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Auf der Suche nach der Problemlösungsfähigkeit der Politik (eBook)

Fritz W. Scharpf im Gespräch
eBook Download: PDF
2017 | 1. Auflage
274 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-43727-9 (ISBN)

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Auf der Suche nach der Problemlösungsfähigkeit der Politik -
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Fritz W. Scharpf hat die Politikwissenschaft in Deutschland seit den 1970er-Jahren wie kaum ein anderer geprägt. Seine Einbindung in die Politikberatung zu Beginn der sozialliberalen Koalition gab auch seinen späteren theoretischen und empirischen Arbeiten praktische Relevanz. Im Gespräch mit Adalbert Hepp und Susanne K. Schmidt erläutert der langjährige Direktor des Kölner Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung sein berufliches Wirken vor dem Hintergrund seines persönlichen Werdegangs. Von der Nachkriegszeit bis zur Eurokrise gibt der Band Einblick in das Denken dieses renommierten Wissenschaftlers. Eine Auswahl kürzerer Aufsätze ermöglicht zudem die vertiefte Auseinandersetzung mit den Themen des Gesprächs.

Adalbert Hepp war von 1975 bis 2008 verantwortlich für das Wissenschaftsprogramm im Campus Verlag. Susanne K. Schmidt ist Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Bremen.

Adalbert Hepp war von 1975 bis 2008 verantwortlich für das Wissenschaftsprogramm im Campus Verlag. Susanne K. Schmidt ist Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Bremen.

Inhalt 6
Vorwort 8
Lebenslauf Fritz W. Scharpf 10
Fritz W. Scharpf im Gespräch 16
Ausgewählte Aufsätze aus den Jahren 1972 bis 2010 98
1 Komplexität als Schranke der politischen Planung ( 1972) 100
2 Organisationsprobleme interdisziplinärer Studiengänge: Sozialwissenschaftliche Fakultät und Verwaltungsstudium ( 1968– 1973) ( 1977) 132
3 Theorie der Politikverflechtung: ein kurzgefaßter Leitfaden ( 1978) 142
4 Politische Planung zwischen Anspruch und Realität: Nachtrag zu einer Diskussion ( 1979) 154
5 Plädoyer für einen aufgeklärten Institutionalismus ( 1985) 166
6 Politische Steuerung und politische Institutionen ( 1989) 172
7 Mehrebenenpolitik im vollendeten Binnenmarkt ( 1994) 188
8 Nationale Demokratie im internationalen Kapitalismus ( 1999) 216
9 Sozialstaaten in der Globalisierungsfalle? Lehren aus dem internationalen Vergleich ( 2000) 228
10 Was man von einer europäischen Verfassung erwarten und nicht erwarten sollte ( 2003) 246
11 Föderalismusreform: Weshalb wurde so wenig erreicht? ( 2006) 260
12 Solidarität statt Nibelungentreue 270

Vorwort Fritz W. Scharpf hat mit seinen Arbeiten die Politikwissenschaft nicht nur in Deutschland nachhaltig geprägt. Seine Analysen des Föderalismus, der Arbeits­ marktpolitik und der Europäischen Union, seine Auseinandersetzung mit der Demokratietheorie und seine auf den gemeinsamen Arbeiten mit Renate Mayntz beruhende Ausarbeitung des akteurzentrierten Institutionalismus als Ansatz für die Analyse von Politikprozessen gehören zum Kernbestand des Faches. Noch heute ist er wissenschaftlich aktiv und hat in jüngster Zeit vor allem verschiede­ ne Analysen zur Eurokrise vorgelegt. Regelmäßig hat er sich auch publizistisch zu aktuellen Fragen geäußert. Durch die Mitwirkung in verschiedenen Kommissionen seit den späten Sechzigerjahren fand seine wissenschaftliche Arbeit immer wieder Eingang in die Politikberatung. Im direkten Dialog hat sein scharfsinniger analytischer Blick Generationen von Mitarbeitern und Kollegen geholfen, gesellschaftliche Komplexität zu durchdringen und bessere Erklärungen für ihre Fragestellungen zu finden - von Luhmann in der Kontroverse auf dem DVPW­Kongress 1988 über Steuerungsfähigkeit als 'scharpfsinnig' charakterisiert. Auch an der institutionellen Entwicklung des Faches hatte Scharpf großen Anteil. Er hat den einflussreichen verwaltungswissenschaftlichen Studiengang an der Universität Konstanz gegründet, war Direktor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) sowie später am Max­Planck­Institut für Ge­ sellschaftsforschung (MPIfG) in Köln. Seit nun einem halben Jahrhundert gehö­ ren seine Schriften zu den meistzitierten in der nationalen und internationalen Politikwissenschaft. Sein enormer internationaler Einfluss zeigt sich nicht zuletzt darin, dass ihm im Jahr 2000 als erstem Europäer der renommierte Johan­Skytte­ Preis für Politikwissenschaft verliehen wurde, der oft als Nobelpreis­Äquivalent für das Fach genannt wird. Grund genug, angesichts seines jahrzehntelangen Schaffens ein Gespräch über die Entwicklung seines Denkens zu führen. Darin wird der Bogen gespannt von biografischen Eckpunkten wie der Kindheit und Jugend in Schwäbisch Hall, der Entscheidung, Jura zu studieren, der Zeit in den USA, in Konstanz, Berlin und Köln hin zur politischen Entwicklung in der Nachkriegszeit, seiner Bera­ tungstätigkeit und der Entwicklung seiner wissenschaftlichen Themen. So ge­ winnen die Leserinnen und Leser Einblick in das Denken Fritz Scharpfs und in seinen Werdegang vor dem Hintergrund der Entwicklung der Bundesrepublik und der Europäischen Union. Zu den Themen, die im Gespräch behandelt werden, hat Fritz Scharpf auf unsere Bitte hin aus seinem umfangreichen Werk, das seit den späten Achtziger­ jahren vor allem auf Englisch erschien, einige deutschsprachige Aufsätze aus­ gewählt, die sich nicht ausschließlich an eine reine Fachöffentlichkeit richten. Die zwölf abgedruckten Texte, die zwischen 1972 und 2010 entstanden sind, erlauben es den Leserinnen und Lesern, die inhaltliche Auseinandersetzung mit den im Gespräch aufgeworfenen Fragen zu vertiefen. Die Idee zu diesem Band hatte Adalbert Hepp auf einer Veranstaltung des MPIfG im Jahr 2014. Nach einem ersten Gespräch mit Susanne K. Schmidt in Bremen folgten zwei lange Besuche bei Fritz Scharpf in Köln im Mai und Oktober 2015. Die Tonaufnahme des Gesprächs wurde zunächst von Ursula Meller an der Universität Bremen transkribiert. Nach verschiedenen Überarbei­ tungsrunden durch die Herausgeber und Fritz Scharpf lag die weitere Betreuung des Buchprojekts in Köln bei Christel Schommertz. Christina Glasmacher und Cynthia Lehmann vom MPIfG halfen bei der Recherche bibliografischer und biografischer Details, das Porträt für den Buchumschlag fotografierte Marlene Brockmann, Endredaktion und Herstellung der Druckvorlage wurden mit gro­ ßer Sorgfalt und Umsicht von Thomas Pott am MPIfG übernommen. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Göttingen und Bremen, im Juli 2017 Adalbert Hepp und Susanne K. Schmidt Lebenslauf Fritz W. Scharpf * 12. Februar 1935 in Schwäbisch Hall, verheiratet, drei Kinder Wissenschaftlicher Werdegang 1945-1954Gymnasium St. Michael, Schwäbisch Hall 1954-1959Studium der Rechts­ und Politikwissenschaft an den Universitäten Tübingen und Freiburg im Breisgau 1955-1956Fulbright Stipendium zum Studium der Politikwissenschaft an der Yale University, New Haven, Connecticut 1959Erstes Juristisches Staatsexamen, Universität Freiburg im Breisgau, Eintritt in die SPD 1959-1964Juristisches Referendariat 1960-1961Studienaufenthalt an der Yale Law School, Master in Law (LL.M) 1964Zweites Juristisches Staatsexamen und Promotion (Dr. iur.), Universität Freiburg im Breisgau 1964-1966Assistant Professor of Law, Yale Law School, New Haven, Connecticut 1965Visiting Assistant Professor an der University of Chicago Law School 1966-1968Habilitationsstipendium der Deutschen Forschungs­ gemeinschaft (DFG), Universität Freiburg im Breisgau 1968Ordinarius für Politikwissenschaft, Universität Konstanz 1970-1972Kommission zur Neugliederung des Bundesgebiets 1972-1976Enquete­Kommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestages 1973-1984Direktor am Internationalen Institut für Management und Verwaltung, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) 1975-1980DFG­Senatskommission für die empirische Sozialforschung 1980-1984Sachverständigenrat für Umweltfragen 1984-1986Forschungsprofessur am Internationalen Institut für Management und Verwaltung, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) 1984-1989Programmkommission der SPD 1986-2003Direktor am Max­Planck­Institut für Gesellschaftsforschung (MPIfG), Köln 1986-1987Padoa­Schioppa­Kommission zur Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft nach Vollendung des Binnenmarktes 1987Fellow am Center for Advanced Study in the Behavioral Sciences, Stanford University, California 1991-1994Vorsitzender der Geisteswissenschaftlichen Sektion der Max­Planck­Gesellschaft 1991-1995Mitglied der Grundwertekommission im SPD­Vorstand 1995Jean Monnet Professor am Robert Schuman Centre for Advanced Studies, Europäisches Hochschulinstitut Florenz (EUI) 1995-2000Fachkollegiat, Deutsche Forschungsgemeinschaft 1995-2001Mitglied des Research Council, Europäisches Hochschulinstitut Florenz (EUI) 1997-1998Zukunftskommission der Friedrich­Ebert­Stiftung 1998Mitglied des Internationalen Beirats des Europäischen Zentrums für Staatswissenschaft und Staatspraxis, Berlin 1999Forschungsaufenthalt am Robert Schuman Centre for Advanced Studies, Europäisches Hochschulinstitut Florenz (EUI) 1999Ehrenmitgliedschaft der British Academy 2000Skytteanska priset (Skytteanischer Preis/Johan­Skytte­Preis), Universität Uppsala 2001Forschungsaufenthalt am Institut d'Études Politiques, Sciences Po Paris 2001Ehrenmitgliedschaft der Society for the Advancement of Socio­Economics (SASE); Mitglied des Steering Committee des Robert Schuman Centre for Advanced Studies am Europäischen Hochschulinstitut Florenz (EUI) 2002Preis der Schader­Stiftung, Darmstadt; Ehrenmitgliedschaft der American Academy of Arts and Sciences 2003Mitglied des Kuratoriums der Hertie School of Governance, Berlin 2003Emeritierung 2003Verleihung der Ehrendoktorwürde der Humboldt­Universität zu Berlin 2003-2004Mitglied der Kommission zur Reform der bundesstaatlichen Ordnung 2004Bielefelder Wissenschaftspreis im Gedenken an Niklas Luhmann (zusammen mit Renate Mayntz); Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland - Großes Verdienstkreuz 2007Wissenschaftspreis des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft; Lifetime Contribution Award in Europawissenschaften der European Union Studies Association (EUSA) 2008Verleihung der Ehrendoktorwürde des Europäischen Hochschulinstituts Florenz (EUI) 2016Juan Linz Prize der International Political Science Association (IPSA) Fritz W. Scharpf im Gespräch AH (Adalbert Hepp): Als wir Ihnen dieses Gespräch vorschlugen, reagierten Sie sehr zurückhaltend und meinten, von Interesse sei doch nur, was Sie publiziert haben. Mir scheint es hingegen nicht nur für Wissenschaftshistoriker durchaus interessant zu sein, auch über den Autor etwas mehr zu erfahren, über den biografischen Hinter- grund und zeithistorischen Kontext, der für das wissenschaftliche Werk doch keine so unbedeutende Rolle spielt. SKS (Susanne K. Schmidt): Und es ist auch aufschlussreich, zu hören, wie Du Deine Vita im Nachhinein einordnest. FWS: Ja, meinetwegen. Trotzdem, anders als die Werke von Künstlern, deren Verständnis vielleicht durch Kenntnis ihrer inneren Dämonen und ihrer Lebens­ umstände vertieft wird, müssen unsere Arbeiten sich entweder als empirische Erkenntnis oder als überzeugendes normatives Argument bewähren. Gewiss gibt es auch literarisch interessante Darstellungen der Lebensläufe von Wissenschaft­ lern wie Albert Einstein, Max Weber oder John Nash. Aber zum Verständnis ih­ rer wissenschaftlichen Arbeiten tragen diese wenig bei und die Normalbiografien unserer Kollegen sind vermutlich nicht einmal literarisch interessant. Wir lesen wechselseitig unsere Arbeiten und setzen uns kritisch mit diesen auseinander. Aber wie einer geworden ist, was er ist, das ist weder für das Publikum noch unter uns Wissenschaftlern besonders wichtig. Biografisches Kindheit und Jugend AH: Nun, Sie gehören zu einer Generation, die nach dem Krieg den Wiederaufbau eines zerstörten Landes, den Neuanfang eines demokratischen Gemeinwesens zu be- wältigen hatte. Auf Menschen, die das erlebt und selbst auf die eine oder andere Weise mitgestaltet haben, richten nachfolgende Generationen in besonderem Maße ihren Blick. FWS: Das ist für Leute zutreffend, die fünf oder zehn Jahre älter sind als ich. Ich bin zwar 1935 und damit vor dem Krieg geboren, aber aufgewachsen als Nach­ kriegskind. Was vor 1945 war, hat eigentlich für meine Entwicklung keine Rolle gespielt. Das ist anders bei der Flakhelfergeneration, zum Beispiel bei Habermas und Dahrendorf, die den Bruch als Bruch erlebt und daraus Konsequenzen ge­ zogen haben. Das ist hochinteressant. Ich bin sozusagen das erste Produkt der Reedukation. Meine ganze Sozialisation in politischen Fragen beginnt Ende der Vierzigerjahre mit dem amerikanischen Residence Officer von Schwäbisch Hall in einem wöchentlichen Diskussionskreis. Das ist etwas anderes als die Situation derer, die als Zwanzigjährige aus dem Krieg kamen. AH: Bevor wir das vertiefen, zunächst die Frage: Welche Erinnerungen haben Sie an die Jahre vor dem Kriegsende? FWS: Ich war am Ende des Krieges zehn Jahre alt und in unserem Dorf, das neben Schwäbisch Hall liegt, war ein Fliegerhorst. Jagdflieger. Im Wald neben dem Dorf wurden die Messerschmitt Me 262 gebaut oder jedenfalls zusammen­ gebaut. Das waren die ersten Düsenjäger im Zweiten Weltkrieg. Die sind bei uns erprobt und auch gegen die riesigen Bombergeschwader schon eingesetzt worden. Als die Amerikaner das 1944 entdeckten, haben sie den Flugplatz im­ mer wieder gebombt. Und dann wurde am Bahnhof ein kleines KZ eingerichtet und die verhungernden Häftlinge wurden jeden Tag durchs Dorf zum Flugplatz getrieben, um die Schäden auszubessern - ein Elendszug, den ich heute noch vor Augen habe. Im letzten Teil des Krieges waren die Jagdbomber dann jeden Tag da und haben auf alles geschossen, was sich irgendwo bewegte. Am 20. April 45 wäre ich ins Jungvolk gekommen, doch am 19. kamen die Amerikaner, sodass ich mit Hitler­Jugend und ähnlichen Vergangenheiten nicht aufwarten kann. Aber wenn das so weitergegangen wäre, wäre ich auf jeden Fall erst mal Jagdflieger ge­ worden. Mein Rektor in der Schule wollte mich schon für die Napola anmelden, doch mein Vater hat das mit einem absoluten Veto verhindert. Während gegen Kriegsende die erschöpften deutschen Soldaten sich auf ihrem Rückzug durchs Dorf schleppten, wurden die Hitlerjungen noch zum Volkssturm requiriert. Am Schluss zogen auch die ganz jungen noch in das nahe Waldgebiet, um dort als Werwölfe hinter der Front zu kämpfen. Mein Vater ist ihnen nachgefahren und hat mit der Pistole in der Hand den Anführer gezwun­ gen, die Buben wieder nach Hause zu lassen. Woher er die Pistole hatte, weiß ich nicht mehr. Im letzten Teil des Krieges leistete die SS in unserer Gegend noch heftigen Widerstand und wie viele andere wurde auch unser Dorf in den Kämpfen fast ganz zerstört. AH: Also Ihr Elternhaus war sozusagen nicht gleichgeschaltet? FWS: Nein, nein. Mein Elternhaus war pietistisch und schon seit den späten Zwanzigerjahren gegen die Ideologie der Nazis eingestellt. AH: Welche Funktion hatte Ihr Vater, dass er mit der Pistole irgendeinem Anführer drohen konnte? FWS: Er war Gärtnermeister und hatte eine Gärtnerei. Er war vom Kriegsdienst befreit, uk­gestellt (Unabkömmlichstellung), wie das hieß, weil die Versorgung des Flugplatzes und der für den Flugplatz arbeitenden Zivilbevölkerung als kriegswichtig eingestuft wurde. AH: Als dann die Amerikaner gekommen waren, haben Sie das als einen großen Lichtblick empfunden damals oder waren Sie eher traurig, dass Sie nicht auch in den Wald ziehen konnten? FWS: Nein, das war dann auf andere Weise spannend. Als sie kamen, sprangen sie über den Zaun der Gärtnerei mit so einer eleganten Flanke, die waren bestens in Form. In ihren intakten Uniformen waren die jungen strammen Menschen im Vergleich zu den erschöpft abziehenden Deutschen wirklich eindrucksvoll. Und an die Kinder haben sie Hershey­Schokolade verteilt. So haben eben die Kinder nun die andere Seite interessant gefunden. AH: Also, Sie haben das eher als Befreiung empfunden? FWS: Nein. AH: Weder noch? FWS: Es war ein fortlaufendes Abenteuer für Neun­ bis Elfjährige. Die Erwach­ senen waren völlig beschäftigt, hatten ungeheuer viele Sorgen, und die Kinder hatten ihre Spielräume. AH: Wenn der Vater Gärtnermeister war, dann war er wohl kein Akademiker? FWS.: Nein. AH: Er hat aber den Sohn aufs Gymnasium geschickt? FWS: Ja, aber mit viel Widerstreben. AH: Von Ihnen? FWS: Nein, nein. Von ihm. Er wollte auf jeden Fall, dass seine drei Söhne - ich war der älteste - die Gärtnerei weiterführen. Sie sollten alle Gärtner werden. Doch unsere Mutter hat mit Unterstützung der Lehrer durchgesetzt, dass wir alle erst mal aufs Gymnasium kamen. In meiner Volksschulklasse war ich der einzige, der aufs Gymnasium kam. Da musste man nach Schwäbisch Hall, das waren so vier Kilometer Fußweg. Aber der Kompromiss, den der Vater akzeptiert hat, war, dass mit der Mittleren Reife dann Schluss sei, dass dann die Gärtnerlehre kommen würde und damit die richtige Praxis. Mein Vater war hochintelligent und gebildet als Autodidakt, aber er hielt von Akademikern überhaupt nichts. Sie verstanden von der Welt nichts, redeten nur geistreich daher und richteten lauter Unsinn an. Und es war ein großer Kampf, ehe ich weiter auf der Schule bleiben konnte. Meine beiden Brüder sind nach der Mittleren Reife raus und haben dann die Gärtnerlehre gemacht. Ich als ältester konnte entwischen, weil es ja noch zwei andere gab. AH: Sie wollten also unbedingt durchmachen bis zum Abitur? FWS: Auf jeden Fall. Nicht Gärtner zu werden, sagen wir mal so, das war mein starker Wille. AH: Und nach dem Abitur war die Entscheidung, zu studieren, ganz klar und wur- de das dann unterstützt? FWS: Also, da hatte der Vater schon kapituliert und nicht mehr widersprochen. Für mich war es schon klar, dass ich dann studieren wollte. AH: Haben Sie denn aus der Schulzeit einen Lehrer in Erinnerung, der für Sie sehr wichtig war, um Sie für die Dinge, die dann später kamen, zu interessieren? Oder kam das erst mit dem Studium?

Erscheint lt. Verlag 5.10.2017
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Allgemeines / Lexika
Schlagworte Arbeitsmarktpolitik • Demokratietheorie • Europäische Union • Föderalismus • Fritz W. Scharpf • MPI für Gesellschaftsforschung • Politik • Politikberatung • Politikwissenschaft • Verwaltungswissenschaft
ISBN-10 3-593-43727-9 / 3593437279
ISBN-13 978-3-593-43727-9 / 9783593437279
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