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Von Rom nach Amsterdam (eBook)

Die Metamorphosen des Geschlechts in der Europäischen Union
eBook Download: PDF
2009
X, 212 Seiten
VS Verlag für Sozialwissenschaften
978-3-531-91444-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Von Rom nach Amsterdam - Theresa Wobbe, Ingrid Biermann
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Als am 25. März 1957 die 'Europäische Wirtschaftsgemeinschaft' (EWG) gegründet wurde, verpflichteten sich die Mitgliedstaaten auf das Prinzip der Lohngleichheit für Frauen und Männer. In diesem Buch wird gezeigt, wie diese Vorgabe trotz der geschlechterpolitischen Stille der Nachkriegszeit verankert werden konnte und auf dem Weg von Rom nach Amsterdam verschiedene Metamorphosen erfahren hat. In einer institutionalistischen Sicht wird herausgearbeitet, dass die supranationale Gleichheitsidee in einem System, das selbst ständig im Wachstum begriffen ist, ebenfalls wächst und dass mit dem Vertrag von Amsterdam (1997) der Gleichheitsanspruch erheblich ausgeweitet wird. Dieser Wandel des Geschlechts ist Teil einer supranationalen Umcodierung der Gleichheit, die in eine übergreifende globale Struktur eingebettet ist.

Theresa Wobbe, Prof. Dr., lehrt Soziologie und Geschlechtersoziologie an der Universität Erfurt.
Dr. Ingrid Biermann, Soziologin, Mitglied des DFG/ANR-Forschungsprojekts: Metamorphosen der Gleichheit, Universität Erfurt.

Theresa Wobbe, Prof. Dr., lehrt Soziologie und Geschlechtersoziologie an der Universität Erfurt. Dr. Ingrid Biermann, Soziologin, Mitglied des DFG/ANR-Forschungsprojekts: Metamorphosen der Gleichheit, Universität Erfurt.

Inhalt 5
Verzeichnis der Abbildungen 8
Verzeichnis der Abkürzungen 9
Einleitung: Gleichberechtigung im supranationalen und globalen Kontext 10
1 Der historische, supranationale und globale Kontext 12
2 Theoretische Perspektiven und Argumentationslinien 15
3 Transformationen des Geschlechts: Ist das Glas halb voll oder halb leer? 18
4 Der institutionalistische Untersuchungsrahmen 20
5 Aufbau des Buches 26
Erstes Kapitel: Nationalstaat, Geschlecht und supranationale Gleichberechtigungsnormen 29
Einleitung 29
1.1 Auf den Leib geschrieben: Das moderne Differenzkonzept 31
1.2 Die De-Institutionalisierung der Differenz 36
1.3 Gleichheit vor Gericht: Recht und Gleichbehandlung in der Europäischen Union 38
1.4 (Staats-)Bürgerschaft: Formen nationaler und supranationaler Inklusion 43
1.5 Zusammenfassung 47
Zweites Kapitel: Zur Genese des supranationalen Gleichheitsskripts: Lohngleichheit im Kontext des Gemeinsamen Marktes und internationaler Sozialstandards 49
Einleitung 49
2.1 Das erste supranationale Versuchsfeld: Die Montanunion 52
2.2 Das Laboratorium der neuen Marktordnung: Der Ausschuss für den Gemeinsamen Markt 55
2.3 Die internationale Einbettung: Die Stimme der ILO 59
2.4 Multiple Autorenschaft: Die vertragliche Formulierung der Entgeltgleichheit 64
2.5 Zusammenfassung 71
Drittes Kapitel: Die Stabilisierung des Geschlechterskripts: Gleichberechtigung im Medium der sozialwissenschaftlichen Expertise und des Rechts 74
Einleitung 74
3.1 Was bedeutet Lohngleichheit und wie kann sie bestimmt werden? 76
3.2 Die Deutungskompetenz der Kommission: Der Bericht Sullerot 84
3.3 Die Rechtsprechung im supranationalen System: Die Zäsur in der Rechtssache Defrenne 89
3.4 Die Institutionalisierung der Gleichberechtigungsnormen: Die Richtlinien der 1970er Jahre 93
3.5 Zusammenfassung 99
Viertes Kapitel: Die Initiierung einer Strukturebene für Gleichberechtigung im Kommissionsbereich und im Europäischen Parlament 102
Einleitung 102
4.1 Wachstum des Systems: Neukonfiguration, Erweiterung, Vertiefung 104
4.2 Kommissionsinitiativen zum Aufbau einer Strukturebene für Gleichberechtigung 107
4.3 Politikerinnen für Gleichberechtigung im Europäischen Parlament 110
4.4 Zusammenfassung 120
Fünftes Kapitel: Gleichberechtigung im Sog des Binnenmarktes: Soziale Mindeststandards in der europäischen Wettbewerbsregion 123
Einleitung 123
5.1 Vom Gemeinsamen Markt zum Binnenmarkt 125
5.2 Das Sozialprotokoll des Maastricht-Vertrags und die Idee des sozialen Europa 131
5.3 Die neuen Richtlinien im Binnenmarkt: Mindeststandards und Rahmenvorgaben 136
5.4 Zusammenfassung 142
Sechstes Kapitel: Die Neuausrichtung von Amsterdam: Neuformatierungen der Geschlechtergleichheit und die Ausweitung des Diskriminierungsverbots 146
Einleitung 146
6.1 Der Stein des Anstoßes: Quotenregelung als Diskriminierung 148
6.2 Chancengleichheit auf dem Weg zur Regierungskonferenz 151
6.3 Frauenrechte im Menschenrechtsdiskurs der UNWeltfrauenkonferenzen 155
6.4 Die Neuausrichtung der Gleichheitsnormen im Vertrag von Amsterdam 160
6.5 Zusammenfassung 167
Zusammenfassung und Ausblick 170
Die Metamorphosen des Geschlechts 170
I. 170
II. 176
Danksagung 182
Anhang: Quellen und Literatur 184
Register 207

Sechstes Kapitel (S. 151-152)

Theresa Wobbe und Ingrid Biermann

Die Neuausrichtung von Amsterdam: Neuformatierungen der Geschlechtergleichheit und die Ausweitung des Diskriminierungsverbots

EU law has proved an ideal vehicle for upholding the principle of sex equality, in part at least because of the EU’s undoubted potential for growth. That growth has taken place, and continues to occur, in a number of different ways.
Evelyn Ellis

Einleitung

In diesem Kapitel behandeln wir die neue Qualität der Gleichberechtigungsnormen im Kontext des Amsterdamer Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV 1997). Dieser Vertrag ist die Fortführung des EUV, der ab 1996 eine Revision der bis dahin gesammelten Erfahrungen vorsieht (Art N, Abs. 2).

Hiermit sind wir bei der letzten Station unserer Untersuchung angelangt, am Ende eines Prozesses, der sich vom gleichen Lohn bis zu den Prinzipien der Frauen- und Menschenrechte erstreckt. Auf dem Weg von Rom nach Amsterdam wandeln sich die Geschlechternormen – so wie sich auch das supranationale System in dieser Zeitspanne verändert hat. Als die Idee der Lohngleichheit in den 1950er Jahren mit der EWG entsteht, ist diese in die Umbrüche des internationalen Systems und die Polarisierung des Ost-West-Konflikts eingebunden. Am Ende des Jahrhunderts sind die stabilen Umweltverhältnisse dieser Nachkriegsordnung entfallen und die politische Landkarte auf dem europäischen Kontinent wird neu gestaltet. Als Währungs- und Wirtschaftsunion erweitert sich die EU auf 25 Mitglieder und mit dieser größten Erweiterung ihrer Geschichte wächst die soziale und kulturelle Komplexität des Binnenmarktes. Diese Neukonfiguration manifestiert sich rechtlich im Vertragswerk von Amsterdam (1997).

Vierzig Jahre nach den Gründungsverträgen erfolgt hiermit erstmals (wieder) eine primärrechtliche Absicherung der Gleichberechtigungsnormen (vgl. Ellis 2005: 119ff., Graig/De Búrca 2008: 874ff.). Das veränderte Arrangement des Vertrags und seine neue Zählung weisen bereits darauf hin: Der Art. 119 EWGV wird als Art. 141 EGV geführt und wächst auf vier Absätze an. Wenn wir diesen Vertrag aufschlagen, ist die Gleichstellung bereits zu Beginn unter den ersten Artikeln als allgemeine Aufgabe der Gemeinschaft zu entdecken (Art. 2 EGV).2 Die EU etabliert sich hiermit in Europa als Trendsetter des Gender Mainstreaming, welches auf die Geschlechterpolitik als Querschnittsaufgabe zielt.

Dieses in Zusammenhang mit der UN-Weltfrauendekade entstandene Konzept wird durch den EGV erstmals in die europäische Region transferiert. Der zweite Meilenstein besteht in der Reformulierung des Art. 119 als Art. 141 (EGV). Die Lohngleichheit wird erweitert auf die Förderung der Gleichstellung und die positiven Maßnahmen zum Abbau der Geschlechterungleichheit. Schließlich wird drittens das Geschlecht zusammen mit weiteren Kategorien, nämlich der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, der Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung unter Diskriminierungsschutz gestellt (Art. 13 EGV).

Der Vertrag spezifiziert das Grundrecht auf Diskriminierungsschutz erstmals für verschiedene Benachteiligungsdimensionen und sieht dafür die Konkretisierung von Maßnahmen vor. Für unsere Frage nach der Metamorphose des Geschlechts markiert der Amsterdamer Vertrag einen interessanten Wendepunkt. Gleichberechtigungsnormen werden jetzt in den Rang von Gemeinschaftsaufgaben erhoben und die Geschlechterpolitik wird als umfassendes Politikfeld inthronisiert. Zum anderen wird die Gleichbehandlung als Menschenrecht im Binnenmarkt abgesichert, wobei das Geschlecht als ein Benachteiligungsgrund neben anderen steht. Wir fragen im Folgenden, inwiefern diese institutionelle Veränderung durch interne sowie globale Einflüsse bestimmt ist, und ob die Antidiskriminierungsrichtlinien auf eine neue Rahmung der Geschlechtergleichheit verweisen.

Erscheint lt. Verlag 4.3.2009
Zusatzinfo X, 212 S.
Verlagsort Wiesbaden
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Sozialwissenschaften Soziologie Spezielle Soziologien
Schlagworte Europa • Europäischen Union • Europäische Union • Europäische Union (EU) • Europäische Wirtschaftsgemeinschaft • Europäisierung • Geschlecht • Geschlechter • Geschlechterforschung • Geschlechtergleichheit • Gleichstellung • Institution • Nation • Politik • Soziologie • Struktur • Umcodierung • Weltge
ISBN-10 3-531-91444-8 / 3531914448
ISBN-13 978-3-531-91444-2 / 9783531914442
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