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Exklusion in der Marktgesellschaft (eBook)

Daniela Klimke (Herausgeber)

eBook Download: PDF
2008
VI, 322 Seiten
VS Verlag für Sozialwissenschaften
9783531908625 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Exklusion in der Marktgesellschaft -
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Das Buch analysiert die Exklusionsprozesse der Gegenwart. Neben der theoretischen und begrifflichen Einordnung werden auch konkrete empirische Arbeiten zu exkludierenden sozialen Prozessen aufgezeigt.

Dr. Daniela Klimke ist Geschäftsführerin am Institut für Sicherheits- und Präventionsforschung in Hamburg.

Dr. Daniela Klimke ist Geschäftsführerin am Institut für Sicherheits- und Präventionsforschung in Hamburg.

Inhalt 5
Zur Einführung 7
Die Beiträge 11
I Theoretische Überlegungen zu Exklusion und Marktgesellschaft 17
‚Soziale Ausschließung’: Produktionsweisen und Begriffs-Konjunkturen 19
1 Die Karriere von ‚Soziale Ausschließung’ 19
2 Die kapitalistische Produktion von ‚Ausschließung’ 20
3 Fordismus und Keynesianismus 22
4 Erfahrungen von Neoliberalismus und ‚Soziale Ausschließung’ 24
5 Die Zukünfte von ‚Soziale Ausschließung’ 28
Literatur 29
Ausgrenzung, Ausschließung, Exklusion, underclass, désaffiliation oder doch Prekariat? Babylonische Vielfalt und politische Fallstricke theoretischer Begrifflichkeiten 31
1 Die Diagnose und ihre Geschichte 32
2 Theoretische Verständnisse der Begriffe 32
3 Politische Implikationen und Gesellschaftskritik 43
4 Fazit 45
Literatur 46
Freiheit als die Einsicht in die Notwendigkeit einer totalen Überwachung 51
Literatur 55
II Ausschluss mit Recht: Die Feinde der Marktgesellschaft 58
Wider das Feindstrafrecht – ein Plädoyer für den Rechtsstaat 59
1 Feindstrafrecht – ein politischer Kampfbegriff 60
2 Rückwirkungen auf Freundesland und auf Konfliktregionen 62
3 Von der Würde des Feindes 64
4 Alternativen zum Feindstrafrecht 65
Literatur 67
Sexualstrafrecht: Permanenz und Penetranz 69
Literatur 76
Problemgeneratoren. Bestrafung von Sexualtätern mit „ungeregelter Lebensführung“ 77
1 Verurteilungsziffern 78
2 Sanktionshärte 78
3 Risikomerkmale für die Verhängung von Haftstrafen 81
4 Entscheidende Alltagstheorien 86
Literatur 86
Führungsaufsicht als ‚Grenzwache’? Gefährliche Tendenzen in der ambulanten Kontrolle ‚Gefährlicher’ 87
1 ‚In dubio pro securitate’. Zur fortschreitenden Maßlosigkeit des Maßregelrechts 87
2 „Straffere und effizientere Kontrolle der Lebensführung“. Das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht 89
3 Vorwärts in die Vergangenheit? Von der Polizei- über die Sicherungs- zur ( Lebens-) Führungsaufsicht, und zurück 98
4 Die neue Sicherungsaufsicht als Grenzwache ambulanter Verwahrung. Punitive Kontrolle und präventive Exklusion: gefährliche Sonderopfer 100
Literatur 102
Wie Fremde Gefängnisse konservieren und Gefängnisse Fremde. Über das Wechselspiel von Kriminal- und Fremdenpolitik 107
1 Was ins Auge sticht – Überfüllung und ‚Überfremdung’ der Gefängnisse 107
2 Die ‚Prekarisierung’ von Straftätern 109
3 Die Krise als eine Chance – für die Konservierung der Gefängnisse 111
4 Die Verfremdung der Gefangenen ... 112
5 ...und die Kriminalisierung der Fremden(politik) 119
6 Schlussbemerkung 122
Literatur 122
III Exklusion global betrachtet 125
Marginalisierte und Überflüssige. ‚ Kleinstbauern’ und ‚ Landlose’ in Brasilien 127
1 Landnahme, Privateigentum am Boden und Gewalt 127
2 Zur Entstehung des privaten Bodeneigentums in Brasilien 129
3 Die Herrschaft des Großgrundbesitzes und „Konservative Modernisierung“ 131
4 Landnahme in Amazonien 133
5 Die Agrarstruktur Brasiliens 135
6 Agrarreform und Landlosenbewegung 138
7 Zum Schluss 141
Literatur 142
Mit Sicherheit zuhause. Master Planned Communities als Technologie der Exklusion und sozialen Kontrolle 145
2 Konjunktur der ‚Community’ 146
3 ‚Community’ als Machttechnologie 147
4 Master Planned Developments als Paradebeispiel für die Funktionsweise gegenwärtiger Macht 149
5 Fazit 155
Literatur 156
Anders, bedroht und bedrohlich – Jugendbanden in Zentralamerika 159
1 Die violente Jugendsubkultur der 160
2 Maras als importiertes Gewaltpotenzial 163
3 Jugendbanden im Visier der repressiven Verbrechensbekämpfung 164
4 Die maras im herrschenden Sicherheitsdiskurs 165
5 Fazit 168
Literatur 170
IV Aktuelle Herstellungsprozesse des Anderen 174
„Schulschwänzen“. Über Naturalisierungs- und Trivialisierungsgewinne kriminologischer Jugendforschung 175
1 Naturalisierung 176
2 Kriminologische Jugendbeobachtung 176
3 Themenkonjunktur ‚Bildung’ 177
4 Schulschwänzen und Delinquenz: Das Thema der kriminologischen Jugendforschung 179
5 Eine Zwischenfrage: 182
6 Die positiven Funktionen von Schulschwänzen: Über Wissen gewinnen und Wissensgewinne 183
Literatur 188
Die Macht der Verknüpfung – Konstruktionen des ethnisch Anderen 191
1 Der Friseurbesuch 192
2 Der Kuraufenthalt 196
3 Konstruktionen des ethnisch Anderen 199
Literatur 200
‚Gefährliche’ und ‚lästige Ausländer’ – zum Exklusionscharakter von Ausweisungen 203
1 Ausweisung als Ausschlusstechnik 203
2 Ausweisung und Exklusion 204
3 Datenlage 209
4 Ausweisungspraxis in der Öffentlichkeit 212
Literatur 213
Erbfeinde aus dem Innern – Satanisten in der christlichen Gesellschaft 215
1 Satanismus in der Öffentlichkeit 215
2 Satanismus als Realphänomen 221
3 Satanisten als Akteure und Opfer sozialer Exklusionsprozesse 224
4 Schlussbemerkung 226
Literatur 227
Der wissenschaftlich-mediale Verstärkerkreislauf 229
1 Es gibt keine objektive Wissenschaft 230
2 Der Objektivitätsmythos enthält eine Abwertung von Wissenschaft und immunisiert gegen Kritik 233
Literatur 235
V Auf den Leib geschrieben: Exklusive Körper 237
Exklusion von Frauen unter dem Genderaspekt 239
1 Getauschte und verkaufte Frauen 240
2 Vergewaltigung von Frauen als Exklusionsursache 244
3 Gewalt und Tausch von Sexualität während der Flucht und Vertreibung 247
4 Sexualität und die Genderrolle in der neuen Heimat 251
5 Zusammenfassung 254
Literatur 255
Der Körper als Zeichen und Symbol. Tattoo, Piercing und body modification als Medium von Exklusion und Inklusion in der modernen Gesellschaft 257
1 Geschichte und aktuelle Tendenzen 257
2 Brandmarken des Körpers – Ausschluss des Kriminellen 262
3 Der Körper als Medium von Exklusion und Inklusion heute 263
4 Beispiele 265
5 Modetrend oder Szenemerkmale? Ein Fazit 268
Literatur 269
Jenseits der Zonengrenze. Über die unvermeidlichen Schwierigkeiten der Altbundesdeutschen, die Ostdeutschen als zugehörig zu erkennen. Beispiel Partnerschaft und Sexualität 273
Literatur 278
VI Das letzte Wort haben die Jubilare 280
Die soziale Ordnung des Gedenkens. Opfergruppen in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern 281
1 Passives und aktives Vergessen: Das Zurückbleiben von Erinnerungsarbeit und Geschichtsforschung 282
2 Soziokulturelle Elemente in der Konstruktion der Erinnerung 286
3 Ein ethisches Dilemma 296
Literatur 297
Die deutsche Kriminologie im Lichte des Werkes von D. Garland1 301
1 Der universalistische Anspruch von Wissenschaft und die Kriminologie 301
2 Von der Ätiologie zur Soziologie des Strafens 302
3 Von „ökonomischer Kontrolle und sozialer Liberalisierung“ zu „ökonomischer Liberalisierung und sozialer Kontrolle“ 304
4 Rezeptionsweisen 310
5 Eine Schlusspointe 319
Literatur 319
Autorinnen und Autoren 323

‚Soziale Ausschließung’: Produktionsweisen und Begriffs-Konjunkturen (S. 19)

Heinz Steinert

1 Die Karriere von ‚Soziale Ausschließung’

‚Soziale Ausschließung’ hat eine schnelle Karriere gemacht: Bis in die 1980er Jahre gab es den Begriff in der Soziologie und in der Kriminologie nur als Randerscheinung. Durchgesetzt wurde er in den 1990er Jahren durch ein EU-Forschungs-Programm „TSER – Targeted Socio- Economic Research, mit einem Teil-Bereich „soziale Integration und soziale Ausschließung. Mit anderen Worten: Er wurde mit etwa 30 Millionen ECU (wie der Euro damals, 1994-98, noch hieß) erkauft.

Von Brüsseler Insidern wird berichtet, dass in den dortigen diplomatischen Anstrengungen, keine europäische Sozialpolitik zu machen, dieser Begriff (von der französischen ‚marginalisation’ ausgehend) präferiert wurde, weil man damit nicht von ‚Armut’ sprechen musste. Die Durchsetzung des Begriffs wurde vor allem dadurch erreicht, dass (geschätzt) etwa tausend Sozialwissenschaftler in ganz Europa veranlasst wurden, sich gegen Bezahlung ein bis zwei Jahre mit ‚Ausschließung’ zu beschäftigen.

Der Großteil davon waren Projekte zur Sozialpolitik und zu Sozialen Problemen, in denen die Autoren ihre bisherige Arbeit zu diesen Themen unverändert fortführten, sie aber ab jetzt in die Begrifflichkeit packten, die der Auftraggeber verlangte und ohne die man am Wettbewerb um die Forschungsgelder (die aus dem jeweils nationalen Zugriff nach Brüssel verschoben wurden) nicht teilnehmen konnte.

In der Kriminologie dauerte es noch ein wenig länger: Noch 1995 wurde im Kriminologischen Journal unwidersprochen ‚Ausschließung’ als Dramatisierungsbegriff abgelehnt und dagegen ‚Kontrolle’ als der angemessene kriminologische Begriff stark gemacht (Scheerer 1995). Das hat wenig daran geändert, dass in den Jahren seither ‚soziale Kontrolle’ in der Literatur immer seltener auftaucht und ‚Ausschließung’ Konjunktur hat.

Völlig durchgesetzt hat sich der Begriff ‚Ausschließung’ in Großbritannien, wo die Labour-Regierung einen interministeriellen „Social Exclusion Unit eingerichtet hat und ihre Sozialpolitik an ‚exclusion’ orientiert: Nicht Armut, sondern Ausschließung – die wieder operationalisiert etwa als Obdachlosigkeit, teenage pregnancy oder unregelmäßiger Schulbesuch, also ausgewählte ‚soziale Probleme’ – soll vermieden oder kompensiert werden. Überhaupt nicht durchgesetzt hat er sich in den USA: Die Phänomene der Marginalisierung werden dort unter ‚underclass’ verhandelt und ‚exclusion’ gibt es so gut wie gar nicht.

2 Die kapitalistische Produktion von ‚Ausschließung’

Nun ist der Begriff ja – von den Bemühungen der EU-Diplomatie abgesehen – nicht ganz willkürlich erfunden worden: Er beruht auf gesellschaftlichen Erfahrungen, die seit dem Ende von Fordismus die neue Produktionsweise des Neoliberalismus prägen. Das 20. Jahrhundert wurde von der fordistischen Variante von Kapitalismus bestimmt und war in diesem Sinn ein „kurzes 20. Jahrhundert3: Es endete in den 1980ern.

Fordismus lässt sich an den Erfindungen in der Organisation von Produktion illustrieren, die Henry Ford in seinen Fabriken eingesetzt hat: Massenfertigung von Konsumgütern (in seinem Fall von Automobilen) in einer autoritär (von ihren Proponenten lieber „wissenschaftlich genannten) tayloristisch organisierten Arbeitsteilung am Fließband mit dadurch entqualifizierten, aber hoch disziplinierten und relativ gut bezahlten Arbeitskräften, die zugleich als mögliche Konsumenten gesehen werden.

Die Arbeiterschaft wurde, im Gegensatz zum Industriekapitalismus des 19. Jahrhunderts, nicht mehr verelendet, sondern auch im Konsum gesellschaftlich integriert. In Europa gehörte dazu die staatlich organisierte Sozialpolitik, die wirtschaftlich gesehen die Arbeiter- Einkommen und damit ihren Warenkonsum verstetigte.

Erscheint lt. Verlag 13.5.2008
Zusatzinfo VI, 322 S.
Verlagsort Wiesbaden
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Sozialwissenschaften Soziologie
Schlagworte Exklusion • Gleichheit • Kapitalismus • Politik • Sozialstruktur • Soziologie • Ungleichheit
ISBN-13 9783531908625 / 9783531908625
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
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