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Muppets in Moskau (eBook)

Die völlig verrückte Geschichte, wie die Sesamstraße nach Russland kam
eBook Download: EPUB
2023 | 1., Deutsche Erstausgabe
416 Seiten
Suhrkamp Verlag
9783518777671 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Muppets in Moskau - Natasha Lance Rogoff
Systemvoraussetzungen
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Mehr als zehn Jahre lang erreichte die russische Ausgabe der Sesamstraße Millionen von Familien. Die Vision der Sendung: eine neue Realität für die Kinder und Enkelkinder des Landes zu entwerfen - zunächst auf dem Fernsehbildschirm und dann im wirklichen Leben. Natasha Lance Rogoff, die amerikanische Produzentin der Sendung, gibt einen Einblick hinter die Kulissen und erzählt eine turbulente Geschichte von Bombenanschlägen, dem Clash der Kulturen und der zarten Hoffnung, dass es so etwas wie Annäherung zwischen zwei Welten geben kann.

Kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erwartet Natasha Lance Rogoff die Aufgabe ihres Lebens: Sie soll die ur-amerikanische Sesamstraße für das russische Fernsehen adaptieren. Dass es keine Produktion wie jede andere werden wird, zeigt sich bereits im Vorfeld: Der erste Investor entgeht nur knapp einem Bombenattentat, drei Fernsehmanager werden ermordet, und als endlich ein Produktionsbüro bezogen werden kann, wird es kurz darauf vom Militär besetzt. Schließlich sind da noch die Differenzen im russisch-amerikanischen Team: Filme, in denen Männer den Abwasch machen und Patchwork-Familien fröhliche Buchstabenlieder singen, kommen bei den russischen Kreativen nicht gut an - Schwermut und klassische Musik sollen zum Einsatz kommen. Es wird beherzt gestritten, und nur langsam nähern sich beide Seiten an. Am Ende entstehen aber Kulissen und Handpuppen, Filme und Musik, die amerikanische Vorgaben und russische Tradition verbinden. Die Sendung wird ein Riesenerfolg - bis sie von Putin-treuen Fernsehmanagern abgesetzt wird.



Natasha Lance Rogoff war zwischen 1993 und 1997 ausf&uuml;hrende Produzentin von <em>Ulitsa Sezam</em>, der russischen Adaption der <em>Sesamstra&szlig;e</em>. Neben ihrer Fernseharbeit hat Lance Rogoff als Dokumentarfilmerin und Journalistin f&uuml;r gro&szlig;e internationale Medien &uuml;ber die sowjetische Untergrundkultur berichtet. Sie lebt in Cambridge, Massachusetts und New York City.

2

Wie ich zur Sesamstraße kam


Ein russischer Gepäckabfertiger im dunklen Arbeitsanzug wirft achtlos die Koffer aufs rotierende Gepäckband. Wie in Trance schaue ich ihm zu und denke daran zurück, wie alles begann. Vor einem halben Jahr war ich in New York, um an der Columbia University, an der ich studiert habe, meinen Dokumentarfilm über Russland vorzustellen. Im Hörsaal dreihundert Menschen, darunter zwei ehrwürdige Redner: Carl Levin, der dienstälteste Senator von Michigan, und Pamela Harriman, die legendäre Grande Dame der Demokraten, die wesentlich dazu beigetragen hat, dass Bill Clinton ins Weiße Haus einziehen konnte. Mit ihrem leicht stockenden britischen Akzent stellte sie meinen Film vor und lobpreiste das russische Volk: »Viele denken, die Russen seien ein passives Volk, das nur die Hand aufhält und nach unserer Hilfe schreit, aber das ist nicht wahr. Dieser Film zeigt uns, wie entschlossen die Russen sind, eine neue, offenere Gesellschaft aufzubauen.«

Nach der Podiumsdiskussion wurde ich von Gary Knell und Steve Miller angesprochen. Knell war Senior Vice President für Unternehmensfragen bei Sesame Workshop, Miller Vice President der Abteilung Internationales Fernsehen. Sie stellten sich vor und fragten mich, ob es mich interessiere, zusammen mit ihnen die Sesamstraße nach Russland zu bringen.

Ich war sprachlos. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum diese Fernsehleute meinten, ausgerechnet ich könnte ihnen bei der Produktion einer Kindersendung von Nutzen sein – nachdem sie gerade noch das düstere Bild gesehen hatten, das ich in meinem Film von Sowjetrussland zeichne. Verwirrt erklärte ich ihnen, ich hätte noch nie fürs Kinderfernsehen gearbeitet und mit echten Kindern hätte ich sogar noch weniger Erfahrung.

Aber Knell ließ sich trotz meines Stirnrunzelns nicht so schnell davon abbringen. »Ach, wir können uns doch einfach mal treffen«, sagte er augenzwinkernd. »Denn wer kann zu Elmo schon Nein sagen?«

Ich hielt mich zwar für die denkbar schlechteste Besetzung für eine Kindersendung, aber das Angebot reizte mich. Und so stimmte ich zu, ihn in der nächsten Woche in der Firmenzentrale der Sesamstraße zu einem Gespräch zu treffen – im »Workshop«, wie es unter Insidern heißt.

Der »Workshop« liegt auf der West 64th Street, Ecke Broadway. Als sich die Fahrstuhltür öffnete, fand ich mich jäh in einem anderen Universum wieder – Wände in prallen Primärfarben, von denen mich riesige gerahmte Fotografien von Bibo und Elmo anstarrten. Taufrisch aussehende Twens saßen ernst an ihren Schreibtischen, die sie mit neckischem Kinderspielzeug ausstaffiert hatten – Actionhelden aus Plastik, Gummibällen, Muppetpuppen.

Als ich diese edlen Kreuzritter der Kinderfreuden sah, fühlte ich mich sofort fehl am Platz. Auch nicht besser wurde es, als mich eine elegant gekleidete und perfekt frisierte Dame in einen Konferenzraum führte. Mit Jeans, T-Shirt und Hoodie hatte ich mich nicht gerade passend gekleidet für mein Einstellungsgespräch. Ich kam mir ziemlich idiotisch vor. Aber das ließ sich jetzt auch nicht mehr ändern. Schon schritt Knell herein, begleitet von einem hochaufgeschossenen schlanken Mann.

Ich freute mich, Knell wiederzusehen. Er stellte mir den Vice President der Abteilung Internationale Produktionen vor, der mein Vorgesetzter sein würde, sollte ich die Stelle annehmen. Wir setzten uns an einen Konferenztisch und Knell erklärte mir, dass er schon seit einiger Zeit mit seinen Kollegen versuche, die Sesamstraße nach Russland zu verkaufen. So hatte der President des Unternehmens im Januar 1992 beim Senat vorgesprochen und im Haushaltsausschuss für Auswärtiges, dessen Vorsitz Senator Biden innehatte, dargelegt, die Sesamstraße könne dazu beitragen, in Russlands postkommunistischer Gesellschaft demokratische Werte zu fördern.

Ich nickte zu allem, was er sagte, konnte mir aber nach wie vor keinen Begriff davon machen, welche Rolle ich nun bei dem Ganzen spielen sollte. Offenbar würde meine erste Aufgabe darin bestehen, einen Partner in Russland zu finden, mit dem Sesame Workshop eine russische Ausgabe der Sesamstraße produzieren könnte. Knell schmeichelte mir und erklärte glaubhaft, meine Beziehungen zum Moskauer Fernsehen wären dabei von unschätzbarem Wert.

Ich fragte ihn, ob sie nur die amerikanische Fassung synchronisieren oder eine neue Sendung produzieren wollten, was sehr teuer wäre.

Knell antwortete: »Unsere Idee ist, die Hälfte der Serie in Moskau zu produzieren und die andere Hälfte aus dem internationalen Archiv der Sesamstraße zu bespielen.«

Ich hatte meine Zweifel, ob die neue russische Regierung Geld für eine solche Sendung ausgeben würde, wo es doch so viel drängendere Probleme gab. Dann fragte ich ihn, ob er erwarte, dass das russische Staatsfernsehen die Produktion bezahle.

Da griff Knell nach der Mitschrift der Anhörung im Kongress und las aus der bewegenden Einlassung der stellvertretenden russischen Unterrichtsministerin Elena Lenskaja vor: »Unser System braucht eine neue Offenheit und Eingliederung in die globale Welt um uns herum. Unsere Kinder sind sehr lange von den anderen Kindern in der Welt abgeschnitten gewesen. Aber um miteinander kommunizieren zu können, brauchen sie etwas, das sie alle gemeinsam haben … Das sollte nicht der Terminator sein oder Rambo, was gerade [im russischen Fernsehen] zu sehen ist, sondern die Sesamstraße

Ich war beeindruckt. »Das ist großartig als Unterstützung.«

Knell warf mir ein verschmitztes Lächeln zu. »Und genau deshalb brauchen wir Sie – braucht Russland Sie.«

Ich unterdrückte ein Grinsen und wies darauf hin, dass es jede Menge Leute gebe, die Erfahrung mit Kindersendungen hätten und sich für diese Aufgabe doch viel besser eigneten. Und dass ich für meine Dokumentarfilme immer nur mit einem kleinen Team gearbeitet hätte, weil es nicht gerade zu meinen Stärken gehöre, anderen Menschen zu vertrauen.

Aber Knell fuhr einfach mit seinen Schmeicheleien fort, die mir derart peinlich waren, dass ich fast Ja gesagt hätte, nur damit er endlich den Mund hielt.

Doch da verzog der Leiter der Abteilung Internationale Produktionen, der bis jetzt noch kein Wort gesagt hatte, das Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse und erhob die Stimme. Er sei letztes Jahr in Russland gewesen und seine Gastgeber hätten ihn in ein dreckiges Hotel gesteckt, wo es nichts zu essen gab und die Fensterscheibe in seinem Zimmer gesprungen war. Er legte den Kopf schief, nach links, nach rechts und meinte: »Kein einziger Russe, mit dem ich gesprochen habe, hat sich für die Sesamstraße interessiert. Die waren alle nur auf ausländisches Geld aus.«

Ich sah, wie Knell beim nächsten Satz meines »zukünftigen Vorgesetzten« kurz das Gesicht verzog.

»Meiner Ansicht nach ist jetzt nicht der passende Zeitpunkt, um eine große Koproduktion in Russland anzuleiern«, sagte er. Er befürworte eine andere Herangehensweise: Er wollte es in Russland erst einmal langsam angehen lassen und Open Sesame zeigen, eine internationale Version der Sesamstraße, bei der sehr viel weniger Originalmaterial benötigt wurde. Zwischen den beiden Herren lag eine spürbare Spannung.

Ich wechselte das Thema und fragte, mit welchem Budget sie planten.

Knell erklärte mir, die Behörde der Vereinigten Staaten für internationale Entwicklung (USAID), der für Auslandshilfe zuständige Arm der amerikanischen Regierung, werde Sesame Workshop für die Produktion der Sesamstraße in Russland in Kürze eine größere Summe zur Verfügung stellen. Zusätzliche Gelder kämen dann noch vom russischen Staatsfernsehen oder von privaten russischen Investoren, sodass das Gesamtbudget für die Uliza Sesam zwischen 6 und 10 Millionen...

Erscheint lt. Verlag 21.11.2023
Sprache deutsch
Original-Titel Muppets in Moscow
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte aktuelles Buch • Bücher Humor • Bücher Neuererscheinung • bücher neuerscheinungen • Comedy • Culture Clash • Die Muppet Show • Fernsehen • heitere bücher • humorvolle Bücher • Kermit der Frosch • Kinder • Lustige Bücher • Moskau • Muppets in Moscow deutsch • Neuererscheinung • Neuerscheinungen • neues Buch • Osteuropa • Post Sowjetische Gesellschaft • Russland • Sesam Straße in russischem TV • Sowjetuinion • ST 5365 • ST5365 • suhrkamp taschenbuch 5365 • TV Show • witzige Bücher • Zeliboba • Zerfall • Zusammenbruch
ISBN-13 9783518777671 / 9783518777671
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