Du warst nie Getrennt (eBook)
212 Seiten
BoD - Books on Demand (Verlag)
978-3-8192-5823-7 (ISBN)
Leben und Schreiben sind für Frank Kralemann untrennbar miteinander verbunden. Dies spiegelt sich nicht nur in seinen Texten wider, sondern auch in seiner Lebensweise. Seine Passion für das Laufen, besonders auf den langen, meditativen Strecken durch die malerischen Landschaften des Teutoburger Waldes, ist für ihn mehr als nur ein Hobby. Es ist eine Quelle der Inspiration und eine Möglichkeit, den Geist zu klären, was unmittelbar in seine kreative Arbeit einfließt. Diese physische Aktivität erlaubt ihm, mit neuen Ideen zu experimentieren und Gedanken zu ordnen, was seinen Schreibprozess maßgeblich bereichert. Sein Ansatz, das Leben in seiner ganzen Fülle zu leben und zu schreiben, hat Frank Kralemann zu einem geschätzten Mitglied der literarischen Gemeinschaft gemacht. Seine Werke, die von persönlichen Erfahrungen und einer tiefen Beobachtungsgabe geprägt sind, laden Leser aller Altersklassen dazu ein, die Welt durch seine Augen zu sehen und vielleicht auch ein Stück weit durch seine Worte inspiriert, ihr eigenes Leben reicher zu gestalten. Frank Kralemann ist Vater und Großvater. Er schreibt seit 2007. Außer Ratgebern und Sachbüchern hat er auch Gedichtbände geschrieben.
Kapitel 2: Das Paradox des Suchens
- Finden durch Loslassen
Es war an einem gewöhnlichen Dienstagmorgen, als Maria die Erleuchtung suchte. Sie hatte schon alles versucht: zehn Jahre Yoga, fünf verschiedene Meditationstechniken, drei Vipassana-Retreats, unzählige Bücher. An diesem Morgen saß sie wieder auf ihrem Meditationskissen, die Beine schmerzten, der Rücken war verspannt, und in ihrem Kopf tobte der übliche Sturm aus Gedanken, Plänen und Selbstkritik.
"Warum klappt es bei mir nicht?", fragte sie sich zum tausendsten Mal. "Was mache ich falsch?"
Und dann, in einem Moment völliger Erschöpfung und Resignation, gab sie auf. Nicht die Meditation – sie saß weiter da. Aber sie gab das Suchen auf, das Streben, das Wollen. Für einen kostbaren Moment war sie einfach nur da, ohne irgendwohin zu wollen, ohne irgendetwas zu erreichen.
In diesem Moment der Kapitulation geschah es. Die Grenzen lösten sich auf. Der Suchende verschwand, und nur noch das Sein blieb. Maria lachte und weinte gleichzeitig, als sie erkannte: Das, wonach sie so verzweifelt gesucht hatte, war die ganze Zeit da gewesen. Sie hatte es nur nicht sehen können, weil sie zu beschäftigt damit war zu suchen.
Diese Geschichte illustriert das zentrale Paradox des spirituellen Weges: Wir finden, indem wir aufhören zu suchen. Wir erreichen, indem wir loslassen. Wir werden, indem wir aufhören werden zu wollen.
2.1 Krishnamurtis Revolution: "Der Beobachter ist das Beobachtete"
Die Täuschung der Dualität
Jiddu Krishnamurti war ein spiritueller Revolutionär. Er weigerte sich, ein Guru zu sein, gründete keine Schule, hinterließ keine Nachfolger. Seine Botschaft war radikal einfach und einfach radikal: Die Wahrheit ist ein pfadloses Land, und die fundamentale Ursache menschlichen Leidens ist die Illusion der Trennung zwischen dem Beobachter und dem Beobachteten.
Was meinte er damit? Schauen wir uns an, wie unser normales Bewusstsein funktioniert. Da ist "Ich", der Beobachter, und da ist "meine Wut", das Beobachtete. "Ich" versucht, "meine Wut" zu kontrollieren, zu unterdrücken, zu verstehen, loszuwerden. Diese Trennung erscheint uns so selbstverständlich, dass wir sie nie hinterfragen.
Aber Krishnamurti lädt uns ein, genauer hinzuschauen. Wer ist dieses "Ich", das die Wut beobachtet? Ist es nicht selbst ein Gedanke, eine Konstruktion? Und entsteht dieses "Ich" nicht erst in dem Moment, in dem es sich von etwas abgrenzt?
Es ist wie mit einer Welle, die sagt: "Ich bin hier, und der Ozean ist dort." Die Welle existiert nur als Bewegung des Ozeans. Die Trennung ist eine begriffliche Konstruktion, keine Realität. Genauso ist der Beobachter eine Bewegung des Bewusstseins, nicht getrennt von dem, was beobachtet wird.
Diese Erkenntnis ist revolutionär, weil sie die Grundlage unseres normalen Funktionierens untergräbt. Wenn der Beobachter das Beobachtete ist, dann gibt es niemanden, der etwas ändern müsste. Es gibt nur das, was ist, in seiner Ganzheit gesehen.
Wie wir uns selbst im Weg stehen
Das größte Hindernis auf dem spirituellen Weg sind wir selbst – genauer gesagt, die Illusion eines getrennten Selbst, das irgendwohin gelangen muss. Dieses illusionäre Selbst ist wie ein Hund, der seinem eigenen Schwanz hinterherjagt. Je schneller er rennt, desto schneller entkommt ihm der Schwanz.
Beobachten Sie, wie sich das in Ihrer eigenen Praxis zeigt. Sie meditieren, um friedlich zu werden – aber wer will friedlich werden? Das unfriedliche Ich. Sie streben nach Erleuchtung – aber wer strebt? Das unerleuchtete Ich. Der Strebende und das Streben entstehen gemeinsam und erhalten sich gegenseitig aufrecht.
Es ist, als würden Sie versuchen, Ihre eigenen Fußspuren einzuholen. Mit jedem Schritt, den Sie machen, um sie zu erreichen, schaffen Sie neue Spuren. Die Bewegung selbst ist das Problem, nicht die Lösung.
Das bedeutet nicht, dass spirituelle Praxis nutzlos wäre. Es bedeutet, dass wir die Praxis mit einem anderen Verständnis angehen müssen. Statt zu praktizieren, um irgendwo anzukommen, praktizieren wir, um zu erkennen, wo wir bereits sind. Statt zu meditieren, um uns zu verändern, meditieren wir, um zu sehen, wer wir wirklich sind.
Die Befreiung durch direktes Sehen
Krishnamurti sprach oft vom "direkten Sehen" – einer Wahrnehmung, die nicht durch Gedanken, Konzepte oder Bewertungen gefiltert ist. Dieses direkte Sehen ist keine besondere Fähigkeit, die entwickelt werden muss. Es ist unsere natürliche Art wahrzunehmen, bevor der interpretierende Verstand eingreift.
Ein kleines Kind sieht eine Blume und ist völlig absorbiert in der Wahrnehmung – die Farben, die Form, der Duft. Es denkt nicht "Das ist eine Rose" oder "Rosen sind schön" oder "Diese Rose erinnert mich an...". Es gibt nur die direkte, unmittelbare Erfahrung.
Als Erwachsene haben wir diese Unmittelbarkeit verloren. Wir sehen die Welt durch einen dicken Filter aus Erinnerungen, Assoziationen, Bewertungen. Wir sehen nicht mehr die Rose – wir sehen unsere Idee von einer Rose.
Das direkte Sehen, von dem Krishnamurti spricht, ist die Rückkehr zu dieser ursprünglichen Frische der Wahrnehmung. Es bedeutet, die Welt zu sehen, als würden wir sie zum ersten Mal erblicken. Es bedeutet, uns selbst zu sehen ohne die Last der Vergangenheit, ohne die Geschichte, die wir uns über uns selbst erzählen.
In diesem direkten Sehen löst sich die Trennung zwischen Beobachter und Beobachtetem auf. Es gibt nur noch das Sehen selbst, die reine Wahrnehmung, das nackte Gewahrsein. Und in diesem Gewahrsein offenbart sich die Wahrheit unseres Seins.
2.2 Warum das Suchen selbst das Hindernis ist
Die Falle spiritueller Ambitionen
Der spirituelle Weg ist voller Paradoxe, und eines der größten ist dieses: Der Wunsch nach Erleuchtung kann selbst zum größten Hindernis für die Erleuchtung werden. Wie kann das sein? Wie kann etwas, das uns motiviert und antreibt, gleichzeitig das sein, was uns zurückhält?
Die Antwort liegt in der Natur des Wunsches selbst. Jeder Wunsch impliziert einen Mangel. Wenn ich mir Erleuchtung wünsche, sage ich damit: "Ich bin nicht erleuchtet." Diese Aussage wird zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Indem ich mich als nicht-erleuchtet definiere, verfestige ich genau den Zustand, den ich überwinden möchte.
Spirituelle Ambitionen sind besonders tückisch, weil sie sich als edel und erhaben tarnen. "Ich will nicht reich oder berühmt werden", sagt das spirituelle Ego, "ich will erleuchtet werden!" Aber Ehrgeiz bleibt Ehrgeiz, egal wie erhaben das Ziel. Und Ehrgeiz basiert immer auf der Annahme, dass das, was ist, nicht genug ist.
Beobachten Sie Ihre eigenen spirituellen Ambitionen. Vielleicht wollen Sie der friedvollste, der bewussteste, der mitfühlendste Mensch werden. Vielleicht vergleichen Sie Ihre Meditationserfahrungen mit denen anderer. Vielleicht messen Sie Ihren "Fortschritt" an irgendeinem imaginären Standard.
All das ist menschlich und verständlich. Aber es ist auch die Falle, in die fast jeder spirituell Suchende tappt. Das spirituelle Ego ist noch raffinierter als das weltliche Ego, weil es sich hinter scheinbar selbstlosen Motiven versteckt.
Vom Werden zum Sein
Die gesamte Struktur unseres normalen Bewusstseins ist auf Werden ausgerichtet. Wir sind immer auf dem Weg irgendwohin – zum nächsten Ziel, zur nächsten Errungenschaft, zur nächsten Version unserer selbst. Diese Werdens-Orientierung ist so tief in uns verwurzelt, dass wir sie auch auf den spirituellen Weg übertragen.
Aber was, wenn der spirituelle Weg gar kein Weg des Werdens ist, sondern ein Weg des Seins? Was, wenn es nichts zu erreichen gibt, weil Sie bereits sind, was Sie zu werden versuchen?
Das ist keine Theorie oder ein netter Gedanke. Es ist die fundamentale Einsicht aller erwachten Wesen: Ihre wahre Natur ist bereits vollkommen, bereits ganz, bereits frei. Sie muss nicht entwickelt, verbessert oder erreicht werden. Sie muss nur erkannt werden.
Der Shift vom Werden zum Sein ist wie das Erwachen aus einem Traum. Im Traum rennen Sie vielleicht einem Ziel hinterher, kämpfen gegen Hindernisse, streben nach Erfüllung. Beim Erwachen erkennen Sie: Sie lagen die ganze Zeit sicher in Ihrem Bett. Die ganze Dramatik war nur im Traum.
Genauso ist es mit dem spirituellen Erwachen. Sie erkennen, dass Sie nie wirklich von Ihrer wahren Natur getrennt waren. Die ganze Suche, das ganze Streben, war nur ein Traum des Getrenntseins.
Die Gnade des Aufgebens
Es gibt einen Moment auf dem spirituellen Weg, der oft als dunkelste Stunde vor der Dämmerung beschrieben wird. Es ist der Moment, in dem alle Bemühungen erschöpft sind, alle Techniken versagt haben, alle Hoffnungen gestorben sind. Es ist der Moment des totalen Aufgebens.
Dieses Aufgeben ist nicht Resignation oder Depression. Es ist nicht das Aufgeben aus Schwäche, sondern das Aufgeben aus Einsicht. Es ist die Erkenntnis, dass das Ich, das versucht sich zu befreien, selbst die Gefangenschaft ist.
In der christlichen Mystik wird dieser Moment als "dunkle Nacht der Seele" beschrieben. In Zen heißt es: "Wenn du Buddha auf der Straße triffst,...
| Erscheint lt. Verlag | 2.7.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Lebenshilfe / Lebensführung |
| Technik | |
| Schlagworte | Bewußtsein • Einheit • Illusion der Getrenntheit • Präsenz • Spiritualität |
| ISBN-10 | 3-8192-5823-X / 381925823X |
| ISBN-13 | 978-3-8192-5823-7 / 9783819258237 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich