Menschenkenntnis (eBook)
256 Seiten
HarperCollins eBook (Verlag)
9783749908318 (ISBN)
Topmanager oder Toxic Leader. People Pleaser oder Egoist. Wie wir andere einschätzen, hat enormen Einfluss auf unsere Entscheidungen. Doch was macht »gute« Menschenkenntnis eigentlich aus?
Richard Davis hat viele Jahrzehnte damit verbracht, den erfolgreichsten Unternehmen der Welt dabei zu helfen, ihre Führungspositionen zu besetzen. Und irrte dabei so gut wie nie. Praxisnah und unterhaltsam liefert Davis uns nicht nur das nötige Handwerkszeug, um unsere eigene Wahrnehmungsfähigkeit zu schärfen, sondern zeigt anhand der Geschichten aus seinem Berufsalltag, warum das Erkennen von Persönlichkeitsmerkmalen das Wichtigste ist - und warum es sich (fast) immer lohnt, ein zweites Mal hinzuschauen.
Wenn Sie Ihr Urteilsvermögen verbessern und Ihr Gegenüber besser kennenlernen wollen, machen Sie mit diesen Fragen nichts falsch:
- Wer hat Sie schon in frühen Jahren beeinflusst? Inwiefern ähneln oder unterscheiden Sie sich von dieser Person?
- Wie würden Sie Ihren engsten Freundeskreis beschreiben? Was bringt Ihre Freunde auf die Palme
- Wenn sie als außenstehender Mensch auf Ihr Leben blicken würden, wie würden Sie es beschreiben?
- Was würde Ihr ehemaliger Chef über Sie sagen?
Richard Davis ist Organisationspsychologe und CEO von Kilberry, einem der führenden Unternehmen für Managementpsychologie in Kanada und den USA. Er hat Jahrzehnte damit verbracht, Führungskräfte zu beraten und Kandidaten auf Grundlage der Persönlichkeit für Führungspositionen in einigen der größten Unternehmen der Welt besser einzuschätzen, darunter Microsoft, Apple, Nike, LHMV, General Motors, Amazon, Google und die NBA.
»Davis zeigt auf eindringliche Weise, wie wichtig es gerade heute ist, unsere zwischenmenschliche Wahrnehmungsfähigkeit zu bewahren.« Forbes Magazine
»Ein einzigartiger Leitfaden, um zu lernen, wie man Menschen besser lesen und verstehen kann.« USA Today
Einleitung
Als kleiner Junge in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren nahmen mich meine Eltern zu Hockeyspielen, Konzerten und anderen Ausflügen mit. Wir fuhren oft lange mit der U-Bahn durch meine Heimatstadt Toronto. Zum Zeitvertreib spielten meine Mutter und ich »das Spiel«. Sobald sich eine interessant aussehende Person uns gegenübersetzte, stupste mich meine Mutter mit dem Ellbogen an und flüsterte: »Was glaubst du?« Das war mein Stichwort, mir eine detailreiche Geschichte über diese fremde Person auszudenken, eine, die plausibel erschien, aber ganz und gar erfunden war.
Sagen wir, es war Sonntagnachmittag, und ein Geschäftsmann Ende zwanzig mit einem maßgeschneiderten Nadelstreifenanzug und einer schweren Einkaufstüte betrat den Waggon. Dunkelhaarig, schlank, mit Ehering. Frisch rasiert. Zusätzlich zu den Einkäufen hatte er eine relativ neu aussehende lederne Brieftasche dabei und machte einen müden und etwas angespannten Eindruck.
Meine Mutter stieß mich an, und ich beugte mich zu ihr hinüber und murmelte: »Okay, der Typ heißt Mike, mit Nachnamen … Simpson. Mike arbeitet bei einer Bank, und seine Frau Cheryl, die auch bei der Bank arbeitet, ist im achten Monat schwanger. Obwohl es Sonntag ist, hat Mikes strenger Chef ihn dazu gezwungen, zur Arbeit zu kommen, um ihm zu helfen, ein großes Projekt abzuschließen. Sein Chef ist altmodisch, deshalb erwartet er, dass Mike im Anzug erscheint.«
Nach einem weiteren verstohlenen Blick auf »Mike« nickte meine Mutter und forderte mich auf fortzufahren.
»Folgendes ist passiert«, hätte ich dann zum Beispiel sagen können. »Mike und sein Chef hatten sich gerade an die Arbeit gemacht, als Cheryl anrief. Ihr war übel, und sie hatte ein starkes Verlangen nach Essiggurken und Eis. Sie fragte Mike, ob er so lieb sein könne, ihr das und ein paar weitere Dinge zu besorgen. Mike ist ein netter Kerl und liebt seine Frau abgöttisch – er kann einfach nicht Nein sagen, wenn sie etwas von ihm möchte. Obwohl er wusste, dass er deswegen Ärger mit seinem Chef bekommen würde, entschuldigte er sich, um das Gewünschte einzukaufen.«
So gingen diese Geschichten unendlich weiter. War »Mike« ausgestiegen und jemand anderes mit einer interessanten Ausstrahlung hereingekommen, begannen wir eine neue Geschichte und spannen diese so lange weiter, wie wir konnten. Das machte unheimlich Spaß, und die U-Bahn-Fahrten vergingen dadurch wie im Flug.
Jahrelang gab ich nicht viel auf diese Geschichten. Unser Spiel war eben nur ein Spiel. Als ich zwanzig wurde, begriff ich jedoch, dass mich dieses Ablenkungsmanöver gelehrt hatte, die Welt um mich herum genau zu beobachten. Vielleicht noch wichtiger, es hatte mir einen umfangreichen Wortschatz beschert, um Persönlichkeiten zu beschreiben. Wo auch immer ich war, registrierte ich andere Menschen und ihr Verhalten bis hin zu den kleinsten Details – wie sie sprachen, ihre Körperhaltung, wie sie sich kleideten und wie andere auf sie reagierten.
Im Grunde habe ich nie aufgehört, »das Spiel« zu spielen. Es ist nicht allzu weit hergeholt, wenn ich sage, dass ich heute meinen Lebensunterhalt damit verdiene, denn ich bin Organisationspsychologe und habe mich auf die Begutachtung von Persönlichkeiten spezialisiert. Unsere Persönlichkeit steuert unser Verhalten. Sie schließt unsere Motivationen, Werte, sozialen Neigungen, Reaktionen auf Krisen oder komplexe Situationen sowie Denkmuster ein. Um vernünftige Entscheidungen im Hinblick auf Menschen zu fällen, müssen Sie in der Lage sein, vorauszusehen, wie sie sich wahrscheinlich verhalten werden. Und die beste Art und Weise, das zu tun, ist, ihre Persönlichkeit zu verstehen.
Wenn ich auf die eine oder andere Weise Menschen beurteile, dann berufe ich mich auf meine langjährige Erfahrung und auf die Hilfe der etablierten Wissenschaft. Einige der größten, bekanntesten Unternehmen engagieren mich, damit ich als Entscheidungsgrundlage für sie innerhalb kurzer Zeit Kandidaten und Kandidatinnen für Führungspositionen und potenzielle Geschäftspartnerschaften einschätze, außerdem helfe ich CEOs und leitenden Angestellten dabei, mit den komplexen Anforderungen ihrer Arbeitswelt noch besser zurechtzukommen. Der Vorteil für diese Führungskräfte liegt darin, dass sie durch meine Beratung erkennen, wie sie ticken und auf andere wirken. Hierbei wende ich meine Menschenkenntnis an – die Fähigkeit, andere Menschen genau zu beobachten, um ihren Charakter einzuschätzen und auf dieser Grundlage zuverlässig ihr Verhalten vorauszusagen.
Solche wissenschaftlich basierten Begutachtungen haben wichtige praktische Konsequenzen. Viele Unternehmen, für die ich arbeite, haben äußerst relevante Entscheidungen über Menschen zu fällen: wen sie als CEO einstellen sollen, beispielsweise, oder ob sie ein anderes Unternehmen samt Führungsetage übernehmen oder wie sie schwierige Personalfragen lösen können. Bei solchen Entscheidungen berücksichtigen meine Klienten und Klientinnen in der Regel traditionelle Kriterien wie die Erfahrung einer Person, ihre Erfolgsbilanz, ihren Bildungshintergrund, ihre zwischenmenschliche Wirkung, ihre Fähigkeit zu strategischem Denken, ihr berufliches Ansehen und so weiter. Zunehmend beziehen Unternehmen auch Faktoren wie die »emotionale Intelligenz« (später mehr zu diesem Konzept und seinen Mängeln) und persönliche Wertvorstellungen mit ein. Bevor sie eine Entscheidung treffen, holen sie jedoch mich dazu, um einzuschätzen, welche Charakterzüge wirklich aussichtsreiche Kandidaten von den übrigen abhebt. Haben die Betreffenden ein bestimmtes Temperament und neigen sie zu besonderen Verhaltensweisen, die sie benötigen, um erfolgreich zu sein? Falls nicht, ist es wichtig, das zu wissen. Und falls ja: Was müssen die Unternehmen frühzeitig tun, um die neu Eingestellten möglichst reibungslos in die Organisation zu integrieren?
Meine Schlussfolgerungen haben häufig weitreichende Folgen, persönlich wie geschäftlich. Jemandes Karriere kann dadurch Fahrt aufnehmen oder enden. Ein Unternehmen oder ein Team kann sich weiterentwickeln oder scheitern, übernommen oder links liegen gelassen werden.
Zunächst sieht mein Verfahren einige formelle psychologische Tests vor, die mir einen groben Eindruck der Persönlichkeit meines Gegenübers verschaffen. Aber die wahre Magie liegt in einem sehr spezifischen, dreistündigen Interview. In dieser Sitzung interessiere ich mich für die persönliche Geschichte der Person und bitte sie, mich chronologisch durch diese zu führen. Unser individueller Charakter ist in vielerlei Hinsicht das Ergebnis unserer Erfahrungen, also bitte ich meine Interviewpartner, zentrale Erlebnisse aus ihrem Leben zu beschreiben. Dieses Interview folgt zwar einer bewussten Methodik, gleichzeitig bleibe ich aber flexibel und achte darauf, dass es sich natürlich anfühlt. Es ist keine formelle Angelegenheit wie ein Vorstellungsgespräch, sondern eher ein informeller, reflektiver Austausch, wie man ihn bei einem Bier oder Glas Wein haben könnte.
Während dieser Begutachtung frage ich mein Gegenüber nach seinen Eltern, seiner Kindheit, wie sein Studium war und so weiter. Ich erkundige mich nach seinen Entscheidungen, nach Kindheitsfreundschaften und Werten, mit denen die Person aufgewachsen ist. Statt eine vorgefertigte Liste von Fragen abzuarbeiten, auf die ich mir bestimmte Antworten erhoffe, stelle ich meine Fragen ganz gezielt. Dabei konzentriere ich mich voll und ganz auf die Persönlichkeit – wie gewissenhaft ist diese Person, wie aufgeschlossen, wie stark ist ihre Neigung zum strategischen Denken und vieles mehr –, um herauszufinden, ob sie spezifische Eigenschaften besitzt, die meine Auftraggeber erwarten, und ob sie diese Eigenschaften auf eine Weise zeigt, die deren Zielen zugutekommt.
Der Vorstand eines Unternehmens könnte zum Beispiel auf der Suche nach einer entschlussfreudigen, fokussierten Person als CEO sein, die zudem eine ausgezeichnete Kommunikatorin ist. Wer Geld in ein Start-up investiert, will vielleicht eine Führung, die nicht nur visionär ist, sondern auch gut mit anderen zusammenarbeiten, konstruktives Feedback annehmen kann und so weiter. Erfüllen die infrage kommenden Personen diese Kriterien? Besitzen sie möglicherweise irgendwelche Eigenschaften, die sich als destruktiv für die Position herausstellen könnten? Meinen Klientinnen und Klienten gebe ich eine klare Antwort: ja oder nein.
Die Unternehmen, für die ich in den vergangenen zwei Jahrzehnten Tausende Menschen beurteilte, zählten zu Branchen wie dem Profisport, der Technologie, der Mode und dem internationalen Bankwesen und waren auf jedem Kontinent außer Antarktika (dort war ich allerdings als Tourist – faszinierend!) tätig. Wenn sie meine Empfehlungen ignorierten und zum Beispiel eine Person einstellten, deren Charakter aus meiner Sicht nicht für die fragliche Funktion geeignet war, wurden sie am Ende fast immer von den Eigenschaften eingeholt, vor denen ich gewarnt hatte.
Eine Private-Equity-Gesellschaft, die ich berate, hatte vor, in eine schnell wachsende Firma zu investieren, die bereits einige kleinere Arztpraxen überall in den USA aufgekauft hatte und nun unter einem gemeinsamen Namen zu einer Organisation verschmolz. Im Allgemeinen sind Arztpraxen im Verbund profitabler als unabhängig geführte. Hätte das fragliche Unternehmen die Übernahmen und die Integration der Praxen forcieren können, so hätte die Kapitalbeteiligungsgesellschaft Dutzende Millionen mit dem Deal verdienen können. Ähnliche...
| Erscheint lt. Verlag | 15.4.2025 |
|---|---|
| Übersetzer | Johanna Wais |
| Verlagsort | Hamburg |
| Sprache | deutsch |
| Original-Titel | Good Judgment |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Psychologie |
| Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Sozialpsychologie | |
| Schlagworte | Achtsamkeit • Alltag • Anekdoten • Aufstiegschancen erhöhen • bessere bewerbungsgespräche führen • Bewerbung • bewerbung erfolg • Bewerbungsgespräche • Buch • business • Coaching • Emotionale Intelligenz • EQ • Erfolg • fragen stellen lernen • Freunde finden • gedanken kontrollieren • Gefühle kontrollieren • Gelassenheit • Gespräche lenken • Gesprächsführung • Image • job interview • Jobsuche • Karriere • Klientengeschichten • Management • Managementpsychologie • menschen analysieren • Menschen durchschauen • Menschenkenntnis • Menschen lesen • Menschen verstehen • micro habits • Nonfiction • Organisationspsychologie • People Pleaser • Personalführung • Persönlichkeit • Persönlichkeitsmerkmale erkennen • Sachbuch • Selbstoptimierung • Silicon Valley • Smalltalk • Topmanager • Ziele erreichen |
| ISBN-13 | 9783749908318 / 9783749908318 |
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