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Das doppelte Deutschland (eBook)

Eine Parallelgeschichte, 1949 - 1990
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
416 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01544-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das doppelte Deutschland -  Ursula Weidenfeld
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Vor 75 Jahren wurden zwei deutsche Staaten gegru?ndet. Ursula Weidenfeld legt eine Geschichte des doppelten Deutschland vor, wie sie so noch nicht geschrieben wurde. Bisher gibt es, zumindest in der westdeutschen Erinnerung, die Bundesrepublik (oder ganz einfach: «Deutschland») und daneben die DDR, u?blicherweise als der «zweite deutsche Staat» bezeichnet. Deren Geschichte wird immer von hinten erzählt, vom Ende her - das ist die u?bliche Strafe fu?r gescheiterte Staaten. Dagegen wird die Geschichte Westdeutschlands von Beginn an geschrieben, ihre Eckpunkte sind die Eckpunkte «Deutschlands» von der Staatsgru?ndung bis heute. Diese Sichtweise aber ignoriert das Offene in der Entwicklung beider politischer Systeme. Ursula Weidenfeld macht es deshalb anders: Sie schildert eine einzigartige Parallel- und Wettbewerbssituation, in der sich zwei Staaten wie die beiden Teile eines Magneten gleichzeitig anzogen und abstießen. Diese beiden Länder einander gegenu?berzustellen, sie miteinander und nebeneinander zu betrachten, ergibt eine neue deutsche Geschichte von 1949 bis heute. Gerade weil es keine oder nur wenige gemeinsame Erinnerungen gibt, ist das eine besondere Herausforderung. Ursula Weidenfeld stellt sich ihr und öffnet so einen neuen Blick auf das doppelte Deutschland.

Ursula Weidenfeld, geboren 1962, war u.a. Berlin-Korrespondentin der «Wirtschaftswoche» sowie Ressortleiterin Wirtschaft und stellvertretende Chefredakteurin des Berliner «Tagesspiegel». Heute arbeitet sie als freie Journalistin, als Kolumnistin und Kommentatorin fu?r Verlage, Fernseh- und Hörfunksender. 2007 wurde Weidenfeld mit dem Ludwig-Erhard-Preis ausgezeichnet. 2017 erschien «Regierung ohne Volk», 2021 die Merkel-Biographie «Die Kanzlerin», die monatelang auf der «Spiegel»-Bestsellerliste stand.

Ursula Weidenfeld, geboren 1962, war u.a. Berlin-Korrespondentin der «Wirtschaftswoche» sowie Ressortleiterin Wirtschaft und stellvertretende Chefredakteurin des Berliner «Tagesspiegel». Heute arbeitet sie als freie Journalistin, als Kolumnistin und Kommentatorin für Verlage, Fernseh- und Hörfunksender. 2007 wurde Weidenfeld mit dem Ludwig-Erhard-Preis ausgezeichnet. 2017 erschien «Regierung ohne Volk», 2021 die Merkel-Biographie «Die Kanzlerin», die monatelang auf der «Spiegel»-Bestsellerliste stand.

Einleitung: Die eine und die andere Geschichte


Vierzig Jahre lang gab es zwei deutsche Staaten, fast genauso lang sind sie jetzt vereint. Aber noch immer sind «ostdeutsch» und «westdeutsch» besondere Begriffe. Sie gehören nicht nur zur Geographie, sondern sind politisch aufgeladen. Sie bezeichnen Identität, transportieren Vorurteile, politische und persönliche Prägungen. Die getrennte Geschichte scheint vielfach stärker zu sein als die vereinte.

Den Ton der deutsch-deutschen Geschichtsdebatte hatte 2021 jemand gesetzt, von der man es nicht erwartet hätte: «Müssen nicht Menschen meiner Generation und Herkunft aus der DDR die Zugehörigkeit zu unserem wiedervereinigten Land auch nach drei Jahrzehnten Deutscher Einheit gleichsam immer wieder neu beweisen, so als sei die Vorgeschichte, also das Leben in der DDR, irgendwie eine Art Zumutung?»[1] So fragte Angela Merkel am 3. Oktober 2021 bei der Einheitsfeier in Halle. Ausgerechnet Merkel, die das Land als Ministerin, Parteivorsitzende, Bundeskanzlerin dreißig Jahre lang geprägt hat wie niemand sonst. Auch sie teilt das Lebensgefühl vieler Ostdeutscher, «als zähle dieses Leben vor der Deutschen Einheit nicht wirklich». Mit dieser Einschätzung und Selbstwahrnehmung ist sie nicht allein, wie nicht zuletzt der Erfolg von Büchern belegt, die die dauerhafte Benachteiligung und Diskriminierung Ostdeutscher im Berufsleben beklagen und für einen neuen Blick auf die DDR und ihre Geschichte streiten.[2]

Woher kommt das? Kann es sein, dass sich so viele Menschen, die wie Merkel ein erfolgreiches Leben in dem vereinten Deutschland vorzuweisen haben, derart zurückgesetzt fühlen? Wer ist dafür verantwortlich? Wird tatsächlich in Westdeutschland bestimmt, wer «geborene» und wer «angelernte Bundesdeutsche und Europäerin» ist, wie es der Journalist Thomas Schmid der Kanzlerin am Ende ihrer Amtszeit hinterherrief?[3] Oder kann die Bevölkerung der östlichen Bundesländer nur dem Meckermodus der DDR nicht entkommen? Versperrt Nostalgie den klaren Blick auf die eigene Geschichte? Ist die Geschichte der beiden deutschen Staaten zwischen 1945 und 1990 so unterschiedlich gewesen, dass sie das Zusammenleben bis heute prägt und Verständigung schwer macht? Hat die Revolutionserfahrung die Bürger Ostdeutschlands der Demokratie und dem Staat gegenüber einfach nur mitleidloser werden lassen, wenn es darum geht, die Defizite des Gemeinwesens anzuprangern? Diese Fragen sind das Thema dieses Buchs.

 

Die Geschichte Deutschlands seit dem Zweiten Weltkrieg wird normalerweise so erzählt: Das Land war von 1949 bis 1990 geteilt. Es existierten zwei Staaten, die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik (DDR). Das eine Land gehörte dem westlichen Bündnis an, das andere dem Warschauer Vertrag. Das eine war erfolgreich, das andere nicht so sehr. Die Regierenden und die Bürger beider Länder beäugten einander feindselig, sie verglichen sich, maßen das Eigene am jeweils anderen. Eine Zeit lang wünschten sie sich, vereinigt zu werden. Nach und nach aber verlor sich dieser Wunsch bei den meisten. Man ging seiner Wege. Bis zum Mauerfall.

1990 ging die DDR unter. Ihre Geschichte wird von hinten erzählt, vom Ende zurück in die kurze Geschichte – das ist die übliche Strafe für gescheiterte Staaten (die Weimarer Republik ist ein weiteres eindrucksvolles Beispiel dafür). Im Rückblick betrachtet, erscheint ihr Verfall logisch und unausweichlich. Den Nachfahren präsentiert sich die DDR als historische Episode, die sich erledigt hat.

Nicht einmal die friedliche Revolution von 1989 genießt den Rang eines identitätsstiftenden nationalen Ereignisses,[4] wie etwa die amerikanische Unabhängigkeitserklärung am 4. Juli 1776 oder der Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 in Paris. Die Nationalfeiertage der wichtigsten Verbündeten gedenken mutiger Aufständischer und erfolgreicher Rebellen. Der deutsche 3. Oktober 1990 dagegen feiert die gemanagte Revolution, den offiziellen Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland. Als «Tag der Deutschen Einheit» passt dieser Verwaltungsakt geschmeidiger in einen gesamtdeutschen Feiertagskalender als die Montagsdemonstration in Leipzig am 9. Oktober 1989, deren Teilnehmer noch fürchten mussten, von den Einheiten der Volkspolizei und Armee misshandelt und verhaftet zu werden. Oder die Großkundgebung in Berlin am 4. November. Oder der Mauerfall am 9. November (der sich aus anderen Gründen als Feiertag verbietet).

Westdeutschland dagegen kann Anspruch auf vollständige Betrachtung und umfangreiche Würdigung seines schönen Werdegangs erheben. Seine Geschichte wird von Beginn an chronologisch erzählt und fortgeschrieben, von der Staatsgründung bis heute. Der Blick auf diese Geschichte ist gnädig: Denn er bestimmt nicht nur die Position des Landes in der Vergangenheit, er legitimiert auch seine Gegenwart. Es ist dieser Faden, der nach 1990 weitergesponnen wird. Heute beansprucht er Gültigkeit für West- und Ostdeutschland.

Diese Art, Geschichte zu schreiben, ignoriert das jahrzehntelang Offene in der Entwicklung beider politischer Systeme. Sie muss sich zwar nicht vorhalten lassen, eine «geschichtliche Ausgrenzung der Ostdeutschen»,[5] eine «Geschichtsschreibung von Siegern»[6] zu sein, was von einigen Historikern aus der damaligen DDR vertreten wird. Aber sie unterschätzt die Verflechtungen, die Bedeutung der Systemkonkurrenz. Sie vergibt die Chance, eine einzigartige Parallel- und Wettbewerbssituation zu schildern, und sie leugnet die Herausforderung, sich einer gemeinsamen Geschichte zu stellen, in der es über vierzig Jahre keine oder nur wenige geteilte Erinnerungen gibt.

Wer die Geschichte der DDR nur von ihrem Ende her betrachtet, vernachlässigt diese Aspekte – und überzeichnet auf der anderen Seite die Eigenständigkeit der westdeutschen Geschichte. Ja, ohne die Sowjetunion hätte es die DDR nicht gegeben. Ohne die USA hätten aber auch die drei Westzonen keinen Staat gebildet, möglicherweise auch keine Zukunft in Freiheit und Wohlstand gehabt. Beide deutsche Staaten entwickelten sich als Frontstaaten im Schatten des Kalten Krieges. Die Geschichte der beiden Republiken ist eine doppelte Geschichte, von zwei Staaten, die stets aufeinander bezogen waren.

Westdeutschland hatte aus verschiedenen Gründen mehr Glück – es erwischte einfach den besseren Part: die bessere wirtschaftliche Ausgangssituation, das erfreulichere und effizientere politische System, eine ordentliche Währung, liberale Wirtschaftspolitik, kaum Demontagen durch die Siegermächte. Der Koreakrieg ermöglichte die unerwartet schnelle Integration der westdeutschen Besatzungszonen in das westliche Bündnis und legte den Grundstein für den ökonomischen Aufschwung. Wegen des Kriegs in Asien wuchs zu Beginn der fünfziger Jahre die Nachfrage nach Eisen und Stahl, Maschinen und Industrieprodukten so sprunghaft, dass man auf die verachteten Deutschen (West) nicht verzichten konnte und wollte. Dafür nahmen alle Beteiligten die Teilung Deutschlands in Kauf.

Ostdeutschland, die Sowjetische Besatzungszone, dagegen hatte Pech. Es war der Verlierer der Systemkonkurrenz zwischen Ost und West – mit Folgen, die bis heute nachwirken: «Die extreme, willkürliche Ungleichverteilung dieser Lasten [des Krieges] ist eines der Grundprobleme jener deutschen Geschichte, die mit dem 8. Mai 1945 begann.»[7] Zerstörung, Demontagen, Enteignungen und Kollektivierung der DDR-Wirtschaft verzögerten und behinderten den ökonomischen Wiederaufstieg und schufen ein deutlich weniger leistungsfähiges wirtschaftliches System. Die Flucht Hunderttausender Ostdeutscher nach Westen und der Einfluss westlicher Medien ließen die Fortschritte der DDR klein und grau erscheinen. Staatliche Repression, Überwachung und Kontrolle engten die Handlungsspielräume von Künstlern, Wissenschaftlern, Unternehmern, Professoren und Lehrern ein oder eliminierten sie ganz. Die DDR beanspruchte, das «bessere Deutschland» zu sein. Politisch kam sie dem eigenen Platz in den Geschichtsbüchern im Lauf der Zeit immer näher. Doch wenn es um Freiheitsrechte und Wohlstand ging, verpasste sie die eigenen Ziele gleichzeitig für alle erkennbar immer deutlicher.

Und dennoch konnte selbst Mitte der achtziger Jahre niemand wissen, dass die DDR im Herbst 1989 unter Druck geraten, sich im November öffnen und im Oktober 1990 dem westdeutschen Staatsgebiet anschließen würde. Theo Sommer kam als Chefredakteur der Hamburger Wochenzeitung «Die Zeit» nach einer DDR-Reise im Jahr 1986 zu dem Schluss: «Bundesrepublik hüben und Deutsche Demokratische Republik drüben werden auf einige Zeit Deutschlands Gegenwart bleiben.»[8] Die DDR schien bis kurz vor der friedlichen Revolution ein stabiles Land mit einer eigenständigen sozialistischen Zukunft zu sein, ebenso wie der Westen des Landes der eigenen selbstbewusst entgegensah. «Und wer auch wollte glauben», schrieb Willy Brandt im Frühjahr 1989, «eines Tages vollziehe sich der Anschluss der DDR an die Bundesrepublik, und das sei’s dann?»[9]

Weil die DDR am 3. Oktober 1990 genau das tat, nämlich dem Geltungsbereich des westdeutschen Grundgesetzes beizutreten, reduzierte sich das Verständnis gültiger...

Erscheint lt. Verlag 30.1.2024
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Zeitgeschichte ab 1945
Schlagworte Bestsellerautorin • BRD • DDR • Deutsche Geschichte • Deutschland • Diktatur • Emanzipation • Erich Honecker • Helmut Kohl • Konrad Adenauer • Marktwirtschaft • Mauer • Ostberlin • Ostdeutschland • Politik • Sozialismus • Staatsgründung 1949 • Teilung • Verfassung BRD • Verfassung DDR • Walter Ulbricht • Westberlin • Westdeutschland • Willy Brandt
ISBN-10 3-644-01544-9 / 3644015449
ISBN-13 978-3-644-01544-9 / 9783644015449
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