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Alles ist besser als noch ein Tag mit dir (eBook)

Über die Liebe, ihr Ende und das Leben danach
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
208 Seiten
Knaus (Verlag)
978-3-641-17926-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Alles ist besser als noch ein Tag mit dir -  Jan Fleischhauer
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Einer der erfolgreichsten Journalisten Deutschlands vor den Scherben seiner Ehe
»Alles ist besser als noch ein Tag mit dir!« Als ihm seine Frau Ella diesen Satz an den Kopf wirft, bricht für den erfolgreichen Journalisten eine Welt zusammen. Von einem Tag auf den anderen scheint alles verloren, worauf bis eben das gemeinsame Leben gründete. Dass ein jüngerer Mann im Spiel ist, erleichtert das Ganze auch nicht gerade. Also macht unser Held, was er immer tut, wenn er einer Sache auf den Grund gehen will: Er beginnt zu schreiben - über die Verzweiflung, die Wut, den Schmerz, aber auch die Kraft, die ihm in der Krise zuwächst, und seinen unerschütterlichen Glauben an die große Liebe.

Jan Fleischhauer, geboren 1962 in Hamburg, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie. Nach dreißig Jahren beim SPIEGEL, wo er unter anderem als Berliner Büroleiter und Wirtschaftskorrespondent in New York tätig war, wechselte er im Sommer 2019 zum »Focus«. Seine Kolumnen, die unter dem Titel »Der schwarze Kanal« erscheinen, gehören regelmäßig zu den meistgelesenen Meinungsartikeln in Deutschland. 2009 erschien der Bestseller »Unter Linken. Von einem, der aus Versehen konservativ wurde«, 2017 sein Trennungs-Buch »Alles ist besser als noch ein Tag mit dir«, das ebenfalls auf die Bestsellerliste gelangte. 2020 veröffentliche er »How dare you! Vom Vorteil, eine eigene Meinung zu haben, wenn alle dasselbe denken«. Fleischhauer lebt mit seiner Familie in Pullach bei München.

Männer sind von heiliger Einfalt

KAPITEL EINS, in dem der Held feststellt, dass sein Leben auf Sand gebaut ist, und er sich mit dem Gedanken anfreunden muss, seine Frau an einen anderen verloren zu haben

Ich wünschte, meine Frau wäre eine Affäre eingegangen, bevor sie mich verließ. Eine schicksalhafte Verbindung, die sie mir unter Tränen gestanden hätte und gegen die, wie ich hätte einsehen müssen, unsere Ehe keine Chance mehr gehabt hätte: Das hätte ich verstanden. Nicht gebilligt, aber verstanden. Leider war ich wieder an allem allein schuld, wie sich herausstellen sollte.

Sicher, es muss schrecklich sein, wegen jemand anderem im Stich gelassen zu werden. Man zermartert sich das Hirn, was der oder die Neue besitzt, das man selber nicht hat oder vielleicht nie hatte. Man stellt sich vor, wie die Intimitäten und Geheimnisse, die einen als Paar haben zusammenwachsen lassen, langsam durch einen neuen Schatz an Intimitäten und Geheimnissen ersetzt werden, der so lange gedeiht, bis die alten Gemeinsamkeiten derart verblasst und vergilbt sind, dass es gar nicht mehr auffällt, wenn sie auf dem Komposthaufen der Geschichte landen. Ganz sicher ist er oder sie auch eine Granate im Bett.

Aber eine Affäre als Trennungsgrund hat ihre Vorteile. Man weiß, woran man ist. Keine Ausflüchte mehr. Kein Grund, sich länger etwas vormachen zu lassen. Außerdem bekommt die Wut über die Trennung, diese maßlose, jede Luft verzehrende Flamme aus Hass, Selbstmitleid und Weltanklage, ein Ziel. Wenn man mich fragt, ist es besser, einen Flammenwerfer in Händen zu halten als eine Handgranate. Eine Handgranate kann sich immer gegen einen selber richten, ein Flammenwerfer eher nicht.

Ich habe mich im Sommer vor sechs Jahren von meiner Frau getrennt. Na ja, das stimmt nicht ganz. Meine Frau hat sich von mir getrennt, was die Sache für mich nicht einfacher machte. Es war eine schockierende Erfahrung, die ich nicht meinem ärgsten Feind wünsche. Noch heute schrecke ich manchmal nachts mit dem Gedanken auf, dass alles wieder von vorne beginnt. Kein Ereignis hat mich so erschüttert wie das Ende meiner Ehe. Es war eine im wahrsten Sinne lebensverändernde Erfahrung. Ich weiß nicht, ob meine Frau das im Sinn hatte, als sie sich von mir verabschiedete. Wenn ja, dann hat sie erreicht, was sie wollte.

Ich habe meine Frau sehr geliebt, ein Teil von mir liebt sie vermutlich noch immer. Ich dachte, wir würden bis zum Ende zusammen bleiben, trotz aller Schwierigkeiten, die unsere Ehe mit sich brachte. Heute leben wir in zwei Städten: ich in München, sie in Frankfurt, beide gleich weit entfernt von unserer Berliner Wohnung, die jetzt einer netten älteren Dame gehört, von der ich nicht mehr weiß, als dass ihr Onkel Vicco von Bülow war, den die meisten Menschen unter seinem Künstlernamen Loriot kennen.

Für die meisten Menschen ist eine Scheidung die größte Katastrophe in ihrem Leben, so wie ich wissen sie es am Anfang nur noch nicht. Kein anderes Ereignis hat, wenn es einen schließlich ereilt, solch verheerende Auswirkungen, von schweren Unfällen und Krankheiten einmal abgesehen. Alles, worauf sich das gewohnte Leben gründete, wird mit einem Schlag infrage gestellt. Verloren ist die gesellschaftliche und emotionale Sicherheit, die eine Ehe mit sich bringt, selbst wenn sie unglücklich verläuft. Vieles, was bis dahin selbstverständlich erschien, muss neu erlernt werden. Finanziell droht der Ruin.

Man kann sich immer noch Schlimmeres vorstellen. Man kann einen Arm verlieren oder das Augenlicht. Ein naher Mensch stirbt. Manch Unglücklicher zieht sich im Laufe des Lebens ein quälendes, lebensverkürzendes Leiden zu. Aber das sind Schicksalsschläge, gegen die man sich nicht wappnen kann. Die Scheidung gehört zu der Art von Katastrophe, die Menschen sich selber zufügen. Sie ist, was die Wahrscheinlichkeit ihres Eintreffens angeht, auch bei Weitem die gewöhnlichste. Vielleicht wird sie deshalb so oft unterschätzt.

Wie immer, wenn etwas in die Brüche geht und großer Schmerz folgt, führt es einen an seine Belastungsgrenzen. Ich weiß, wovon ich rede, ich habe es am eigenen Leib erfahren. Man lernt sich selbst ganz neu kennen, manchmal besser, als einem lieb ist. Das gilt für den Menschen, mit dem man bis eben noch verbunden war, leider auch.

Es soll Fälle geben, in denen ein Paar einvernehmlich beschließt, getrennte Wege zu gehen. Es gibt ja auch Italiener, die ihr Geld zusammenhalten, und Babys, die vom ersten Tag an durchschlafen. In der Regel folgt dem Entschluss allerdings eine Auseinandersetzung, bei der alle Übereinkommen, die zur Einhegung von Gewalt und Terror getroffen wurden, schlagartig außer Kraft gesetzt sind. Wer den völligen Zusammenbruch menschlicher Zivilisation erleben will, muss nicht nach Nigeria oder in den Kongo fahren. Es reicht, einen Tag an einem deutschen Familiengericht zu verbringen.

Eine Trennung setzt alle möglichen Formen von Emotionen frei, das Bedürfnis nach Rache zuallererst, dazu Angst, Wut, Hass. Es sind zerstörerische Gefühle, die einen überwältigen, wenn man verlassen wird. Aber auch derjenige, der verlässt, findet so schnell keinen Frieden. Am Anfang fühlt er sich schuldig, doch das hält nicht lange, wie einem der Psychologe sagen kann. Dann folgt Verachtung für den anderen, der sich nicht in sein Schicksal fügen will, schließlich ebenfalls Wut und tiefe Abneigung, weil man ja vor sich selbst eine Rechtfertigung braucht, warum die Trennung unausweichlich war. Einen guten Menschen verlässt man nicht, nur einen bösen.

Irgendwann kommt der Punkt, an dem man sich entscheiden muss: Ob die Scheidung darüber bestimmt, wie man sich künftig verhält, man also zum Monster wird – oder man sein Schicksal in die Hand nimmt und versucht, das Beste daraus zu machen. Es ist wie in einem biblischen Gleichnis. Man kann den Moment der Entscheidung hinauszögern, sich Bedenkzeit erkaufen, irgendwann hilft es nichts mehr. Dann muss man seine Wahl treffen. Aber lassen Sie uns an diesem Punkt den Dingen nicht zu weit vorgreifen.

Kennen Sie »Sodbrennen« von Nora Ephron? Es ist eines der besten Bücher über Scheidung, das ich gelesen habe, und Sie können mir glauben: Ich habe viele Bücher zu dem Thema gelesen. Ephron, die Frau, der wir den Film »Harry und Sally« verdanken, war im siebten Monat schwanger, als sie entdeckte, dass ihr Mann sie mit einer Bekannten betrog. Bei Durchsicht seiner Unterlagen war sie auf die Widmung in einem Kinderbuch gestoßen, das ihr Mann von seiner Geliebten geschenkt bekommen hatte. »Mein Liebling«, lautete die Widmung, »ich wollte Dir etwas schenken, um zu markieren, was heute passiert ist und was unsere Zukunft so viel klarer erscheinen lässt.« Wie sich herausstellte, war die besondere Sache, die unbedingt markiert werden musste, der Kauf einer Schlafcouch für ein heimlich angemietetes Büro, das sich das Paar als Liebesnest einzurichten gedachte.

Selbstverständlich ist es eine scheußliche Sache, als Schwangere ausgerechnet in einem Buch mit Kinderliedern das Fait accompli zu entdecken, das eine Ehe zum Einsturz bringt. Um so ein Beweisstück als besondere Widerwärtigkeit zu empfinden, muss man nicht schwanger sein. Aber in jeder Entdeckung steckt auch eine Erlösung. Schlimmer als der Betrug ist die Gutgläubigkeit des Betrogenen, die zum Schaden Spott addiert. Wie Ephron schreibt, wusste sie jetzt wenigstens, wer daran schuld war, dass ihr Mann ganze Nachmittage auf der Suche nach neuen Socken verbracht hatte, ohne jemals mit Socken nach Hause zu kehren: Thelma, die einen Nacken »wie eine Giraffe« hatte und Füße so breit wie ein Wisent und die mindestens zwei Kopf größer war als Noras Buch-Ehemann Mark, der in Wirklichkeit Carl hieß, und über den man nun in »Sodbrennen« nachlesen kann, dass er sogar »mit einer Jalousie Sex haben konnte«.

Was hätte ich dafür gegeben, einmal so vom Leder ziehen zu dürfen. Was wäre es mir für eine Freude gewesen, mich über den Nichtsnutz auszulassen, der unsere Ehe auf dem Gewissen hatte, weil er seine Hände nicht von meiner Frau lassen konnte, wofür er in einer anderen Zeit eine Kugel zwischen die Augen verdient hätte, und der dann auch noch die Kühnheit besaß, ihr das Blaue vom Himmel zu versprechen, so dass sie alles zurückließ, was ihr eben noch heilig gewesen war.

Leider existierte bei uns keine Thelma. Oder, in dem Fall, ein Theodor. Wie mir meine Frau wieder und wieder versicherte, gab es nur einen einzigen Grund, warum es mit uns nicht weitergehen konnte, und das war ich. Kein Händchenhalten mit dem Nebenbuhler, keine Schmetterlinge im Bauch, die sie daran erinnerten, was sie über die Jahre vermisst hatte: Alles, was es brauchte, um sicher zu sein, dass diese Ehe hier und jetzt enden musste, war ein Blick auf mich.

»Lieber hocke ich allein in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in Kreuzberg, als noch einen Tag mit dir zusammenzuleben.« Das waren die Worte, mit der Ella ihre Entscheidung begründete. Wir standen in unserer Küche. Sie hielt sich an der Kochinsel fest, die wir mit dem Architekten in der Mitte des Raumes platziert hatten. Ein Block im Wert von 5000 Euro, der bald den Besitzer wechseln würde, zusammen mit dem Backofen, der bei Bedarf auf Dampfkochen umspringen konnte, und dem Wok-Gasfeld, das aus unserer Küche im Handumdrehen eine chinesische Garstation machte. In dem Moment ahnte ich noch nicht, dass ich den Kreuzberger Verhältnissen schon bald sehr viel näher sein würde als meine Frau.

Zorn ist eine mächtige Waffe. Als Nietzsche von der »Umwertung aller Werte« schrieb, kannte er keine zur Trennung entschlossenen Frauen. Hätte er sie gekannt, wäre ihm sofort klar gewesen, wie kolossal richtig er mit seiner Betrachtung lag. Egal wie...

Erscheint lt. Verlag 2.10.2017
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Autobiographisch • Beziehung • Der Schwarze Kanal • eBooks • Ehekrise • Gesundheit • Lebenskrise • Persönlichkeitsentwicklung • Ratgeber • Rosenkrieg • Scheidung • Scheidungskrieg • Spiegel-Autor • Spiegel Online • Trennung • Unter Linken • Verlassen werden
ISBN-10 3-641-17926-2 / 3641179262
ISBN-13 978-3-641-17926-7 / 9783641179267
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