On Tour (eBook)
216 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-347-16225-9 (ISBN)
Torsten Kleiber, Jhg. 1970, studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hannover und ist im Bereich Software-Adaption für Geschäftsprozesse tätig. In seiner Freizeit ist er geschäftsführender Vorstand des Kulturvereins Forum Bomlitz e.V. Er lebt in Walsrode / Niedersachsen. Michael Kleiber, Jhg. 1963, studierte Verfahrenstechnik an der TU Braunschweig und arbeitet im Chemieanlagenbau. Er ist Autor bzw. Co-Autor diverser Fachbücher und lebt in Hattersheim bei Frankfurt.
Torsten Kleiber, Jhg. 1970, studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hannover und ist im Bereich Software-Adaption für Geschäftsprozesse tätig. In seiner Freizeit ist er geschäftsführender Vorstand des Kulturvereins Forum Bomlitz e.V. Er lebt in Walsrode / Niedersachsen. Michael Kleiber, Jhg. 1963, studierte Verfahrenstechnik an der TU Braunschweig und arbeitet im Chemieanlagenbau. Er ist Autor bzw. Co-Autor diverser Fachbücher und lebt in Hattersheim bei Frankfurt.
Avignon 2010
Kammerzellhaus in Straßburg
Ein furchtbarer Tag. Es goss in Strömen. Mit dem Auto wollten wir nach Avignon runterfahren, knapp 900 km. Aber eine gute Zwischenstation hatten wir. Bis zum Mittag würden wir in Straßburg sein. Wir bekamen einen Parkplatz in der Nähe der Innenstadt und gingen dann in selbige, ein schöner Spaziergang, wenn es nicht so geregnet hätte. Aber im Münster war es trocken.
Bis 1874 war es das höchste Gebäude der Welt, 1439 vollendet, ganz aus Sandstein, gotisch durch und durch. Aber es fehlt etwas: irgendwie hat man bei der Planung den zweiten Turm vergessen. Man kommt sich bei der Betrachtung vor wie bei einer optischen Täuschung. Die Stelle gegenüber vom (ersten) Turm hatte man wohl extra freigelassen, es sieht aus, als wäre der zweite Turm abgesägt worden, und ein Taschendieb hätte ihn mitgenommen. Innen an der Westfront ist diese beeindruckende Rosette, gegenüber im Osten die große astronomische Uhr, die die Planetenbahnen und sogar die Präzession der Erdachse mit einer Periode von 26000 Jahren nachbilden soll - nachvollziehen konnten wir das freilich nicht. Aber nichtsdestotrotz - für diese Kirche kann man auch mal nass werden. Und es gibt noch eine Entschädigung.
Am Nordende des Münsterplatzes ist das Kammerzellhaus, ein herrlicher Fachwerkbau mit einem Restaurant. Letzte Weihnachten waren wir wieder in Straßburg und konnten uns davon überzeugen, dass auch Präsident Macron hier speist, wenn er mal in Straßburg ist. Und das Restaurant hat eine Spezialität: Sauerkraut mit Fisch! Als ich das zum ersten Mal hörte, glaubte ich an einen Scherz und hielt Ausschau nach der versteckten Kamera. Aber es stimmt. Geschmacklich passt das wunderbar zusammen. Natürlich ist der Fisch vom Feinsten, das ist kein Rollmops oder Matjes, sondern eher Lachs oder andere etwas vornehmere Fische. Eine Delikatesse. Durch den weiter mit Begeisterung auf uns einströmenden Regen gingen wir zurück zum Auto, um die letzten paar Kilometer zurückzulegen, gerade mal noch 700. Gleich hinter Straßburg gerieten wir in einen Stau und verloren eine gute Stunde. Aber der Regen hörte auf. Des Französischen unkundig, beschäftigten wir uns viel mit Schildern wie ”Rappel 110”. Schön, dass wir Jana hatten; die konnte uns das am Handy zwar auch nicht übersetzen, legte aber nahe, dass es sich um die örtliche Geschwindigkeitsbegrenzung handeln könnte.
Wir wechselten uns alle 100 km mit dem Fahren ab, und bei jedem Aussteigen hatten wir das Gefühl, dass es wärmer geworden war. Klarer Fall - wir waren auf dem Weg nach Südfrankreich. Die Zeit vertrieben wir uns mit dem Hörbuch ”Die Entdeckung der Currywurst”. Eine Frau, die sich darüber bewusst ist, dass ihre besten Jahre vorbei sind, versteckt in den letzten Kriegstagen einen Deserteur, von dem sie noch einmal Liebe erfährt. Und sie erzählt ihm nicht, dass der Krieg inzwischen vorbei ist … Wir fuhren durch Lyon auf einer Art Stadtautobahn, da hatten wir noch etwas über 200 km. Auf der rechten Seite türmte sich das Zentralmassiv auf, dann fuhren wir in das Rhonetal, die letzten 15 km noch einmal Landstraße, und dann waren wir da. Es war schon dunkel, aber der Papstpalast war hell beleuchtet, so dass wir ihn schon von der anderen Seite der Rhone aus sehen konnten. Das Hotel war etwa 1km davon entfernt, es war das Citea Avignon. Wie auch in den folgenden Jahren wollten wir kein Nobelhotel; die Unterkunft sollte nur nachts den Regen abhalten, die Tage würden wir uns schon irgendwie um die Ohren hauen.
Zunächst sah es freilich so aus, dass wir das auch mit der Nacht tun müssten - wir kamen nicht rein, kein Personal war mehr da, wir konnten da klingeln, wie wir wollten. Aus irgendwelchen Untiefen seines Portemonnaies zauberte Torsten noch eine Telefonnummer hervor, und nachdem wir die Funkverbindung zustande gebracht hatten, wurden wir darüber aufgeklärt, wo der Schlüssel hinterlegt war. Wir fanden es im Nachhinein eigentlich ganz witzig; schön, dass unsere Familien das nicht mitmachen mussten. Wie zwei Steine fielen wir ins Bett; wenn es tatsächlich ins Zimmer geregnet hätte, wäre es uns auch egal gewesen. Morgen gleich mal zu diesem Papstpalast - das waren unsere letzten artikulierten Worte. Aber wie kommt der eigentlich dahin?
Der Papstpalast in Avignon
Die Babylonische Gefangenschaft der Kirche
Im 13. Jahrhundert war Frankreich die maßgebliche Macht in Europa, die auch das Papsttum für sich in Anspruch nahm. Die Zahl französischer Kardinale nahm immer weiter zu, und schließlich wurde 1305 mit Clemens V. auch ein Franzose zum Papst gewählt. Der begab sich gar nicht erst nach Rom, sondern ließ sich in Lyon zum Papst krönen und dann in Avignon nieder. Das Papsttum war damit ein französischer Vasallenstaat geworden. Die Stadt Avignon wurde komplett gekauft, und als Residenz diente ab 1335 der Papstpalast - ausdrücklich ”Palast”, nicht etwa Kirche oder Dom. Und das ist er auch, er wirkt mächtig, eher eine Trutzburg als ein Ort der inneren Einkehr.
Erst 1376 kehrte Papst Gregor XI. nach Rom zurück, von der Hl. Katharina von Siena überzeugt. Wie die nun wieder eine maßgebliche Autorität werden konnte, erschließt sich uns aus heutiger Sicht sehr schwer - stigmatisiert mit den Wundmalen Jesu, die freilich nur sie selbst sehen konnte, war sie zu einer Heiligen geworden. Sie starb 1380 mit gerade mal 33 Jahren; es gehört dazu, dass sich an Ihrem Grab danach Wunder ereigneten und dass Ihr Leichnam bei den Exhumierungen 1430 und 1855 unversehrt war - oder, wie man bei der zweiten Exhumierung mit einem Hauch Ehrlichkeit schrieb, in einem ”erstaunlich” guten Zustand. Doch die Rückkehr nach Rom brachte nur eine kurze Pause; es kam zu einer Doppelwahl, und da zwei Päpste einer zuviel sind, ging einer von ihnen wieder nach Avignon. Erst 1417, nach über hundert Jahren, fand diese ”Babylonische Gefangenschaft der Kirche” ihr Ende.
Der Papstpalast ist eines der größten gotisch geprägten Gebäude in Europa. Man betritt ihn durch die große Hauptfassade und denkt sich: ”Was für ein Trümmer!” Man braucht gute zwei Stunden, um ihn mit dem Audioguide zu besichtigen. Im Gedächtnis geblieben ist uns der Speisesaal, wo ein Gastmahl geschildert und die Unmengen an Speisen und Ressourcen aufgezählt wurden - beim Kalorienzählen wären die damals verzweifelt und hätten zusätzliche Kurse in Mathematik gebucht. Der Speisesaal ist mit ungefähr 50 m Länge der größte Raum im Papstpalast. Auch gibt es irgendwo innendrin einige Kapellen, schmucklose Steinhallen - war wohl nicht so wichtig. Allerdings ist die Bude während der Französischen Revolution auch geplündert und als Kaserne genutzt worden, wobei sich die wahrscheinlich reichlich vorhandene Dekoration verflüchtigt hat. Ansonsten ist der Eindruck einer Festung richtig, deutlich sind die Schießscharten zu sehen. Das sogenannte Hirschzimmer zeigt zeitgenössische Jagdszenen, es ist der kunstgeschichtlich wertvollste Raum. Und damit beschäftigte man sich in diesem Palast offenbar viel lieber als mit den lästigen Glaubensfragen.
Wir aßen in der Umgebung des Papstpalastes zu Mittag in einem kleinen Restaurant mit Innenhof. Es war südfranzösisch warm, wir konnten draußen sitzen. Danach gingen wir noch ein paar hundert Meter zur Rhone, durch ein Loch in der Stadtmauer durch, wir besorgten uns wieder einen Audioguide, und dann standen wir ”Sur le pons d’Avignon”.
Das Lied kennt wirklich jeder. Unweigerlich summt man es vor sich hin, wenn man auf der Brücke steht. Sie ist eigentlich ein katastrophaler Misserfolg, aber was wäre Avignon ohne sie? Nur eine Kleinstadt mit 90000 Einwohnern und einem Papstpalast. Die Legende sagt, dass der Hl. Benezet, ein Schäferjunge, durch eine innere Stimme veranlasst an der miesesten Stelle des Flusses eine Brücke errichtete. Man lachte ihn aus und hatte recht. Die Rhone, die an dieser Stelle gute 200 m bis zu einer Insel breit ist, hat wohl recht hohe Strömungsgeschwindigkeiten, und wenn die Belastung durch ein Hochwasser noch größer wird, gerät die Konstruktion unter Druck. Nach dem sie mehrfach zersört worden war, gab man im Jahre 1660 auf und ließ die Brücke so stehen, wie sie war - sie endet auf der Hälfte im Nichts. Immerhin gibt es für den Hl. Benezet eine kleine Kapelle, in der er begraben ist. Und das Lied? Ein niedliches Kinderlied aus dem 19. Jahrhundert, das einige Male überarbeitet wurde und nach dem Kinder zum Tanzen angeregt werden können. Getanzt wurde auf der Brücke allerdings nie.
Avignon ist ein sehr lebendiger Ort. Abends, wenn es noch warm ist, sind die Straßen voll von Leuten, überall Gaukler, Straßenverkäufer, kleine Musikgruppen und Stände mit köstlichem Essen. Dazu das Ambiente mit dem abends beleuchteten Papstpalast und der mittelalterlichen Stadtmauer - das hat uns schon gefallen, und wir ließen es uns auch an...
| Erscheint lt. Verlag | 15.11.2020 |
|---|---|
| Verlagsort | Ahrensburg |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
| Sonstiges ► Geschenkbücher | |
| Schlagworte | Andalusien • Barcelona • FNL • Istanbul • Krakau • Moskau • Neapel • New York • St. Petersburg • Südfrankreich • Washington |
| ISBN-10 | 3-347-16225-0 / 3347162250 |
| ISBN-13 | 978-3-347-16225-9 / 9783347162259 |
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