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Was wirklich zählt -  C. Juliane Vieregge

Was wirklich zählt (eBook)

18 mal Hoffnung in Krisenzeiten
eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
256 Seiten
Schüren Verlag
978-3-7410-0725-5 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
19,99 inkl. MwSt
(CHF 19,50)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
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Was gibt uns in Zeiten der Herausforderungen Hoffnung? Was treibt uns an? Worauf können wir uns verlassen? Was zählt wirklich? Bekannte und relevante Persönlichkeiten aus Kultur, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft mit einschneidenden Erfahrungen erzählen, was ihnen Hoffnung und Zuversicht gibt, was ihr Leben lebenswert macht, worauf sie setzen, was für sie zählt! Was wirklich zählt sind Geschichten, die Hoffnung machen. Gespräche mit Betty BBQ (Dragqueen), Grit Seymour (Modedesignerin), Najem Wali (irakisch-deutscher Schriftsteller), Mojib Latif (Klimaforscher), Katja Wolf (Politikerin BSW) Ulf Merbold (Astronaut), Wolfgang Schmidbauer (Psychonanalytiker, Buchautor) Sebastian Krumbiegel (Musiker. Die Prinzen), Elena Uhlig (Schauspielerin), Maria Groß (Sterneköchin), Markus Bell (Opfer der Ahrtal-Flut), Inge Auerbacher (Holocaust-Überlebende), Maximilian Hillmann (Unternehmer, der auf veganes Leder , setzt), Marie Theres Relin (Schauspielerin), Lutz Trabalski (Lotto-Gewinnberater), Gerburg Jahnke (Kabarettistin) und Serkan Eren (STELP)

C. Juliane Vieregge, Autorin, Bloggerin und Online-Journalistin, wuchs in Kamen/Westfalen und Essen auf. Sie studierte Evangelische Theologie, Germanistik und Kunstgeschichte in Münster, Hamburg und Tübingen mit 1. und 2. Staatsexamen. Im Stuttgarter Literaturhaus absolvierte sie von 2011 bis 2013 eine 2-jährige Ausbildung* im literarischen und journalistischen Schreiben und qualifizierte sich für Creative Writing, das sie seit vielen Jahren an Tübinger Schulen erfolgreich - mit jährlichen Publikationen - unterrichtet. Seit zwei Jahren bietet sie auch Kurse für ein erwachsenes Publikum an.

C. Juliane Vieregge, Autorin, Bloggerin und Online-Journalistin, wuchs in Kamen/Westfalen und Essen auf. Sie studierte Evangelische Theologie, Germanistik und Kunstgeschichte in Münster, Hamburg und Tübingen mit 1. und 2. Staatsexamen. Im Stuttgarter Literaturhaus absolvierte sie von 2011 bis 2013 eine 2-jährige Ausbildung* im literarischen und journalistischen Schreiben und qualifizierte sich für Creative Writing, das sie seit vielen Jahren an Tübinger Schulen erfolgreich – mit jährlichen Publikationen – unterrichtet. Seit zwei Jahren bietet sie auch Kurse für ein erwachsenes Publikum an.

BETTY BBQ
DIESE FIGUR HABE ICH MIR ERSCHAFFEN


Ich bin Betty BBQ, die Schwarzwald Dragqueen.

Meine Heimat ist Freiburg. Hier habe ich die größte Zeit meines Lebens verbracht, hier bin ich zu mir selbst geworden. Deswegen ist Freiburg der Ort, in dem ich für immer bleiben möchte.

Wenn man eine Stunde mit einer Dragqueen unterwegs ist, hat man definitiv etwas über Freiburg erfahren. Ich erzähle ja nichts, was nicht stimmt. Aber eben locker und lustig statt trockener Historie. Ich mache die etwas andere Stadtführung. Zu mir kommen Gäste, die nicht unbedingt Jahreszahlen hören wollen, sondern einfach ein paar Facts über Freiburg und auch ein bisschen was Buntes aus meinem Leben.

Die Betty BBQ gibt es seit zwölf Jahren. Am 14. August hat sie ihren offiziellen Geburtstag. Ich bin die Einzige, die mit zwölf schon trinken darf und die nie eine Schule besucht hat außer die Schule des Lebens.

Angefangen hat es aber viel früher. An der Fasnacht bin ich schon immer gerne in Frauenrollen geschlüpft und hatte wahnsinnig Spaß daran. Die Kunstfigur Betty BBQ gab es damals noch nicht. Mal war ich eine blonde 80er-Jahre-Venus mit riesigen Ohrringen, mal das Fräulein Rottenmeier. Aber dieser eine jährliche Anlass hat mir gereicht. Unter dem Jahr habe ich es nicht vermisst.

Eines Tages wurde ich angesprochen: «He, du machst das so gut, und in Freiburg gibt es keine Dragqueen. Wäre das nicht was für dich?»

Zuerst habe ich abgewinkt. Diese ganze Schminkerei und die unbequemen Sachen, darauf hatte ich keine Lust. Doch die Idee hat mich nicht losgelassen, und dann habe ich tatsächlich angefangen, die Figur zu entwickeln und damit auch unterm Jahr aufzutreten. Die Idee zur Betty BBQ entstand auf einem Oktoberfest. Ich wollte nicht bayerisch hingehen und tauchte in einer Schwarzwälder Tracht auf. Das schlug ein wie eine Bombe, und von da an wollte man mich nur noch so haben.

Natürlich ist die Betty BBQ, wie sie heute vor dir sitzt, nicht dieselbe wie vor zwölf Jahren, als ich das erste Mal beschlossen habe, in Schwarzwaldtracht feiern zu gehen. Die Figur hat sich verändert, sie ist mit mir gewachsen. In zwölf Jahren hat man verdammt viel Zeit, Lebenserfahrung zu sammeln. Dazu kommt, dass ich ständig mit Menschen zu tun habe. Betty wurde in manchen Dingen gefestigter. Sie macht heute Sachen, die sie vor ein paar Jahren noch nicht gemacht hat. Betty lernt immer noch dazu. Der Beruf ist so valide und ist eine permanente Herausforderung, dass mir auch tatsächlich nie langweilig wird.

Um zu Betty zu werden, brauche ich gemütliche zwei Stunden. Ich könnte es auch schneller schaffen, aber dann fühle ich mich in meiner Rolle nicht wohl. Da findet ja eine Art Transformation statt, und die dauert ihre Zeit. Ich brauche dafür Ruhe. Zwischendurch trinke ich einen Kaffee oder mir fällt etwas ein, das ich noch googeln möchte. Diese Muße ist nötig, um mich gut zu fühlen, wenn ich schließlich aus dem Haus gehe. Würde ich die Sache überstürzen und Hauptsache schnell schnell, dann könnte ich nicht die 100 Prozent bringen, die von mir erwartet werden. Da geht es mir wie jedem anderen in seinem Job auch.

Betty bin ich, aber Betty ist nicht ich


Klingt kompliziert, und das ist es auch. Irgendwann ist man tatsächlich zwei Personen in einem Körper. Die Kollegin Olivia Jones hat das in der NDR Talk Show einmal auf die Formel gebracht: Travestie ist gelebte Schizophrenie.

Wenn man als Mann eine weibliche Kunstform darstellt, wäre es ja unglaublich schwachsinnig zu behaupten, man wäre das überhaupt nicht oder da steckten keine Anteile von einem selbst drin. Ich habe ziemlich schnell gemerkt, dass ich mir durch die Kunstfigur Betty privat alles zurückerobern konnte, was man mir früher verweigert hat. Ob Fasnacht oder Heimattraditionen, die ich in meiner Jugendzeit nicht ausleben durfte – alles, worum ich als Kind gebracht worden bin, nahm die Betty mit ihrem Bollenhut problemlos mit. Sie ist überall eingeladen, sie ist voll dabei. Auf die Weise konnte ich durch meinen Drag die Versäumnisse meiner Kindheit nachholen und wurde zu der Heimattante, die ich jetzt bin. Und das natürlich aus voller Überzeugung.

Der Name Betty BBQ ist ein Zufallstreffer. Lange vor meiner Karriere als Dragqueen war ich auf einer Hochzeit eingeladen und wartete mit zwei Freunden auf das Barbecue. Nach drei Gläsern Sekt überlegten wir, wie wir als Dragqueens heißen würden, und ich war sofort Betty BBQ. Als später klar war, dass ich mit der Travestie anfangen würde, gab es für mich keine Sekunde zu überlegen. Wegen der Alliteration prägt sich der Name gut ein. Einmal gehört, kann jeder ihn sich merken.

Während Betty in meiner Anfangszeit einfach nur ich im Kleid war, hat sich mittlerweile ihr Charakter so entwickelt und profiliert, dass wir wirklich zwei voneinander verschiedene Personen sind, die auch unterschiedliche Interessen haben. Ich finde es manchmal selbst gruselig. Ich gehe privat absolut nicht mehr feiern. Privat trinke ich kaum Alkohol, bin auch eher der ruhige Typ. Meine eigenen Feste feiere ich mittlerweile im ganz kleinen Kreis. Ich liebe es privat, ins Theater zu gehen. Ich schaue mir gerne Dinge an, bin eher so der Beobachter, während Betty ja die sprichwörtliche Rampensau ist. Sie steht total gerne im Mittelpunkt und schafft es mühelos, andere Leute mitzureißen. Das wäre mir privat viel zu anstrengend. Die sollen selbst für ihre Unterhaltung sorgen. Betty lebt Talente aus, die für mich privat keine Rolle spielen und die ich auch in meinem realen Leben nicht an mir vermisse. Aber die Kunstfigur verleiht mir mehr Selbstbewusstsein. Betty traut sich, Dinge zu sagen oder zu machen, die ich mich privat nie trauen würde. Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, dass mir irgendwas abgeht. Ich mache die Betty BBQ nicht, um inkognito mal auf die Pauke zu hauen.

Dadurch, dass ich einen großen Teil meines Lebens Betty bin, denke ich mich sowohl als Sie wie auch als Er. Wenn ich ein Kleid anhabe, bin ich Sie, und wenn ich kein Kleid anhabe, bin ich Er. Das passiert, ohne nachzudenken.

Heute habe ich die Hängebrücke in Todtnau eröffnet, und danach musste ich dringend auf Toilette. Da laufe ich wie selbstverständlich in die Damentoilette rein. Als Dragqueen habe ich die schönsten Gespräche auf Damentoiletten, und das hat in den zwölf Jahren noch nie jemand beanstandet. Es kommt sogar immer total gut an. Für mich ist es selbstverständlich: Mit der Rolle wechsle ich das Geschlecht, jedenfalls für den Moment. Trotzdem ist eine Dragqueen ganz klar ein Mann. Und wenn mich jemand fragt, sage ich: Ich bin ein offen schwul lebender und liebender, biologischer Mann und von Beruf Travestiekünstler.

Drag ist eine Kunstform des überzeichneten Tragens von Kleidung des jeweils anderen Geschlechts. Tatsächlich gibt es auch Dragkings, also Frauen, die Männer darstellen und wirklich tolle Shows machen. Durch das Überzeichnen wird das Geschlecht oder geschlechtertypische Verhalten auf humorvolle Weise ad absurdum geführt. Genauso nehme ich ja auch Touristenklischees und Schwarzwaldklischees aufs Korn, aber immer liebenswürdig und mit einem Augenzwinkern, wie ich das mit den Frauen auch mache. Travestie hat nie etwas Despektierliches Frauen gegenüber, nicht zuletzt, weil wir Travestie-Künstler, indem wir als Frauen gelesen werden, ganz viele gesellschaftliche Probleme am eigenen Leib erfahren, wie sie sonst nur die Frauen erleben.

Im Club angefasst zu werden, wo man von einem Fremden nicht angefasst werden will, das gehört leider auch zu meinem Alltag. Die ganze Sexismus-Debatte, das von Frauen oft beklagte Nicht-ernst-genommen-Werden, kann ich bestens nachvollziehen. Durch meinen Job bin ich viel solidarischer mit Frauen und tatsächlich zum Feministen geworden, weil ich aus der weiblichen Perspektive Dinge erlebe, die ich als Mann nie kennengelernt habe. Das erklärt, warum wir Dragqueens so viele weibliche Fans haben: Sie verstehen unsere Kunst als Hommage an sie, was sie ja letztlich auch ist.

Mir war immer bewusst, dass ich anders bin


Meine Eltern sind nach meiner Geburt in ein kleines Dorf auf dem Land gezogen. Dort bin ich aufgewachsen in dem sehr frühen Bewusstsein, anders als die anderen zu sein. Bis heute kann ich es nicht genau definieren. Es war mehr ein Gespür, eine Ahnung. Ich wusste nicht, was mit mir los war. Es schien einen Schwachpunkt bei mir zu geben, den ich nicht erfassen konnte, der mich jedoch mit großer Unsicherheit erfüllte. Ich war derjenige, der nie zu Geburtstagen eingeladen wurde – nie wissend, wieso eigentlich nicht. Kinder können grausam sein. Ich war oft der Prellbock und habe ganz viel abbekommen.

Die Frage nach dem Wieso hat mich tatsächlich lange, lange begleitet. In einer Phase, während der man sich selbst entdecken sollte, war ich so damit beschäftigt, nicht gemocht zu werden, dass ich nicht die Zeit und die Kapazität fand, mich zu fragen, wer ich eigentlich bin. Ich war noch nicht mal volljährig, als ich aus dem Dorf geflüchtet bin. Ein Heimatvertriebener! Nicht aus meinem Elternhaus, das ist mir ganz wichtig zu erwähnen: Ich habe fantastische Eltern, die mich immer unterstützt haben. Aber sie waren gar nicht in der Lage, das, was mir widerfahren ist, aufzufangen. Das war in dieser Umgebung einfach nicht möglich. Irgendwann war für mich klar: Ich muss da raus. Deswegen bin ich mit sechzehn in die Stadt, nach Freiburg, in eine WG gezogen. Für mich als ein Junge vom Land war das ein Riesenschritt! Freiburg ist zwar nicht gerade eine...

Erscheint lt. Verlag 27.4.2025
Verlagsort Marburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte Betty BBQ • Corona Pandemie • Elena Uhlig • Erfahrungen • Gemeinschaft • Gerburg Jahnke • Grit Seymour • Inge Auerbacher • Inspiration • Katja Wolf • Krisen • Lebensmut • Lösungsorientierung • Lutz Trabalski • Maria Groß • Marie Theres Relin • Markus Bell • Martin Aufmuth • Maximilian Hillmann • Mojib Latif • Najem Wali • Neuanfang • Persönliche Entwicklung • Resilienz • Sebastian Krumbiegel • Selbstfindung • Selbstwirksamkeit • Ulf Merbold • Wolfgang Schmidbauer • Zukunftsvisionen • Zuversicht
ISBN-10 3-7410-0725-0 / 3741007250
ISBN-13 978-3-7410-0725-5 / 9783741007255
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