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Perspektiven der politischen Soziologie im Wandel von Gesellschaft und Staatlichkeit (eBook)

Festschrift für Theo Schiller
eBook Download: PDF
2008 | 2008
VI, 258 Seiten
VS Verlag für Sozialwissenschaften
978-3-531-90908-0 (ISBN)

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Perspektiven der politischen Soziologie im Wandel von Gesellschaft und Staatlichkeit -
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Die beiden Bezugsgrößen der politischen Soziologie, die gesellschaftlichen Strukturen auf der einen Seite und das politische System mit den staatlichen Institutionen als Kern auf der anderen Seite, sind einem ständigen Wandel unterworfen. Die Beiträge dieses Bandes versuchen aus unterschiedlichen Perspektiven eine Antwort auf die Frage zu geben, wie sich diese Wandlungsprozesse auf die Politik im Wirkungskreislauf der Gesellschaft auswirken und insbesondere vor welche Herausforderungen sie die Demokratie stellen. Dabei geht es sowohl um die veränderten Rahmenbedingungen für die politischen Akteure und Institutionen als auch darum, wie die politischen Strukturen und Prozesse auf die Gesellschaft zurückwirken.

Prof. Dr. Thomas v. Winter ist Mitarbeiter der Verwaltung des Deutschen Bundestages (Sekretariat des Ausschusses für Gesundheit) und außerplanmäßiger Professor für Politikwissenschaft an der Universität Potsdam.
Volker Mittendorf ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie am Institut für Politikwissenschaft der Philipps-Universität Marburg.

Prof. Dr. Thomas v. Winter ist Mitarbeiter der Verwaltung des Deutschen Bundestages (Sekretariat des Ausschusses für Gesundheit) und außerplanmäßiger Professor für Politikwissenschaft an der Universität Potsdam. Volker Mittendorf ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie am Institut für Politikwissenschaft der Philipps-Universität Marburg.

Inhalt 5
Einleitung 7
1 Problemhorizonte der politischen Soziologie 7
2 Zum Wandel der Gesellschaft 8
3 Zum Wandel der Staatlichkeit 10
4 Herausforderungen für die Demokratie 13
5 Zu den einzelnen Beiträgen 14
I. Theoretische Perspektiven auf Staatlichkeit und Interessenvermittlung 24
Neue Staatlichkeit und Interessenvermittlung 25
Die Ironie der Politik. Der postmoderne Staat zwischen Komödie und Tragödie 39
1 Vokabulare der Staatlichkeit 39
2 Ironie zwischen Tugenddiskurs, politischer Kategorie und sozialem Konstruktivismus 40
3 Abschließende Bemerkungen über die Tragikkomödie politischer Steuerung des Staates heute 45
Lobbying als politischer Tauschprozess 49
1 Einleitung 49
2 Bedingungen des politischen Tauschprozesses 49
3 Konkurrenz und Kooperation auf dem Lobbyingmarkt 54
4 Macht und Einfluss in lobbyistischen Tauschprozessen 58
5 Fazit 63
II. Demokratietheorie und demokratische Praxis 69
Wer kann die Demokratie bewerten? – Reflexionen über das Verhältnis von politischer Wissenschaft und praktizierter Demokratie am Beispiel des Marburger Projekts „ Qualifizierung von Demokratie“ 71
Empirische Demokratietheorie 87
1 Einleitung 87
2 Entstehungsbedingungen moderner Demokratien 88
3 Neuere Entwicklungen 90
4 Ausdifferenzierung der Demokratieformen und weitere „Qualifizierung“ 92
5 Theorieansätze und Methoden 95
6 Ausblick 97
Kooperative Demokratie. Zum Qualifizierungspotential von Bürgerengagement 103
1 Was heißt „kooperative Demokratie“? 104
2 (Zivil-)Gesellschaftliche Grundlagen der kooperativen Demokratie 108
3 Kooperative Demokratie in der kommunalen Praxis 110
4 Qualifizierung der Demokratie durch Bürgerengagement? 114
Demokratieexport. Von den Tücken eines Ordnungskonzepts für die Globalisierung 121
1 Anfang einer Geschichte 121
2 Universale Demokratie 122
3 Demokratieexport in der Vergangenheit 126
4 Stabilität und/oder Demokratie 128
5 Ausblick 133
III. Direkte Demokratie 137
Die Rolle des „Volkes“ in Konzepten direkter Demokratie und plebiszitärer Herrschaft 139
1 Demos und Plebs 140
2 Unterschiedliche Rollen des Volkes 141
3 Die Begrifflichkeiten in der politikwissenschaftlichen Literatur 143
4 Rollenzuweisungen in klassischen Rezeptionen direkter bzw. plebiszitärer Demokratie 146
5 Direktdemokratisches Handeln und plebiszitäres Herrschen 149
6 Konträre Konzepte mit gleichem Ursprung 151
7 Vorteile einer begrifflichen Differenzierung 154
Direkte Demokratie und die Verfassungspolitik in Europa 157
1 Die Eigenart der Verfassung 159
2 Eine Verfassung der Europäischen Union 160
3 Lösungsversuche im verfassungspolitischen Dilemma 162
4 Europäischer Verfassungsentwurf und Direkte Demokratie 165
Transnationale Direkte Demokratie in Theorie und Praxis – eine Spurensuche 169
1 Die Praxis grenzüberschreitender Politik 169
2 Theoriebildung 171
3 Nächste Schritte 174
Ein Ausweg aus der europäischen Verfassungskrise. Ein Blick zurück nach vorne zur Eröffnung einer neuen demokratischen Perspektive für Europa 177
IV. Interessenvermittlung in einzelnen Politiksektoren 184
Politikfeld Sport. Die gesellschaftspolitische Bedeutung des gemeinwohlorientierten Sports 185
1 Einleitung 185
2 Entwicklungslinien deutscher Sportgeschichte2 186
3 Mitgliederentwicklung im Deutschen (Olympischen) Sportbund – die quantitative Dimension des Sports als Quelle sozialen Kapitals 189
4 Ehrenamt im Sport – Indikator sozialer Integration und „Ressource“ des Sports 190
5 Das Integrationsspektrum des gemeinwohlorientierten Sports 191
6 Gesundheitsfunktionen von Sport und Bewegung 192
7 Der Sportverein – ein Wirtschaftsfaktor 193
8 Sport vor Ort – der Verein als Motor kommunaler Kooperation 193
9 Akteure im Politikfeld „Sport“ 194
10 Von DSB und NOK zum DOSB 197
11 Herausforderungen des organisierten Sports 198
12 Gesamtbild 200
Innere Sicherheit 203
1 Empirische und normative Orientierungen in der Analyse „Innerer Sicherheit“ 203
2 Innere Sicherheit als Policy 204
3 Korporatismus innerhalb des Netzwerkes Innere Sicherheit 212
4 Korporatistische Aushandlungen im Politikfeld Innere Sicherheit 215
5 Parteien und Parlamente im Netzwerk Innere Sicherheit 217
6 Bürgerrechtsgruppen: neue Akteure oder ewige „Zaungäste“? 218
Zum Siegeszug der süddeutschen Kommunalverfassung. Sackgasse oder Segen? 221
1 Einleitung 221
2 Externe Effekte: Finanzkrise und Kompetenzverlust 223
3 Interne Reformen: Exekutiver Bürgermeister, direkte Demokratie und personalisiertes Wahlrecht 225
4 Resümee 229
Planung und Durchführung west-alliierter Kriegsverbecherprozesse nach dem Zweiten Weltkrieg 233
1 Nationale Prozesse der USA, Großbritanniens und Frankreichs 243
2 Fazit 250
V. Anhang 255
Schriftenverzeichnis von Theo Schiller 257
Die Autoren 263

3 Zum Wandel der Staatlichkeit (S. 10)

Im Wirkungskreislauf der Politik nimmt der Staat traditionell eine zentrale Position ein. So lange die formellen Entscheidungen in diesem Zentrum fallen, bildet der Staat selbstverständlich den Adressaten gesellschaftlicher Inputs sowie den Ausgangspunkt politischer Einwirkungen auf die Gesellschaft. Die Frage ist aber, inwieweit Veränderungen in den nationalen und internationalen politischen Entscheidungsprozessen und -strukturen zu einer Aushöhlung der Staatlichkeit im traditionellen Sinne geführt haben.

Unbestritten ist, dass der Nationalstaat seit langem schon kein Monopol mehr auf die verbindliche Entscheidung über die Verteilung gesellschaftlicher Werte besitzt, sondern sich Hoheitsrechte mit subnationalen, darunter auch nicht staatlichen, und supranationalen Akteuren teilt. Hauptkennzeichen dieser „neuen Architektur des Staates" (Grande 1993, S. 53) ist eine Ausdifferenzierung der Souveränität, durch die die territoriale Integrität und die nationale Identität der Politik tendenziell verloren gehen.

In den einzelnen Politikfeldern finden wir nun komplexe Akteurskonstellationen und vielfältige institutionelle Zuständigkeiten vor, in denen der Nationalstaat immer noch über eine Art von Vetoposition verfügt, aber eben alleine nicht mehr handlungs- oder zumindest nicht mehr entscheidungsfähig ist (Grande 1993, S. 52 f., 64 f.). Es liegt nahe, einem sich solchermaßen auch dem staatstheoretischen Zugriff immer mehr entziehenden Gebilde ironisch zu begegnen und es als leere Hülle zu begreifen, die „immer aufs Neue mit Inhalt gefüllt werden muss".

Jedenfalls ist dieser Art von Staat mit überkommenen Vorstellungen von linearen Beziehungen zwischen Volk und Regierung, Volkswillen und politischen Entscheidungen kaum mehr beizukommen (Noetzel in diesem Band). Die variabel gewordene „Geometrie" des Staates (Grande 1993, S. 67) verlangt auch von den gesellschaftlichen Kräften, die auf Beteiligung an den politischen Entscheidungen dringen, eine Neuorientierung und ein hohes Maß an Flexibilität.

Mit steigender Komplexität der Politik ist der Staat immer stärker auf die Kooperationsbereitschaft der Normadressaten angewiesen, teils weil nur diese über die für die Umsetzung von Entscheidungen notwendigen Informationen verfügen, teils weil der Implementationserfolg stark von ihrer aktiven Mitwirkung abhängt (vgl. auch Voigt 1995, S. 23).

Die zunehmenden internationalen Verflechtungen und die wirtschaftliche Globalisierung haben zudem neue Steuerungsprobleme geschaffen, deren Lösung oft nur durch Einbindung der gesellschaftlichen Kräfte möglich erscheint (Benz 2001, S. 236-238). Die zunehmende Dichte von Verhandlungsprozessen im Rahmen von Politiknetzwerken, korporatistischen Arrangements, Kommissionen usw. ist Ausdruck einer Steuerungsform, bei der der Staat vornehmlich als Koordinator und Moderator auftritt, der die disparaten Einzelinteressen in gemeinwohlver- trägliche politische Entscheidungen zu transformieren versucht (Grande 1993, S. 51, Voigt 1995, S. 13).

Der häufig so genannte kooperative Staat kompensiert seine geringer gewordene Durchsetzungskraft, indem er den organisierten Interessen eine Mitsouveränität einräumt, die diese in die Lage versetzt, in den informellen politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen als Tauschpartner des Staates zu agieren (Voigt 1995, S. 67, Grande 1993, S. 51). Ob solche Arrangements aber ein Ausdruck der Machtlosigkeit des Staates und ob beide Seiten hier wirklich gleichberechtigt sind, wie dies in der Diskussion über den kooperativen Staat gelegentlich postuliert wurde (Voigt 1995, S. 34 f.), mag eher bezweifelt werden.

Bei aller Kooperationsbereitschaft besitzt der Staat nach wie vor die Option, die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit weitgehend selbst zu gestalten, d. h. Verhandlungsgremien auch wieder abzuschaffen oder ihre Zusammensetzung zu ändern, einzelne Interessengruppen rechtlich und materiell zu fördern sowie Verhandlungsblockaden mit der Drohung hierarchischer Steuerung aufzulösen.

Erscheint lt. Verlag 11.5.2008
Zusatzinfo VI, 258 S.
Verlagsort Wiesbaden
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Politische Theorie
Schlagworte Akteure • Bezugsgrößen • Demokratie • Governance • Handeln, politisches • Politik
ISBN-10 3-531-90908-8 / 3531909088
ISBN-13 978-3-531-90908-0 / 9783531909080
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