hat über 80.000 Blatt Stasi-Akten gesichtet, um die Ausmaße der DDR-Spionage im Westen nachzuvollziehen. Er zeigt, wie die Stasi das gesamte Bonner Spitzenpersonal ins Visier nahm, darunter auch die Kanzler, von Adenauer bis Kohl. Doch mehr noch, das MfS streute auch aktiv Fehlinformationen, um die BRD-Regierungen und führende Persönlichkeiten zu diffamieren. Schwan gibt Einblick in die Strategien, Pläne und Tricks der selbst ernannten »Kundschafter des Friedens« und erklärt, wie das Agentennetz funktionierte. »Spione im Zentrum der Macht« ist ein Aufklärungswerk, das die 40 Jahre, in den es zwei deutsche Staaten gab, beklemmend genau beleuchtet. Es führt dem Leser vor Augen, wie weit die Macht der Stasi im Westen reichte und wie durchtrieben die Methoden der DDR-Auslandsspionage waren.

Heribert Schwan, Dr. phil., geboren 1944, war Redakteur beim Deutschlandfunk und beim WDR-Fernsehen, u.a. verantwortlich für die Kulturfeatures im ARD-Programm. Für seine Dokumentationen erhielt er zahlreiche nationale und internationale Preise; für seinen Film »Die verdrängte Gefahr - Neonazismus« wurde er mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. Heribert Schwan verfasste für Helmut Kohl drei Bände von dessen Memoiren und ist Autor zahlreicher anderer Bücher; darunter einige Bestseller. Zuletzt erschien von ihm »Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle« (zusammen mit Tilman Jens).

2. Feindbild Adenauer

Die Hartnäckigkeit, die immensen personellen wie finanziellen Anstrengungen, mit denen die HVA des Markus Wolf versuchte, in den Machtapparat des ersten deutschen Bundeskanzlers einzudringen, waren tief in der Ideologie des DDR-Staats verankert. Konrad Adenauer, von 1949 bis 1963 im Amt, galt als Inkarnation der hässlichen Bundesrepublik, des Klassenfeindes schlechthin. Noch im Lexikon »Biographien zur Weltgeschichte«, kurz vor der Wende von führenden DDR-Historikern herausgegeben, wird er mit Worten des Abscheus bedacht: »Seit 1945 und besonders 1948/49 als Präsident des Parlamentarischen Rates betrieb Adenauer die Restauration des deutschen Imperialismus, die Spaltung Deutschlands, und die Einbeziehung der Westzonen in das westliche Bündnissystem. Er betrieb die Remilitarisierung der BRD und deren Eintritt in die NATO sowie eine autoritäre antikommunistische Innenpolitik.«

Mit welch dumpf-agitatorischen Schlagworten haben ihn die führenden Köpfe des SED-Politbüros nicht alles bedacht: »Separatist«, »Spalter«, »Handlanger des Monopolkapitals« oder auch »Schutzherr der alten Nazis«! Albert Norden, KPD-Mitglied seit 1920, in den DDR-Gründerjahren Leiter der Hauptabteilung Presse im Amt für Information, hat Adenauer bereits 1949, im Vorfeld der Wahlen zum ersten Deutschen Bundestag, im SED-Zentralorgan »Neues Deutschland« mit Agit-Prop-Getöse charakterisiert – als »Veteran des Landesverrats«, der als Befehlsempfänger der USA allein den imperialistischen Interessen des Westens folge.

Ein Jahr später legte Norden in der »Täglichen Rundschau«, dem Organ der sowjetischen Besatzungsmacht, nach und kommentierte den jüngsten Berlin-Besuch Adenauers, der in der Frontstadt lautstark die Wiedervereinigung gefordert hatte, auf drastische Weise: »Dieser Prototyp des nationalen Verrats, der Nachfolger Wilhelms II. und Hitlers, der Deutschland in den dritten Weltkrieg hetzen will, hat die Stirn, in Berlin als Advokat der Einheit aufzutreten.«

Für das 1950 gegründete Ministerium für Staatssicherheit war dieses Adenauer-Feindbild wegweisend und über Jahre prägend. Mein ehemaliger Deutschlandfunk-Kollege Karl Wilhelm Fricke, der Kölner Stasi-Experte, ist freilich der Überzeugung, »dass die Staatssicherheit auch ihrerseits auf das Adenauer-Bild der SED Einfluss genommen hat, indem sie Informationen und Erkenntnisse aus der Spionage zur politischen Meinungsbildung der Parteiführung zur Verfügung stellte. Das geschah etwa in den von ihr erarbeiteten Analysen und Lageberichten, und indem sie auch persönliche Daten und geheime Dokumente für Zwecke der Desinformation und Agitation in beiden deutschen Staaten zur Veröffentlichung freigab.«

Ende 1952 zählte die Geheimpolizei der DDR bereits 8.800 Mitarbeiter. Die meisten von ihnen glaubten der Staats-Propaganda, dass die Regierung Adenauer aktuelle Kriegsvorbereitungen unternähme und »begriffen daher ihren Dienst in der Staatssicherheit als Beitrag zur Friedenssicherung«, schreibt Fricke.

Anfang der Fünfzigerjahre hatte die DDR-Auslandsspionage mit dem Aufbau des »Außenpolitischen Nachrichtendienstes« (APN) begonnen. Er war als »Institut für wirtschaftswissenschaftliche Forschung« getarnt. Markus Wolf wurde 1952 mit 29 Jahren zum Leiter des APN berufen. Er fand schon damals ein weltweites Agentennetz mit 4.600 Hauptamtlichen und über 10.000 Inoffiziellen Mitarbeitern vor. 1.500 dieser Kundschafter agierten in der Bundesrepublik. 1953 dann wurde der »Außenpolitische Nachrichtendienst« in das Ministerium für Staatssicherheit eingegliedert, mit ihm nach dem Volksaufstand in der DDR heruntergestuft und dem Innenministerium unterstellt und 1956 in die »Hauptverwaltung Aufklärung« umgewandelt.

An der Kanzlerschaft Adenauers haben sich die Dunkelmänner aus dem Ostteil Berlins 14 Jahre lang abgearbeitet. Das Aktenkonvolut zu seiner Person und seinen Amtsgeschäften, das mir die Stasiunterlagenbehörde in Kopie übergab, umfasst vier Aktenordner mit insgesamt rund 2.500 Blatt. Ob die auf den alten Herrn aus Rhöndorf angesetzten Agenten noch weitere Papiere lieferten, die in den Wochen nach dem Mauerfall 1989 vernichtet wurden, liegt im Dunkeln. Jedenfalls scheinen die Überlieferungen lückenhaft. Auf der »Rosenholz«-Karteikarte sind die üblichen Grunddaten zu Adenauers Person erfasst. Angaben über die für ihn zuständige Diensteinheit des MfS sind ebenfalls festgehalten. Die Kartei wurde am 24. März 1954 angelegt und trägt die Registriernummer XV/19793/60. Die erspitzelten Informationen enden – eher zufällig – am 29. Juni 1964 und wanderten dann ins Stasiarchiv.

Die Akten beginnen mit einem vierseitigen Dokument vom 17. Dezember 1953. Seit dem niedergeschlagenen Volksaufstand war genau ein halbes Jahr vergangen. Die DDR-Staatssicherheit plante »operative Maßnahmen«, den Einsatz von GM (Geheime Mitarbeiter) und GI (Geheime Informatoren) anlässlich einer bevorstehenden Viererkonferenz in Berlin. Vom 25. Januar bis zum 18. Februar 1954 sollten sich die Außenminister der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges nach fünf Jahren erstmals wiedertreffen. Auf der Tagesordnung der Beratungen in den Räumen des Alliierten Kontrollrates im Stadtteil Schöneberg stand nicht weniger als der kühne Versuch, die deutsche Frage zu lösen.

Angeblich lagen dem »Staatssekretariat für Staatssicherheit«, wie das MfS in der Phase der Abwertung zu einem Teil des Innenministeriums offiziell hieß, Informationen vor, wonach der amerikanische Geheimdienst mithilfe der ihn unterstützenden »deutschen Verbrecher-, Spionage- und Terrororganisationen« beabsichtige, sowohl vor der Konferenz als auch währenddessen Provokationen auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik und im Osten Berlins zu organisieren und auch die Verteilung von Flugblättern zur Beunruhigung der Bevölkerung zu organisieren. Die Verfasser des Geheimdokuments echauffieren sich, in Westdeutschland und in West-Berlin werde »eine zügellose und gemeine Hetze gegen die Deutsche Demokratische Republik entfaltet, um eine feindliche Stimmung innerhalb der westdeutschen und Westberliner Bevölkerung gegen die DDR und besonders gegen die Sowjetunion zu erreichen«.

Zur Koordinierung aller operativen Maßnahmen und zur Auswertung der eingehenden Berichte, Meldungen und Hinweise wurde ein hochrangig besetzter Abteilungsstab gebildet. Augenfällig war der schon damals immense Personalaufwand, den Ost-Berlins Schlapphüte trieben: Einsatzbereit waren im Westsektor Berlins 43 GM und 41 GI. Im Ostteil der Stadt, »im demokratischen Sektor«, wie er im Jargon der DDR-Propaganda hieß, schoben 4 GM und 114 GI ihren Dienst. Zur Durchführung von Treffs standen 45 konspirative Zimmer und sechs Häuser zur Verfügung. Außerdem konnte – falls erforderlich – auf 17 Pkw zurückgegriffen werden, davon sechs mit Fahrern, die zugleich GM oder GI waren.

Schwerpunkte der »Aufklärung und Erkundung« waren die Bezirke Tempelhof und Schöneberg. In Tempelhof das Areal rund um den Flugplatz, in Schöneberg besonders die Elßholzstraße, wo der Alliierte Kontrollrat residierte. Spionage als konspiratives Geländespiel!

Erkundet werden sollte die Stimmung in der Bevölkerung. »Feindliche Personenkreise« waren zu orten. Vor allem aber, so der Auftrag, gelte es »die DDR schädigende Handlungen« zu verhindern: in der Wirtschaft, im Verkehr, in der Versorgung, dem Kulturleben, der Produktion. Die Gefahr von Streiks und Sabotage, von Attentaten, ja sogar von einem Staatsstreich wurde raunend beschworen. In den Augen der Stasi, der die Revolte des 17. Juni 1953 noch in den Knochen steckte, war der Arbeiter- und Bauernstaat von Feinden umzingelt in diesen Tagen der Viermächtekonferenz. Große Geheimdienst-Paranoia!

Alle geheimdienstlichen Operationen rund um die Berliner Außenministerkonferenz wurden vom Staatssekretariat für Staatssicherheit als Aktion »Frühling« deklariert. Der damalige Generalleutnant Erich Mielke leitete die Unternehmung persönlich und ließ sich Tag und Nacht telefonisch über die Geschehnisse informieren. Sonderlich viel ist nicht passiert. Weder im Osten noch im Westen gab es auch nur den Anflug eines Übergriffs zu vermelden. Als die Vertreter der Alliierten, ohne den kleinsten Konsens erzielt zu haben, wieder abgereist waren, wurde beim Geheimdienst im Osten der Stadt ungewohnt selbstkritisch, geradezu vernichtend Bilanz des grotesk monumentalen Maulwurf-Einsatzes gezogen. Ein siebenseitiges Geheimpapier der Staatssicherheit benennt eklatante Fehler. Vor allem die Abstimmung, die Koordination mit den ausgesandten GM und GI, habe in keiner Weise funktioniert. Einige der meist wenig substanziellen Berichte sind im Aktenkonvolut zu Adenauer dokumentiert.

Wenige Tage nach dem Scheitern der Viererrunde hielt der Bundeskanzler dann, am 23. Februar 1954, in der Ostpreußenhalle am Funkturm eine Rede, die sich, mit allerlei handschriftlichen Korrekturen, in Adenauers Stasiakten wiederfindet. Der Bonner Regierungschef sagte, die Lage sei ernst. Das habe ihn nach Berlin geführt. Die Deutschlandfrage: noch immer ungelöst, die Wiedervereinigung, wie sie der Bonner Bundestag Monate zuvor noch einmal offiziell gefordert hatte, in weiter Ferne. »Das ist für Sie in Berlin und für die Deutschen in der Sowjetzone eine bittere Enttäuschung«, sagte er den Berlinern.

Und dann fand der Kanzler, wenn der Bericht des Kundschafters zutrifft, offenbar recht pathetische Worte:

»Ich bin zu ihnen geeilt, um ihnen zu sagen, dass alle Deutschen, wo immer sie in der Welt sein mögen, mit ihnen fühlen. Und es sind nicht nur die Deutschen, die so denken, es sind die Angehörigen aller Völker der freien Welt, alle Menschen auf Gottes...

Erscheint lt. Verlag 23.9.2019
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte BRD • Bundeskanzler • DDR • eBooks • Geheimagenten • Geheimdienst • Geschichte • Guillaume • Helmut Kohl • Helmut Schmidt • Kalter Krieg • Konrad Adenauer • Kurt-Georg Kiesinger • Ludwig Erhard • Ministerium für Staatssicherheit • Spionage • Spionagebiographien • Stasi • Willy Brandt
ISBN-10 3-641-22928-6 / 3641229286
ISBN-13 978-3-641-22928-3 / 9783641229283
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