Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Mitgefühl in der Wirtschaft (eBook)

Ein bahnbrechender Forschungsbericht
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
256 Seiten
Knaus (Verlag)
978-3-641-15109-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mitgefühl in der Wirtschaft -  Tania Singer,  Matthieu Ricard
Systemvoraussetzungen
13,99 inkl. MwSt
(CHF 13,65)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
'Die Wirtschaft braucht mehr Mitgefühl!' Tania Singer, Neurowissenschaftlerin und Initiatorin von 'Caring Economics'
Die Befunde der sozialen Wirtschafts- und Neurowissenschaften sind eindeutig: Die Ökonomie hat die Rechnung viel zu lange ohne den Menschen gemacht. Kein Mensch handelt nur rational oder nur egoistisch. In diesem Buch stellen weltweit führende Forscher Denkanstöße für eine Wirtschaft vor, die sich um den Menschen kümmert und so ein Gegengewicht schafft zu einer reinen Leistungs-, Macht- und Konsumorientierung.

Tania Singer, geboren 1969, seit 2010 Direktorin des Max-Planck-Instituts für Soziale Neurowissenschaft in Leipzig, erforscht das menschliche Sozialverhalten sowie soziale und moralische Emotionen wie Empathie, Mitgefühl, Neid, Rache und Fairness. Sie studierte Psychologie in Marburg und Berlin, später Neurowissenschaft in London bevor sie in Zürich gemeinsam mit dem Ökonomen Ernst Fehr wirtschaftliches Entscheidungsverhalten untersuchte.

EINFÜHRUNG

Plädoyer für eine mitmenschliche Wirtschaft

Tania Singer, Matthieu Ricard und Diego Hangartner

Wer heute den Fernseher einschaltet oder Zeitung liest, gerät in ein regelrechtes Trommelfeuer von Debatten über drohende und herrschende Wirtschaftskrisen beziehungsweise über entsprechende Gegenmaßnahmen. Oft gehen die Lösungsvorschläge jedoch keineswegs auf den Kern des Problems ein, in der Regel kehrt man schnell wieder zur Tagesordnung zurück. Doch immer mehr Menschen erkennen, wie unzureichend die bisherigen Lösungsansätze sind. Sie erkennen die Notwendigkeit, unsere Wirtschaftssysteme und unser ökonomisches Handeln, individuell wie auch global, neu zu durchdenken. Immer nur Vorkehrungen zu treffen, um weiteren Krisen vorzubeugen, genügt vielen von uns einfach nicht mehr: Junge Menschen und Familien, Akademiker und Arbeiter, Aktivisten und Politiker auf der ganzen Welt fordern eine sozialere, umweltverträglichere und gerechtere Wirtschaftsordnung – eine Wirtschaft, die nicht den Wünschen und Begierden einiger weniger Eliten Vorrang einräumt, sondern die durch Mitgefühl und eine menschenfreundliche, humanitäre Einstellung der Weltgemeinschaft insgesamt zugutekommt und – mit dem nötigen Weitblick – in der Lage ist, auch auf künftige Generationen und das weitere Schicksal der Biosphäre Rücksicht zu nehmen. Ist so ein System möglich? Wie sähe es aus, und wie könnte es unsere Welt verändern?

Im April 2010 trafen sich in Zürich Denker aus so unterschiedlichen Bereichen wie den Wirtschaftswissenschaften, der Neurowissenschaft, der Psychologie, der Philosophie, der Meditationspraxis und aus Unternehmen mit Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama, um bei einer Tagung mit dem Titel »Altruismus und Mitgefühl in Wirtschaftssystemen« diesen Fragen nachzugehen. Gastgeber und Organisator der Tagung war das Mind and Life Institute. Das Mind and Life Institute, aus einer Reihe von interdisziplinären Dialogen zwischen Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama, Wissenschaftlern, Philosophen und Meditierenden hervorgegangen, will die Natur des Geistes und die Beschaffenheit der Wirklichkeit erforschen, um dadurch bessere Voraussetzungen für das allgemeine Wohlergehen zu schaffen. Seit 1987 haben diese Dialoge ein weites Themenspektrum ausgelotet – von der Physik, der Kosmologie, der Ökologie und der Ethik bis hin zu den destruktiven Emotionen und zu Fragen aus dem Bildungsbereich.[1]

In vielerlei Hinsicht ist »Altruismus und Mitgefühl in Wirtschaftssystemen« eine Mind-and-Life-Tagung mit besonders hoch gesteckten Zielen, die sich aus einer Idee der Neurowissenschaftlerin Tania Singer ergab. Seit 2006 arbeitete Singer an einem Forschungsprogramm der Universität Zürich mit, in dem Psychologen, Neuro- und Wirtschaftswissenschaftler gemeinsam die Grundlagen menschlichen Sozialverhaltens und der Zusammenarbeit untersuchten. Damals hatten Mikroökonomen wie Ernst Fehr (siehe Kapitel 6 und 10) bereits gezeigt, dass Menschen bei geschäftlichen Interaktionen nicht nur auf Eigennutz, sondern auch auf Fairness achten. Die vorhandenen Wirtschaftsmodelle gingen hingegen meist von der Annahme aus, der Mensch habe in erster Linie egoistische Präferenzen. Mitgefühl und altruistische Motivation wurden zwar in psychologischen sowie neurowissenschaftlichen Studien häufig thematisiert und untersucht und bildeten zudem den Kern hoch entwickelter buddhistischer Meditationsübungen, den Wirtschaftswissenschaften und der realen Geschäftswelt waren sie hingegen nach wie vor fremd. Tania Singer wollte diese Wissenschaftsdisziplinen an einen Tisch bringen, um herauszufinden, wie wettbewerbsorientierte Wirtschaftssysteme sich mit humanitären Werten und einer prosozialen, helfenden Motivation in Einklang bringen lassen. Sie stellte die Idee dem Mind and Life Institute vor und tat sich mit Diego Hangartner, zu diesem Zeitpunkt europäischer Generalsekretär von Mind and Life, und mit dem französischstämmigen Autor und buddhistischen Mönch Matthieu Ricard zusammen. Gemeinsam begannen sie, die Tagung zu planen.

Einige Wissenschaftler hatten anfangs Zweifel, ob buddhistische und kontemplative Denkweisen zur Diskussion von Wirtschaftsfragen überhaupt etwas beisteuern könnten. Die beiden Gedankenwelten schienen weit auseinanderzuliegen – immerhin ging es im ersten Fall um die Minderung von Leid und das Erstreben einer inneren Balance, im zweiten dagegen um das Streben nach materiellem Reichtum und den äußeren Voraussetzungen für Wachstum und Wohlbefinden. Dennoch haben beide Systeme etwas Wichtiges miteinander gemein: Sie sollen dazu beitragen, dass Menschen glücklicher sind und Gesellschaften florieren. Singer, Hangartner und Ricard fragten sich, was geschähe, wenn kontemplative Wissenschaften in ein Gespräch mit der Neurowissenschaft, der Psychologie, der Philosophie und der Geschäftswelt einträten. Würden die Konferenzteilnehmer sich ein Wirtschaftssystem vorstellen können, das uns den nötigen materiellen Wohlstand und menschliches Wohlbefinden beschert? Die so zustande gekommenen Dialoge gaben Einblick in die Beschaffenheit von Wirtschaftssystemen und von wirtschaftlichen Handlungsweisen und lieferten ein neues Modell für den Homo oeconomicus als ein von Grund auf mitfühlendes und sozialverträgliches Wesen.

Für eine mitmenschliche Wirtschaft

»Wir gehen von folgender Voraussetzung aus: Weil wir danach streben, glücklich zu sein, sind für uns gerade diejenigen Ressourcen, die zu diesem Ziel hinführen, von größtem Wert.«[2]

Viele Menschen meinen, dass Geld und Glück untrennbar miteinander verknüpft sind und mit dem einen zugleich auch das andere zu- oder abnimmt: Je mehr Geld wir haben und je mehr Dinge wir besitzen, umso glücklicher sind wir. Und umgekehrt: Haben wir weniger Geld und nicht so viel Besitz, dann ist dies gleichbedeutend mit weniger Glück.

Bis zu einem gewissen Grad stimmt das ja auch. Wer der schlimmsten Armut entrinnen konnte und nun über einen gewissen finanziellen Spielraum verfügt, weist eine höhere Glücksquote auf als jemand, der immer darum kämpft, seine Grundversorgung zu sichern. Für eine Weile nimmt also bei steigendem Einkommen das Glück zu (siehe die Kapitel 8 und 11).

Dieser Zuwachs an Glück verlangsamt sich allerdings. Und irgendwann ist dann Schluss damit. Seit den sechziger Jahren sind die Einkommen weltweit dramatisch gestiegen, während das jeweilige Glücksniveau stagnierte. Zum Teil lässt sich dies auf das Phänomen des sozialen Vergleichs zurückführen. Wir neigen dazu, den persönlichen Erfolg in Relation zum Einkommen anderer Mitglieder der eigenen Gruppe zu bewerten. Wenn innerhalb einer Gruppe von Menschen ein Einkommenszuwachs zu verzeichnen ist, bedeutet dies also nicht unbedingt, dass anschließend alle glücklicher sind (siehe Kapitel 8).

Das lässt sich außerdem durch eine grundlegende Wahrheit des Buddhismus erklären: Glück, das auf äußeren Bedingungen beruht – den Dingen, die wir besitzen, dem Kontostand oder der gesellschaftlichen Stellung beispielsweise –, ist immer begrenzt und trügerisch.

Denken Sie an den Moment, als Sie sich gerade ein neues Auto gekauft oder eine Gehaltserhöhung bekommen hatten. Wie haben Sie sich da gefühlt? Und war das Gefühl der Freude und Zufriedenheit nach ein paar Wochen oder Monaten immer noch vorhanden? Wohl kaum. Doch anstatt daraus etwas zu lernen, indem wir versuchen, eine stärker in uns ruhende und leichter aufrechtzuerhaltende Quelle des Glücks zu finden, verstricken sich die meisten von uns in einen Kreislauf von Gier und Unzufriedenheit. Darin liegt das Problem. Letztlich führt mehr Geld somit keineswegs zu größerem Glück, sondern lediglich zum Verlangen nach immer mehr Geld, dem nächsten Auto oder der größeren Gehaltserhöhung. Dieser Kreislauf kann nicht nur Gier und Habsucht hervorrufen, sondern manchmal sogar die Bereitschaft, anderen Leid zuzufügen, damit den ichbezogenen Interessen Genüge getan wird.

Vorrangig auf materielle Werte ausgerichtete Menschen, so ein Forschungsergebnis des Psychologen Tim Kasser, sind unglücklicher, ihnen fehlt es an Einfühlungsvermögen, sie haben weniger Freunde und befinden sich in einem schlechteren Gesundheitszustand als diejenigen, die inneren Werten größere Bedeutung beimessen.[3] Trotzdem hat man in der Wirtschaftstheorie lange behauptet, der Mensch sei von Grund auf durch Eigeninteresse gekennzeichnet, und ein kapitalistisches Wirtschaftssystem könne nur funktionieren, wenn es den Menschen Gelegenheit gibt, die eigenen Wünsche und Begierden besser zu verfolgen. Adam Smith hat das 1776 in seinem Hauptwerk Der Wohlstand der Nationen so formuliert: »Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers oder Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an ihre Menschen-, sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern sprechen von ihrem Vorteil.«[4] Ebenso schrieb 1881 Francis Edgeworth, ein Mitbegründer der neoklassischen Wirtschaftstheorie: »Das erste Prinzip der Wirtschaftslehre besagt, dass jeden Akteur allein das Eigeninteresse antreibt.«[5]

Glücklicherweise ist das nicht die ganze Wahrheit. Die jüngere Forschung legt nahe, dass jede/r von uns über eine starke Befähigung – unter Umständen sogar über eine biologische Veranlagung – zu Mitgefühl, Kooperation und Altruismus verfügt...

Erscheint lt. Verlag 2.3.2015
Übersetzer Michael Wallossek
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Caring Economics
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Dalai Lama • eBooks • Ernst Fehr • Führung • Gert Scobel • Motivation • Muhammad Yunus • spiegel bestseller • Spiegel Bestseller, Taleb, Ernst Fehr, Dalai Lama, Gert Scobel, Muhammad Yunus • taleb • Wirtschaft
ISBN-10 3-641-15109-0 / 3641151090
ISBN-13 978-3-641-15109-6 / 9783641151096
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die globalen Krisen und die Illusionen des Westens

von Carlo Masala

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
CHF 12,65
Die globalen Krisen und die Illusionen des Westens

von Carlo Masala

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
CHF 12,65
Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles …

von Helen Pluckrose; James Lindsay

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
CHF 16,60